Der kritische Textvergleich der beiden Gesamtwerke im Hinblick auf die Frage nach einer möglichen „Adaptation courtoise“ seitens Hartmanns gergab den Vergleich der - nicht nur der strukturell erklärtermaßen ‘unabhängigen’ finalen Episode der „Joie de la curt“-Aventiure, sondern auch eine genauere Betrachtung der Hinführungs- bzw. Vorbereitungsszene, die der „ohne Zweifel [...] am stärksten bedeutungsgesättigten Szene“ - zumindest Hartmanns „Erec“ betreffend - unmittelbar vorausgeht.
Denn eine Gesamtinterpretation der Werke im Sinne ‘heilsgeschichtlicher’ oder ‘sittlich-religiöser’ Grundaussagen, deren Relevanz sich bei einem Vergleich insbesondere für Hartmann in ganzer Komplexität erschließt, kann nur schwer ohne eine minuziöse Berücksichtigung jener Schlußszenerie erfolgen, bei deren Ausgestaltung Hartmann seine Vorlage allein am Volumen der Verse gemessen weit übertrifft.
Ähnliches gilt auch für die Hinführungsszene auf die „Joie de la Curt“-Episode, deren Bedeutung einerseits aus der unmittelbaren Nähe zum Ende folgt, andererseits in ihrer strukturellen Anlage und bildlichen Ausgestaltung die finale Episode bestimmt, sogar bewußt vorausdeutet oder mystifiziert .
Gemäß den von den Erzählern gleichermaßen verwendeten bildlich-motivischen, symbolischen, strukturellen und weiteren erzähltechnischen Mittel zur Ausgestaltung der Hinführungsszene, die insbesondere bei Hartmann zusätzliche bedeutungstragende Ebenen - neben der eigentlich „erzählten“ - eröffnen, sollen zunächst ‘in den Weg’ (in sich schon symbolisch!) zur Aventiure auf Brandigan eingearbeitete Bilder und Symbole in ihrer Aussagekraft und Tradition erläutert werden, um in der Folge ihre strukturelle Organisation und Koordination innerhalb des Romanganzen zu erschließen (3.).
Die Ausgestaltung der im höfischen Roman ‘auftretenden’ Lokalitäten (Burg, Garten) soll anschließend auf ihre erzähltechnische Funktion, sowie ihre Relevanz bezüglich der immer eindeutiger neben die eigentliche Handlungsebene tretende Bedeutungsebene untersucht werden (4.), um schließlich nach einer Prüfung des Schönheitsmotivs (5.) anhand der Erzählerkommentare und Dialogstrukturen (6.) zu einer Erfassung der Hinführungsepisode als bewußte Vorbereitung der Joie de la Curt-Aventiure in ihrer Sinnbildhaftigkeit für den gesamten „Weg“ der Protagonisten Erec und Enite zu gelangen.
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einleitung/Themenstellung der Arbeit
- 1. Hinführungsszene - Kontext und Bedeutungsrelevanz
- 2. Bedeutung und Funktion bildlich-symbolischer Elemente
- 2.1. Wegmotiv und „wegescheide“ (H.V. 7813)
- 2.2. Spielmetapher und Schachspiel
- 3. Funktion dargestellter Lokalitäten: Die Burg Brandigan
- 3.1. Epische Inszenierung von Lokalitäten
- 3.2. Funktion der dargestellten Burg Brandigan
- 4. Schönheitsmotiv
- 4.1. Erweiterte Ausgestaltung bei Hartmann
- 4.2. Funktion des Motivs
- 5. Erzählstruktur bei Chrétien und Hartmann
- 6. Schlußwort
- 7. Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Vorbereitungsszene auf die „Joie de la Curt“-Aventiure in den „Erec“-Romanen von Chrétien de Troyes und Hartmann von Aue. Sie untersucht die Bedeutung und Funktion bildlich-symbolischer Elemente, die strukturelle Organisation und Koordination innerhalb des Romanganzen, sowie die erzähltechnische Funktion der dargestellten Lokalitäten. Der Fokus liegt auf der Herausarbeitung der Hinführungsepisode als bewußte Vorbereitung der Joie de la Curt-Aventiure in ihrer Sinnbildhaftigkeit für den gesamten „Weg“ der Protagonisten Erec und Enite.
- Vergleich der Hinführungsszene in den „Erec“-Romanen von Chrétien de Troyes und Hartmann von Aue
- Bedeutung und Funktion bildlich-symbolischer Elemente, insbesondere des Wegmotivs und der Spielmetapher
- Erzähltechnische Funktion und Relevanz der dargestellten Lokalitäten, wie der Burg Brandigan
- Analyse des Schönheitsmotivs und seiner Funktion in den Romanen
- Erforschung der Erzählstruktur und -kommentare bei Chrétien und Hartmann
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Themenstellung der Arbeit vor und erläutert die Relevanz des Vergleichs der „Erec“-Romane von Chrétien de Troyes und Hartmann von Aue im Hinblick auf die „Joie de la curt“-Aventiure. Kapitel 1 analysiert den Kontext und die Bedeutungsrelevanz der Hinführungsszene im Hinblick auf die Bedeutung und Funktion bildlich-symbolischer Elemente (Kapitel 2). Kapitel 3 untersucht die erzähltechnische Funktion der dargestellten Lokalitäten, wie der Burg Brandigan. Kapitel 4 analysiert das Schönheitsmotiv und seine Funktion in den Romanen. Abschließend werden die Erzählstrukturen bei Chrétien und Hartmann sowie die Bedeutung der Hinführungsepisode als bewußte Vorbereitung der Joie de la Curt-Aventiure in ihrer Sinnbildhaftigkeit für den gesamten „Weg“ der Protagonisten Erec und Enite betrachtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Themen der höfischen Epik des Mittelalters, wie der „Joie de la curt“, dem Wegmotiv, der Spielmetapher, der epischen Inszenierung von Lokalitäten, dem Schönheitsmotiv und der Erzählstruktur. Sie analysiert die Bedeutung und Funktion dieser Elemente in den „Erec“-Romanen von Chrétien de Troyes und Hartmann von Aue im Hinblick auf die Vorbereitung der Joie de la Curt-Aventiure und die Entwicklung der Protagonisten.
- Quote paper
- Gerdi Ziegler (Author), 1997, Hartmann von Aue/Chrétien de Troyes: Die Vorbereitung der Joie-de-la-Curt-Aventiure im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7797