Die Fabel als Lesebuchtext in der Grundschule


Hausarbeit, 2006

34 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffsbestimmung von Fabel

3 Geschichte der Fabel

4 Die Fabel aus Sicht der Dichter der jeweiligen Zeit

5 Wesenszüge der Fabel
5.1 Illustrationen der Fabel

6 Formale Variationen der Fabel
6.1 Dramatisierung
6.2 Episierung

7 Stilzüge der Fabel
7.1 Belehrender Stil
7.3 Satirischer Stil
7.4 Fabuloser Stil

8 Aufbautypen der Fabel
8.1 Die Normalform und ihre Abwandlungen
8.2 Die Kunstfabel

9 Funktion und Intension der Fabel

10 Die Fabel in der Schule
10.1 Die Fabel im Deutschunterricht der Grundschule
10.1.1 Fabeln in Lesebüchern
10.1.1.1 Beschreibung der Fabeln in den Lesebüchern und deren mögliche Anwendung im Unterricht

11 Analyse dreier Fabeln mit dem Thema Beuteteilung

12 Schlussteil

13 Literatur

14 Anhang

1 Einleitung

Ich befasse mich in meiner Hausarbeit mit dem Thema: „Die Fabel als Lesebuchtext in der Grundschule“.

Ich schreibe diese Arbeit im Rahmen des Seminars „Lesefrüchtekorb oder Arbeitstasche: Lernformate heutiger Deutsch(lese)bücher“, indem wir uns mit dem Aufbau und Inhalt von heutigen Deutschlesebüchern beschäftigt haben.

Mein Interesse für dieses Thema ergibt sich zum einen aus den Inhalten des Seminars und zum anderen im Hinblick auf meine spätere Lehrtätigkeit als Deutschlehrerin.

Ich werde zunächst eine Begriffsbestimmung von „Fabel“ versuchen, um dann zur Geschichte der Fabel zu kommen. Im Anschluss daran, werde ich Meinungen von Dichtern aus unterschiedlichen Zeiten zur Fabel nennen, um mich dann mit den Wesenszügen einer Fabel, der Gattung zu nähern. Daran anschließend folgt die Beschreibung der Formen, Stilzüge und Aufbautypen einer Fabel. Mit der Funktion und Intension einer Fabel, in zwei weiteren Punkten komme ich dann zu Fabeln in der Schule. Dort werde ich mich speziell auf Fabeln in Lesebüchern konzentrieren und die gefundenen Fabeln in zwei, von mir durchgesehenen Lesebüchern, beschreiben und ihre mögliche Anwendung im Unterricht kurz skizzieren. Gegen Ende meiner Arbeit werde ich noch drei Fabeln mit dem Thema „Beuteteilung“ kurz analysieren, um dann im Schlussteil ein Resümee über meine Arbeit zu ziehen.

2 Begriffsbestimmung von Fabel

Das Wort „Fabel“ (lat. „fabula“: das Erdichtete) wurde bereits von Phädrus (1. Jhrd. v. Chr.) als Gattungsbezeichnung verwendet. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts gelangte das Wort über das afrikanische „fable“, im Sinne von „Märchen, Erzählung, unwahre Geschichte“ ins Mittelhochdeutsche. Zunächst wurde die Gattung „Fabel“ mit den Worten „bispel“ (belehrende Erzählung) (Mittelalter) oder um 1515 als „fabulieren“ (phantasiereich erzählen) bezeichnet. Erst im Humanismus und dort besonders durch Hagedorn und Gellert kristallisierte sich ein festerer Begriff heraus.

Seit dem 18. Jahrhundert verwendet man „Fabel“ als Gattungsbegriff, der die Form einer Erzählung bezeichnet, in der Tiere, Pflanzen oder Dinge eine führende Rolle spielen und in der eine bestimmte Lehre verdeutlicht werden soll (vgl. Leibfried 1973, S. 1; vgl. Coenen 2000, S. 10; vgl. Dithmar 1997, S. 163f.).

3 Geschichte der Fabel

Die ersten mündlich überlieferten Fabeln gab es bereits 7. Jh. v. Chr., wobei die ersten europäischen Fabeln vermutlich von Hesiod („Habicht und Nachtigall“) und Archilochos (u.a. „Adler und Fuchs“) stammen. Heute ist ihre Fülle unüberschaubar geworden.

Die 350 äsopischen Fabeln (6. Jhrd. v. Chr.) sind für uns die ältesten Fabeln, die wir vorliegen haben. Zwar ist damit nicht gesagt, dass aus Griechenland die ersten Fabeln stammten, jedoch wird Äsop als der Begründer dieser Gattung angesehen. Seine Fabeln wurden von Jahrhundert zu Jahrhundert weitergegeben und überdauern bis heute. Er erzählte Fabeln, die durch Tiergestalten verschlüsselt, zu politischem Handeln und politischer Veränderung aufriefen. Die Intension seiner Fabeln sind deutlich: Kampf für die Unterdrückten gegen die Unterdrücker. Sie sind gekennzeichnet durch ihren klaren Aufbau, ihre anschauliche Erfassung der Szene und die Einfachheit der Sprache.

Bevor es in Europa Fabelbücher gab, kamen sie in großen Vers- oder Prosawerken vor. Im 4. Jhrd. v. Chr. wurden Fabelsammlungen als Nachschlagewerke für Redner, Dichter und Philosophen hergestellt.

Phädrus verfasste im 1. Jhrd. v. Chr. fünf Bücher mit Äsopischen und eigenen Fabeln in Lateinischer Schrift und führte sie in Rom ein. Sie erreichten jedoch nicht den gewünschten Rang eines Sprachkunstwerkes. Er stellte seinen Fabeln die Lehre voran. Barbios verfasste solche Bücher etwa zur selben Zeit in Griechenland. Durch den römischen Fabeldichter Avanius (4. Jhrd. n. Chr.) und die Fabelsammlung Romulus wird die Bedeutung der Fabel für die Dichtung der römischen Antike deutlich.

Im Mittelalter sind Fabeln aus dem Orient zu dem bereits bestehenden Fabelinventar hinzugekommen.

Der Dominikanermönch Boner brachte 1349 seine Fabelsammlung „Der Edelstein“ hervor, die besonders deutlich die drei Gattungen Fabel, Parabel und Gleichnis zusammenbringt und später, nachdem sie 1757 von Breitinger wieder entdeckt worden waren, Lessings Interesse erregte. Boners Fabeln sind Übernahmen aus dem Lateinischen, in Versform neu erzählt. Es sind Tier- und Pflanzenfabeln, ausgeschmückt mit Redensarten, die die Verfehlungen der Menschen zeigen und oft sprichwortartig dem Leser Tugenden preist.

1476 erfolgte die Übersetzung der griechisch- römischen Fabeln durch Steinhöwel (1412- 1482), wobei die lateinisch/ deutsche Ausgabe mit Prosafabeln viel Aufsehen erregte, da dort die Lebensgeschichte Äsops beschrieben war.

Die Reformationszeit war wesentlich von den Fabeln Luthers (1883- 1646) geprägt, die er während seiner Zeit auf der Coburg (1530) schrieb. Er lehnte sich dabei stark an Steinhöwel, den er aber auch als zu unzüchtig kritisierte. Luther wollte Äsop lieber so darbieten, dass ein Vater die Fabeln auch zu Hause am Tisch mit seiner Familie besprechen konnte. Die 14 überlieferten Fabeln Luthers haben großen Bekanntheitsgrad erreicht. Sie wurden erst 1557 gedruckt. Für den Herausgeber Thiele stand fest, dass sie hohe Bedeutung in praktischen Lebensfragen erlangen sollten.

Weitere Fabelsammlungen stammten von Waldis (um 1490- 1556) und Alberus (um 1550- 1553) und lassen sich neben eigenen Erfindungen überwiegend auf Äsop zurückführen. Die Fabeln sind lang und wenden sich gegen Geiz, Undank und Stolz und lehren die Einhaltung der von Gott gewollten Ordnung in Obrigkeit und Untertanen. Beiden Autoren geht es vor allem um Belehrung in Religion und Sitte.

Sachs (1494- 1576) verwendete in seiner Sammlung hingegen neben Fabeln auch Schwänke, Klagelieder, usw., die die Tugend loben und das Laster tadeln sollen.

Nicht immer wurden Fabelsammlungen zur „schönen“ Literatur gezählt. So genießen die klassischen Fabelbücher der Antike erst seit der Renaissance literarischen Ruhm. Die höchste Wertschätzung erreichte die Fabel im 18. Jhrd., u.a. bedingt durch die Aufklärung, wo mehr Fabeltheorien und – sammlungen hervorgebracht wurden, als in früheren Jahrhunderten. Gottsched (1700- 1766) hat sich als Erster wieder intensiv mit der Gattung auseinandergesetzt und dabei die Einteilung in die Kategorien: unglaubliche, glaubliche und vermischte Fabeln vorgenommen. Breitinger (1701- 1776) setzte für Gottscheds „unglaubliche“, das „Wunderbare“ ein.

Stoppe (1745) ging es in seinen Fabeln nicht um die Lehre, sondern um interessante Unterhaltung.

Hagedorn (1708- 1754) ließ in seinen Fabeln die moralische Lehre entweder ganz weg oder von einem Tier sprechen. Gellert (1715- 1769) verzichtet ganz auf eine Fabeltheorie und brachte stattdessen Beispiele und legte diese an Maßstäben an. Gleims (1719- 1803) Fabeln waren kurz und klar und wollten unterhaltsam und vergnüglich sein.

Lichtwer (1719- 1783) gilt als Meister der Aufklärungsfabel, in dem er der Meinung war, dass ein Fabeldichter sich an alle Menschen wenden und Torheiten und Laster anprangern sollte. Pfeffel (1736- 1809) übersetzte Lichtwers Fabeln ins Französische. Seine eigenen Fabeln prangern u.a. mit satirischen Sarkasmen den Missbrauch der Macht an.

Lessing (1729- 1781) gilt als intellektuellster unter den Fabeldichtern des 19. Jahrhunderts. Ihm ist vor allem die abstrakte Lehre der Fabel wichtig. Lessings Fabeln (1759) und die Sammlungen von La Fontaines (17. Jhrd.), der die Fabel aus ihrem Schattendasein in Frankreich enthob, haben einen Platz in der Weltliteratur eingenommen.

Im 19. Jhrd. schwand dann die Ansicht der Fabel wieder bis sie im 20 Jhrd. schon totgesagt wurde. Heute werden mehr Parabeln als Fabeln geschrieben. Dies wird u.a. darauf zurückgeführt, dass Dichter sich nicht mehr sicher sind, was der Inhalt einer Fabel sein soll und was eigentlich heutzutage noch gelehrt werden soll. Durch die moderne Welt, mit ihren ständigen Erneuerungen und ihrer Unbeständigkeit, ist es nicht mehr so eindeutig, aus Überzeugung zu sagen, was richtig und was falsch ist. Früher war dies selbstverständlich und eindeutig, z.B. dass Sklaverei und Unterdrückung menschenunwürdig sind und abgeschafft werden müssen. Deshalb fand die Fabel früher mehr Anerkennung und die Dichter wussten auch genau, was sie als moralische Werte mitteilen wollten, die von dem Volk anzustreben waren. Heute hingegen ist die Sicherheit, was moralische Werte und Normen sind, abhanden gekommen.

Allerdings entstanden auch im 20. Jhrd. einzelne Fabelsammlungen, u.a. Fabelbücher von James Thurber (1956) („Fables for our Time“) oder Jean Anouilh (1962) („Fables“). Thurber greift die amerikanischen Gesellschaftszustände in der Mitte des 20. Jhrds. auf, z.B. Frühreife, typisch weibliches und männliches Rollenverhalten und kritisiert politische Meinungen und Haltungen.

Schnurre (1920- 1989) hat 1957 eine Fabelsammlung herausgebracht, in der er seine Kriegserfahrungen verarbeitete.

Arntzen (geb. 1931) hat 1966 eine Fabelsammlung mit eigenen Fabeln herausgebracht, denen er keine Lehre, sondern geistreiche Schlüsse entzieht. Zuletzt wäre noch Janosch (1931) zu nennen dessen Geschichten, in denen Tiere erzieherisch wirken sollen, sich auf Äsop beziehen. Er behandelt in seinen Büchern das Thema Symphatie und Freundschaft. Die Geschichten enthalten keine formulierten Lehrsätze, sondern zeigen in Bild und Text vorbildliches Verhalten gegenüber dem Verlangen des Menschen nach Geborgenheit und Kontakt. Der andersartige Umgang Janoschs mit der Gattung durch Wort und Bild, hat der Lehrhaftigkeit der Fabel keinen Abbruch getan.

In den Fabelbüchern der Gegenwart spricht ein gebrochenes, zur Parodie, zum Spott und Witz neigendes Bewusstsein der Gattungstradition. Das schließt daraus, da für heutige Fabeldichter es nicht mehr so einfach ist, die bestehenden Machtstrukturen zu durchschauen und abzubilden. Die Autoren leiten zwar noch Lehren aus ihren Fabeln ab, geben sie aber nicht als unumstößliche Wahrheiten, sondern als Schlusspointen dar. Fabeln erscheinen zudem nicht in Versform, sondern in Prosa. Das Tierrepertoire bleibt weitgehend bestehen, wird nur manchmal um neue Tiere erweitert. Die Handlungsträger weichen jedoch, im Gegensatz zu früheren Fabeln, regelmäßig von den Erwartungen des Lesers ab (vgl. Coenen 2000, S. 32ff.; Eschbach 1972, S.12ff.; vgl. Dithmar 1997, S. 11ff.).

4 Die Fabel aus Sicht der Dichter der jeweiligen Zeit

Heinrich Steinhöwel (1412- 1478) war einer der Ersten, der sich zur Fabel geäußert hat. Er legte dabei für ihn fünf Gesichtspunkte fest, die zu einer Fabel gehören:

1. die Fabel muss erfreuen
2. die Fabel muss belehren
3. die Fabel schildert nur erdichtete Fälle
4. Der Fabeldichter lässt nicht- menschliche Figuren so handeln, als seien sie Menschen. Ihm gelingt es dadurch, die Welt so zu beschreiben, wie sie für den Menschen aussieht.

Martin Luther (1483- 1546) stimmte Steinhöwel im letzen Punkt zu. Zudem bemerkte er, dass sich die Fabel, nicht nur in Bezug auf die Erlernung der lateinischen Sprache, wirksam an alle Stände richte.

Für das Volk formulierte er als Erster die pädagogische Wirksamkeit einer Fabel. Er war der Meinung, dass anschauliche Geschichten, die dem falsch Handelnden Schaden bringen, mehr zum richtigen Handeln überzeugen, als bloße theoretische Anweisungen. Die Fabel demonstriere etwas. Sie stehe Modell für einen moralischen oder lebensklugen Satz (vgl. Leibfried 1973, S. 2f.; vgl. Dithmar 1997, S. 227).

Johann Christoph Gottsched (1700- 1766) reduzierte die Fabel ganz auf die Lehre und übersah die lebendige Darstellung von Welt, die noch bei seinen Vorgängern, trotz aller Belehrung, vorhanden war. Seine Vorstellung von der Fabel war allegorisch: Er konstruierte eine Fabel. Er wollte einen lehrreichen, moralischen Satz auswählen, der der ganzen Fabel zugrunde liegen sollte und schmückte ihn bildlich aus.

Johann Jacob Breitinger (1706- 1776) sah hingegen neben dem Allegorischen auch das Poetische, das „Wunderbare“, das Unwahrscheinliche und das Außergewöhnliche, dass für ihn zu einer Fabel gehörte.

Johann Jacob Bodmer (1698- 1783) ging den umgekehrten Weg, wie Gottsched: Für ihn sollte am Anfang einer Fabel das Erlebnis stehen, aus dem ein Wahrheitsgehalt hervorgehoben und abstrakt formuliert wird.

Christian Fürchtegott Gellert (1715- 1769) hielt sich an Breitinger, wenn er der Meinung war, dass ihm stilistische Feinheiten, Klarheit in der Handlung und Lehre wichtiger sind, als die Länge einer Fabel und die Stelle, wo die Lehre steht.

Für Gotthold Ephraim Lessing (1729- 1781) war die Fabel erdichtet und aus ihr folgte eine Lehre. Er hielt die Handlung einer Fabel für unwichtig, da nur die Lehre aus ihr zähle. So bestehen seine Fabeln weitgehend auch nur aus einer Situation und entsprechen dieser Vorstellung: „Wenn wir einen allgemeinen moralischen Satz auf einen besonderen Fall zurückführen, diesem besondern Falle die Wirklichkeit erteilen und eine Geschichte daraus dichten, in welcher man den allgemeinen Satz anschauend erkennt: so heißt diese Erdichtung eine Fabel.“ (Lessing 1759, in: Leibfried 1973, S. 5). Auch für Lessing strebte die Fabel eine bestimmte Absicht an. Dabei wird die Fabel auf eine nüchterne, kurze Darstellung eines Sachverhaltes reduziert, ohne dabei Ausschmückungen anzuwenden, die nur vom eigentlichen Ziel und der Erfassung des Lehrsatzes ablenken. Es werden also bewusst auf Verstand und Vernunft und nicht, wie im Märchen, auf die Regung des Gefühls gesetzt.

Anders als bei seinen Vorgängern war Lessing allerdings davon überzeugt, dass die Fabel eine wirkliche Handlung schildern solle, da sie nur so die volle Beweiskraft habe, dass ihre Lehre stimme.

Allerdings schließt er sich Anderen an, dass die Fabel weitgehend konstruiert wird, da die Tiere wegen ihrer allgemein bekannten und beständigen Charaktere verwendet werden, damit sie der Leser nicht jedes Mal aufs Neue kennen lernen muss.

Johann Gottfried Herder (1744- 1803) hatte zu den Ansichten von Breitinger und Lessing eine Art Synthese geschaffen. In seinem Aufsatz „Über Bild, Dichtung und Fabel“, war er der Meinung, dass zunächst das Bild da war, aus ihm sich die Dichtung entwickelte und die Fabel in ihrer Hochstufe der Abstraktion, eine späte Erscheinung des menschlichen Geistes war.

Herder ging davon aus, dass die Analogie die typische Denkweise des Fabeldichters sei. Der demonstrierte Satz wird nicht auf dem Weg von dem geschilderten Fall über die allgemeine Vorstellung zu dem jetzt vorliegenden Fall gewonnen, sondern dadurch, dass die allgemeine Vorstellung ausgeschaltet wird. Außerdem betont er noch die Wichtigkeit der Anthropomorphisierung und Lehre für ihn und zwar praktische Belehrung in Fragen des alltäglichen Lebens (Lessing: moralische Lehren). Von diesen beiden Wesenszügen her, werden die Einzelheiten im Erscheinungsbild der Fabel geklärt, z.B. die Frage, warum die Fabel Tiere bevorzuge. Dazu meinte Herder, dass sich, z.B. Pflanzen, nicht so gut anthropomorphisieren lassen, da sie dem Menschen nicht so ähnlich sind, wie Tiere und deshalb eignen sich diese auch am ehesten für die Fabel. Er lehnte das menschlich denkende Tier ab, konnte aber auch keine Antwort darauf geben, wie weit ein Tier menschlich sein darf. Er sagte nur, dass sobald menschliche Verhaltensweisen projiziert werden, z.B. denken oder tierische Verhaltensweisen, z.B. Nahrungssuche, menschlich interpretiert werden, z.B. Sorge um Nahrung, man von anthropomorphisieren sprechen kann.

Herder hat folgende Definition von der Fabel: Die Fabel ist „eine Dichtung, die für einen gegebenen Fall des menschlichen Lebens in einem anderen kongruenten Falle einen allgemeinen Erfahrungssatz oder eine praktische Lehre nach innerer Notwendigkeit derselben so anschaulich macht, dass die Seele nicht etwa nur überredet, sondern Kraft der vorgestellten Wahrheit selbst sinnlich überzeugt werde.“ (Herder 1787, in: Leibfried 1973, S, 7).

Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770- 1831) diskutierte und fasste die traditionellen Meinungen zur Fabel zusammen. Er sprach, entgegen Lessings und Herders Differenzen bezüglich der Vermittlung von moralischen Lehren oder Lebensklugheiten in Fabeln, der Fabel beides zu. Hegel äußerte sich auch zur Vermenschlichung der Tiere, wie es Herder angesprochen hatte.

Hegel umging dabei den schwierigen Begriff der Anthropomorphisierung und forderte die Darstellung des gewöhnlichen Verlaufs natürlicher Vorgänge, aus dem sich dann eine Lehre abstrahieren lässt, d.h. das Tier darf nicht aus seinem Lebensraum gerissen werden. Zudem wird das Tier nicht dem Menschen gleichgemacht, sondern durch bestimmte gemeinsame Verhaltensweisen des Tieres mit dem Menschen ist eine Gleichordnung gestattet: essen, trinken, Geburt, Tod, Sorge um Nahrung.

Jacob Grimm (1785- 1863) hatte eine romantische Ansicht der Fabel. Das Problem der Anthropomorphisierung löste er auf, indem er das Tier zum Menschen erklärte. Damit traf er das Grundgefühl der Schöpfer der Fabel: die Tiere werden als Person, als moralisch handelnde Wesen verstanden. Grimm sprach der Fabel eine Lehre vollkommen ab, da diese für ihn nicht dem Ursprung der Fabel entspräche, sondern eine Zutat späterer Zeit war. Für Grimm war eine Fabel also eine reine Erzählung mit Tieren, jedoch ohne pointenhafte oder andere Zuspitzung. Sie stellt eine Welt dar, ohne eine Belehrung abzugeben. Somit stellte er die Fabel mit dem Epos gleich: Beide sind nicht darauf aus, zu lehren.

Emil Winkler (1922) sieht als wesentliches Kennzeichen der Fabel die Vermenschlichung, die er jedoch nicht lösen kann: „Die Grenzen, wo das vermenschlichte Tier zu einem rein äußerlich als Tier kostümierten Menschen wird, schwimmen.“ (Winkler 1922, in: Leibfried 1973, S. 9).

Walter Wienert (1925) ist die Anthropomorphisierung weniger wichtig, dafür verweist er darauf, dass zum Wesen einer Fabel eine als wirklich dargestellte Handlung gehört, damit die Lehre gesichert ist und eine Verallgemeinerung dieser stattfindet. Er unterscheidet daher eine Erzähl- und eine Sinnseite (vgl. Leibfried 1973, S. 3ff.)

Die bisher genannten Versuche einer Wesensbestimmung der Fabel gehen alle vom äußeren Erscheinungsbild aus, von dem sie auf das statisch gefasste Wesen schließen (philosophische Begriffsbestimmungen). Dies hört allerdings 1922 mit Winkler auf.

Seit 1913 wird versucht, das Typische der Fabel durch eine Analyse ihrer Genese zu erhellen. Man will also durch das Aufzeigen der Bedingungen ihrer Entstehung, die Bestimmung der Form leisten (vgl. Dithmar 1997, S. 155f.; vgl. Leibfried 1973, S. 12f.). In Punkt neun gehe ich näher auf die Entstehung der Fabel und ihre Funktion und Intension ein.

[...]

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Die Fabel als Lesebuchtext in der Grundschule
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Veranstaltung
Lesefrüchtekorb oder Arbeitstasche: Lernformate heutiger Deutsch(lese)bücher
Note
1,5
Autor
Jahr
2006
Seiten
34
Katalognummer
V78318
ISBN (eBook)
9783638837682
Dateigröße
1890 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fabel, Lesebuchtext, Grundschule, Lesefrüchtekorb, Arbeitstasche, Lernformate, Deutsch(lese)bücher
Arbeit zitieren
Kathrin Rühling (Autor:in), 2006, Die Fabel als Lesebuchtext in der Grundschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78318

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