Gruppenarbeit – zeitgemäße Unterrichtsmethode oder Zeitverschwendung?


Praktikumsbericht / -arbeit, 2007

24 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1. Hinführung zum Thema

2. Hypothesen über zu erwartende Ergebnisse

3. Rahmenbedingungen der Schule

4. Was ist Gruppenarbeit?
4.1 Gruppenunterricht als Methode des Offenen Unterrichts
4.2 Die Vor- und Nachteile von Gruppenunterricht
4.3.1 Wie lässt sich Gruppenunterricht erfolgreich umsetzen?

5. Eigene Beobachtungen, Befragungen und Fragebogenauswertung
5.1 Beobachtung einer Gruppe während der Projekttage
5.2 Erkenntnisse aus Gesprächen mit Lehrern
5.3 Auswertung der Fragebögen
5.3.1 Fragebögen der Lehrer
5.3.2 Fragebögen der Schüler

6. Rückschlüsse auf die in Kapitel 2 formulierten Hypothesen und abschließende Bemerkungen

Literaturverzeichnis

1. Hinführung zum Thema

Öffnung von Unterricht, Schülerorientierung oder handlungsorientierter Unterricht sind Schlagworte, die uns nicht erst seit den letzten Jahren in Didaktikvorlesungen und natürlich und glücklicherweise auch im Schulalltag immer häufiger begegnen. Gruppenarbeit als beliebte Methode des offenen Unterrichts soll helfen, die Anteile an Frontalunterricht zu mindern. Der Sprechanteil des Lehrers verringert sich zugunsten der Sprechanteile der Schüler, welche aufgefordert werden, sich selbst aktiv mit einem bestimmten Problem auseinanderzusetzen und gemeinsam eine Lösung zu finden. So wird nicht nur ein anderer Weg beschritten, Inhalte zu vermitteln, sondern zugleich soll Gruppenunterricht Sozial- und Handlungskompetenzen der Schüler fördern. Darüber hinaus kann der Lehrer etwas verschnaufen. Nicht selten jedoch bleibt es bei diesen theoretisch sehr überzeugenden Zielvorstellungen. In meiner eigenen Schulzeit lief Gruppenarbeit fast immer nach dem gleichen Schema ab und erzeugte schon bald nur noch Widerwillen und Langeweile. Der Lehrer oder die Lehrerin verteilte verschiedene Texte, die man lesen und dann in seiner Gruppe, meist mit Banknachbarn und Vor- bzw. Hintermännern und -frauen, diskutieren sollte. Danach gab es verschiedene Aufgaben, entweder man sollte die Schwerpunkte auf einem Plakat oder einer Folie veranschaulichen um sie anschließend den anderen Gruppen vorzustellen, oder alle hatten den gleichen Text bzw. Untersuchungsgegenstand und jede Gruppe sollte einen bestimmten Aspekt näher beleuchten bzw. Lösungen für vorgegebene Fragen finden. Auch wenn meine Schuljahre schon eine ganze Weile zurückliegen, glaube ich nicht zu übertreiben, wenn ich sage, dass ich mich an kein Beispiel erinnern kann, bei dem sich die Gruppenmitglieder sofort voller Elan an die Arbeit gemacht hätten. Meist wurde erst einmal überlegt, wer sich wohin setzt, mit welchem Stift das Plakat beschrieben werden soll, wer überhaupt Schriftführer sein durfte (der oder die Glückliche galt dann nämlich fast schon als von allen restlichen Denkanstrengungen befreit, da er oder sie ja schon eine Aufgabe übernommen hatte…), ein paar Minuten wurden dann noch dafür geopfert gemeinsam festzustellen, wie blöd das Thema mal wieder ist, bis sich schließlich irgendeiner der Gruppe zusammenreißt und versucht das Zepter in die Hand zu nehmen und die anderen zum Anfangen animiert. Dann wird noch 2, 3 Mal die Frage vorgelesen und geseufzt: „Hm, was könnte man da jetzt schreiben?!“, es wird noch mal gelesen oder vielmehr mit leerem Blick in den Text geschaut und zwischendurch fällt einem der Gruppenmitglieder noch etwas ganz anderes ein, worüber er schon lange mal einen Kommentar abgeben wollte, z.B. die neue Frisur des Mitschülers X. Natürlich wird auch phasenweise über das Arbeitsthema diskutiert bzw. fallen ein paar sporadische Fragen dazu, nämlich immer dann, wenn der Lehrer gerade vorbeischlendert. Schließlich kommt es zur schon fast erlösenden Erinnerung des Lehrers: „Noch 5 Minuten!“. Gut, noch 5 Minuten schafft man (wobei „man“ meist nur für einen kleinen Teil der Gruppe steht), um sich noch einmal intensiv mit der Aufgabenstellung auseinanderzusetzen und etwas Brauchbares aufzuschreiben, was man dann vortragen kann. Die letzte Minute diskutiert man noch schnell, wer vortragen soll – natürlich nicht der[1], der schon geschrieben hat, und auch nicht der mit den meisten Ideen, lieber einer von denen, die noch nicht viel beigetragen haben, doch diese beteuern wiederum, dass sie das nicht könnten oder zu schüchtern seien, sodass sich letztlich wieder derjenige mit den meisten Ideen erbarmt diese vorzutragen.

Natürlich habe ich mir auch die Frage gestellt, warum ich Gruppenarbeit als Schüler nicht mochte und sie aus diesem Grund auch als zukünftige Lehrerin für unpassend und ineffizient halte – schließlich möchte ich einmal keiner dieser „Gruppenarbeit-Junkies [,] meistens sehr junge Lehrer […] die frisch von der Uni kommen und erstmal ihren pädagogischen Müll an den Schülern auslassen, bevor sie nach ein paar Jahren merken, was wirklich etwas bringt[2] sein.

Dabei bin ich von drei Ausgangssituationen ausgegangen: entweder es handelte sich bei der Aufgabe für die Gruppe um ein Thema welches mir lag bzw. von dem ich viel verstand – dann hatte ich oft keine Lust, die Einzige zu sein, die ihre Ideen oder ihr Wissen „preisgeben muss“, damit die anderen davon profitieren und gleichermaßen Lorbeeren dafür einsammeln konnten, oder aber (besonders wenn sich die Gruppe aus Freundinnen oder Cliquenmitgliedern zusammensetzte) - ich wollte nicht als Streber oder Besserwisser dastehen, der seine Idee für die Beste hielt und andere verbessern möchte. Nicht minder unnütz erschien mir Gruppenarbeit, wenn es um ein Thema ging, das zu banal war, als das man dafür seinen Kopf anstrengen hätte müssen - dann hat man einfach die anderen sprechen lassen und sich wohlwollend für den Schreibjob angeboten - und auch wenn mir das Thema absolut nicht lag oder mir dazu nichts einfiel reichte es, sich zurückzulehnen oder ein Weilchen an der Schulbank zu lauschen und die anderen machen zu lassen.

Natürlich ist diese Darstellung von Gruppenarbeit etwas überspitzt und beruht nur auf meiner persönlichen Erinnerung und Abneigung, die sich noch bis ins Studium bewahrt hat. Umso wichtiger erscheint es mir, dem Phänomen Gruppenarbeit nachzugehen – handelt es sich wirklich um eine effiziente Unterrichtsmethode, deren Wert ich bislang nur noch nicht schätzen gelernt habe, oder wird sie von Theoretikern überschätzt und in der Praxis mehr oder weniger nur aus Bequemlichkeit angewendet? Habe ich nur zu oft eine falsche Umsetzung dieser Unterrichtsform erlebt und wenn ja, was ist das Erfolgsrezept von Gruppenarbeit? Wie sehen Schüler und Lehrer Gruppenarbeit? In wie weit beeinflusst die Leistungsstärke der Schüler, ob sie Gruppenarbeit mögen oder nicht?

All diese Fragen habe ich mir vorgenommen während des dreiwöchigen Praktikums an einem X.er Gymnasium, welches im 3. Kapitel näher beschrieben wird, zu bearbeiten. Zum einen wollte ich dies durch gezielte Beobachtung im Unterricht erreichen. Zum anderen erstellte ich Fragebögen für Schüler und Lehrer und ergänzte diese Erkenntnisse durch vereinzelte Interviews. Bevor ich meine eigenen Ergebnisse im 5. Kapitel dieser Arbeit zusammenfasse, beschäftigt sich Kapitel 4 zunächst mit theoretischen Ansichten über Gruppenarbeit. Es wird geklärt, um welche Unterrichtsform bzw. –methode es sich handelt, welches ihre Vor- und Nachteile sind und wozu es bedarf, um Gruppenunterricht erfolgreich umzusetzen.

2. Hypothesen über zu erwartende Ergebnisse

Wie schon in der Einleitung angedeutet wurde, vermute ich

1.) Schüler finden Gruppenarbeit langweilig, da sie zu oft damit konfrontiert werden
2.) leistungsstärkere Schüler sind eher Gegner von Gruppenarbeit, da sie vermuten, dass
sie auch allein auf gleiche oder ähnlich gute Ergebnisse gekommen wären
3.) schwächere Schüler befürworten Gruppenarbeit, da sie ihnen die Möglichkeit bietet, vom Wissen leistungsstärkerer Gruppenmitglieder zu profitieren.
4.) Ein Großteil der Zeit, die den Gruppen zum Lösen von Aufgaben oder Problemen gegeben wird, nutzen die Schüler zum Quatschen, Malen, Nichtstun
5.) Lehrer nutzen Gruppenarbeit um sich zu erholen.
6.) Letztendlich arbeiten nur 1 oder 2 Gruppenmitglieder wirklich an der Aufgabe, während sich der Rest zurückhält.

3. Rahmenbedingungen der Schule

Das Gymnasium in X., einem kleinen Städtchen mit knapp 10000 Einwohnern, lässt sich durchaus als eine sehr moderne und fortschrittliche Schule beschreiben. Im laufenden Schuljahr unterrichten 53 Lehrer 445 Schüler, von denen 3,4% das sprachliche Profil, 28,5% das naturwissenschaftliche Profil und 34,6 % eine vertiefte sprachliche Ausbildung gewählt haben[3], zu der unter anderem bilingualer Unterricht ab der Klasse 7 gehört. Die Schule arbeitet mit einem Schulprogramm, dessen wesentliche Punkte eine vertiefte Ausbildung in Sprache und Medien, vertiefter Englischunterricht ab Klasse 5, Geografie ab Klasse 7 und Geschichte ab Klasse 9 in englischer Sprache sowie ein Computerführerschein ab Klasse 5 sind. Des Weiteren ist die Schule sehr offen gegenüber neueren Lehr- und Lernmethoden. So beteiligte sie sich neben der mittlerweile auch an zahlreichen anderen Schulen üblichen Veranstaltung von Projekttagen oder dem Angebot einer Schülerfirma am Modellversuch „20- Plus“, welches mit Hilfe einer speziellen Software und der verstärkten Einbeziehung von Medien, Informations- und Kommunikationstechnologien flexiblere Formen des Lernens und Lehrens ermöglichen sollte. Nach meinem 3wöchigen Praktikum kann ich einen vielfältigen und sicheren Umgang der meisten Lehrer (bei denen ich hospitieren durfte) mit verschiedenen Medien bestätigen, manche Unterrichtseinheiten wurden in das Computerkabinett verlegt, andere in die Schulbibliothek, es wurden Lieder vorgespielt oder auch Schülerleistungen mit einem Kassettenrecorder aufgenommen. Natürlich kamen auch altbewährte Medien wie Tafel oder Overheadprojektor zum Einsatz. Während der Projektwoche konnte ich beobachten, dass selbst sehr junge Schüler einer 6. Klasse keinerlei Schwierigkeiten damit hatten, Bilder an den schuleigenen Gerätschaften einzuscannen und auszudrucken und sich anschließend selbstständig Beamer und Laptops für ihre Präsentationen auszuleihen, was beweist, dass sie den Umgang mit eben diesen an der Schule gewohnt sind.

Meinen Erachtens als sehr positiv zu bewerten sind die Einführung des Blockunterrichtes für die Klassen 5-10 und die Einführung eines Methodentranings ab Klasse 5 („Lernen lernen“), damit die Schüler durch das Erlernen spezieller Arbeitstechniken die Leistungen verbessern können. Zudem bietet die Schule Förderprogramme sowohl für leistungsschwache als auch für besonders leistungsstarke Schüler an.

Bei vielen Lehrern konnte ich ernsthafte Bemühungen erkennen, das offene Methodenkonzept umzusetzen, die Stunden bzw. Blocks waren durch Methoden- und Medienwechsel gekennzeichnet, sodass sich Frontal-, Partner- und Gruppenarbeit abwechselten und die Schüler ihre Aufgaben mal mündlich, mal schriftlich oder gar pantomimisch, mal spielerisch und mal ernst, mal eher rational und ein ander mal eher kreativ, mal mit etwas mehr Hilfe und mal fast im Alleingang lösen sollten. Ein Lehrer berichtete mir auch von gelegentlichen Tandemsitzungen mit einem Kollegen, also Stunden, in denen ein Lehrer bei einem anderen hospitiert und ihn hinsichtlich bestimmter Aspekte (Reaktion auf Störungen, Lob/Tadel, Unachtsamkeiten, Ungerechtigkeiten o.ä.) beobachtet. Dies ist zwar sicher eher die Ausnahme als die Regel, zeigt aber meines Erachtens, dass zumindest der Wille bei einigen Lehrern da ist, auf dem Laufenden zu bleiben und auch an der eigenen Person zu arbeiten.

[...]


[1] Im Folgenden ist mit „der“ oder „derjenige“ immer auch „die“ bzw. „diejenige“ gemeint, lediglich aus

Gründen der besseren Leserlichkeit wird sich auf die männliche Form beschränkt.

[2] Zitat eines Schülers zum Thema „Gruppenarbeit: Faulheit oder Problemlösung?“ In einem Online-

Forum [Quelle: http://www.wer-weiss-was.de/theme42/article3884480.html#3884480 (am 27.02.07)]

[3] S. „Sachsen macht Schule“ im Internet unter: http://www-db.sn.schule.de/output/start.php

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Gruppenarbeit – zeitgemäße Unterrichtsmethode oder Zeitverschwendung?
Hochschule
Universität Leipzig  (Erziehungswissenschaft)
Autor
Jahr
2007
Seiten
24
Katalognummer
V77677
ISBN (eBook)
9783638813464
ISBN (Buch)
9783638916509
Dateigröße
635 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gruppenarbeit, Unterrichtsmethode, Zeitverschwendung
Arbeit zitieren
Nadine Seidel (Autor:in), 2007, Gruppenarbeit – zeitgemäße Unterrichtsmethode oder Zeitverschwendung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77677

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