,,Die Frage nach dem Gebietsumfang des Reiches war die deutsche Verfassungsfrage schlechthin"1, so beginnt Huber die Beschreibung der Ereignisse zur österreichischen Frage in der Paulskirche. Die Abgeordneten standen vor umfangreichen Problemen. Nie zuvor war versucht worden, eine Verfassung für einen deutschen Staat auszuarbeiten. Infolgedessen waren auch noch nie Überlegungen zum Gebietsumfang eines solchen Reiches getätigt worden: Welche Gebiet waren überhaupt ,,deutsch"? Wie sollte man entscheiden? Nach dem Nationalitätenprinzip oder nach der Devise ,,im Zweifel für Deutschland"2? Im Falle Österreichs verhielt sich die Beantwortung dieser Fragen noch diffiziler: Hier standen sich diverse Bevölkerungsgruppen gegenüber, die teilweise selbst im Frühjahr 1848 an die Verwirklichung eigener Nationalstaaten gingen.
In den ersten Wochen ihres Bestehens stand die Nationalversammlung noch vor günstigen Prämissen, aus eigener Kraft an die Realisation eines deutschen Gesamtstaates nach den Vorstellungen der Abgeordneten zu gehen; die Revolution war noch in vollem Gange und die Bevölkerung unterstützte die Arbeit der Nationalversammlung. Mit der Zeit wendete sich indes das Blatt zu Gunsten der alten Mächte. Die Gegenrevolution siegte in Wien und Berlin und die neu eingesetzten - natürlich konservativen - Regierungen konnten nun dem Parlament in Frankfurt ihren Stempel aufdrücken.
Die vorliegende Arbeit beschreibt zunächst (Punkte 2 und 3) die Voraussetzungen für die Parlamentsdebatte bezüglich des Gebietsumfanges des Reiches im Herbst 1848. Die Entfaltung der Gegenrevolution wird beleuchtet.
In Punkt 3 werden dann die Vorstellungen der Abgeordneten, wie auch der Öffentlichkeit, im Hinblick auf die österreichische Frage eruiert. Hieran soll sich nun die Darstellung einer Entwicklung anschließen: Beginnend bei den durchweg großdeutschen Vorstellungen im Frühjahr 1848 bis hin zur Akzeptanz des real gegebenen Spielraumes, der durch die Gegenrevolution arg beschnitten wurde, und dem Beschluss der kleindeutschen Lösung im Frühjahr 1849 (Punkt 4).
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1 Huber (S. 796)
2 Schulze (S. 91)
3 so beispielsweise bei Mommsen (1998), Langewiesche (1993), Botzenhart (1998), Siemann (1985). (Die ausführlichen Literaturangaben finden sich in der Bibliographie am Ende der Arbeit).[...]
Inhaltsverzeichnis
- DAS THEMA UND SEINE EINGRENZUNG
- DIE ENTWICKLUNG DER GEGENREVOLUTION SETZT „VOLLENDETE TATSACHEN\" (OKTOBER-DEZEMBER 1848) - REALPOLITISCHE VORAUSSETZUNGEN FÜR DIE SPÄTEREN VERHANDLUNGEN IN DER PAULSKIRCHE
- Die Gegenrevolution in Österreich
- Die Gegenrevolution in Preußen
- DIE VORSTELLUNGEN IM FRÜHJAHR UND SOMMER 1848
- Überlegungen von Abgeordneten
- Die Vorstellungen in Flugschriften und Zeitungen
- DIE VERHANDLUNGEN ZUR ÖSTERREICHISCHEN FRAGE IN DER NATIONALVERSAMMLUNG
- Der Vorschlag des Verfassungsausschusses (Oktober 1848)
- Die Debatte um die Paragraphen 1 bis 3 der Verfassung
- Veränderte Vorzeichen: Die Erklärung von Kremsier und die Reaktion der Nationalversammlung
- Heinrich von Gagerns Konzept eines Doppelbundes
- Schwarzenbergs Konzept eines „Siebzig-Millionen-Reiches”
- Die Nationalversammlung nähert sich der kleindeutschen Lösung an.
- Die Fraktionsumschichtungen innerhalb der Paulskirche
- Die Debatte um die Doppelbund-Idee Gagerns (Dezember 1848 bis Januar 1849)
- März 1849: Die endgültige Durchsetzung der kleindeutschen Lösung
- Der Simon-Gagern-Pakt und die Folgen
- DIE DEBATTEN UM DIE ÖSTERREICHISCHE FRAGE: BEITRAG ZUM SCHEITERN DER NATIONALVERSAMMLUNG
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit befasst sich mit den außenpolitischen Vorstellungen der deutschen Abgeordneten während der Revolution von 1848/49. Im Mittelpunkt steht die Frage nach der Einbeziehung Österreichs in ein geeintes Deutschland, wobei insbesondere die Auseinandersetzung zwischen der „großdeutschen“ und der „kleindeutschen“ Lösung im Fokus steht. Die Arbeit beleuchtet die Entwicklung der Gegenrevolution in Österreich und Preußen und deren Einfluss auf die Verhandlungsprozesse in der Frankfurter Nationalversammlung.
- Die Rolle der Gegenrevolution in Wien und Berlin für die späteren Verhandlungen in der Paulskirche
- Die unterschiedlichen Vorstellungen der Abgeordneten und der Öffentlichkeit zur österreichischen Frage im Frühjahr und Sommer 1848
- Die Debatte um die „großdeutsche“ und die „kleindeutsche“ Lösung im Kontext der Verfassungsdebatten in der Paulskirche
- Der Einfluss von Fraktionsumschichtungen und politischen Taktiken auf die Entwicklung der Verhandlungen
- Die Bedeutung der österreichischen Frage für das Scheitern der Nationalversammlung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, in der das Thema und seine Eingrenzung definiert werden. Anschließend wird die Entwicklung der Gegenrevolution in Österreich und Preußen analysiert, die maßgeblich den späteren Verlauf der Verhandlungen in der Paulskirche beeinflusste. Kapitel 3 beleuchtet die unterschiedlichen Vorstellungen der Abgeordneten und der Öffentlichkeit zur österreichischen Frage im Frühjahr und Sommer 1848, bevor Kapitel 4 die Debatten in der Nationalversammlung im Herbst 1848 und Frühjahr 1849 im Detail beschreibt. Die Arbeit endet mit einer Schlussfolgerung, die die Bedeutung der österreichischen Frage für das Scheitern der Nationalversammlung beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen der Revolution von 1848/49, insbesondere der deutschen Frage, der österreichischen Frage, der Nationalversammlung, der Paulskirche, der „großdeutschen“ und der „kleindeutschen“ Lösung, der Gegenrevolution, den Verfassungsdebatten und den politischen Taktiken der verschiedenen Fraktionen.
- Quote paper
- Tobias Wagner (Author), 2001, Die außenpolitischen Vorstellungen der 1848er: großdeutsche oder kleindeutsche Lösung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7741