"Ethnische Konflikte": Ist Ethnizität eine Konfliktursache?


Hausarbeit, 2007

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einführung

I/ Die Entstehung ethnischer Identität: ein natürliches Phänomen?
A/ Die theoretischen Ansätze zur Entstehung ethnischer Identität
B/ Fallbeispiel Ruanda: Die Ethnisierung sozialer Gruppen

II/ Die Ethnisierung gesellschaftlicher Konflikte als Konfliktursache
A/ Eine politische Instrumentalisierung durch Herrschaftseliten
B/ Die ökonomische Instrumentalisierung: die „Gewaltmärkte“

III/ Gründe und Konsequenzen der Katalogisierung eines Konflikts als „ethnisch“
A/ Der Paradigmenwechsel nach dem Ost-West Konflikt
B/ „Ethnische Konflikte“: Ein hinreichender Erklärungsansatz?

Schluss

Quellen

Einführung

In der Konfliktforschung wird seit einigen Jahren zunehmend von so genannten „neuen Konflikten“ gesprochen. Unter dieser Kategorie erwähnen einige Schlüsselvertreter dieser Gedankenströmung die „ethnischen“ Konflikte. Mary Kaldor zum Beispiel widmet einem Teil ihres Buches „Neue und alte Kriege. Organisierte Gewalt im Zeitalter der Globalisierung“ der so genannten „Politik der Identität“, die auf kulturellen, religiösen oder ethnischen Faktoren beruht.[1]

Aber auch in den Medien und im öffentlichen Diskurs haben ethnische Weltsichten Konjunktur. Analytiker bedienen sich gerne der Metapher vom „Pulverfass“, um die Konfliktträchtigkeit ethnischer Heterogenität zu veranschaulichen, und bei den Bürgerkriegen der Dritten Welt werden häufig ethnische Gegensätze zwischen befeindeten „Stämmen“ als entscheidende Konfliktursache dargestellt.[2] Der Genozid der Hutu an den Tutsi, das Kurdenproblem, der Krieg in Tschetschenien, die ethnischen Säuberungen in Ex-Jugoslawien… Das sind einige Beispiele der letzten Jahre, die zu belegen scheinen, dass wir in einer Welt ethnischer Konflikte leben. Auch die Kriegsursachenforschung belegt, dass der (ethnische) Bürgerkrieg den zwischenstaatlichen Krieg als dominierenden Kriegstyp abgelöst hat[3]: Das minorities at Risk-Project beispielsweise kam für den Zeitraum 1985-1995 auf 50 Konflikte mit ethnischem Charakter, was fast zwei Drittel aller gegenwärtigen gewalttätigen Konflikte ausmacht.[4]

Da es unterschiedliche Konzeptionen von Ethnizität gibt und zwischen den Vertretern der unterschiedlichen theoretischen Strömungen keinen Konsens herrscht, fällt es schwer, eine Definition des ethnischen Konfliktes zu finden. Allerdings kann man als Rahmen die Definition Siegmar Schmidts übernehmen, der ethnische Konflikte als Konflikte definiert, „in denen mindestens eine Konfliktpartei eine ethnische Gruppe ist und in denen die Unterscheidung von Freund und Feind anhand ethnischer Zugehörigkeit vorgenommen wird“.[5]

Aber während Ethnizität zunehmend in Verbindung mit Konflikt gebracht wird, kann man jedoch an der Brauchbarkeit dieses Begriffes zur Beschreibung von Konflikten zweifeln. Denn was sich hinter dem Begriff „ethnischer Konflikt“ verbirgt, ist nicht immer ganz klar. Müssen zwangsläufig aus dem Aufeinandertreffen ethnischer Gruppen Konflikte entstehen? Ist ethnische Vielfalt an sich das Problem? In welchem Zusammenhang stehen ethnische Differenz und Konflikt zueinander?

In dieser Arbeit soll die These überprüft werden, dass ethnische Unterschiede allein keine gewalttätigen Konflikte produzieren. Dazu bedarf es zunächst einer Präzisierung darüber, wie ethnische Identität entsteht. Danach widme ich mich der politischen und ökonomischen Instrumentalisierung von Ethnizität. Im letzen Teil folgt eine kritische Reflexion ethnischer Denkweisen im Bereich der Konfliktforschung. Als Beispiele werden vor allem die Fälle Ruandas und der Elfenbeinküste entwickelt, da diese Konflikte oft als Prototyp des ethnischen Konflikts angeführt werden

I/ Die Entstehung ethnischer Identität: ein natürliches Phänomen?

A/ Die theoretischen Ansätze zur Entstehung ethnischer Identität.

Auch wenn Ethnizität zunehmend als Konfliktursache betrachtet wird, wird meistens außer Acht gelassen, wie ethnische Identitäten überhaupt entstehen. In diesem Teil soll gezeigt werden, dass sie oft aus konkreten gesellschaftlichen Bedingungen entstehen.

In den Sozialwissenschaften stehen sich bezüglich der Herausbildung ethnischer Identität zwei Richtungen gegenüber. Auf der einen Seite handelt es sich um die so genannte essentialistische beziehungsweise primordialistische Position, die davon ausgeht, dass Ethnizität ein quasi natürliches Phänomen ist. Die Existenz einer ethnischen Gruppe wird an objektive Gemeinsamkeiten der Mitglieder geknüpft, wie Abstammung, Sprache, Kultur, Geschichte usw.[6]

Auf der anderen Seite befindet sich die so genannte konstruktivistische Position, bei der Ethnizität nur als eine unter vielen möglichen Formen der Identitätsentwicklung gesehen wird. Dass Menschen an eine gemeinsame Abstammung und Tradition glauben, sei durch bestimmte historische und gesellschaftliche Bedingungen erklärbar, und nicht selbstverständlich. Somit ist ethnisches Verhalten als soziales Phänomen zu erfassen.[7] In einigen Arbeiten wird ethnische Zugehörigkeit anhand einer Mischung aus objektiven und subjektiven Kriterien definiert, allerdings heben sich generell die meisten Autoren von einem essentialistischen Begriff von Ethnie ab.

Konsens herrscht darüber, dass Ethnisierungsprozesse in Krisen- oder Umbruchssituationen intensiviert werden. Solche Situationen bringen nämlich eine Bedrohung der eigenen materiellen und kulturellen Lebenssituation mit sich.[8] Glen Fischer schreibt zum Beispiel: “ethnic group membership becomes a fallback position, the last-resort source of security in troubled times.”[9] Laut Winrich Kühne ist dieser Prozess besonders in unterentwickelten afrikanischen Ländern wahrscheinlich, da dort der Staat nicht in der Lage ist, seine Bevölkerung zuverlässig gegen Gewalt zu schützen und Grundlagen des wirtschaftlichen Überlebens zu garantieren. Aus diesem Grund stützen sich Menschen verstärkt auf traditionelle Strukturen.[10]

Glen Fischer zeigt darüber hinaus, dass auch externe Faktoren zur Förderung des Identitätsgefühls beitragen. So können die Medien eine erhebliche Rolle spielen: „The potential for casting issues in ethnic terms and for dramatizing ethnic interests is obvious“[11]. Als Beispiel hierfür kann man an den Fall des ehemaligen Jugoslawien denken. Dort wurde der Krieg oft als Ergebnis uralter und irrationaler Animositäten interpretiert, aber für viele Autoren gab es zahlreiche Beispiele des friedlichen Miteinanders.[12] Der Ursprung des Hassgefühls sei in der Medien- Offensive, die Slobodan Milosevic’s Machtübernahme begleitete, zu finden. Der Krieg „begann in den Köpfen und wurde Realität, weil er in den Köpfen von oben längerfristig provoziert wurde.“[13]

[...]


[1] Vgl. Kaldor, Mary (2000): Neue und Alte Kriege. Organisierte Gewalt im Zeitalter der Globalisierung. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main , S. 110-144

[2] Vgl. Kühne, Winrich (2001): Kriege und Konflikte. In: Informationen zur politischen Bildung, Heft 264, S. 15 – 20. Im Internet:

http://www.bpb.de/publikationen/05218911078228261898093248719842.html. Stand: 08/01/2007. Im Folgenden zitiert als: Kühne, Kriege und Konflikte.

[3] Vgl Hummel, Hartwig/ Wehrhöfer, Birgit (1996): Geopolitische Identitäten. Kritik der Ethnisierung sich regionalisierden Welt als paradigmatische Erweiterung der Friedensforschung, S.5. Im Internet: http://www-public.tu-bs. de:8080/~umenzel/inhalt/ forschungs berichte/ BlaueReihe11.PDF. Stand: 08/01/2007. Im Folgenden zitiert als: Hummel/ Wehrhöfer, Geopolitische Identitäten.

[4] Vgl. Scherrer, Christian P. (1997): Ethno-Nationalismus im Zeitalter der Globalisierung. Ursachen, Strukturmerkmalen und Dynamik ethnsich-nationaler Gewaltkonflikt. In: agenda Verlag, Münster, S. 102-103. Im Folgenden zitiert als: Scherrer, Ethno-Nationalismus.

[5] Schmidt, Siegmar (2001): Ursachen ethnischer Konflikte in der Dritten Welt. In: Meyer, Günter/ Thimm, Andreas (Hrsg.): Ethnische Konflikte in der Dritten Welt: Ursachen und Konsequenzen, Mainz, S. 15

[6] Vgl. Salzborn, Samuel (2006): Ethnizität und ethnische Identität. Ein ideologiekritischer Versuch. In: Zeitschrift für kritische Theorie 22-23/2006, S.1. Im Internet: http://www.salzborn.de/txt/zkt06.pdf. Stand: 08/01/2007

[7] Vgl. Ebd.

[8] Vgl. Hummel/ Wehrhöfer: Geopolitische Identitäten, S.17

[9] Fisher, Glen (1998): The mindsets factor in ethnic conflict. A cross-cultural agenda. Intercultural Press, Yarmouth, S.52. Im Folgenden zitiert als: Fisher, The mindsets factor.

[10] Vgl. Kühne, Kriege und Konflikte.

[11] Fisher, The mindsets factor, S. 52

[12] Vgl. Domasche, Cornelia/ Schliewenz, Birgit (1996): Zur Genesis national-ethnischer Konflikte in ex-Jugoslawien, in: Friedrich-Ebert-Stiftung: Ethnisierung gesellschaftlicher Konflikte: Eine Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung am 11. Oktober 1995 in Erfurt, Bonn. S.25

[13] Ebd. S. 25

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
"Ethnische Konflikte": Ist Ethnizität eine Konfliktursache?
Hochschule
Westfälische Wilhelms-Universität Münster  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Die neuen Kriege: Herausforderung für die Sicherheitspolitik des 21 Jahrhunderts
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
16
Katalognummer
V78169
ISBN (eBook)
9783638836555
Dateigröße
435 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ethnische, Konflikte, Ethnizität, Konfliktursache, Kriege, Herausforderung, Sicherheitspolitik, Jahrhunderts
Arbeit zitieren
Adeline Defer (Autor:in), 2007, "Ethnische Konflikte": Ist Ethnizität eine Konfliktursache?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78169

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