Über Geschmack streitet man bekanntlich nicht. So häufig dieser Allgemeinplatz in Alltagsgesprächen verwendet wird, wenn sich zwei Menschen bei der Bewertung eines Musikstückes, eines Gemäldes oder auch nur einer Gaumenfreude uneins sind, so vehement wird seine Richtigkeit von dem französischen Soziologen Pierre Bourdieu bestritten. Sich nicht über Geschmack streiten – das heißt auch anerkennen, dass Geschmack lediglich individuelle Vorlieben ausdrückt und keine gesellschaftliche Relevanz besitzt. Entgegen dieser landläufigen Meinung betont Bourdieu den sozialen Charakter des ästhetischen Urteils: Geschmack wird zum Klassengeschmack, zum Ausdruck gesellschaftlicher Ungleichheitsverhältnisse.
In der vorliegenden Hausarbeit möchte ich zeigen, dass dem Geschmack eine wesentliche Rolle in Bourdieus Theorie soziokultureller Ungleichheit zukommt. Gleichwohl soll die Darstellung sich nicht auf diesen einzelnen Aspekt beschränken, sondern die Dimension Geschmack in den größeren Rahmen von Bourdieus Theorie stellen, da mir ein Verständnis der Thesen Bourdieus nicht ohne die Klärung einiger Grundlagen seiner Theorie möglich erscheint.
In einem ersten Teil sollen daher die Begriffe Sozialer Raum und Feld und die unterschiedlichen Kapitalformen erklärt werden. Mit diesen Begriffen wird das Bourdieusche Klassenmodell erläutert. Der Begriff des Habitus wird dazu dienen, die Konstruktion von Klassen anhand objektiver Merkmale im Raum der sozialen Positionen mit den unterschiedlichen Geschmacksvarianten im Raum der Lebensstile zusammenzuführen.
In einem zweiten Teil wird dann der eigentliche Zusammenhang zwischen Geschmack und sozialer Ungleichheit aufgezeigt. Bourdieus Programm einer antikantianischen Ästhetik wird entwickelt und kurz auf seine Theorie der Kunstwahrnehmung eingegangen. Weiterhin wird dargestellt, wie die Kantische Ästhetik in der Ideologie der herrschenden Klasse fortwirkt. Anschließend werden überblicksartig die von Bourdieu unterschiedenen Geschmacksvarianten von herrschendem, mittlerem und populären Geschmack beschrieben und gezeigt, wie sie zur Reproduktion der Gesellschaftsstruktur beitragen. Schließlich werden die wichtigsten Thesen noch einmal kurz zusammengefasst.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Grundlagen von Bourdieus Theorie sozialer Ungleichheit.
- 2.1. Sozialer Raum und Feldtheorie
- 2.2. Kapitalformen
- 2.3. Der Raum der sozialen Positionen
- 2.4. Der Raum der Lebensstile
- 3. Geschmack und soziale Ungleichheit.
- 3.1. Bourdieus antikantianische Ästhetik
- 3.2. Ästhetik als Legitimationsgrundlage sozialer Ungleichheit
- 3.3. Herrschender, mittlerer und populärer Geschmack
- 4. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit untersucht die Bedeutung des Geschmacks in Pierre Bourdieus Theorie soziokultureller Ungleichheit. Sie zeigt auf, wie der Geschmack als Ausdruck von Klassengeprägtheit und gesellschaftlichen Ungleichheitsverhältnissen fungiert. Hierbei wird der Fokus auf die Einbettung des Themas Geschmack in den umfassenden Rahmen von Bourdieus Theorie gelegt, um ein tieferes Verständnis seiner Thesen zu ermöglichen.
- Bourdieus Theorie des sozialen Raums und der Feldtheorie
- Die verschiedenen Kapitalformen (ökonomisches, kulturelles, soziales, symbolisches Kapital)
- Die Rolle des Habitus in der Konstruktion von Klassen und Lebensstilen
- Bourdieus antikantianische Ästhetik und ihre Kritik an der traditionellen Kunstwahrnehmung
- Die Verbindung zwischen Geschmack und sozialer Ungleichheit sowie die Reproduktion gesellschaftlicher Strukturen durch verschiedene Geschmacksvarianten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung befasst sich mit der Relevanz des Geschmacks in Bourdieus Theorie und stellt die zentrale These der Hausarbeit vor. Das zweite Kapitel legt die Grundlagen von Bourdieus Theorie sozialer Ungleichheit dar. Es werden die Konzepte des sozialen Raums, der Feldtheorie und der verschiedenen Kapitalformen erläutert. Das dritte Kapitel geht auf den Zusammenhang zwischen Geschmack und sozialer Ungleichheit ein. Es werden Bourdieus antikantianische Ästhetik, die Legitimationsgrundlage von Geschmack und die verschiedenen Geschmacksvarianten (herrschender, mittlerer und populärer Geschmack) beschrieben.
Schlüsselwörter
Pierre Bourdieu, Soziokulturelle Ungleichheit, Geschmack, Sozialer Raum, Feldtheorie, Kapitalformen, Habitus, Antikantianische Ästhetik, Herrschender Geschmack, Mittlerer Geschmack, Populärer Geschmack.
- Arbeit zitieren
- Thomas Neumann (Autor:in), 2007, Die Bedeutung des Geschmacks in Pierre Bourdieus Theorie soziokultureller Ungleichheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77802