Neben dem Rückgriff auf Strukturen und Bilder dieses primär männlich-viril markierten Mythos zur Beschreibung der „Blaubartehe“ (F, 68) , in welcher sich Franza nach ihrer Heirat mit dem Arzt und Psychologen Leo Jordan tödlich oder besser todbringend gefangen sieht , findet sich in der mythischen Gestalt der ‘gehenden Undine’ der utopische Entwurf einer aus patriarchalen Machtstrukturen und dem damit einher gehenden zivilsatorischen „Dschungel“ (F, 72/73) herausgelösten Partner-Liebe am „Rande“, das heißt an der allgegenwärtigen, unaufhebbaren Grenze. Diese maniferstiert sich erstens zwischen Individuum und Gesellschaft allgemein, zweitens zwischen zwei einander zustrebender Individuen und schließlich drittens im stets wiederkehrenden, mehr oder weniger schmerzlich erlebten Konflikt des interiorisierten Zwiespalts, den das Individuum als die ihm eigene, unüberwindbare, ihn „auszeichnende“ Grenze begreift.
Die Bedeutung einer neuerlichen Verwendung tradierter Mythen innerhalb einer Weiter-, Um- oder sogar „Anti“-Schreibung derselben muß genauso hinterfragt werden wie die Leistung der verwendeten Bilder, Formen und Strukturen, welcher sich die Autorin bedient.
Im Hinblick auf die Rezeption (2.) der - wenn auch nicht gänzlich oder ausschließlich, so doch grundlegend - über gemeine Mythen vermittelten Werke bzw. deren Inhalte schließt sich die Frage nach der Funktion des Rückgriffs auf generell bekanntes Vorwissen (3) an, das sich verantwortlich zeichnet für eine Dynamik seitens des Lesers, generiert aus der vermeintlich allgemein gültigen Signifikanz der aufgerufenen Legenden (3.2.) und der deformierten, entstellten oder gegenläufigen Re-produktion innerhalb der autorspezifischen Ausgestaltung (3.3).
Schließlich sollen die eigentlichen Parallelen und Widersprüche des männlich zentrierten Blaubart-Mythos und des weiblich geprägten Undine-Mythos in der bachmannschen Verwendung an den Texten (Der Fall Franza/Undine geht, 4.) aufgezeigt werden, die ihr vorläufiges Ende in der Überlagerung bzw. Auflösung der durch die aufgerufenen Mythen gesetzten Oppositionen nimmt (Ein Schritt nach Gomorrah, 5/6/7).
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einleitung
- 1. Themenstellung der Arbeit
- 2. Die Renaissance erotischer Mythen
- 2.1. Bedingungen einer Reprise von Mythen in der Literatur
- 2.2. Grundsätzliches zum Mythos
- 2.3. Die Sprache des ,,Mythischen”
- 2.4. Die,,wissenschaftliche“ Wiederaufnahme des Mythos durch Freud
- 2.5. Das,,Individuelle“ des Mythischen
- 2.6. Besonderheiten der „Form\" des Mythischen
- 3. Mythen im Werk Ingeborg Bachmanns
- 3.1. Bedingungen der Mythen-Reprise in „Der Fall Franza“ und „Undine geht“
- 3.2. Der Mythos der Wasserfrau vor der Reprise durch Ingeborg Bachmann
- 3.2.1. Fouqué
- 3.2.2. Giraudoux
- 3.3. Die Erzählung „Undine geht“
- 3.3.1. Stellung im Gesamtwerk Bachmanns
- 3.3.2. Form und thematische Strukturierung
- 3.2.3. Neuperspektivierung des erotischen Wasserfrauen-Mythos
- 4. Mythische Motive in „Undine geht“ und „Der Fall Franza“
- 4.1. Allgemeine strukturierende Konstituenten
- 4.2. Der Grenzfall Franza
- 4.2.1 Das Motiv der Grenze
- 4.2.2. Das Motiv des Orts
- 4.3. Das Wasserwesen Undine
- 4.3.1. Das Motiv der Grenze
- 4.3.2. Das Motiv des Orts
- 5. Zyklische Struktur und Opfertrieb
- 6. Die Grenzexistenz in der Sprache
- 7. Die Überwindung binärer Setzungen: Ein ‘weiblicher' Blaubart
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Rezeption und Neuinterpretation erotischer Mythen, insbesondere des Blaubart-Mythos und des Undine-Mythos, im Werk Ingeborg Bachmanns. Der Fokus liegt auf dem Vergleich beider Mythen und deren Funktionsweise in Bachmanns Erzählungen „Der Fall Franza“ und „Undine geht“. Ziel ist es, die spezifischen literarischen Strategien Bachmanns aufzuzeigen, mit denen sie diese Mythen in ihre eigene narrative und thematische Struktur einbindet.
- Die Renaissance erotischer Mythen in der Literatur
- Die Neuinterpretation des Blaubart-Mythos im Kontext von Ehe und Partnerschaft
- Die Dekonstruktion patriarchaler Strukturen im Undine-Mythos
- Das Motiv der Grenze und dessen Bedeutung in Bachmanns Werk
- Die sprachliche Gestaltung mythischer Motive
Zusammenfassung der Kapitel
0. Einleitung: Die Einleitung beschreibt den Ausgangspunkt der Arbeit in einem Hauptseminar zum Vergleich der Mythen von Don Juan und Blaubart. Sie führt die Beschäftigung mit Ingeborg Bachmanns Werk ein, insbesondere deren Auseinandersetzung mit dem Blaubart-Mythos in „Der Fall Franza“ und dessen Verbindung mit dem Undine-Mythos in der gleichnamigen Erzählung. Die Einleitung hebt die besondere Art der Mythenrezeption bei Bachmann hervor, die über eine reine motivische oder metaphorische Verwendung hinausgeht.
1. Themenstellung der Arbeit: Dieses Kapitel skizziert die zentrale Fragestellung der Arbeit. Es benennt die beiden zentralen Mythen (Blaubart und Undine) und ihre Funktionen in Bachmanns Werk. „Der Fall Franza“ wird als Darstellung einer „Blaubartehe“ vorgestellt, während „Undine geht“ einen utopischen Entwurf einer von patriarchalen Strukturen befreiten Partnerschaft darstellt. Das Konzept der „Grenze“ als wiederkehrendes Motiv wird bereits hier eingeführt.
2. Die Renaissance erotischer Mythen: Dieses Kapitel analysiert die Bedingungen und die Beschaffenheit der Wiederaufnahme von Mythen in der Literatur im Allgemeinen und im Werk Ingeborg Bachmanns im Besonderen. Es werden verschiedene Aspekte beleuchtet, darunter die "wissenschaftliche" Rezeption des Mythos durch Freud, die individuelle Ausprägung von Mythen, und deren spezifische Form.
3. Mythen im Werk Ingeborg Bachmanns: Dieses Kapitel untersucht die Bedingungen der Mythenrezeption in „Der Fall Franza“ und „Undine geht“, in Verbindung mit der Geschichte des Undine-Mythos bei Fouqué und Giraudoux. Der Fokus liegt auf der Positionierung der Erzählung „Undine geht“ im Gesamtwerk Bachmanns und ihrer formalen sowie thematischen Struktur, sowie der Neuinterpretation des Wasserfrauen-Mythos.
4. Mythische Motive in „Undine geht“ und „Der Fall Franza“: Hier werden die gemeinsamen strukturierenden Elemente in beiden Erzählungen analysiert, wobei die Figuren Franza und Undine im Hinblick auf die Motive der Grenze und des Ortes verglichen werden. Die Kapitel vergleichen die jeweiligen Interpretationen der Mythen durch Bachmann.
5. Zyklische Struktur und Opfertrieb: Dieses Kapitel untersucht die zyklische Struktur der Erzählungen und die Rolle des Opfertriebs. Es wird vermutlich auf die Wiederholung von Mustern und deren Auswirkungen auf die Figuren eingegangen. (Details sind ohne Zugriff auf den vollständigen Text nur spekulativ darstellbar).
6. Die Grenzexistenz in der Sprache: Dieses Kapitel befasst sich mit der sprachlichen Darstellung der Grenzsituationen und der Existenz an der Grenze, wahrscheinlich im Kontext der Mythen und der von Bachmann dargestellten Konflikte und Beziehungen. (Details sind ohne Zugriff auf den vollständigen Text nur spekulativ darstellbar).
7. Die Überwindung binärer Setzungen: Ein ‘weiblicher' Blaubart: Dieses Kapitel analysiert die Überwindung traditioneller binärer Gegensatzpaare und die Darstellung eines „weiblichen“ Blaubart. Es beleuchtet vermutlich eine Umkehrung oder Neuinterpretation der traditionellen Geschlechterrollen im Kontext des Blaubart-Mythos. (Details sind ohne Zugriff auf den vollständigen Text nur spekulativ darstellbar).
Schlüsselwörter
Ingeborg Bachmann, Blaubart-Mythos, Undine-Mythos, Mythenrezeption, Patriarchat, Grenze, Identität, Sprache, Erzählstruktur, „Der Fall Franza“, „Undine geht“, Ehe, Partnerschaft, Psychoanalyse.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Analyse der Mythenrezeption in Ingeborg Bachmanns Werk
Was ist das Thema dieser Arbeit?
Die Arbeit analysiert die Rezeption und Neuinterpretation erotischer Mythen, insbesondere des Blaubart- und des Undine-Mythos, in Ingeborg Bachmanns Erzählungen „Der Fall Franza“ und „Undine geht“. Im Fokus steht der Vergleich beider Mythen und ihrer Funktion in Bachmanns narrativer und thematischer Struktur. Die Arbeit untersucht, wie Bachmann diese Mythen in ihre eigene Erzählweise einbindet.
Welche Mythen werden untersucht?
Die Arbeit konzentriert sich auf den Blaubart-Mythos und den Undine-Mythos. „Der Fall Franza“ wird als Darstellung einer „Blaubartehe“ interpretiert, während „Undine geht“ als utopischer Entwurf einer von patriarchalen Strukturen befreiten Partnerschaft gesehen wird.
Welche Aspekte der Mythenrezeption werden behandelt?
Die Analyse umfasst die Bedingungen der Mythen-Reprise in der Literatur allgemein und bei Bachmann im Besonderen. Es werden die „wissenschaftliche“ Rezeption durch Freud, die individuelle Ausprägung von Mythen und ihre spezifische Form beleuchtet. Die Arbeit untersucht auch die sprachliche Gestaltung mythischer Motive und die Überwindung traditioneller binärer Gegensatzpaare.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel: Einleitung, Themenstellung, Renaissance erotischer Mythen, Mythen im Werk Ingeborg Bachmanns, Mythische Motive in „Undine geht“ und „Der Fall Franza“, Zyklische Struktur und Opfertrieb, sowie die Überwindung binärer Setzungen. Jedes Kapitel behandelt spezifische Aspekte der Mythenrezeption und -interpretation in Bachmanns Werk.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant?
Wichtige Schlüsselbegriffe sind: Ingeborg Bachmann, Blaubart-Mythos, Undine-Mythos, Mythenrezeption, Patriarchat, Grenze, Identität, Sprache, Erzählstruktur, „Der Fall Franza“, „Undine geht“, Ehe, Partnerschaft, Psychoanalyse.
Wie werden die Erzählungen „Der Fall Franza“ und „Undine geht“ verglichen?
Die Erzählungen werden im Hinblick auf ihre Verwendung der Mythen, die Darstellung von Grenzsituationen, die sprachliche Gestaltung und die thematische Struktur verglichen. Der Vergleich dient dazu, die spezifischen literarischen Strategien Bachmanns aufzuzeigen.
Welche Rolle spielt das Motiv der „Grenze“?
Das Motiv der „Grenze“ wird als wiederkehrendes und bedeutendes Element in beiden Erzählungen identifiziert und analysiert. Es wird untersucht, wie dieses Motiv die Figuren, die Beziehungen und die thematische Struktur der Erzählungen prägt.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Ohne Zugriff auf den vollständigen Text lassen sich detaillierte Schlussfolgerungen nicht ziehen. Die Arbeit untersucht jedoch, wie Bachmann die Mythen rezipiert und neu interpretiert, um patriarchalische Strukturen zu dekonstruieren und alternative Konzepte von Ehe und Partnerschaft zu entwickeln. Die Analyse konzentriert sich auf die sprachlichen und narrativen Mittel, die Bachmann hierfür einsetzt.
- Arbeit zitieren
- Gerdi Ziegler (Autor:in), 1997, Ritter Blaubart - Wasserfrau Undine - Zwei erotische Mythen im Vergleich im Werk I. Bachmanns, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7796