Analyse des Romans „Reise in den siebenten Himmel“ von Ljudmila Ulitzkaja in Hinblick auf den Performatismus


Hausarbeit, 2007

17 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Ljudmila Ulitzkaja

2 Analyse im Hinblick auf den Performatismus
2.1 Auktoriale Erzählweise
2.1.1 Erzähler
2.1.2 Rezipient
2.2 Doppelte/ Mehrfache Rahmung
2.3 Der Bruch
2.4 Das Jenseits
2.5 Ostensives Zeichen
2.5.1 Im Jenseits
2.5.2 Im Diessseits
2.6 Opakes Subjekt
2.7 Performanz
2.7.1 Sergej
2.7.2 Jelena und Pawel Alexejewitsch
2.7.3 Der Leser
2.8 Geschlechtlichkeit

3 Abschließende Bemerkung

4 Literaturverzeichnis:

1 Ljudmila Ulitzkaja

Ljudmila Ulitzkaja gilt derzeit als eine der populärsten russischen Autorinnen.

Die 1943 in Sibirien geborene Autorin studierte Biologie, arbeitete ab 1967 als Genetikerin in der Moskauer Akademie der Wissenschaften und wurde 1969 wegen der Verbreitung von Samizdatliteratur entlassen. Dies ist für diesen Roman besonders interessant: Wenn Ulitzkaja über Pawel Alexejewitsch und Goldberg (Zwei Handlungsträger in ihrem Roman) schreibt, weiß sie wovon sie spricht. Sie hielt sich dann mit allerlei Gelegenheitsaufträgen und Jobs über Wasser, vorrangig literarischer Natur.

Der literarische Durchbruch kam 1992 mit der Novelle „Sonetschka“[1]. Seitdem ist sie nicht nur in Russland höchst gefragt. Im Westen bekräftigte im Jahr 1996 die Verleihung des Prix Medicis Ljudmila Ulitzkajas Ruhm als eine der wichtigsten Gegenwartsautorinnen Russlands. In diesem Roman, der sie neun Jahre beschäftigte und ihr Schwierigkeiten bereitete wie noch nie ein Buch zuvor[2], beleuchtet sie 70 Jahre russische Vergangenheit und bearbeitet dabei wichtige gesellschaftliche Fragen, die sie aufgrund Ihres Werdegangs persönlich stark betreffen dürften: die Legalisierung von Abtreibung , Ethik in der Wissenschaft und Glaube.

„An der Grenze zum peinlichen Pathos bewegt Ljudmila Ulitzkaja sich oft. Aber sie überschreitet sie nie.“[3] Diese Worte von Christopf Schröder sind sehr treffend. Nahe am Kitsch, ist der Roman der Ulitzkaja doch sehr gehaltvoll und hebt sich von trivialer Literatur ab.

Meine Analyse wird diesen Roman thematisch bei weitem nicht erfassen. Mein Anspruch ist es, den Roman auf seine Zugehörigkeit zum Performatismus zu prüfen.[4]

2 Analyse im Hinblick auf den Performatismus

2.1 Auktoriale Erzählweise

2.1.1 Erzähler

Im russischen Original heißt der Roman, anders als in deutscher Übersetzung „Kazus kukockogo“(übersetzt: der Fall Kukotzki). Dieser Titel veranschaulicht die Struktur des Erzählers: Er weiß bereits über den gesamten Fall Bescheid und berichtet nun uns. Der gesamte Vorgang liegt abgeschlossen –alle Details und Indizien vollständig erfasst - vor ihm auf dem Tisch und er kann darin hin- und her blättern, wie er möchte.

Nur in Kurzfassung gibt er uns das Leben von Pawel Alexejewitschs bis zum Zeitpunkt[5] des Kennenlernens mit seiner zukünftigen Frau Jelena wieder. Oder er greift vor und macht Bemerkungen zum zukünftigen Geschick der Personen.

Umfassend ist ebenso der Einblick in das Denken, die Wahrnehmung und die Perspektive, sowie den Werdegang aller am „Fall“ beteiligten Personen. Er weiß die Personen einzuschätzen und kann ihr Verhalten anhand der einschneidenden Erlebnisse in deren Leben erklären.

Gestaltet ist dies alles, wie üblich, in der erlebten Rede: 3. Person, Präteritum. Mit einer kurzen Ausnahme in der der Erzähler von der Vergangenheit in die Gegenwart wechselt, gegen Ende des Romans[6].

2.1.2 Rezipient

Was präsentiert uns (dem Leser) nun der überlegene, allwissende Erzähler?

Dieses Familienepos unterscheidet sich von anderen:

Bereits am Anfang wird der Innenblick von Pawel Alexejewitsch beschrieben: Krebsgeschwüre im Inneren des Körper sind für ihn anhand ihrer Farbe erkennbar. “Bösartige Veränderungen hatten eine intensive lila Färbung, Bereiche aktiver Wucherungen flimmerten in kleinkörnigem Purpurrot. Einen Embryo sah er ab den ersten Tagen der Schwangerschaft als leuchtendes Wölkchen.“[7] Nicht nur der Leser ist misstrauisch: „Auch der junge Doktor war natürlich Materialist und duldete keine Mystik. Sein Vater und er hatten immer über die Mutter gespottet, die mondäne Sitzungen mit Tischerücken besuchte und mystischen Magnetismus-Albernheiten frönte.“[8] Gemeinsam mit Pawel Alexejewitsch muss der Leser, diese Gabe, die „wie ein autonomes, von ihm (Pawel Alexejewitsch ) unabhängiges Wesen“[9] beschaffen ist hinnehmen. Dieses Wesen ist „Asket und Frauenhasser“- bei Zuwiderhandlung verweigert es sich trotzig seinem Besitzer.[10] Vorhersehung und Schicksal: nur bei Jelena macht der Innenblick eine Ausnahme. Nur sie kann die Frau an seiner Seite sein.

Während sich dieser Innenblick noch in der sonst logisch nachvollziehbaren Welt der Geschichte unterbringen lässt, setzt das zweite Kapitel alle weltliche Konvention außer Kraft. Ohne Einleitung oder Hinweis taucht der Leser in eine abstruse Welt ein mit anfangs scheinbar neuen Personen. Auch wenn sich der Nebel nach einigem Lesen etwas lichtet, bleibt es doch die Aufgabe des Lesers, die ca. 100 Seiten des 2. Kapitels in die Geschichte einzuordnen. Der Kontext einer realen Welt ist abgeschaltet.

Phantastisches berichtet uns der, eigentlich als normal und vernünftig empfundene, auktorialer Erzähler. Es erinnert an Märchen und Science Fiction. Es wird keine Auflösung angeboten. Wenn wir profitierender Leser sein wollen, so müssen wir glauben. Diese Situation macht den Leser selbst zum Handelnden – entweder ja oder nein. Glauben oder nicht? Weiterlesen oder Weglegen des Buches.

2.2 Doppelte/ Mehrfache Rahmung

Zunächst rahmt der auktoriale Erzähler eine fiktive Welt für uns ein, in der sich die Familiengeschichte um Pawel Alexejewitsch, Jelena und Tanja abspielt. Doch innerhalb gibt es 2 Welten. Ein Rahmen umfasst den Teil der Geschichte, der sich in einer unserer Realität entsprechenden glaubwürdigen Welt abspielt, siehe Kapitel 1, 3, 4. Nicht so Kapitel 2 – diese Sandlandschaft (das Jenseits) hat nichts mehr mit alltäglicher Logik zu tun. Wir finden also zwei weitere Rahmen vor. Wie diese Rahmen allerdings zueinander stehen, d. h. ob Sie einander überlappen, sie ineinander liegen, wie man in diese Welten kommt und warum – vor diesem Rätsel steht man als Leser, stets auf der Suche nach Hinweisen.

Ein wichtiger Hinweis wird durch das dem Roman vorangestellte Zitat von Simone Weil gegeben: „Die Wahrheit liegt auf der Seite des Todes.“ So bezieht auch der deutsche Titel „Reise in den siebenten Himmel“, der vom russischen Original sehr weit abweicht, seine Berechtigung – vorausgesetzt der siebente Himmel liegt im Jenseits.

[...]


[1] Erschienen bei Volk & Welt (1998)

[2] www.lyrikwelt.de/rezensionen/reiseindensiebten-r.htm : Besprechung von Christoph Schröder aus der Frankfurter Rundschau, 14.03.2001 (Stand vom 25.03.2007)

[3] www.lyrikwelt.de/rezensionen/reiseindensiebten-r.htm: Besprechung von Christoph Schröder aus der Frankfurter Umschau, 14.03.2001 (Stand vom 25.03.2007)

[4] Hinweis zur Transkription: Ich übernehme hier die in dem Roman verwendete und nicht wissenschaftliche Weise, um ein einheitlich zu bleiben, da einiges zitiert wird

[5] Ulitzkaja, Ljudmila: Reise in den siebenten Himmel. Berlin. 2001; S. 9 - 19

[6] Ulitzkaja, Ljudmila: Reise in den siebenten Himmel. S.503-506

[7] Ulitzkaja, Ljudmila: Reise in den siebenten Himmel. S. 15

[8] Ulitzkaja, Ljudmila: Reise in den siebenten Himmel. S. 15-16

[9] Ulitzkaja, Ljudmila: Reise in den siebenten Himmel. S.15

[10] Ulitzkaja, Ljudmila: Reise in den siebenten Himmel. S. 16

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Analyse des Romans „Reise in den siebenten Himmel“ von Ljudmila Ulitzkaja in Hinblick auf den Performatismus
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Slavistik)
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
17
Katalognummer
V78143
ISBN (eBook)
9783638827942
Dateigröße
527 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Analyse, Romans, Himmel“, Ljudmila, Ulitzkaja, Hinblick, Performatismus
Arbeit zitieren
Judith Schacht (Autor:in), 2007, Analyse des Romans „Reise in den siebenten Himmel“ von Ljudmila Ulitzkaja in Hinblick auf den Performatismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78143

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