Die Hexenprozesse von Salem im Jahre 1692 - Betrachtung verschiedener Interpretationsansätze


Seminararbeit, 2007

15 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Faktionalismus in Salem Village bei Ausbruch des Hexenwahns 1692

3. Tituba

4. Soziologische Aspekte: Status und soziale Verflechtungen als Grundlage für Anklagen
4.1 Sarah Good
4.2 George Burroughs

5. Der betrügerische Aspekt: Ann Putnam Jr.’s Geständnis

6. Schluss

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Seminararbeit beschäftigt sich mit den Hexenprozessen von Salem des Jahres 1692. Auch im 21. Jahrhundert kommt der Interpretation der Ereignisse dieses kurzen Zeitabschnittes eine große Bedeutung zu, da sie zeigen, welche Folgen Hysterien auf die Menschen haben können, was gerade in der Zeit der Atomenergie verheerende Auswirkungen auf die Menschheit haben könnte. Die Einwohner von Salem hatten zwar nicht die Ressourcen, die den Menschen des 21. Jahrhunderts zur Verfügung stehen, doch führten die Ereignisse in Salem zu Misstrauen und der Angst vor Denunziationen innerhalb der Bevölkerung, so dass eine Verdächtigung gegen andere Personen zumeist die beste Verteidigung war.

Die Ereignisse dieser Zeit beschäftigen seit über 300 Jahren die Historiker. Die verschiedensten Erklärungsansätze für das Verhalten der „besessenen“ Mädchen wurden entwickelt: Im 18. Jahrhundert sah man die Anfälle der Mädchen als Wiederaufleben des religiösen Eifers an (keine diabolische, sondern göttliche Visionen)[1], Paul Boyer und Stephen Nissenbaum erklären die Vorkommnisse anhand eines soziologischen Interpretationsansatzes und identifizieren die Gemeinde von Salem Village und deren divergierende Parteiungen als Ausgangspunkt für die Hexenverfolgungen[2], und Bernhard Rosenthal hält die Möglichkeit des wissentlichen Betruges seitens der Mädchen für die wahrscheinlichste Möglichkeit[3]. Daneben gibt es noch Arbeiten, die sich mit psychologischen Ansätzen[4] Antworten zu verschaffen suchen, und selbst medizinisch-biologische Modelle, so die Ergot-Theorie[5], werden in Betracht gezogen.

Eine eindeutige Antwort auf die Frage, wie das Verhalten der Mädchen zu erklären ist, gibt es folglich nicht. Im Mittelpunkt dieser Arbeit sollen soziologische Ansätze zur Erklärung der Vorkommnisse stehen, jedoch soll anhand der Salem Witchcraft Papers auch die Möglichkeit des absichtlichen Betruges nicht außer Acht gelassen werden. Mittels der Prozessakten von Tituba, einer Sklavin von der Insel Barbados im Hause der Familie Parris, und Sarah Good soll ein Einblick in die Mentalität des Jahres 1692 gegeben werden, da diese beiden zusammen mit Sarah Osbourne die ersten angeklagten Hexen in Salem Village waren. Vor allem die Person Titubas ist in den Anfängen der Hexenprozesse von imminenter Bedeutsamkeit, da erst ihr Geständnis, eine Hexe zu sein, und ihre Erklärung, dass es weitere Hexen in Salem gäbe, den Mädchen von Salem, die im weiteren Verlauf der Prozesse als Anklägerinnen und Hauptzeugen auftreten sollten, die nötige Glaubwürdigkeit verliehen. Zudem verstand es Tituba, den Vernehmungsbeamten das zu berichten und zu „gestehen“, was diese hören wollten, so dass sie ihr eigenes Leben retten konnte. Am Beispiel ihrer Prozessakten lässt sich außerdem die Ignoranz der Behörden gegenüber widersprüchlicher Aussagen und „Geständnisse“ besonders gut darstellen. Für Missstände innerhalb der Gesellschaft und der Politik in Massachusetts wurde durch die Erklärung der Anwesenheit von Hexen ein geeignetes Ventil gefunden, Verantwortliche für alle Probleme zu finden. Dieses Phänomen begegnet uns bereits während der europäischen Hexenverfolgung, die ihren Höhepunkt zur Zeit der Hexenprozesse von Salem bereits überschritten hatte. Doch im Gegensatz zu den Prozessen auf dem europäischen Kontinent, galt eine angeklagte Hexe in Salem längst nicht als verurteilt, was auch der geringe Anteil an tatsächlich Hingerichteten widerspiegelt.[6]

2. Faktionalismus in Salem Village bei Ausbruch des Hexenwahns 1692

Am Tag der Examination (1. März 1691/2) der ersten als Hexe denunzierten Frau, Sarah Good, war Salem Village geprägt von internen Divergenzen und der Angst vor externen Bedrohungen durch Angriffe von Franzosen und Indianern.[7] Die Kriegsereignisse, vor allem die vernichtenden Überfälle von Indianern auf britische Siedlungen, in Kombination mit den unterschiedlichen Parteiungen innerhalb von Salem Village mussten für die Bewohner eine angespannte Lebensumgebung geschaffen haben. Obwohl auch der Kriegsverlauf für die Mentalität der Dorfbewohner entscheidend war, soll in diesem Kapitel auf die internen Differenzen der Gemeinschaft eingegangen werden, da sie in den Prozessen von besonderer Bedeutung waren, worauf später noch eingegangen wird (die Fälle von Rebecca Nurse und George Burroughs).

Das Leben in Salem Village wurde von den beiden einflussreichsten Familien, den Putnams und den Porters, die in einem Konkurrenzverhalten um Einfluss zueinander standen, geleitet. Salem Village war keineswegs eine unabhängige Stadt, sondern vielmehr abhängig von Salem Town, das mit seinem Hafen ein wichtiges Handelszentrum in Essex County, Massachusetts, darstellte. Folglich lebten in Salem Town eher Kaufleute und in Salem Village Farmer. Dennoch war Salem Town auf die Produkte aus der Agrarwirtschaft von Salem Village angewiesen. Bereits in den 1660er Jahren kamen in Salem Village Bemühungen auf, unabhängig von Salem Town zu werden. Für dieses Ziel traten besonders die Putnams ein. Salem Village war, je nachdem, wo man lebte, fünf bis zehn Meilen von Salem Town entfernt. Da die Bewohner von Salem Village, rechtlich gesehen, Einwohner von Salem Town waren und keine eigenen kirchlichen und politischen Institutionen in Salem Village hatten, mussten sie stets nach Salem Town für entsprechende Angelegenheiten reisen, was für viele Familien, angesichts der Bedrohung durch Franzosen und Indianer, undenkbar war. Durch Petitionen an den General Court von Essex erreichten sie, dass sie von der Kirchensteuer, die an Salem Town zu entrichten war, sowie von der dortigen Nachtwache befreit wurden und 1672 ein Gebäude für den Gottesdienst in Salem Village errichten sowie einen Seelsorger einstellen durften. Dennoch bestand für die Putnams und ihre Anhänger weiterhin das Bestreben, vollkommen unabhängig von Salem Town zu werden. Mit dieser Einstellung kollidierten ihre Interessen mit denen der Porters, die ein Handelsnetzwerk in Salem Town aufgebaut hatten, das über den Atlantik reichte. Unabhängigkeit hätte für sie wirtschaftliche Nachteile und Abhängigkeit von den Putnams bedeutet. Aus diesem Grund opponierten sie gegen die Bemühungen der Putnams, eine eigene vollwertige Kirche in Salem Village zu etablieren. Am deutlichsten zeigt sich dies in der Wahl der Seelsorger[8] und den Einstellungen der beiden Familien zu diesen Personen. Das Dorf war mittlerweile in die Anhänger der Putnams und die der Porters geteilt. Nachdem drei Seelsorger Salem bereits verlassen hatten, wurde Samuel Parris dorthin berufen, der die Kirche, basierend auf den puritanischen Grundfesten, zurück auf den Weg der Tugend führen wollte. Auch er unterstützte die Vorhaben der Putnams. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern predigte er jedoch gegen diejenigen, die gegen die Etablierung einer Kirche opponierten. Er unterstützte die, die sich um ihr ewiges Wohlergehen kümmerten, und kritisierte diejenigen, die ihren Kassenbüchern mehr Beachtung schenkten als ihrem spirituellen Heil.[9] Mit anderen Worten: er favorisierte die puritanischen Putnams gegenüber den kommerziell denkenden Porters[10]. Somit ist auch ersichtlich, dass sich die Gemeinde in zwei Lager teilte: in diejenigen, die auf Seiten der Putnams standen und somit auch Parris unterstützten, und in die, die ebenso wie die Porters ökonomisch dachten und gegen Parris opponierten.

[...]


[1] Mather, C.: The Diar of Cotton Mather, 1681-[1724], Vol. I., S. 161

[2] Boyer, P./ Nissenbaum, S.: Salem Possessed. The Social Origins of Wichcraft. Cambridge 1974

[3] Rosenthal, B.: Salem Story. Reading the Witch Trials of 1692. Cambridge 1993

[4] Für eine psychologische Erkärung vgl. Starkey, M.L.: The Devil in Massachusetts: A Modern Inquiry into the Salem Witch Trials. New York 1949

[5] Die Verteter der Ergot-Theorie gehen davon aus, dass die Mädchen von Salem unter einer Ergotaminvergiftung, verursacht durch das Mutterkorn des Claviceps pupurea (Mutterkorn-Pilz), der an Korngewächsen wie Roggen und Weizen wächst und somit durch die Verarbeitung zu Mehl in die Grundnahrungsmittel der Menschen gelangen konnte, litten. Vgl dazu: Caporael, L.: Ergotism: Satan Loosed in Salem? Science 192 (1976), S. 21-26; Matossian, M.K.: Poisons of the Past: Molds, Epidemics & History. New Haven 1989

[6] Der größte Unterschied zur europäischen Hexenverfolgung besteht wohl in diesem simplen Fakt. Reverend Increase Mather äußerte 1693 in der Zeit des Ausklangs der Prozesse: „It were better that Ten Suspected Witches should escape, than that one Innocent Person should be Condemned". Ein klarer Gegensatz zur Philosophie des Malleus Maleficarum von Heinrich Kramer, der jede verdächtige Frau zugleich für schuldig hielt. Vgl. dazu Baschwitz, K.: Hexen und Hexenprozesse. S. 93 f.

[7] An dieser Stelle wird Bezug genommen auf den ersten der French and Indian Wars: King William’s War (1689-1697). Der Norden Neuenglands war bereits durch den King Philip’s War (1675-1676) eine Dekade zuvor geprägt worden. Für eine kurze, aber prägnante Zusammenfassung, auch in Bezug auf Salem Village, vgl. Norton, M.B. In the Devil’s Snare. New York 2002. S. 82-111

[8] Von 1672 -1689 gab es drei Seelsorger, die nicht zum Priester geweiht waren: James Bailey, George Burroughs und Deodat Lawson. Bei Lawson beantragten die Putnams die Priesterweihe, doch die Porters opponierten.

[9] Parris, S.: Manuscript volume of sermons preached in Salem Village, 1689-1695. Connecticut Historical Society, Hartfort. Sermon Book, Nov.24, 1689, S. 19

[10] Besonders deutlich wird Parris’ negative Einstellung gegenüber zu kommerziell denkenden Menschen in der öfter auftauchenden Darstellung des Verrats Judas an Christus für Geld. Vgl. dafür Sermon Book, Jan. 12, 1690, S. 38

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Hexenprozesse von Salem im Jahre 1692 - Betrachtung verschiedener Interpretationsansätze
Hochschule
Universität zu Köln  (Historische Seminar/ Anglo-Amerikanische Abteilung)
Veranstaltung
Seminar
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
15
Katalognummer
V77806
ISBN (eBook)
9783638828666
ISBN (Buch)
9783638831864
Dateigröße
424 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hexenprozesse, Salem, Jahre, Betrachtung, Interpretationsansätze, Seminar
Arbeit zitieren
Christian Berwanger (Autor:in), 2007, Die Hexenprozesse von Salem im Jahre 1692 - Betrachtung verschiedener Interpretationsansätze, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77806

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