Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen und Begriffsklärung
3. Wandel des Journalismus
3.1. Mehrkanaligkeit
3.1.1. Numerische Grafiken
3.1.2. Erklärgrafiken
3.1.3. Topografiken
3.2. Clusterbildung
3.2.1. thematische Segmentierung
3.2.2. funktionale Segmentierung
3.2.3. perspektivische Segmentierung
3.2.4. prinzipiengeleitete Segmentierung
3.3. Bedeutungsjournalistische Tendenzen
3.4. selektive Leserschaft
4. Ursachen
5. Besonderheiten der Online-Zeitung
6. Fazit: Online-Zeitung als Verdrängung oder als Erweiterung der Print-Version?
7. Literatur
1. Einleitung
Die Zeitung war über jahrhunderte hinweg das Medium Nummer Eins, um alltägliche Informationen zu erlangen. Dabei ist es kein Geheimnis mehr, dass auch sie sich im Laufe der Zeit an die moderne Welt anpassen musste, um weiterhin gefragt zu bleiben. Sie
„[…] präsentiert auf immer mehr Raum immer mehr Informationen mit den zusätzlichen Informationskanälen Bild und Grafik, obwohl ihre Leser kontinuierlich weniger Zeit in die Lektüre investieren. Textdesign ist eine Strategie, um dieses Dilemma in der Leser-Blatt-Beziehung aufzulösen. Sie unterstützt die selektive Lektüre und hilft, den Informationsfluss zu kanalisieren“ (Blum (1998): 16).
Bezüglich dieser Wandlung spielen sowohl thematische als auch darstellerische Änderungen eine Rolle, wobei letzteres, das „Design“, die Präsentation der Zeitungen und Zeitschriften im Laufe meiner Arbeit eine besonders wichtige Stellung einnehmen werden.
Doch gerade die Wandlung bezüglich der neuen Darstellung zieht viele Kritiker an, so dass sich die bunte Welt der Zeitungen in zwei Pole gespalten hat: die von der neuen Art der Zeitungsgestaltung Begeisterten, sowie die scharfen Kritiker, die wie Wolfgang Koschnick die Ansicht vertreten:
„Das moderne Zeitungsdesign läuft auf die Reduktion des Inhalts auf Kosten der Verpackung hinaus. […] Durch Reduktion der angebotenen Informationsmenge tritt an die Stelle der Textlastigkeit eine bunte Mischung von leicht verdaulichem Text, bunten Bildern und Grafiken“ (Wolfgang Koschnick: Deutscher Drucker 18,13.5.1993, S. 18).
Diese Ansicht möchte vielen sehr vermessen erscheinen, denn Textdesign ist weitaus mehr, als eine „Verpackung“, die über schlechte Texte oder Informationsverbreitung hinwegtäuschen soll. Inwieweit spielt die Darstellung der Zeitung heute überhaupt eine Rolle, und warum ist die Zeitung überhaupt gezwungen, diesen Veränderungen offen gegenüberzustehen?
Und wie stark sind die technisch-medialen Veränderungen der letzten Jahrzehnte, wie beispielsweise die Möglichkeit die Zeitung „online“ zu lesen, zu bewerten? Stellt diese Möglichkeit des „up to date“ – Bleibens eine Gefahr für die Print-Version dar, oder lässt sie sich lediglich als eine „logische Konsequenz“ (vgl. Bucher (1999): 9), eine Erweiterung des gedruckten Exemplars begreifen? Diese und andere Fragen werde ich im Laufe meiner Arbeit versuchen zu beantworten und bei meinen Ausführungen nicht vollständig, aber weitestgehend auf eigene Beispiele zurückgreifen. Die Frage, was Textdesign eigentlich ist, werde ich im nächsten Kapitel zu klären versuchen, sowie dabei auch auf einige andere für diese Arbeit nicht unwesentlichen Begrifflichkeiten eingehen.
2. Theoretische Grundlagen und Begriffsklärung
Laut Hans-Jürgen Bucher (1998: 66) wird
„Mit dem Begriff Textdesign […] eine Gestaltungslehre für nicht-lineare Medien charakterisiert. Ihre Prinzipien umfassen sowohl die inhaltlich-journalistische Ebene als auch die Aufmachungsform mit den operationalen Orientierungshilfen. Textdesign integriert also Stilistik und Optik, Textgestaltung und Layout. Somit steht der Begriff Textdesign für eine integrative Betrachtungsweise von Form, Inhalt und Funktion eines Mediums“.
Diese Definition des Begriffs steht also den Auffassungen der Kritiker, die neue Textgestaltung wäre eine bunte Verpackung, um von schlechten Inhalten abzulenken, konträr gegenüber, denn die Inhalte werden stark mit einbezogen, mit der Frage: Wie lassen sich diverse Themen möglichst verständlich und unter dem funktionalen Aspekt, möglichst viel zu vermitteln, aufbereiten?
Aus dieser Erklärung des Begriffs „Textdesign“ von Hans-Jürgen Bucher ergibt sich nun der Begriff des „ nicht-linearen “ Textes. Zum besseren Verständnis ist es jedoch notwendig, kurz zu erläutern, was man denn unter linearen Textformen versteht. Linear bedeutet, der Leser beginnt auf Seite eins und beendet seine Lektüre auf der letzten Seite, er kann nicht zwischen verschiedenen Kapiteln hin und her springen, wenn er effektiv lesen möchte. Ein vergleichbares Beispiel wäre der Roman. Bei den nicht-linearen Texten ist im Gegensatz dazu nun die Möglichkeit gegeben, von einer Information zur nächsten zu springen und nur das zu lesen, was auch wirklich von Interesse für den jeweiligen Leser ist. Der Rezipient kann seinem eigenen Lesepfad folgen. Unter diese Kategorie fallen beispielsweise Nachschlagewerke, sowie alle Zeitungen, sowohl die Print-Versionen, als auch die Online-Produkte (vgl. Blum (1998): 92). Nicht-lineare Texte benötigen aufgrund ihrer selektiven Gebrauchsmöglichkeit so genannte Orientierungshilfen, auf diese werde ich allerdings im Verlauf des dritten Kapitels Bezug nehmen.
3. Wandel des Journalismus
Es gilt als erwiesen, dass die Menschen trotz steigender Freizeit weniger Zeitung lesen. Waren es im Jahre 1964 noch durchschnittlich einundzwanzig Minuten, in denen sich die Leute mit einer solchen Lektüre befassten, so wurden im Jahr 1995 nur noch durchschnittlich 17 Minuten mit der Lektüre einer Zeitung verwendet (vgl. Blum (1998): 21).
Besonders unter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist ein steter Rückgang am Interesse an der Zeitung zu verzeichnen. Dabei lesen heute nur noch 43 Prozent der unter Zwanzig-Jährigen Tageszeitung, während es im Jahre 1974 noch 61 Prozent waren (vgl. Blum (1998): 21).
Aufgrund dieser Tendenzen, zu den Ursachen dieser „Leseträgheit“ möchte ich erst am Ende meines Aufsatzes kommen, müssen die Zeitungen, um im „Dschungel der Medien“ noch einigermaßen hervorzustechen und nicht unterzugehen, ihr Angebot und dessen Umsetzung komplett ändern, um so eine höhere Leser-Blatt-Bindung unter zeit- und nutzungsökonomischen Bedingungen zu erreichen. Wie dies geschieht, und nach welchen Kriterien dies erfolgt, werde ich im Folgenden vergleichend näher betrachten. Dabei werde ich nicht näher darauf eingehen, dass als fünftes, hier nicht mit als Unterpunkt erwähntes Kriterium die Informationsfunktion der Zeitung durch eine Unterhaltung- und Servicefunktion ergänzt wird, um eine höher Attraktivität für den Leser zu erreichen (vgl. Blum (1998): 16). Meines Erachtens ist es nicht notwendig dies weiter zu erläutern, und somit wird es der Vollständigkeit halber bei dieser Nennung bleiben.
3.1. Mehrkanaligkeit
Während in frühen Exemplaren der Zeitung, wie beispielsweise der Relation von 1609, lediglich Texte, zum Teil ohne jede Form von graphischer Absetzung der einzelnen Abschnitte oder Themenblöcke in Absätzen, zur Informationsvermittlung verwendet wurden (Einkanalige Informationsverarbeitung) (siehe Abbildung 1), verwenden Print-Zeitungen heute in mehr oder weniger starkem Umfang vermehrt Bilder und Grafiken und Absätze, sowie Themenblocks (Mehrkanaligkeit) (siehe Abbildung 2) und die Online-Zeitung kann aufgrund ihrer technisch-medialen Möglichkeiten sogar auf akustischem Weg (zum Beispiel durch Videos, kenntlich gemacht durch eine kleine Kamera) zum Lesen verführen (vgl. www.spiegelonline.de).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die Relation von 1609, 5. Ausgabe
Schon Gustave Le Bon schrieb 1982 (Straßner (2002): 14):
„Die Massen können nur in Bildern denken und lassen sich nur durch Bilder beeinflussen. Nur diese schrecken oder verführen sie und werden zu Ursache ihrer Taten.“,
und bringt damit die Bedeutung von Bildern und Grafiken auf den Punkt. Bilder vereinfachen nicht nur Denk- und Merkprozesse, sie wirken auch als „Signale“, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und die Menschen emotional bewegen können. Sie dienen als Einstieg in die jeweilige Materie (vgl. Straßner (2002): 15) und bieten „schnell konsumierbares Wissen“ (Straßner (2002): 13). Und damit dürfte nun schon klarer werden, warum die Zeitung, die vor Allem (wie bereits deutlich gemacht) für die jugendlichen Konsumenten unattraktiv und reizlos wirkte, auf diese Form von „Blickfang verbunden mit Informativität“ zurückgreift. Was als Schmuck und Beiwerk verwendet wurde, sind heute als eigenständige journalistische Darstellungsformen zu betrachten (vgl. Bucher (1996): 35).
Im Folgenden werde ich nun die einzelnen graphischen Bereiche näher erläutern.
3.1.1. Numerische Grafiken
Numerische Grafiken dienen dem Veranschaulichen von Informationen, die auf Zahlen beruhen, sie visualisieren somit Vergleiche. Dazu werden Balken-, Säulen-, Torten-, oder Kurvengrafiken verwendet (vgl. Bucher (1998): 71). Der Vorteil dieser Grafiken gegenüber einem reinem Text liegt darin, dass nicht nur absolute Werte dargestellt werden können, sondern dass auch Relationen zwischen den Werten über bestimmte Zeiträume hinweg optisch präsentiert werden können (vgl. Bucher (1996): 37), und es dementsprechend möglich ist, eine große Fülle an Informationen in stark komprimierter Form darzustellen (siehe Abbildung 3).
Die Informationen, die der Leser einem Text nur sequentiell entnehmen kann, können aus einer Grafik parallel herausgelesen werden. Man ist somit völlig frei in der Nutzung, der jeweilige Betrachter kann sich die Informationen herausfiltern, die ihn interessieren. Demgegenüber werden ihm in einem Text nur die Vergleiche und Informationen „geliefert“, die der Journalist oder der Autor herausgearbeitet hat (vgl. Bucher (1996): 37). Die oben bereits erwähnten Arten der numerischen Grafiken verfügen über ganz verschiedene Einsatzmöglichkeiten. Tortengrafiken beispielsweise können zur Veranschaulichung der Aufteilung einer Gesamtsumme verwendet werden. Sollen allerdings quantitative Vergleiche gezogen werden (wie beispielsweise über die Schulprobleme bezüglich der sozialen Schicht in Abbildung 3), verwendet man in der Regel Balken- oder Kurvengrafiken (vgl. Bucher (1996): 37).
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