Kooperatives vs. nicht-kooperatives Verhalten im Vertriebskanal


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

28 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Vorgehensweise
1.3. Definitionen

2. Nichtkooperatives Verhalten
2.1. Voraussetzungen für nicht-kooperatives Verhalten
2.2 Gründe für nicht-kooperatives Verhalten
2.3. Beispiele für nicht-kooperatives Verhalten
2.4. Implikationen nicht-kooperativen Verhaltens

3. Kooperatives Verhalten
3.1.Voraussetzungen für kooperatives Verhalten
3.2. Gründe für kooperatives Verhalten
3.3. Beispiele für kooperatives Verhalten
3.4. Implikationen kooperativen Verhaltens

4. Auswirkungen des Verhaltens auf den Preis

5. Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1. Problemstellung

In der Praxis existiert eine Vielzahl von Möglichkeiten, einen Vertriebskanal aufzubauen und zu gestalten. Jede Form birgt dabei spezifische Vor- und Nachteile in sich.1

Es kann in dem zu schaffenden Vertragswerk jedoch aufgrund der Vielzahl der möglichen Zukünfte nicht jeder denkbare Zustand explizit vertraglich geregelt werden. Zum einen kann nicht jede Möglichkeit antizipiert werden, so daß in jeder Beziehung stets Vertragsspielräume bzw. nicht kontrahierte Zustände existieren . Zum anderen kann eine vollständige vertragliche Regelung prohibitiv hohe Vereinbarungskosten verursachen. Ein weiterer Punkt, der zu sogenannten Nicht-Kontrahierbarkeiten führt, sind prohibitiv hohe Durchsetzungskosten einer umfassenden vertraglichen Regelung. Im Normalfall wird man deshalb unvollständige Verträge antreffen.2 Speziell Franchiseverträge sind, aufgrund ihrer langen Laufzeit, unvollständige Rahmen- verträge.3

Viele Theorien über die mögliche Ausgestaltung eines Vertriebssystems beschäftigen sich nicht damit, wie sich die Individuen bei dem Auftreten von NichtKontrahierbarkeiten verhalten. Wird eine Entscheidung unter Berücksichtigung aller Interessen getroffen oder entscheidet jedes Subjekt nur aus dem Kalkül der Maximierung des eigenen Nutzens?

1.2. Vorgehensweise

Im Rahmen dieser Arbeit werden die Ansätze dreier Autoren miteinander verglichen. Zwei Autoren unterstellen in ihren Arbeiten ein tendenziell kooperatives Verhalten, eine Arbeit beschreibt ein tendenziell nicht-kooperatives Verhalten. Die Gründe, Voraussetzungen und Implikationen des jeweiligen Verhaltens sollen dabei mit verschiedenen theoretischen Ansätzen dargestellt und analysiert werden. Alle drei Arbeiten beschäftigen sich speziell mit der Organisationsform Franchising, die hier stellvertretend für alle Möglichkeiten der Ausgestaltung eines Vertriebskanals untersucht werden soll.

Der zweite Abschnitt befaßt sich mit Voraussetzungen und Gründen für nichtkooperatives Verhalten. Es werden weiterhin einige Beispiele für solch ein Verhalten aufgeführt. Anschließend wird untersucht, welche Auswirkungen bzw. Implikationen ein nicht-kooperatives Verhalten hat. Abschnitt 3 beschäftigt sich mit kooperativem Verhalten und folgt demselben Aufbau. In Abschnitt 4 soll untersucht werden, wie sich das Verhalten der Mitglieder eines Vertriebssystems auf die Preisbildung auswirkt. Abschnitt 5 faßt das Dargestellte zusammen und beinhaltet ein Fazit.

1.3. Definitionen

Die zu untersuchenden Begriffe kooperatives bzw. nicht-kooperatives Verhalten werden im Rahmen dieser Arbeit wie folgt definiert:

nicht-kooperatives Verhalten

Als nicht-kooperatives Verhalten wird das einseitige Verfolgen eigener Interessen bei Vertragsverhandlungen verstanden. Zu solchen Vertragsverhandlungen kommt es am Beginn einer Beziehung, bei Neuverhandlungen von Verträgen im Rahmen einer be- stehenden Beziehung und bei Nachverhandlungen von nicht im Vertrag geregelten Situationen. Es wird unterstellt, das der Fortbestand des Systems gewährleistet werden soll. Nicht-kooperatives Verhalten hat als Ziel die Maximierung des Gewinnes allein des Verhandelnden.

Abgrenzung zum Opportunismus

Williamson versteht unter Opportunismus die „Verfolgung von Eigennutz unter Anwendung von List“4. Das Element der Anwendung von List, das Anwenden unmoralischen oder rechtswidrigen Verhaltens5 soll hier nicht untersucht werden. Insofern wird in dieser Arbeit nicht-kooperatives Verhalten nicht mit Opportunismus gleichgesetzt.

kooperatives Verhalten

Wirtschaftssubjekte verhalten sich kooperativ, wenn sie anläßlich einer Vertragsverhandlung die Interessen aller beteiligten Parteien verfolgen und sich nicht einseitig auf die Erreichung ihrer eigenen Ziele konzentrieren. Das Ziel ist die Maximierung des Gewinnes des gesamten Vertriebssystems.

Vertriebskanal

Der Vertriebskanal enthält alle Elemente und Institutionen, die dafür Sorge tragen, daß ein Gut bzw. eine Dienstleistung vom Hersteller zum Verbraucher bzw. Endkäufer gelangt.6 Im einfachsten Fall besteht ein Vertriebskanal demnach aus Hersteller und Händler.

2. Nichtkooperatives Verhalten

2.1. Voraussetzungen für nicht-kooperatives Verhalten

In diesem Abschnitt soll untersucht werden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein nicht-kooperatives Verhalten möglich wird.

Eine Fokussierung auf die eigenen Interessen muß für den Betreffenden, zumindest kurzfristig, einen höheren Gewinn beinhalten als eine Maximierung des Gewinnes des gesamten Vertriebssystems.

Ein nicht-kooperatives Verhalten erscheint weiterhin nur dann möglich, wenn bestehende Verträge Spielraum zulassen bzw. wenn Verträge nach Ablauf einer bestimmten Frist nachverhandelt werden oder wenn eine Beziehung an ihrem Anfang steht und das Vertragswerk komplett neu aufgestellt wird.

Beide Parteien müssen Verhandlungsmacht haben und die Möglichkeit besitzen, vorhandene Spielräume gemäß ihren Interessen auszunutzen. Dies ist nicht der Fall bei einem „take-it-or-leave-it“-Angebot, bei dem lediglich die Möglichkeit besteht, zu akzeptieren oder die Beziehung nicht einzugehen.

Weiterhin ist in Beziehungen, in denen der zur Verhandlung stehende Zustand bereits explizit vereinbart ist und diese Vereinbarung auch durch systemfremde Dritte durchgesetzt werden kann, nicht-kooperatives Verhalten unrational.7 In einem solchen Fall erfolgt die Ahndung bzw. Bestrafung des Verhaltens in Form von Sanktionen oder im Extremfall durch Ausschluß aus dem System.

Diese Sanktionen haben bei einem Individuum dann keinen Einfluß auf die Entscheidung, wenn das Individuum die gegenwärtigen Erträge stärker gewichtet als zukünftig erzielbare. Liegt der Fokus auf kurzfristig realisierbaren Gewinnen, ist auch bei bestehender Sanktionsmöglichkeit Nicht-Kooperation denkbar.8 Diese Möglichkeit besteht auch dann, wenn die durch Nicht-Kooperation erzielbaren Gewinne die durch die Sanktionen entstehenden Einbußen übersteigen.

2.2 Gründe für nicht-kooperatives Verhalten

Im folgenden Abschnitt soll aufgezeigt werden, welche Gründe dazu führen, daß sich ein Partner für ein nicht-kooperatives Verhalten entscheidet.

Die Gründe für das Auftreten nicht-kooperativen Verhaltens sollen unter anderem anhand zweier Theorien, der Prinzipal-Agenten-Theorie und der Spieltheorie, dargestellt werden.

Im Rahmen der Prinzipal-Agenten-Theorie gibt es zwei Problemfelder, „hidden action“ und „hidden information“.

„Hidden action“ besagt, daß der Agent aus einer Vielzahl von Handlungsalternativen auswählt, ohne daß der Prinzipal diese Alternativen kennt oder durch Beobachtung auf diese schließen kann.9 Dies gibt dem Agenten die Möglichkeit, die Handlungsalternative zu wählen, die seinen Zielen am ehesten gerecht wird, auch wenn diese Entscheidung nicht im Sinne des Prinzipals bzw. im Sinne des gesamten Systems erfolgt.

Das Existieren von „hidden information“ äußert sich darin, daß der Agent über Informationen verfügt, die dem Prinzipal nicht vorliegen.10 Dies kann eine Ursache für nicht-kooperatives Verhalten sein, da diese Informationen eine Handlungsmöglichkeit aufzeigen, mit der der Agent seine Gewinn maximieren kann.

Ein Grund, in bestimmten Punkten nicht zu kooperieren wird mit dem „ratchet - Effekt“ beschrieben. Der Prinzipal wird eine hohe Leistung auf die Begabung des Agenten zurückführen und in folgenden Perioden einen entsprechend höheren Standard ansetzen. Der Agent wird versuchen, in den ersten Perioden nur ein geringes Leistungsniveau zu zeigen, um eine Anpassung der Standards nach oben zu vermeiden.11 Eine weitere Ursache liegt im „career - concerns - Effekt“. Ein Agent trifft bestimmte Entscheidungen bzw. verzerrt oder verfälscht Informationen, um so positive Auswirkungen auf seine spätere Karriere zu erreichen. Dies steht dem Streben des Prinzipals nach umfassender und breiter Information entgegen.12

Gegenstand der Spieltheorie ist es, strategische Entscheidungssituationen zu analysieren.13 Man unterscheidet kooperative und nicht-kooperative Spieltheorie. Es wird jeweils weiter unterteilt in statische, also einmalige, und mehrstufige bzw. wiederholte Spiele. Die Spieltheorie versucht, zu einer bestimmten gegebenen Entscheidungssituation Lösungskonzepte unter Zugrundelegung verschiedener Annahmen zu entwickeln. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn die Mitspieler in der Lage sind, die möglichen Ereignisse nach ihren jeweiligen Präferenzen zu ordnen.14

Die nicht-kooperative Spieltheorie geht von der zentralen Prämisse aus, daß zwischen den Parteien ex ante keine verbindlichen Absprachen bzw. Vereinbarungen möglich sind. Daß heißt, die nicht-kooperative Spieltheorie unterstellt das Vorhandensein von Nicht-Kontrahierbarkeiten.15 Eine Koordinierung der Strategien ist nicht möglich.16

Welche Entscheidung ein Subjekt trifft, hängt auch davon ab, welche Erwartungen es in Bezug auf die Strategiewahl der Partner hat.17

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bestehen stets dann Anreize für einen Partner, im System nicht zu kooperieren, wenn der Partner in dem von ihm gewählten Verhalten die Möglichkeit sieht, seine Erträge zu steigern oder seine Kosten zu senken und so seinen Gewinn zu maximieren.

Ein Aspekt speziell bei der Vertriebsform „Franchising“ ist, daß der Franchisegeber eine konkrete Vorstellung von dem zu schaffenden System und von der Vermarktung des entsprechenden Produktes oder Dienstleistung hat. Aus diesem Grund wird er ein Angebot erarbeiten, daß genau seinen Vorstellungen, dem von ihm angestrebten Systemkonzept entspricht. Eine Kooperation mit den Franchisenehmern ist in diesem Punkt, in der Gestaltung der Verträge, von vornherein nicht geplant. Dies entspricht aus Sicht der Prinzipal-Agenten-Theorie einem sogenannten Take-it-or-leave-it-Angebot.18 Im Verlauf einer Franchise-Beziehung kann der Franchisenehmer in den Besitz von Sach- und Humankapital und Informationen bzw. Know-how gelangen, daß gewinnbringend auch für den Vertrieb systemfremder Produkte genutzt werden kann. Aufgrund von entstehenden Synergien kann der Franchisenehmer so zusätzliche Gewinne erwirtschaften.19

Wird die Systemzentrale nicht am Erfolg der Systemeinheit beteiligt, besteht seitens der Zentrale kein Anreiz, den Erfolg der Systemeinheit oder deren Umsatz zu fördern oder zu unterstützen.20

2.3. Beispiele für nicht-kooperatives Verhalten

In diesem Abschnitt sollen anhand der Arbeit von POSSELT einige Beispiele für nichtkooperatives Verhalten aufgezeigt werden.

Posselt interpretiert einen typischen Franchisevertrag in seiner Gesamtheit und untersucht den Zusammenhang zur Gestaltung eines Vertriebssystems.21 In diesem Zusammenhang beschreibt er ein tendenziell nicht-kooperatives Verhalten der Parteien. Die Nicht-Kooperation äußert sich in seiner Betrachtung in folgenden Punkten: Schon bei der Gestaltung des Franchisevertrages werden oft Bestandteile eingebaut, die einem erwarteten nicht-kooperativen Verhalten einer der Parteien entgegenwirken sollen. So wird zum Beispiel oft vereinbart, daß

- der Franchisenehmer seine gesamte Arbeitskraft für das System aufwendet und keiner Nebentätigkeit nachgeht oder ein weiteres Unternehmen betreibt.22
- der Franchisenehmer dem Franchisegeber gewisse Informationen übermitteln muß und
- der Franchisegeber gewisse Kontrollrechte hat.23
- der Franchisenehmer nur Systemprodukte vertreibt und keine zu diesen Produkten konkurrierenden Produkte.24 So kann verhindert werden, daß im Markennamen des Systems gebundenes Kapital oder das Humankapital des Franchisenehmer für den Verkauf nicht zum System gehörender Produkte genutzt wird.25
- der Franchisegeber keine weiteren Systemeinheiten in einem genau beschriebenen Gebiet in Konkurrenz zu der des Franchisenehmers platziert. Der Franchisegeber könnte so seinen Umsatz zu Lasten der Franchisenehmer maximieren.26
- der Franchisenehmer einen bestimmten Betrag an die Systemzentrale abführt, der ausschließlich zur überregionalen Werbung etc. eingesetzt wird und
- der Franchisenehmer einen bestimmten Betrag aufwendet, um in seinem lokalen Markt Absatzförderung und Werbung zu betreiben.27

[...]


1 vgl. zum Beispiel Posselt (2001) oder Müller-Hagedorn (1990)

2 vgl. Kräkel (1999), S. 10

3 vgl. Kubitschek (2001), S. 675

4 vgl. Williamson (1990), S. 34

5 vgl. Martiensen (2000), S. 116

6 vgl. Vahlen (2001), S. 1809

7 vgl. Holler/Illing (2000), S. 23

8 vgl. ebenda, S. 134

9 vgl. Kräkel (1999), S. 22

10 vgl. Kräkel (1999), S. 22

11 vgl. ebenda, S. 92

12 vgl. ebenda, S. 183

13 vgl. Holler/Illing (2000), S. 1

14 vgl. ebenda, S. 4

15 vgl. Kräkel (1999), S. 41

16 vgl. Holler/Illing (2000), S. 3

17 vgl. Holler/Illing (2000), S. 53

18 vgl. Posselt (1999), S. 351

19 vgl. ebenda, S 350

20 vgl. ebenda, S. 360

21 vgl. Posselt (1999), S. 348

22 vgl. ebenda, S. 350

23 vgl. ebenda, S. 350

24 vgl. ebenda, S. 350

25 vgl. ebenda, S. 354

26 vgl. ebenda, S. 353

27 vgl. ebenda, S. 350

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Kooperatives vs. nicht-kooperatives Verhalten im Vertriebskanal
Hochschule
Universität Leipzig  (Professur für BWL, insbesondere Dienstleistungsmanagement)
Veranstaltung
Hauptseminar SS 2002
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
28
Katalognummer
V7754
ISBN (eBook)
9783638149037
ISBN (Buch)
9783668211766
Dateigröße
507 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Distribution, Vertrieb, Verhalten
Arbeit zitieren
Stephan Schnorr (Autor:in), 2002, Kooperatives vs. nicht-kooperatives Verhalten im Vertriebskanal, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7754

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