Der Erste Weltkrieg, die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, nahm in der Erinnerungskultur der Weimarer Republik den zentralen Stellenwert ein. Der Schrecken des Kriegserlebnisses, die ungeheure Anzahl von Toten und Kriegsversehrten, die Entbehrungen der Bevölkerung, die totale militärische Niederlage mit der daraus folgenden Novemberrevolution und der Untergang der Monarchie usw. bedurften der Auseinandersetzung, Deutung und auch Sinngebung, sei es auf der politischen Ebene, in sozialen Bewegungen wie den Veteranenverbänden und Kriegsopferverbänden, in Denkmälern oder in der bildenden Kunst. Ein anderes zentrales Medium, um die Sinngebungsfunktionen und die daraus folgenden gesellschaftlichen Orientierungen zu analysieren und zu verstehen, stellt die Literatur dar. Besonders gegen Ende der zwanziger Jahre wurde durch die Kriegsliteratur und dem sich auf sie beziehenden privaten oder literarisch-gesellschaftlichen Diskurs der Sinn des verlorenen Krieges neu erschlossen und scharf ausgefochten. Aus diesem Grund versuche ich die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg am Beispiel der Kriegsliteratur der Weimarer Republik anhand einer Interpretation der Werke „In Stahlgewittern“ (1920) von Ernst Jünger, und „Im Westen nichts Neues“ (1929) von Erich Maria Remarque darzustellen. Dabei werde ich mich jeweilig vor allem auf die Darstellung des Kriegserlebnisses beziehen, um dann die dem Text immanenten und intendierten Sinngebungen zu erläutern.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Erinnerung an den Ersten Weltkrieg in der Literatur der Weimarer Republik
2.1 Ernst Jünger (1895-1998): „In Stahlgewittern“ (1920)
2.1.1 Die Darstellung des Kriegserlebnisses
2.1.2 Sinnkonzeptionen
2.2 Erich Maria Remarque (1898-1970): „Im Westen nichts Neues“ (1929)
2.2.1 Die Darstellung des Kriegserlebnisses
2.2.2 Sinnkonzeptionen
3 Schluss
4 Bibliographie
4.1 Primärliteratur
4.2 Sekundärliteratur
1 Einleitung
Der Erste Weltkrieg, die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, nahm in der Erinnerungskultur der Weimarer Republik den zentralen Stellenwert ein. Der Schrecken des Kriegserlebnisses, die ungeheure Anzahl von Toten und Kriegsversehrten, die Entbehrungen der Bevölkerung, die totale militärische Niederlage mit der daraus folgenden Novemberrevolution und der Untergang der Monarchie usw. bedurften der Auseinandersetzung, Deutung und auch Sinngebung, sei es auf der politischen Ebene, in sozialen Bewegungen wie den Veteranenverbänden und Kriegsopferverbänden, in Denkmälern oder in der bildenden Kunst. Ein anderes zentrales Medium, um die Sinngebungsfunktionen und die daraus folgenden gesellschaftlichen Orientierungen zu analysieren und zu verstehen, stellt die Literatur dar. Besonders gegen Ende der zwanziger Jahre wurde durch die Kriegsliteratur und dem sich auf sie beziehenden privaten oder literarisch-gesellschaftlichen Diskurs der Sinn des verlorenen Krieges neu erschlossen und scharf ausgefochten. Aus diesem Grund versuche ich die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg am Beispiel der Kriegsliteratur der Weimarer Republik anhand einer Interpretation der Werke „In Stahlgewittern“ (1920) von Ernst Jünger[1], und „Im Westen nichts Neues“ (1929) von Erich Maria Remarque[2] darzustellen. Dabei werde ich mich jeweilig vor allem auf die Darstellung des Kriegserlebnisses beziehen, um dann die dem Text immanenten und intendierten Sinngebungen zu erläutern.
Schon während des Krieges, und im besonderen in den folgenden Jahren der Weimarer Republik, herrschte ein enorm großes Bedürfnis der „Daheimgeblieben“ und der „Teilnehmer“ nach „authentischen“ und „wahrheitsgemäßen“ Kriegsschilderungen bzw. Darstellungen, welches nicht allein durch eine anfängliche Informationsinteresse oder Sensationslust zu erklären ist, sondern in erster Linie als ein Verlangen nach Interpretations- und Einordnungshilfe, um die Erlebnisse und Erfahrungen an der (Heimat) Front zu verarbeiten, zu deuten, einen individuellen Sinn zu geben und schließlich einem übergeordneten sinnvollen Ganzen zuzuordnen.[3] Welche Art von Kriegsliteratur schließlich von der Leserschaft zur Sinngebung „gewählt“ wurde, hat Helmut Müssener zusammengetragen, indem er die deutsprachige Kriegs- und Antikriegsliteratur anhand ihrer Auflagenhöhe, im Zeitraum von 1914 bis 1939 verglichenen hat. Er kam zu dem Ergebnis, dass zum großen Teil eine affirmative oder verherrlichende Literatur überwog und eine kriegskritische dagegen extrem unterrepräsentiert war. Geht man von einer Gesamtauflagenhöhe von 10.560.000 Büchern aus, die sich direkt mit dem Ersten Weltkrieg auseinander setzten, stellte die bejahende Kriegsliteratur ungefähr 88 %. Unter einer anderen Perspektive wird dies noch deutlicher, so waren gerade vier Autoren mit fünf Büchern in der Bestsellerliste von 66 Werken mit einer Mindestauflage von 50.000 vertreten, die Abstand vom verlorenen Krieg nahmen.[4] Natürlich ist diese Subsumierung allein unter den Kriterien „positiv-glorifizierend“ und „negativ-abwertend“ etwas vereinfachend und undifferenziert, um eine so große Anzahl von Werken adäquat zu fassen, als erste Orientierung zeigen diese Zahlen jedoch sehr deutlich, dass der Krieg grundlegend bejaht, und damit eine positive Sinngebung, die im Detail natürlich variierte, aus dem Krieg gezogen wurde. Versucht man eine verkürzte Periodisierung bzw. Typisierung der episch-literarischen Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg vorzunehmen, unter Verwendung eines weit gefassten Literaturbegriffs, ergibt sich folgendes Bild. In den Anfangsjahren herrschten Feldbriefpostanthologien und im besonderen die (zumeist tagebuchähnliche) Kriegsberichte vor, um den anfänglichen Bevölkerungswunsch nach „authentischen“ Nachrichten über das Kriegsgeschehen und den Kriegsverlauf zu befriedigen. Hier wären vor allem die Werke von Laienautoren der Reihe „Ullstein Kriegsbücher“ zu nennen, von denen die meisten eine enorm hohe Auflage erzielten und die sich später oftmals als „Jugendliteratur“ weiterhin größter Beliebtheit erfreuten, wie z.B. „Der rote Kampflieger“ (1917) von Manfred Freiherr von Richthofen.[5] In dieser „Tatsachenliteratur“ wurde der Krieg überwiegend als unentwegtes heroisches, von Sportsgeist und Tapferkeit strotzendes Abenteuer geschildert, in dem die Protagonisten „frisch-fromm-fröhlich-frei“ ihren Heldentod starben.[6] Ab 1918 ließen jedoch die Realitäten, die schon mit Beginn des Stellungskrieges diese Art von Kriegsdarstellung hätten hinfällig machen müssen, mit dem militärischen Zusammenbruch, dem Ende der Monarchie und der Novemberrevolution, das Interesse an der berichtenden Kriegsliteratur endgültig erlöschen. Den Hauptteil machten nun bis zur beginnenden (scheinbaren) Stabilisierung der Weimarer Republik Ende 1923 die sog. Rechtfertigungsschriften aus, welche sich aus Offiziersmemoiren der hohen Offiziere des Generalstabes bzw. der Obersten Heeresleitung, wie z.B. „Aus meinem Leben“ (1920) von Paul von Hindenburg, den Regimentsgeschichten und den Offiziersmemoiren der Frontoffiziere zusammensetzten, und die allgemeine Intention verfolgten, im nachhinein den Sinn des verloren Krieges zu retten und militärische Handlungen und Entscheidungen zu rechtfertigen.[7] Ging es bei den zuerst genannten in erster Linie, durch die Negation persönlicher Schuld an der Art der Kriegsführung und militärischen Niederlage und durch das Nichteingestehen des militärischen Zusammenbruchs durch militärische Ursachen in Verbindung mit einer Schuldzuweisung an die politische Ebene der Regierung, insbesondere an die SPD („Im-Felde-unbesiegt“ Mythos und „Dolchstoßlegende“), um Legitimation, Exkulpation und Wiederstellung von Reputation, verfolgte die unübersehbare Zahl von Regimentsgeschichten eine kollektive militärische Traditionspflege.[8] Die Offiziersmemoiren der Frontoffiziere stellten wiederum andere Absichten in den Mittelpunkt, da sie keine strategische Gesamtverantwortung für den Krieg getragen hatten, konnten sie sich allein mit ihren Erfahrungen, Erlebnissen, Erfolgen und ihrem militärischen Aufstieg auseinandersetzen, ohne auf den objektiven Kriegsverlauf einzugehen.[9] Und so deuteten und mystifizierten sie den Krieg als Feld der Selbstverwirklichung zu einem höheren Dasein mit dem Leitbild des todesmutigen Frontoffiziers der durch den heroischen Kampf gestählt und gehärtet zum „neuen Menschen“ wurde, der Anerkennung verdiene, und, oftmals indirekt, im politisch-gesellschaftlichen Leben eine Vorbildfunktion einnehmen und den Wiederaufbau Deutschlands intensiv mitgestallten sollte.[10] Unter diesen Gesichtspunkten könnte man Ernst Jüngers „Im Stahlgewitter“ grundlegend als Rechtfertigungsschrift eines Frontoffiziers sehen[11], da Jünger sein 1920 in Eigenvertrieb veröffentlichte Werk in der ersten Auflage noch folgendermaßen betitelte und damit eindeutig in diesen Kontext einordnete: „In Stahlgewittern. Aus dem Tagebuch eines Stoßtruppenführers. Von Ernst Jünger, Kriegsfreiwilliger, dann Leutnant und Kompanieführer im Füs. Rgt. Prinz Albrecht von Preußen (Hannov. Nr. 73)“[12]. Ab 1924 ging das allgemeine gesellschaftliche Interesse an Kriegsliteratur verhältnismäßig stark zurück, da die bisherige eher berichtende und darlegende Darstellung des Gegenstandes der Kriegstagebücher, Kriegsberichte, oder Offiziersmemoiren als Problemorientierung und Lösung für die neu aufkommenden Sinnfragen und Sinndeutungen immer weniger geeignet war.[13] An diese Stelle trat eine eher literarischere bzw. poetischere Bearbeitung des Kriegserlebnisses und eine verstärkte Reinterpretation aus Perspektive des ca. zehnjährigen Abstandes vom Kriegsende, welche, natürlich ebenso wie die vorangehenden Typen, für die Gegenwart „wahre Aussagen“ über den Krieg lieferten, jedoch in erster Linie Krieg und Nachkriegsexistenz miteinander verbinden wollten, um somit eine sinnstiftende Kontinuität zwischen diesen beiden Erlebnisbereichen herzustellen.[14] In dieser Verbindung zwischen der Vergangenheit des Krieges und der oftmals als problematisch empfundenen Gegenwart kam nun verstärkt die implizite oder explizite Absicht der zukünftigen gesellschaftlichen Antizipation zum tragen.[15] Der Kriegsroman fungierte nun am Ende der Weimarer Republik kurzfristig als ein entscheidendes Medium für die Darlegung weltanschaulicher, ideologischer und politischer Orientierungen.[16] Als Ausgangspunkt und entscheidender Durchbruch ist dabei die Veröffentlichung von Erich Maria Remarques Werk „ Im Westen nichts Neues“ (1929)[17] anzusehen. Von Anfang an löste es, durch die propagierte Resignation und Sinnentleerung als Folge des Kriegerlebnisses der „verlorenen Generation“, eine enorm starke Diskussion in allen gesellschaftlichen Schichten und Kreisen der Weimarer Republik aus.[18] Eine Vielzahl von neuen Kriegsromanen entstand als Reaktion, wie die Werke von Verfechtern der „Konservativen Revolution“ bzw. des „Soldatischen Nationalismus“[19], die in dem Roman eine Provokation sahen, da sie das Kriegserlebnis, den Tod von Millionen, das Ausharren der Überlebenden, die aus ihrer Sicht darauf fußenden Werte wie Kameradschaft, Brüderlichkeit und Gemeinschaft zur sinnvollen Stiftung, und damit als Basis und Grundvoraussetzung, eines neuen (national- sozialistischen) Staates verwendeten[20]. Bei den sozialistischen bzw. marxistischen „Linken“ wurde Remarques ebenfalls negativ bewertet, wenn auch nicht in der Schärfe und Polemik wie bei den „Rechten“, weil sein Konzept der Resignation, Sinnentleerung und des davon abgeleiten Pazifismus ihrer Ideologie nach ins Leere lief, da die wahren Ursachen des Krieges, der Besitz des Bürgertums an den Produktionsmitteln in der kapitalistischen Produktionsweise nicht berührt und kritisiert wurden.[21] Als einer der ersten, aber vor allem als der marxistisch-proletarisch Kriegsroman schlechthin, ist in diesem Zusammenhang Adam Scharrers „Vaterlandslose Gesellen“[22] (1930) zu sehen.
[...]
[1] E. Jünger: In Stahlgewittern (1920). Stuttgart 2003.
[2] E.M. Remarque: Im Westen nichts Neues (1928). Köln 1997.
[3] Th. F. Schneider: Endlich die „Wahrheit“ über den Krieg. In: Text + Kritik. Hrsg. v. Heinz Ludwig Arnold. Heft 124: Literaten und Krieg (1994), S. 47.
[4] H. Müssener: Deutschsprachige Kriegs- und Antikriegsliteratur in Deutschland und Schweden 1914-1939. Einige Beobachtungen. In: Anti-Kriegsliteratur zwischen den Kriegen (1919-1939) in Deutschland und Schweden. Hrsg. v. Helmut Müssener. Stockholm 1987, S. 11. Diese Werke waren Erich Maria .Remarque: „Im Westen nichts Neues“ (1929) u. „Der Weg zurück“ (1931); Ludwig Renn: „Krieg“ (1928); Leonhard Frank: „Der Mensch ist gut“ (1919); Karl Bröger: „Bunker 17“ (1929), wobei letzterer in der Forschung auch als kriegsbejahend eingeordnet wird. Vgl.: M. Gollbach: Die Wiederkehr des Weltkrieges in der Literatur. Kronber/Ts. 1978, S. 264/265. Als Basis der Quantifizierung diente dabei Donald Ray Richards Werk „The German Bestseller in the 20th Century. Berne 1968“.
[5] H. H. Müller: Der Krieg und die Schriftsteller. Der Kriegsroman der Weimarer Republik. Stuttgart 1986, S. 12/13.
[6] Müssener: Deutschsprachige Kriegs- und Antikriegsliteratur. S. 12. Vgl.: Manfred Freiherr von Richthoffen: Der rote Kampfflieger. Berlin 1933. Erst im letzten Kapitel „Gedanken im Unterstand“ erfolgt bei Richthoffen teilweise eine Revidierung seiner Wahrnehmung vom Krieg als Abenteuer: „ es ist nichts mehr übriggeblieben von diesen frischen, fröhlichen Krieg (S. 203) oder „es ist nicht so, wie die Leute in der Heimat sich das vorstellen, mit Hurra und Gebrüll, es ist alles viel ernster, verbissener“ (204).
[7] Müller: Der Krieg und die Schriftsteller. S. 20/21. Vgl. auch Ebd., S. 23/24: Die zu dieser Zeit ebenfalls verstärkt aufkommenden antimilitärischen Schriften der politischen Linken, welche als Enthüllungsberichte z.B. militärische Fehler anprangerten oder eine Art Antimemoiren darstellten, erlangten nicht die Verbreitung und den Stellenwert im gesellschaftlichen Diskurs, außer H. Wandts „Etappe Gent“ (1920), welches bis zum Ende der zwanziger Jahre eine Auflage von einer Viertelmillionen erreichte.
[8] Ebd., S. 22/23.
[9] Ebd., S. 26/27.
[10] W. J. Mommsen: Kriegsalltag und Kriegserlebnis im Ersten Weltkrieg. In: Ders., Der Erste Weltkrieg. Anfang vom Ende des bürgerlichen Zeitalters. Frankfurt am Main 2004, S. 150.
[11] Müller: Der Krieg und die Schriftsteller. S. 25.
[12] zit. n. J. Volmert: Ernst Jünger „In Stahlgewittern“. München 1985, S. 15.
[13] Müller: Der Krieg und der Schriftsteller. S. 35.
[14] Ebd. 39.
[15] Th. Bartz, ´Allgegenwärtige Fronten` - Sozialistische und linke Kriegsromane in der Weimarer Republik 1918-1933. Motive, Funktion und Position im Vergleich mit nationalistischen Romanen und Aufzeichnungen im Kontext einer kriegsliterarischen Debatte. Frankfurt am Main u.a. 1997, S. 14.
[16] H.-H. Müller: Kriegsroman und Republik. Historische Skizze mit einer Interpretation von Adam Scharrers proletarischen Antikriegsroman „Vaterlandslose Gesellen“. In: Der deutsche Roman im 20. Jahrhundert. Bd. II. Analysen und Materialien zur Theorie und Soziologie des Romans. 2. Aufl. Hrsg. von Manfred Brauneck. Bamberg 1986, S. 223.
[17] Wichtige Vorläufer Remarques sind Georg von der Vring: „Soldat Suhren“ (1927); Arnold Zweig: „Der Streit um den Sergeanten Grischa“ (1927) Ernst Glaeser: „Jahrgang 1902“ (1928) und vor allem Ludwig Renn „Krieg“ (1928).
[18] Vgl. Th. F. Schneider: „Die Meute hinter Remarque“. Zur Diskussion um Im Westen nichts Neues 1928-1930. In: Jahrbuch zur Literatur der Weimarer Republik. Hrsg. v. Sabina Becker. Bd. 1 (1995), S. 143-170.
[19] Vgl. K. Prümm: Die Literatur des Soldatischen Nationalismus der 20er Jahre (1918-1933).Gruppenideologie und Epochenproblematik 1. Kronberg 1974, S. 1-10.
[20] Schneider: Endlich die „Wahrheit“ über den Krieg. S. 46. Beispiel wären Franz Schauwecker: „Aufbruch einer Nation“ (1930); Werner Beumelburg: „Die Gruppe Bosemüller“ (1930); Hans Zöberlein „Der Glaube an Deutschland“ (1931); Edwin Erich Dwinger: „Wir rufen Deutschland“ (1932).
[21] Schneider: Endlich die „Wahrheit“ über den Krieg. S.46.
[22] A. Scharrer, Vaterlandslose Gesellen (1930). Berlin (West) 1973. Aus der Perspektive des Protagonisten Hans Betzholdt, als Repräsentant der „Fraktion Liebknecht“/“Gruppe Internationale“ bzw. der „Spartakusgruppe“, wird der Krieg bei Scharrers stark autobiographischem Roman als „nichts weiter als die Fortsetzung der kapitalistischen Politik mit anderen Mitteln“ (S. 187) gesehen. Von Anfang an gehört er zu denen, „die gegen den Krieg demonstrieren“ (9). Der Krieg wird als endgültiger Schlussakt des sich anbahnenden Untergangs des Bürgertums gedeutet. Der Militarismus wird verhöhnt, wie in den Schilderungen der Ausbildung, in der die „Menschen zu solchen Idioten“ gemacht werden, damit ihnen „später das Verbrechen ihres Tuns nicht zum Bewusstsein kommt“ (49). Das heroische Kampferlebnisse wie bei Jünger existiert nicht, auch herrscht die grundlegend akzeptierte Pflichterfüllung der Akteure Remarques nicht vor: „Keiner will vorgehen, keiner will der erste sein, keiner als Deckung für den anderen dienen“ (69/70). Ebenso wird die in beiden Romanen propagierte Frontkameradschaft - auch zwischen den Klassen - aus der proletarischen Sicht nicht geteilt, sie ist „die größte Lüge, die je erfunden wurde“ (67). Ein Soldat bringt Betzholt Ansichten auf den Punkt: „Der Krieg ist eine ekelhafte Sauerei“ (130). Einen größeren Raum im Roman nehmen jedoch dagegen die intensiven Schilderungen der Entbehrungen der Heimatfront, des „Antlitzes des Krieges in Zivil“ (91), mit Hunger und Schwerstarbeit ein, welche endgültig „die Geister des Umsturzes“ (203) alarmieren. In Gegensatz zu Jünger, bei dem keine wirkliche Desillusionierung eintritt, und auch zu Remarque, bei dem sie zu passiver Resignation führt, nimmt Scharrers Protagonist im Verlauf des Romans immer mehr aktiv politisch Stellung. Nach nur anfängliche Opposition erfolgt bei Betzholt sein politisches Erwachen, gleichgesetzt mit dem der radikaleren revolutionären Arbeiterklasse, deren Kräfte allmählich unterirdisch zusammenwachsen, um „die trügerische Oberfläche“ (111) der bestehenden Verhältnisse zu sprengen, bis der Roman mit den Worten endet: „Auf den Schloß weht die rote Fahne“ (271).
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