Die vorliegende Arbeit beschreibt, nach einer kurzen begrifflichen Abgrenzung von Klasse und Schicht, die Inhalte der beiden Hauptpositionen Ulrich Becks und Rainer Geißlers. Anschließend wird anhand statistischer Daten überprüft, wie sich die Situation sozialer Ungleichheiten aktuell darstellt. Im Teil Ergebnis wird dann abschließend geklärt, wie sich die Ergebnisse der Empirie mit den vorgestellten Standpunkten verbinden lassen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Begriffe Klasse und Schicht
3. Standpunkt von Ulrich Beck
4. Geißlers These
5. Aktuelle empirische Datenbasis
6. Ergebnis
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„[…]nirgendwo auf der Welt hat es bisher, in welchem Kulturkreis auch immer, Gesellschaften ohne ausgeprägte Sozialhierarchie gegeben, zu der auch stets Oberklassen, Eliten und Unterschichten gehören.“[1]
Hans-Ulrich Wehler
Trotzdem scheint es in Deutschland schwierig, offen über Unterschiede in der Vermögens- und Einkommensverteilung, Bildungs- und Teilhabechancen sowie über ähnliche strukturelle Ungleichheiten zu sprechen. Dies wird zum Beispiel an der Diskussion deutlich, die Ende 2006 entbrannte, als der SPD-Parteivorsitzende Kurt Beck den Begriff der Unterschicht gebrauchte. Anlass war eine Analyse der parteinahen Friedrich-Ebert-Stiftung, die in ihrem Bericht den Neologismus „Prekariat“ verwandte. Hiermit bezeichnete sie die gesellschaftliche Gruppe, die von sozialem Ausschluss und Abstiegserfah-rungen geprägt ist.[2] Fast schon reflexartig dementierten Politiker sämtlicher Fraktionen, dass es derart feste Muster gesellschaftlicher Benachteiligung gäbe.
Dies ist umso verwunderlicher, als dass wichtige Vertreter der Sozialstruktur-analyse in den letzten Jahrzehnten immer wieder auf bestehende Ungleichheiten hingewiesen haben. In der Ausdeutung dieser Ungleichheiten spaltete sich das Lager der Theoretiker allerdings in zwei Teile auf.
So beschreibt der deutsche Soziologe Ulrich Beck ein Fortbestehen sozialer Ungleichheiten als durchaus existent, sieht diese jedoch aus Gründen, die im vorliegenden Text beschrieben werden, nicht als Kriterium für eine soziologische Einteilung der Gesellschaft in Klassen oder Schichten.
Rainer Geißler, als ein namhafter Vertreter der Gegenrichtung, versucht empirisch zu belegen, dass der Schichtbegriff durchaus seine Daseins-berechtigung hat.
Die vorliegende Arbeit beschreibt, nach einer kurzen begrifflichen Abgrenzung von Klasse und Schicht, die Inhalte der beiden Haupt-positionen und versucht anschließend anhand statistischer Daten zu überprüfen wie sich die Situation sozialer Ungleichheiten aktuell darstellt. Im Teil Ergebnis wird dann abschließend überprüft, wie sich die Ergebnisse der Empirie mit den vorgestellten Standpunkten verbinden lassen.
2. Die Begriffe Klasse und Schicht
Vor Einstieg in die Betrachtung der Existenz von Schichtstrukturen lohnt sich der Blick auf das eng zusammenhängende Begriffspaar Klasse und Schicht, gerade weil es einer ganz besonderen Dynamik unterliegt.
So trägt der soziologische Begriff Klasse ein ganzes Bündel historischer Auslegungen mit sich herum. Karl Marx, als einer der ersten die den Begriff verwandten, sah den Begriff z. B. noch in sehr engem Zu-sammenhang mit den Arbeitsprozessen und sah Klassen als „durch die Teilung der Arbeit“ bedingt.[3]
Ein aktueller und vergleichsweise breiter soziologischer Konsens scheint die Beschreibung der Klasse als eine Gruppe der Bevölkerung zu sein, „die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Stellung, ihrer sozialen Lage und ihrer (z. B. von einer Generation auf die nächste übertragenen) Lebenschancen über gleiche und gemeinsame Inter-essen verfügt“[4].
Auf Grund der Tatsache, dass in der heutigen Gesellschaft die beruflichen und sozialen Situationen der Individuen Änderungen unterworfen und auch Auf- und Abstiege möglich sind, findet der Begriff zur Beschreibung moderner Gesellschaften kaum noch Verwendung und wird durch den flexibleren Begriff der Schicht ersetzt.
3. Standpunkt von Ulrich Beck
Der Ausgangspunkt von Becks Argumentation über die Auflösung von Klassen- und Schichtstrukturen ist die Beobachtung, dass das Bewusstsein über die unterschiedlichen Lebens- und Lebenschancen-verhältnisse deutlich zurückgegangen ist, obwohl die Relationen der Ungleichheit zwischen den großen gesellschaftlichen Gruppen keiner besonderen Veränderung unterlag.
Beck führt dies auf den „Fahrstuhl-Effekt“ zurück. Der Begriff beschreibt eine gesamtgesellschaftliche Verbesserung in Bereichen wie z. B. Einkommen, Vermögen, Bildung, Mobilität, Recht, Wissenschaft oder Konsum. Besonders deutlich wird diese Entwicklung bei der Erhöhung des materiellen Lebensstandards. Im letzten Jahrhundert hat sich so der durchschnittliche Reallohn der Industriearbeiter verdreifacht, die Sparquote mehr als versechsfacht und der Preis für Nahrung, Kleidung und Wohnung relativ zum Gesamteinkommen gesenkt. Für den Einzelnen ist, so Beck, diese Verbesserung der persönlichen Situation (z. B. die Höhe des monatlichen Lohns) wesentlich wichtiger als die Überprüfung der Abstände zu anderen Großgruppen (z. B. die Lohnhöhe des Chefs).[5]
Wenn nun der „Unterschichtbetroffene“ seine Schicht- oder Klassen-zugehörigkeit selbst nicht mehr als solche wahrnimmt bzw. sich an derselben stört, stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Ver-wendung von Klasse- und Schichtbegriff in der Sozialstrukturanalyse.[6]
Dies wird noch durch einen anderen Aspekt unterstützt, den Beck unter Individualisierung zusammenfasst:
In unser modernen Gesellschaft ist zu beobachten, dass sich
a) die Lebenszeit in einer Gesellschaft besserer medizinischer Versorgung und höherer Lebensqualität erhöht hat,
b) die Arbeitszeit durch Rückgang des wöchentlichen Arbeits-pensums verringert hat und
[...]
[1] Wehler, Hans-Ulrich, Die verschämte Klassengesellschaft, in: Die Zeit Nr. 48 vom 23.11.2006
[2] Müller-Hilmer, Rita, Gesellschaft im Reformprozess, Berlin, 2006, S. 81, Link: http://www.sozialpolitik-lehrbuch.de/thema_aktuell_unterschicht.shtml
[3] Marx, Karl, Engels, Friedrich, Werke, Band 3, Berlin, 1969, S. 33
[4] Schuber, Klaus, Klein, Martina, Das Politiklexikon 4, Bonn, 2006, S. 232
[5] vgl. Beck, Ulrich, Risikogesellschaft, Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt am Main, 1986, S. 122f
[6] vgl. ebenda, S. 140
- Arbeit zitieren
- David Wagener (Autor:in), 2007, Klassen- und Schichtstrukturen in der modernen Gesellschaft. Die soziologischen Hauptpositionen von Ulrich Beck und Rainer Geißler, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78023
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