In demokratischen Gesellschaften gelten freie Medien als schlechthin konstituierend für das politische System. Sie sollen wahrheitsgemäß, umfassend und ausgewogen informieren, einen pluralen Meinungsmarkt herstellen und damit den Meinungs- und Willensbildungsprozess der Bürger in Gang setzen. Es muss daher das erklärte Ziel der Medien sein, die Bürger zu befähigen, etwas zu sehen, zu wissen und zu verstehen. Erst dann tragen Medien dazu bei, die Gesellschaft „aufzuklären“. An einen aufklärerischen Journalismus stellt daher z.B. das ZDF folgende Anforderungen: Er soll u.a. den Zuschauer objektiv informieren, zum kritischen Denken ermutigen und zum Gespräch anregen sowie die eigene Urteilsbildung des Zuschauers ermöglichen.
Doch können die Medien, insbesondere das Fernsehen, dieser Aufgabe noch gerecht werden? Werden der „objektive Überblick über das Weltgeschehen“ (ZDF Schriftenreihe 1992: 44), Wahrheitstreue und Sachlichkeit nicht vielmehr durch mediengerechte Inszenierung von Politik und durch ökonomische Zwänge in den Hintergrund gedrängt?
Dieses Buch soll einen theoretischen Überblick darüber geben, was die Aufklärung im Fernsehen behindert. Aufgrund der Fülle verschiedener Aspekte im Bereich Politik beschränkt sich die Betrachtung auf die Beziehungen zwischen Journalisten und Politiker sowie auf die politische Öffentlichkeitsarbeit. Im zweiten Kapitel wird näher auf die wirtschaftlichen Zwänge eingegangen, welche der Aufklärung durch das Fernsehen entgegenstehen können. Im Anschluss daran befasst sich Kapitel drei mit dem Spezialfall Krieg und seine Auswirkungen auf die journalistische Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Politik und Medien
1.1 Journalisten und Politiker – Eine symbiotische Beziehung?
1.2 Behindert politische Öffentlichkeitsarbeit den aufklärerischen Journalismus?
2. Wirtschaft und Medien
3. Medien und Krieg
4. Fazit
Bibliografie
Einleitung
In demokratischen Gesellschaften gelten freie Medien als schlechthin konstituierend für das politische System. Sie sollen wahrheitsgemäß, umfassend und ausgewogen informieren, einen pluralen Meinungsmarkt herstellen und damit den Meinungs- und Willensbildungsprozess der Bürger in Gang setzen. Es muss daher das erklärte Ziel der Medien sein, die Bürger zu befähigen, etwas zu sehen, zu wissen und zu verstehen. Erst dann tragen Medien dazu bei, die Gesellschaft „aufzuklären“. An einen aufklärerischen Journalismus stellt daher z.B. das ZDF folgende Anforderungen: Er soll u.a. den Zuschauer objektiv informieren, zum kritischen Denken ermutigen und zum Gespräch anregen sowie die eigene Urteilsbildung des Zuschauers ermöglichen.
Doch können die Medien, insbesondere das Fernsehen, dieser Aufgabe noch gerecht werden? Werden der „objektive Überblick über das Weltgeschehen“ (ZDF Schriftenreihe 1992: 44), Wahrheitstreue und Sachlichkeit nicht vielmehr durch mediengerechte Inszenierung von Politik und durch ökonomische Zwänge in den Hintergrund gedrängt?
Dieses Buch soll einen theoretischen Überblick darüber geben, was die Aufklärung im Fernsehen behindert. Aufgrund der Fülle verschiedener Aspekte im Bereich Politik beschränkt sich die Betrachtung auf die Beziehungen zwischen Journalisten und Politiker sowie auf die politische Öffentlichkeitsarbeit. Im zweiten Kapitel wird näher auf die wirtschaftlichen Zwänge eingegangen, welche der Aufklärung durch das Fernsehen entgegenstehen können. m Anschluss daran befasst sich Kapitel drei mit dem Spezialfall Krieg und seine Auswirkungen auf die journalistische Arbeit.
1. Politik und Medien
Medien und Politik können jeweils als autonom agierende Systeme verstanden werden. Dennoch sind sie gegenseitig aufeinander angewiesen. Die Politik nutzt die Medien zur Vermittlung ihrer Ideen, Ziele und Inhalte. Im Gegenzug erhalten die Journalisten für die Berichterstattung Informationen über das politische System und über dessen Akteure. In einer komplexen und ausdifferenzierten Gesellschaft spielen die Medien eine immer bedeutendere Rolle bei der Wissens- und Informationsvermittlung. Bürger informieren sich nahezu ausschließlich via Massenmedien über Kanzlerkandidaten, politische Inhalte von Parteien und über politische Ereignisse. Sie sind demnach auf eine sachliche und wahrheitsgemäße Berichterstattung angewiesen, um an dem demokratischen Willensbildungsprozess teilnehmen zu können. Letztendlich bildet diese die Grundvoraussetzung für das Funktionieren demokratischer Gesellschaften. Dieses Potential haben auch die politischen Akteure erkannt. Sie nutzen die Presse und das Fernsehen verstärkt als Plattform, auf der sie sich selbst und ihre Politik präsentieren. Solange dabei Sachthemen und tatsächliches politisches Handeln im Vordergrund stehen, erfüllen beide Systeme ihre Informationspflicht gegenüber dem Bürger. Darüber hinaus kann der Journalismus u.a. durch eine kritische Recherche zu einem umfangreicheren Wissen über politische Zusammenhänge in der Bevölkerung beitragen. In den letzten Jahrzehnten ist jedoch zu beobachten, dass Politik immer stärker als Ereignis inszeniert wird und oftmals nicht das tatsächliche politische, sondern nur das symbolische Handeln von Politikern im Mittelpunkt der Medienberichterstattung steht. Zugespitzte Aussagen, gut visualisierbare und personalisierte Ereignisse verdrängen komplexe politische Sachthemen. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang von der „Mediatisierung der Politik“
(Oberreuter 1989:), von „Mediokratie“ (Donsbach 1995) bzw. „Mediendemokratie“ (Meyer 2002) gesprochen. Allgemein beschreiben die drei Begriffe „die Unterwerfung der Politik unter die Eigengesetzlichkeiten der Medien“ (Oberreuter 1989). Meyer (2002:7) versteht darunter, dass „die politischen Akteure das Mediensystem beobachten, um von ihm zu lernen, was sie und wie sie sich präsentieren, um auf der Medienbühne einen sicheren Platz zu gewinnen“. Als Folge dieser Entwicklung kann u.a. „eine weitgehende Überlagerung – anstatt der früheren Trennung – der beiden Systeme Politik und Medien“ (Meyer 2002:7) angeführt werden. Des Weiteren gewinnt im Zuge dieses Trends die politische und staatliche Öffentlichkeitsarbeit an Bedeutung. Politiker und staatliche Institutionen engagieren dafür in immer stärkerem Maß professionelle PR-Agenturen. Professionelles Issue-Management scheint dann die mediale Präsenz zu garantieren.
Im Folgenden werden daher die Beziehung zwischen Politik und Medien sowie die Aspekte Öffentlichkeitsarbeit und PR-Agenturen näher betrachtet.
1.1 Journalisten und Politiker – Eine symbiotische Beziehung?
Idealtypisch gesehen, ist es wichtig, dass eine enge Wechselwirkung zwischen Politik und Medien besteht. Politische Beschlüsse, Absichten und Ideen gelangen heutzutage nahezu ausschließlich über die Medien an die breite Öffentlichkeit. Das politische System ist daher auf die umfassende „Transportfunktion“ sowie auf die „Multiplikator- und Akzeleratorwirkungen“ (Wittkämper 1992:5) der Medien angewiesen. Des Weiteren lancieren Politiker Themen und Vorschläge zu Problemlösungen gezielt in den Medien, um die Reaktionen darauf bei den Bürgern zu testen.
Andererseits erfährt die Politik meist aus den Massenmedien über die Bedürfnisse, Meinungen und Themen, die die Bürger als wichtig erachten. So machen Presse und Rundfunk über gesellschaftliche oder politische Mißstände aufmerksam und geben Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten (vgl. Wittkämper 1992:5). Dadurch kann den Medien eine Innovationsfunktion für das politische System zugeschrieben werden. Journalisten tragen mit ihrer Berichterstattung neue oder zusätzliche Wertmaßstäbe, Tatsachen und bestimmte Präferenzen aus der Bevölkerung an Politiker heran, die auf diese Erkenntnisse in der Folge reagieren werden. Gleichwohl sind auch die Journalisten auf das politische System angewiesen. Sie benötigen dieses als vorrangige Informationsquelle für ihre Berichterstattung. Daraus resultiert eine gegenseitige Abhängigkeit der beiden Systeme, die idealiter autonom voneinander agieren sollten. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang von „einer Art Tauschverhältnis“ (Sarcinelli 1992:46), von „Produktionsgemeinschaften“ (Jarren/Donges 2002) oder kritischer von Kumpaneijournalismus (Weischenberg 1989:43) und einer „fragwürdigen Symbiose“ (Saxer 1998: 65) gesprochen.
Dichte Beziehungen und Interdependenzen entstehen vor allem dadurch, dass Journalisten und Politiker oftmals komplementäre Interessen verfolgen. Die politischen Akteure versuchen für sich und ihre Politik eine günstige Publizität zu erzielen, um so für ihr Handeln zu werben. Eine positive Vermittlung von politischen Entscheidungen ist für die politische Klasse auch in Hinblick auf die nächsten Wahlen von großer Bedeutung. Ihr Ziel ist es folglich, „ihre Themen und Problemdeutungen möglichst optimal und zum richtigen Zeitpunkt“ (Jarren/ Donges 2002) in den Medien zu lancieren. Um erfolgreich auf die Themenagenda einzuwirken, scheint es nicht nur hilfreich, Themen nach den journalistischen Selektions- und Darstellungskriterien auszuwählen und aufzubereiten. Vielmehr sind zahlreiche Kontakte, enge Beziehungen und Nähe zu Journalisten von großer Bedeutung. Dadurch lässt sich die Berichterstattung über Politik und über deren Akteure verlässlicher und berechenbarer mitgestalten. Außer einer positiven Berichterstattung versprechen sich Politiker von einer solchen Kontaktpflege auch, „dass zu kritisierende Vorgänge nicht allzu kritisch beleuchtet werden“ (Müller, A. 1999).
Auf der anderen Seite profitieren auch die Korrespondenten von diesen Kommunikationsgemeinschaften. Ergiebige Informationsquellen spielen für sie bei der täglichen Berichterstattung eine wichtige Rolle. Sie sind erst dadurch in der Lage, Nachrichten zu produzieren und ihrer Informationspflicht nachzukommen. Journalisten sind demzufolge bestrebt, Zugang zu hochrangigen politischen Akteuren und zu exklusiven Informationen zu erhalten. Beides gilt zudem als höchstes Gut im Konkurrenzkampf zwischen einzelnen Medien und Journalisten. Daraus resultiert eine ideale Basis für „Gegengeschäfte“ (Saxer 1998:65) und „Tauschverhältnisse“ (Sarcinelli 1992:46). Die Beziehung zwischen Medienvertretern und Politikern lässt sich daher mit zwei Branchen vergleichen, die auf die Zulieferung des jeweils anderen angewiesen sind. (vgl.:Sarcinelli 1992:46). Publizität und Information werden demnach als eine Art Ware gehandelt.
Informelle Kontakte zwischen den beiden Systemen spielen ebenfalls eine bedeutende Rolle. Neben formellen Ereignissen, wie z.B. Bundes- oder Landespressekonferenzen, bei denen sich Politiker und Journalisten als eine Art Gegenspieler gegenüber sitzen und damit Distanz wahren, existieren an den meisten politischen Entscheidungsorten sogenannte „Clubs“, „Kreise“ oder „Foren“, in denen vertrauliche Informationen weitergegeben werden[1]. Die Initiative zu solchen Treffen geht meist von der politischen Klasse und seltener von den Journalisten aus. Dennoch ermittelte Pfetsch (2002:161), dass Politiker als auch Journalisten diesen Zirkeln und Hintergrundskreisen große Bedeutung beimessen. Im Ergebnis können informelle Gesprächskreise als „eigentlicher Ort der Interaktion gelten, bei dem es sowohl für politische Sprecher als auch für Journalisten um das politische Medien-Agenda-Setting geht“(ebd.). Während Medienvertreter häufig auf vertrauliche und interne Informationen hoffen, die sie auf dem normalen Weg der Recherche nicht erhalten würden, dienen Politikern solche Runden und Hintergrundgespräche mit einzelnen Journalisten zum Prüfen politischer Argumente und Überlegungen. Die Journalisten fungieren dabei als sachverständige Gesprächspartner und können möglicherweise die öffentliche Wirkung abschätzen. Des Weiteren sind die Korrespondenten für die politische Elite interessant, wenn sie formal hohe Positionen (z.B. Chefredakteur, Verleger) begleiten und dadurch die politische Linie der Berichterstattung beeinflussen bzw. vorgeben können. Das trifft gleichfalls auf renommierte politische Kommentatoren zu. Ihre Einschätzungen und Analysen erzielen bei dem breiten Publikum wie bei den Eliten hohe Beachtung. Derartige vertrauliche Unterhaltungen bieten die Möglichkeit, bisher verborgen gebliebene Zusammenhänge offen zu legen und für eigene politische Standpunkte und Interessen zu werben. Wie wichtig derartige Zusammentreffen für Politiker sind, zeigt ein Zitat von Altbundeskanzler Schmidt (1996:217): „Am wichtigsten waren freilich die persönlichen Gespräche mit (...) Journalisten, von den ich viel erfahren und gelernt habe. Im Laufe einer Woche ergab sich stets die eine oder andere Gelegenheit zum Meinungsaustausch unter vier Augen, und dabei konnte ich mich nicht nur auf die Kenntnisse und Urteilskraft meiner Gesprächspartner verlassen, sondern auch auf ihre Diskretion“. Natürlich birgt eine solche Vertrautheit zwischen Politikern und Journalisten Risiken und bringt Probleme mit sich.
So stehen Journalisten nach jedem Hintergrundgespräch vor der Schwierigkeit, herauszufinden, ob der Politiker sie nun aufklären, desinformieren, einweihen oder einspannen wollte. Sobald die Beziehung so eng ist, dass der Journalist als Vertrauter des Politikers gilt, und dadurch Sonderinformationen und Zugang zu weiteren Spitzenpolitikern erhält, besteht die Gefahr des Kumpaneijournalismus. Medienvertreter nehmen in der Folge stärker Rücksicht auf die Interessen des Informanten als dem Informationsanspruch der Öffentlichkeit gerecht zu werden (vgl.: Meyn 1999). Saxer (vgl.1992:137) konnte in seiner Studie über Schweizer Abgeordnete feststellen, dass enge berufliche und private Kontakte zwischen Medienvertretern und Politikern nicht ohne Folgen bleiben. Demnach nehme mit zunehmender Akkreditierungsdauer die Orientierung an den Quellen zu und die am Publikum ab. Es lässt sich eine Art Symbiose der beiden Systeme beobachten. Ähnlich schätzt auch Schulz (1997:68) diese informellen Beziehungen und gewährten Belohnungen (wie z.B. Freiflüge zur Begleitung von Politikern bei Auslandsreisen) ein: „Die Berichte in den Medien haben dann praktisch nur noch eine einzige Quelle, zumindest führt die ständige Interaktion und Koorientierung der Journalisten zu stark homogenisierter Berichterstattung“.
Darüber hinaus haben die politischen Akteure die Möglichkeit durch die Gewährung von Exklusivität, Einfluss auf die Medienberichterstattung zu nehmen und sich für eventuelle Krisensituationen Vorteile in der späteren Berichterstattung zu verschaffen. Aufgrund der dicht geknüpften Beziehungsnetze zwischen politischen Akteuren und Medienvertretern entwickelt sich das normativ vorgegebene hohe Maß an Distanz zu einer starken menschlichen Nähe (vgl.: Müller, A. 1999). Journalisten werden zu Vertrauten der Politiker. Diese wechselseitige Verflechtung basiert auf einem informellen, beiderseitig akzeptierten Verhaltenskodex. Dessen Einhaltung gilt als Bedingung für das Funktionieren des Tauschverhältnisses. Allerdings geben dabei die Medien ihre Position als Antagonist mit Kritik- und Kontrollmöglichkeiten gegenüber dem politischen System zugunsten der Harmonie auf (vgl. Sarcinelli 1992:47). Während diese Annäherung – fachlich wie auch menschlich - für Politiker generell als legitim angesehen wird, ist sie für die Medienvertreter problematisch. Sie sind zwar an einer möglichst intensiven Beziehung interessiert, doch normativ bleibt ihnen eine allzu enge Vertraulichkeit verwehrt. Denn ansonsten können sie weder das politische System effektiv kritisieren noch kontrollieren. Folglich befinden sich Journalisten in einem ständigen Dilemma zwischen Nähe und Distanz. Der Korrespondent Martin Süsskind (1989:10) beschreibt dieses Problem wie folgt: „Wer Nähe schafft, zensiert sich – wer Distanz hält, erfährt nichts“.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass aufgrund derartiger symbiotischer Beziehungen die Transparenz und das in Demokratien erwartete Wechselspiel zwischen kritischen Medienvertretern und den auf Legitimation angewiesenen Politikern in den Hintergrund gedrängt werden. Kritisches Hinterfragen sowie eine aufklärerische Analyse und Beobachtung des Zeitgeschehens verlieren an Bedeutung. Müller (1999) resümiert über den Bundestagswahlkampf 1998 daher wie folgt: „So werden Medien eher zu Lautsprechern und zu Umsetzern der Kampagnen (…) denn zu kritischen Be- und Hinterfragern.“
Inwieweit diese wechselseitigen Verflechtungen Politik und Medien beeinflussen, bleibt unklar, da die Wechselwirkungen zwischen Journalisten und Politikern kaum empirisch nachweisbar sind. Beide Systeme haben kein Interesse daran, ihre informellen Arrangements transparent zu machen. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass den politischen Akteuren nicht daran gelegen ist, die schwierige Situation der Journalisten andauernd und offenkundig auszunutzen. Der Verlust an Glaubwürdigkeit bei Journalisten und Medien würde in der Folge auch auf die politische Klasse abfärben (vgl.: Jarren/ Donges 2002). Gerade in einem Mediensystem, in dem Konkurrenz herrscht, können zu intensive Gemeinschaften zwischen einzelnen Medienvertretern und Politikern von anderen Korrespondenten aufgedeckt und öffentlich gemacht werden. Freilich sind im Einzelfall Formen von Instrumentalisierung möglich, diese ziehen jedoch bei Bekanntwerden erhebliche Folgen, wie Politikverdrossenheit oder Glaubwürdigkeitsverluste, für beide Systeme nach sich. Zudem lassen sich im Gegenzug auch immer wieder einzelne Beispiele anführen, bei denen Medien (insbesondere der Magazinjournalismus) kontrollierend und folgenreich in die Politik eingreifen konnten. Allerdings, so Sarcinelli (1992:47) sei das keineswegs charakteristisch für den „Politikvermittlungsalltag“. Als Indikatoren für diese Sichtweise führt er zahlreiche Studien an, die die Häufigkeit und die Intensität der Kontakte zwischen Journalisten und Politikern untersucht haben. So stellten Jarren/ Grothe/ Rybarczyk (1993) fest, dass die meisten Abgeordneten des Deutschen Bundestages Journalisten zu ihrem engeren Bekanntenkreis zählen und regelmäßig informelle Kontakte zu ihnen pflegen. Bereits 1981 gaben 85 Prozent der Bundestagsabgeordneten an, dass Medienvertreter zu ihrem festeren sozialen Umfeld gehören (vgl. Kepplinger/ Fritsch 1981). Würzburg/ Puhle (1989) zeigten in ihrer Analyse, dass 49 Prozent der Abgeordneten einmal wöchentlich allgemeinen Kontakt mit Journalisten haben. Die beiden Autoren gehen daher von einer äußerst großen Kontaktfrequenz aus. Des Weiteren konnten die Wissenschaftler beobachten, dass Journalistenkontakt im Vergleich mit anderen Kontakten, z.B. zu Vereinen oder Behörden, an vorderster Stelle rangiert. Laut einer Befragung beschreiben die Journalisten „ihr Verhältnis zu Politikern als „Kumpanei“ oder zumindest als „freundschaftlich“ (vgl. Jarren/ Grothe & Rybarczyk 1993:23). Eine Schweizer Studie belegt ebenfalls, dass im privaten Freundeskreis von Bundeshauskorrespondenten u.a. Politiker eine zentrale Rolle spielen und der Freundeskreis sich weitgehend mit dem Kreis der Kooperationspartner bzw. Informationsquellen deckt (vgl. Saxer 1992). Ein weiteres Forschungsprojekt (Pfetsch/ Dahlke 1996:148) untermauert diese Befunde. Die für diese Untersuchung befragten Regierungssprecher betonten „die Wichtigkeit direkter Medien- und Journalistenkontakte für ihre Arbeit“. Vor allem Hintergrundgespräche und die Mobilisierung professioneller persönlicher Netzwerke gehören demnach zum Standardrepertoire. Des Weiteren belegen nach Sarcinelli (1992:47) zahlreiche Netzwerkstudien, die eine ausgezeichnete Integration der Massenmedien in das zentrale Herrschaftssystem zeigen sowie diverse Untersuchungen zum Rollenverständnis und Selbstbild der Journalisten, die fragwürdige Symbiose zwischen Politik und Medien. Fraglich bleibt, ob die angeführten Indikatoren die pessimistische Sicht, wonach Journalisten Politik nicht nur neutral vermitteln, sondern Politik selbst mit generieren oder von Politikern instrumentalisiert werden, hinreichend stützen.
Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass enge Beziehungen zwischen Politikern und Journalisten bestehen, dass beide Akteure versuchen, aus diesen Kontakte Vorteile für sich zu ziehen und dadurch Nachteile für die Allgemeinheit entstehen können. Zum einen birgt es die Gefahr, dass Journalisten, aus Angst vor dem Verlust von Informationsquellen, gehemmter berichten. Es sollten dabei jedoch keinesfalls die Beispiele für investigativen Journalismus übersehen werden[2]. Zum anderen passen sich Politiker stärker den „Spielregeln“ der Medien an. Es besteht beispielsweise das Risiko, dass politische Eliten nicht mehr aufgrund von Sachkompetenz, sondern aufgrund ihrer Medientauglichkeit ausgewählt werden.
Ein Mehr an Transparenz und Offenheit innerhalb dieser Kommunikationsgemeinschaften gegenüber der Öffentlichkeit könnte dazu beitragen, das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit beider Systeme zu erhöhen. Demgemäß sollten es die Akteure vermeiden, auf der Vorderbühne normative Erwartungen, wie z.B. Distanz, als Schauspiel darzubieten, während sie auf der Hinterbühne andere Beziehungen pflegen (vgl.: Saxer 1993: 317). Dadurch ließen sich die schwindende Glaubwürdigkeit in das politische Geschäft und die Politikverdrossenheit bekämpfen sowie die Akzeptanz der Medien wieder stärken.
1.2 Behindert politische Öffentlichkeitsarbeit den aufklärerischen Journalismus?
Unter Öffentlichkeitsarbeit/ Public Relations (PR) wird allgemein das Management von Informations- und Kommunikationsprozessen zwischen Organisationen einerseits und ihren internen oder externen Umwelten (Teilöffentlichkeiten) andererseits verstanden (vgl. Bentele 1997:22). Dabei lassen sich der Öffentlichkeitsarbeit folgende Funktionen zugeschrieben: Information, Kommunikation, Persuasion und Imagegestaltung. Darüber hinaus soll PR helfen kontinuierlich Vertrauen zu erwerben, Konflikte zu regeln und gesellschaftlichen Konsens herzustellen.
Im politischen Bereich steht vor allem die Informationsfunktion von PR im Vordergrund (vgl. Jarren/ Donges 2002). Informationen werden dabei gemäß bestimmter politischer Ziele und Interessen vermittelt. Diese Informationsleistung seitens der Politik gilt als legitim und wurde 1977 in einem richtungsweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes als notwendig erklärt. Sie dient demnach dazu, den Grundkonsens der Bürger mit der im Grundgesetz festgelegten Staatsordnung sichern. Das BverfG legte die Grenzen für staatliche Öffentlichkeitsarbeit dort fest, wo Wahlwerbung beginnt (vgl. BverfGE:1977). Demzufolge ist es zulässig Informationen, mit dem Ziel die öffentliche Meinung zu beeinflussen, zu verbreiten. Sarcinelli (1992:43) geht in diesem Zusammenhang soweit, dass politische PR ihre Legitimation nur durch Kommunikation, also der täglichen Politikvermittlung, erhält. Neben der Bereitstellung von Informationen soll politische Öffentlichkeitsarbeit, seiner Ansicht nach, auch für neue Probleme sensibilisieren und politische Alternativen offerieren, um so den Bürgern Urteils- und Entscheidungshilfen anzubieten. Diese Informationsvermittlung seitens politischen Institutionen und Akteuren trägt maßgeblich dazu bei, dass auch Medien die ihnen angetragene öffentliche Aufgabe effektiv erfüllen können.
Das Ziel von Öffentlichkeitsarbeit ist es, auf bestimmte politische Akteure, Ereignisse, Probleme und deren Lösungen aufmerksam zu machen, sie zu bewerten und zu interpretieren (vgl.: Jarren/ Donges 2002). Idealiter soll PR zudem Themen besetzen, politische Identität befördern, Sachkompetenz darstellen, Bürgernähe schaffen und politische Unterstützung generieren (vgl.: Sarcinelli 1992:43/ Pfetsch & Dahlke 1996:146). Hauptsächlich dienen PR-Aktivitäten jedoch dazu, die öffentliche Aufmerksamkeit auf positive Phänomene zu lenken und negative Vorgänge oder Ereignisse im Hintergrund zu halten. Übereinstimmend geht die Wissenschaft davon aus, dass vor allem die Informationen aktiv publik gemacht werden, die den jeweiligen Institutionen und deren Partikularinteressen dienen[3]. Umgekehrt sollen PR-Stellen negative Themen unterdrücken bzw. herunterspielen. Die Öffentlichkeit erfährt infolgedessen nur einseitig von den vorteilhaften Aspekten, während negative Gesichtspunkte aus dem PR-Output ausgeklammert werden.
Die anvisierte Aufmerksamkeit erreicht die politische PR jedoch nur dann, wenn sie sich gegenüber konkurrierenden Nachrichtenquellen durchsetzt. Aus diesem Grund versuchen die PR-Stellen ihre Aktivitäten gemäß den Selektionskriterien der Medien zu organisieren. Das geschieht hauptsächlich dadurch, dass die Nachrichtenfaktoren, wie Prominenz, Aktualität und Überraschung, beachtet werden und sich PR-Akteure auf die Arbeitsorganisation von Journalisten einstellen. In der Konsequenz werden schwierige oder komplexe politische Sachverhalte und Zusammenhänge von der politischen Öffentlichkeitsarbeit reduziert und medienwirksam dargestellt werden. Inszenierung und Personalisierung von Politik geht daher bereits auf die Politiker und deren Öffentlichkeitsarbeit zurück. Dabei verfolgen politische Organisationen, wie die Kommunikationsforschung zeigt, ganz unterschiedliche PR-Strategien. Dazu zählen u.a. Themenmanagementstrategien wie Agenda-Setting, bei denen Politiker versuchen, die Themen auf die Medienagenda zu bringen, mit denen sie positiv in Verbindung gebracht werden. Des Weiteren gehören dazu Strategien des Ereignismanagements, der Inszenierung und der symbolischen Politik (vgl.: Kepplinger 1992/1998b:662ff). Hinzu kommen Personalisierungsstrategien, die zur Imagebildung und zum Aufbau von Vertrauen dienen.
Doch inwieweit spielen PR-Aktivitäten überhaupt eine Rolle in der tagtäglichen Medienberichterstattung?[4] Die Frage, wie stark der Journalismus durch Öffentlichkeitsarbeit determiniert wird, ist in der Kommunikationswissenschaft noch immer strittig. Auf der einen Seite
existieren Studien, die einen starken Einfluss von PR belegen. Auf der anderen Seite belegen Untersuchungen, dass die Stärke der Beeinflussung aufgrund von Randbedingungen variiert oder weisen ihn gar zurück. Im Folgenden sollen einige der empirischen Befunde kurz vorgestellt werden.
So zeigte Baerns (1985), dass die politische Medienarbeit die Berichterstattung hinsichtlich der Themen und des Timings stark beeinflusst. 60 bis 80 Prozent der landespolitischen Beiträge in tagesaktuellen Medien von Nordrhein-Westfalen gingen demnach auf Leistungen der Öffentlichkeitsarbeit zurück. Dieser Befund deckt sich mit Ergebnissen weiterer Studien. So bestätigte Grossenbacher (1986) ebenfalls den Einfluss von PR, wies aber auch daraufhin, dass Journalisten das PR-Material weiter bearbeiten und damit verändern. Allerdings handele es sich dabei meist nur um eine Zusammenfassung der Mitteilung, wobei der Originalwortlaut beibehalten werde. Zudem beobachtete er Folgendes: Je professioneller eine Pressemitteilung verfasst war, desto weniger sahen sich Journalisten veranlasst, sie zu redigieren oder nach zu recherchieren. Demnach „übernimmt das Mediensystem das Grundmuster der Interpretation, das vom PR-System vorgegeben wird“ (ebd.1986). Die Eigenleistung der Journalisten erscheint bei diesen Befunden als relativ gering. Schweda und Opherden (1995) konstatierten ebenso einen weitgehend passiven Journalismus, dessen „Berichte sich überwiegend nur auf eine Quelle und dabei selten auf eigene Recherche“ stützen. Diese für einen aufklärerischen Journalismus abträglichen Ergebnisse können u.a. auf ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen der Definitionsmacht ressourcenstarker politischer Öffentlichkeitsarbeit und der geringeren Recherchekapazität der Redaktionen zurückgeführt werden. Medien sind daher auf die PR-Leistungen angewiesen, um in einer immer komplexer werdenden Welt ihrer öffentlichen Aufgabe gerecht zu werden.
[...]
[1] Z.B. „Adlerkreis“, „Saarkreis“ oder „Gelbe Karte“
[2] z.B. Aufdeckung der Flick-Affäre und des CDU-Spendenskandals durch den Journalist Hans Leyendecker von der Süddeutsche Zeitung
[3] ausführlicher dazu: vgl.: Jarren/ Donges 2002; Donsbach/Barth 1992:151ff; Fröhlich 1992:37ff
[4] ausführlicher dazu: Donsbach/ Jarren/ Kepplinger & Pfetsch 1993
- Arbeit zitieren
- Ellen Dietzsch (Autor:in), 2003, Was die Aufklärung im Fernsehen behindert - Anspruch und Wirklichkeit des Programms, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77502
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