Der Bundespräsident. Aufgaben und tatsächliche Funktionen in der deutschen Politik


Hausarbeit, 2007

28 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einführung

2. Geschichte des Amtes
2.1. Der Reichspräsident in der Weimarer Republik
2.2. Konsequenzen des Parlamentarischen Rates

3. Die Wahl des Bundespräsidenten
3.1. Vorraussetzungen
3.2. Die Bundesversammlung
3.3. Ablauf der Wahl

4. Funktionen im politischen System
4.1. Allgemeine Darstellung
4.1.1. Repräsentation
4.1.2. Integrationsfunktion
4.1.3. Artikulation von Verfassungskonsens
4.1.4. Kontrollfunktion
4.1.5. Reservefunktion
4.2. Rechte und Pflichten im Zusammenwirken mit anderen Organen
4.2.1. Bundesregierung
4.2.2. Organe der Legislative
4.2.3. Bundesverfassungsgericht

5. Kontroversität der Direktwahl des Bundespräsidenten

6. Zusammenfassung

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die Bundespräsidenten seit 1949.

in: Scholz, Günter; Süskind, Martin E.: Die Bundespräsidenten. München 2004. S. 37 ff

Abbildung 2: Der Bundespräsident im politischen System der Bundesrepublik Deutschland.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einführung

Die Idee eines Staatsoberhauptes, als Notwendigkeit zur Symbolisierung staatlicher Einheit, ist bereits im römischen Recht der Antike bekannt. Auch in der deutschen Geschichte findet man Beispiele für die Symbolkraft und Macht, die von einem Staatsoberhaupt ausgeht, sei es nun Friedrich Barbarossa als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation oder Friedrich II. König von Preußen oder Wilhelm II. als Deutscher Kaiser. Diese Persönlichkeiten haben das Schicksal ihrer Herrschaften durch ihr Wirken mitgestaltet. Bei diesen Personen handelte es sich um Monarchen, die erblich ihre Titel erhalten hatten. Doch wie hält es sich mit Staatsoberhäuptern in Demokratien? Im Jahre 1918 wurde in Deutschland kurz nach der Abschaffung der Monarchie die Republik ausgerufen, weitergehend gab man sich in Deutschland im Folgejahr die erste demokratische Verfassung eines gesamtdeutschen Staates. Auch in dieser Verfassung wurde das Staatsoberhaupt verankert, nicht erblich, sondern demokratisch legitimiert. Doch was macht, nach den Erfahrungen mit einem Kaiser, ein Staatsoberhaupt in einem demokratischen Staat überhaupt notwendig? Die Frage muss weiter in Richtung der Aufgaben eines Staatsoberhauptes, hier eines Präsidenten, verfolgt werden. Denn auch wenn die Erfahrungen mit einem Reichspräsidenten in der Weimarer Republik nicht positiv zu sein schienen, haben wir heute in der Bundesrepublik Deutschland wieder ein Staatsoberhaupt, den Bundespräsidenten, der auch durch die Verfassung legitimiert wird, aber zusätzlich eine verfassungspolitische Konsequenz der gemachten Erfahrungen in Weimar zu sein scheint. Die nachstehende Arbeit wird sich mit diesen Fragen beschäftigen und herauszustellen versuchen, dass ein Bundespräsident weit mehr Verantwortung trägt, als es auf den ersten Blick scheint und deshalb eine bedeutende Rolle in einem demokratischen Staat inne haben könnte. Weiterhin sollen Grenzen der Aufgaben und Befugnisse sowie die verfassungsmäßige Realität analysiert werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Bezug zum Grundgesetz, bei den Rechten und Pflichten des Bundespräsidenten und dem Zusammenspiel der Verfassungsorgane in einem parlamentarischen System und welche Rolle dabei ein Bundespräsident spielen könnte. Das es dabei auch zu Kontroversen kommt, soll mit einer Bezeichnung als Übergangslösung, die das Grundgesetz einnehmen sollte, nicht erklärt, aber angedeutet werden.

2. Geschichte des Amtes

2.1. Der Reichspräsident in der Weimarer Republik

Am 09.11.1918, zwei Tage vor dem Abschluss des Waffenstillstandes zwischen Deutschem Reich und den Alliierten, rief Philipp Scheidemann, von einem Fenster des Reichstages, die erste deutsche Republik aus. Diese spontane Entscheidung des SPD-Politikers wurde durch die Verabschiedung einer Reichsverfassung am 11.08.1919 durch die zuvor am 19.01.1919 vom deutschen Volk gewählte Nationalversammlung in Weimar bestätigt. Die Unterzeichung des Verfassungstextes erfolgte durch den ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert (SPD), der in einer Übergangsphase vom November 1918 bis zu seiner Wahl zum Reichspräsidenten am 11.02.1919 die Regierungsgeschäfte vom ehemaligen Reichskanzler Max von Baden übernommen hatte. Gemäß der Weimarer Reichsverfassung (WRV) war eine direkte Wahl des Reichspräsidenten vorgesehen[1], im Falle Eberts erfolgte die Legitimation indirekt durch die Nationalversammlung. Die volle Amtszeit von sieben Jahren[2] wurde durch den Tod Friedrich Eberts am 28.02.1925 in Berlin nicht eingehalten, so dass der Nachfolger Eberts, Paul von Hindenburg, als erster Reichspräsident die Legitimation durch Direktwahl erhielt. Die Einführung eines Staatsoberhauptes mit den im weiteren Verlauf zu erläuternden Befugnissen stellte einen Kompromiss aus den verschiedenen Vorschlägen der Mitglieder der Nationalversammlung dar[3].

Dieses Verhandlungsergebnis, das von Carl Schmitt als Formelkompromiss bezeichnet wurde, führte zu einer Überlagerung des angestrebten parlamentarischen Regierungssystems mit Elementen des präsidialen Systems. Die Direktwahl des Reichspräsidenten war mit der Begründung des Gleichgewichts von Exekutive und Legislative (hier: Reichstag) eingeführt worden. Die Absicht der Verfassungsgeber, eine Machtbalance zu schaffen, kann hier nicht isoliert betrachtet werden, denn obwohl bei der Konstruktion zunächst „wohl kein demokratisches Defizit zu erblicken“[4] sei, so ist doch bei der Betrachtung der verfassungsmäßigen Befugnisse des Reichspräsidenten eine deutliche Machtverlagerung zu Gunsten dieses Amtes auszumachen. Eine Repräsentationsfunktion[5], die ich als obligatorische Funktion für ein Staatsoberhauptes erachte, wurde auch in der WRV zugestanden, jedoch die zusätzliche Übertragung des Oberbefehls über die Streitkräfte[6] führte, im Zusammenhang mit den Notverordnungen, zu einem ausgeweiteten Machtpotential. Dies wird in der Darstellung des Verhältnisses zu anderen Reichsorganen deutlich.

Der Reichstag besaß die Möglichkeit auf Antrag eine Volksabstimmung zum Absetzen des Reichpräsidenten anzusetzen[7]. Im Falle eines positiven Antrages war eine erneute Wiederwahl des Reichspräsidenten ebenso möglich wie bei einer Ablehnung des Antrages, wobei diese Situation zusätzlich eine Auflösung des Parlaments und die gleichzeitige Bestätigung des Reichspräsidenten nach sich zog[8]. Somit enthielt diese Befugnis des Reichstages ein nicht zu unterschätzendes Risiko für die bestehenden Mehrheitsverhältnisse im Parlament. Im Gegenzug konnte der Reichspräsident „den Reichstag auflösen, jedoch nur einmal aus dem gleichen Anlass“[9], wobei hier in der Praxis ein weiter Interpretationsspielraum möglich war.

Im Verhältnis zur Reichsregierung, d.h. Reichskanzler und Reichsminister, wird die Machtfülle des Staatsoberhauptes ebenfalls deutlich. Der Reichskanzler und seine Minister wurden durch den Reichpräsidenten ernannt[10] und nicht durch den Reichstag gewählt, obwohl die Regierung formal von dessen Vertrauen abhängig war[11]. Da „der Begriff des Misstrauensvotums […] dabei sehr eng ausgelegt“[12] wurde, war sowohl eine Entlassung des Reichskanzlers ohne Vertrauensentzug des Reichstages als auch eine Wiedereinsetzung nach erfolgreichem Misstrauensvotum möglich.

Den größten und umfangreichsten Machtzuwachs erhielt der Reichspräsident durch die Anwendung des Artikels 48 der Weimarer Reichsverfassung. Dieser ermöglichte nach Absatz 1 die so genannte Reichsexekution, „wenn ein Land die ihm nach der Reichsverfassung oder den Reichsgesetzen obliegenden Pflichten nicht erfüllt“[13]. Damit verbunden konnte der Einsatz von Truppen der Reichswehr sein. Hier ist die bedeutendste Anwendung zu erwähnen, die Absetzung der preußischen Landesregierung im Juli 1932.[14] Der Absatz 2 beinhaltet die Befugnis des Reichspräsidenten, „die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen“[15], d. h. er hatte zeitlich begrenzt die Möglichkeit, bestimmte Grundrechte außer Kraft zu setzen[16] und gesetzesähnliche, so genannte Notverordnungen, zu erlassen. Sollte, wie im Artikel 48 vorgesehen, der Reichstag eine Aufhebung dieser Notverordnungen verlangen, konnte der Reichspräsident seinerseits, wie bereits erwähnt, den Reichstag auflösen und die „Verordnung [wurde] von neuem in Kraft gesetzt“[17]. Friedrich Ebert wendete dieses Recht 1923 an, um eine Währungsreform zur Entschärfung der Inflation durchzusetzen. Er erließ im Zeitraum 1919-25 insgesamt 136 Notverordnungen, mehr als sein Nachfolger Paul von Hindenburg[18]. Dieser setzte mit Beginn der Auswirkung der Weltwirtschaftskrise auf das Deutsche Reich 1930 die Regierung des Reichskanzlers Hermann Müller (SPD) ab, und setzte, trotz fehlender Mehrheitsverhältnisse, Heinrich Brüning (Zentrum) ein.[19] Dieses als kurzfristiges Mittel zur Beseitigung einer Krise gedachte Recht des Reichspräsidenten führte zu einem autoritären Dauerzustand, der zur Lähmung des Parlaments und zur Unterhöhlung des politischen Systems beitrug und letztendlich in der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler endete.

2.2. Konsequenzen des Parlamentarischen Rates

Der größte Teil der Mitglieder des im September 1948 zusammengetretenen Parlamentarischen Rates war als Zeitzeuge oder aktiv an den Ereignissen ab 1930[20] beteiligt gewesen. Aus den gemachten und auch erlebten Erfahrungen resultierte eine fast einhellige Meinung, dass die Institution Präsident bzw. Staatsoberhaupt umgestaltet werden müsse. Das Amt des Bundespräsidenten sollte und damit auch die „Rechte und Pflichten des Präsidenten auf diejenigen eines konstitutionellen Staatsoberhauptes ohne selbstständige Exekutivgewalt begrenzt sein“[21]. Tendenzen zum amerikanisch-präsidialen System oder zur Einrichtung eines Kollegiums aus Bundeskanzler und der Präsidenten von Bundestag und Bundesrat fanden keine Mehrheit im Parlamentarischen Rat und wurden verworfen. Vielmehr wurde von der Mehrheit des Parlamentarischen Rates, wie auch von den westlichen Alliierten, eine Entmachtung im Vergleich zum Reichspräsidenten dahingehend angestrebt, dass ein zukünftiger Bundespräsident im Schwerpunkt ein repräsentatives Staatsorgan darstellen sollte. Weiterführend wurde beabsichtigt den Bundespräsidenten in ein parlamentarisches Regierungssystem mit Kanzlerhegemonie einzuordnen. Dies führte im Vergleich zum Reichspräsidenten zur Beschränkung der Wahlperiode von sieben auf fünf Jahre und auf einmalige Wiederwahl[22]. Neu war die Änderung der Wählerschaft des Bundespräsidenten, hier war beabsichtigt „einen würdigen Rahmen für die Etablierung des Bundespräsidenten zu schaffen“[23]. Die direkte Legitimation wurde aufgrund von Legitimationsdifferenzen von Regierung zu Staatsoberhaupt auf der einen und von tatsächlichen Befugnissen und Legitimation durch Volksentscheid auf der anderen Seite abgelehnt. Ebenfalls ausgeschlossen wurde, zum Schutz des Amtes vor „der parteipolitischen Zerklüftetheit des Parlaments“ und der Kopplung an die Exekutive der Länder[24], eine reine Wahl durch Bundestag und bzw. oder Bundesrat. Hier setzte sich Theodor Heuss mit seinem Vorschlag, der Schaffung der Bundesversammlung, durch, die eine Beteiligung der Landtage vorsah und als reines Wahlorgan für den Bundespräsidenten vorgesehen war[25]. Weitergehend wurde der Einfluss des Staatsoberhauptes auf die Regierungsbildung auf einen rein formalen Akt beschnitten[26]. Auch das bereits erwähnte weit reichende Parlamentauflösungsrecht wurde dahingehend eingeschränkt, dass der Bundespräsident, im Falle einer gescheiterten Vertrauensfrage des Bundeskanzlers im Bundestag, diesen auflösen kann[27]. Das Weglassen des Artikels 48 stellte den Verlust der Exekutivmacht des Präsidenten und ein Bekenntnis des Parlamentarischen Rates zur parlamentarischen bzw. repräsentativen Demokratie dar, obwohl die Anerkennung des Gesetzgebungsnotstandes[28], auf den im Bereich der Rechte und Pflichten[29] noch einzugehen ist, durchaus noch Anwendung gemäß Grundgesetz finden kann. Letztendlich wurden dem Bundespräsidenten, wie auch dem Reichspräsidenten, die traditionellen Rechte eines Staatsoberhauptes wie Repräsentation, völkerrechtlich Vertretung, Gesetzesausfertigung und Beamten-, Offizier- und Richterernennung weiterhin zugestanden[30]. Ein direktes Verhältnis zu den Streitkräften wurde mit Ausnahme des Ernennungs- und Ordensrecht und der Verkündung eines Angriffs der Bundesrepublik mit Waffengewalt, fast vollständig ausgeklammert, um dem Bundespräsidenten auch hier die Stellung einer „neutralen Macht“[31] zu erhalten.

3. Die Wahl des Bundespräsidenten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Die Bundespräsidenten seit 1949.

3.1. Vorraussetzungen

Für die Analyse der Wahl des Staatsoberhauptes sind zwei verbindliche Gesetzestexte, das Grundgesetz und das in Artikel 54 Abschnitt 7 vorgesehene Bundesgesetz[32], hinzuziehen. Den Anlass zur Wahl kann die ablaufende Wahlperiode eines Amtsträgers geben, da er sich entweder freiwillig für bzw. nicht für eine anschließende Amtsperiode zu Verfügung stellen will oder aufgrund eines Todesfalles bzw. durch Erklärung des Amtsverlustes[33] unfreiwillig eine Wahl notwendig wird. Bei regulärem Ablauf der Amtsdauer von fünf Jahren steht eine Neuwahl bzw. einmalige Wiederwahl eines Kandidaten oder Amtsträgers an.[34] Dabei ist für den Ablauf der Wahl der Bundestagspräsident verantwortlich.[35] Grundsätzlich ist verfassungsrechtlich jeder Deutsche[36], der im Besitz des Wahlrechts zum Bundestag ist[37] und das 40. Lebensjahr vollendet hat[38] wahlberechtigt. Hier hat die Praxis jedoch gezeigt, dass zwar jedes Mitglied der Bundesversammlung einen Kandidaten vorschlagen kann[39], aber eine vorherige Absprache der Fraktionen bzw. parteipolitische Abmachungen bisher nicht mehr als zwei Kandidaten hervorgebracht hat und bereits im Vorfeld der Wahl erfolgt ist.

3.2. Die Bundesversammlung

Die Bundesversammlung tritt als einziges Organ der Bundesrepublik Deutschland nur für einen Zweck zusammen, die Wahl des Bundespräsidenten, und vereinigt ebenfalls als einziges Organ „das unitarische und föderative Element in sich“[40]. Sie wird durch den Bundestagspräsidenten einberufen und geleitet, der den Ort[41] bestimmt und beim Zeitpunkt an die zeitlichen Bestimmungen bei freiwilligem oder unfreiwilligem Ende der Amtsperiode gebunden ist[42]. Da bisher noch kein Bundespräsident vorzeitig aus seinem Amt geschieden ist, wird die Einberufung der Bundesversammlung, wie von dem damaligen Bundestagspräsident Karl Carstens seit 1979 angeregt[43], traditionell auf den 23.05. gelegt, dem Tag der Verkündung des Grundgesetzes. Weiterhin fallen der Ablauf der Wahl wie auch sämtliche organisatorischen Vorbereitungen, wie „zum Beispiel die Bereitstellung der erforderlichen Haushaltsmittel und […] Druck der Stimmkarten“[44] in den Aufgabenbereich des Bundestagspräsidenten.[45] Entgegen häufiger Fehldarstellungen besteht die Bundesversammlung zur Hälfte aus der aktuellen Mitgliederzahl des Bundestages und aus der „gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden“[46] und damit weder aus Mitgliedern des Bundesrates noch zwingend der der Landtage bestehen. Hierbei ist die Bundesregierung für die Feststellung der Stärke des Bundestages und der daraus resultierenden Anzahl der durch die Landtage zu wählenden Wahlmänner zuständig, die sich nach der Bevölkerungsanzahl der Länder richtet und im Bundesgesetzblatt zu verkünden ist.[47] Damit richtet sich deren Anzahl „nach dem Stärkeverhältnis der im jeweiligen Landtag vertretenen Fraktionen“[48].

3.3. Ablauf der Wahl

Den oder die von den Mitgliedern der Bundesversammlung vorgeschlagenen Kandidaten, deren Vorschlag schriftlich mit der schriftlichen Zustimmungserklärung des oder der Kandidaten beim Bundestagspräsidenten einzureichen ist[49], werden nach einer formalen Prüfung geheim gewählt. Falls im ersten und im zweiten Wahlgang kein Kandidat eine absolute Mehrheit erhält, dann ergeben sich zwei Handlungsmöglichkeiten: Erstens es werden nach dem ersten bzw. zweiten Wahlgang neue Wahlvorschläge gemacht[50] oder zweitens man führt einen dritten Wahlgang durch, in dem ein Kandidat lediglich die relative Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen muss[51]. Ein Kandidat, der mit der zu erreichenden Mehrheit gewählt wurde, hat innerhalb von zwei Tagen nach Bekanntgabe des Ergebnisses durch den Bundestagspräsidenten eine Erklärung abzugeben, ob er die Wahl annimmt oder nicht.[52] Dabei gilt ein Verstreichen der Frist automatisch als Ablehnung[53], das aber bisher noch nicht eingetreten ist. Die formale Amtseinführung fällt wiederum in den Aufgabenbereich des Bundestagspräsidenten, der dazu den Bundestag und Bundesrat zu einer gemeinsamen Sitzung einberuft[54], um die Eidesleistung[55] zu veranlassen, die jedoch nur bei einer Erstwahl durchzuführen ist. Dieses Zeremoniell ist erst nach Ablauf der Amtszeit des Vorgängers durchzuführen[56], erübrigt sich aber bei einer Wiederwahl. Damit wird die Amtsperiode von grundsätzlich fünf Jahren angetreten.[57] Zuletzt ist zu erwähnen, dass für die Rechtmäßigkeit der Amtsführung die Unvereinbarkeit eines Bundespräsidenten mit politischen Ämtern und Funktionen auf der Bundes- und Länderebene, sowie in sämtlichen gewerblichen Tätigkeiten, vorhanden sein muss.[58]

4. Funktionen im politischen System

4.1. Allgemeine Darstellung

4.1.1. Repräsentation

Die Repräsentation als eine obligatorische Funktion eines Staatsoberhauptes habe ich bereits im Zusammenhang mit den Überlegungen des Parlamentarischen Rates erwähnt. Der Bundespräsident repräsentiert die Bundesrepublik Deutschland nach außen und innen und symbolisiert gleichzeitig die Einheit und Souveränität des Staates.[59]

Die Repräsentation nach außen wird dabei unterschieden zwischen der völkerrechtlichen Vertretung, die dem Amt gemäß Grundgesetz zugeschrieben wird,[60] und der personellen Eigendarstellung als Handlungsspielraum des Amtsträgers[61]. Der Bundespräsident führt durch und empfängt Staatsbesuche im In- und Ausland, sowie hält Staatsempfänge ab, wie den traditionellen Neujahrsempfang[62]. Hier ist zu beachten, dass der Bundespräsident bei diesen Handlungen den Staat als Ganzes repräsentiert, nicht jedoch seine eigene Politik, wenn diese im Gegensatz zur Linie der Bundesregierung steht, da dies der Einheit der Exekutive widersprechen würde. Des Weiteren ist zu erwähnen, dass Staatsbesuche sowie der Abschluss von Verträgen durch die Bundesregierung, d.h. durch den zuständigen Minister und im Rahmen der Richtlinienkompetenz[63], vermittelt werden und in Fällen der Berührung der Gesetzgebung der Zustimmung des Gesetzgebers bedürfen[64]. Im Bezug auf Staatsbesuche besitzt der Bundespräsident kein Vetorecht, aber in der Praxis hat sich durch die Absprache von Bundespräsidialamt und zuständigen Regierungsstellen eine Mitsprache des Bundespräsidenten durchaus durchgesetzt. Die personelle Repräsentation wirkt sich konsequenterweise auf das Engagement der Person in Handlungen äußerer Repräsentation aus, da auch hier persönliche Schwerpunkte des Amtsträgers ihren Ausdruck finden. So hat z. B. der erste Bundespräsident Theodor Heuss erst in seiner zweiten Amtsperiode einen Staatsbesuch im Ausland[65] vorgenommen, das zum einen an der fehlenden Souveränität der Bundesrepublik lag, „zum anderen und persönlicher daran, dass Heuss die nach dem Krieg noch überall stark verwurzelten Vorbehalte nicht durch Ressentiments schüren […] wollte“[66]. Ergänzend dazu lag z.B. Bundespräsident Richard von Weizsäcker persönlich viel an einem Besuch in Israel, d.h. hier ging die Initiative vom Bundespräsidenten aus, wie es sich bei anderen Amtsträgern in der Praxis ebenfalls gezeigt hat. Die Staatsbesuche haben zusätzlich zwei Effekte, auf der einen Seite erfolgt eine persönliche Prägung des Amtes durch die jeweilige Person, auf der anderen Seite erzeugt die Anwesenheit des Staatsoberhauptes eine Steigerung des Ansehens in dem besuchten Staat, so dass „ihr Symbolwert hoch einzuschätzen ist“[67].

[...]


[1] Art. 41 Abs. 1 WRV: „Der Reichspräsident wird vom ganzen deutschen Volke gewählt.“

[2] Art. 43 Abs. 1 WRV: „Das Amt des Reichspräsidenten dauert sieben Jahre.“

[3] Rausch 1979, S. 33: „kam es […] bei den Beratungen über den Entwurf einer Reichsverfassung zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten“. Die Vertreter der jeweiligen politischen Richtungen versuchten das Reichspräsidentenamt nach ihren Vorstellung zu konzipieren, von der Orientierung an der kaiserlich-konstitutionellen Monarchie von 1871 (Monarchisten) über die Einführung eines Präsidialsystems nach Vorbild der USA (Weber, Meinecke (DDP)) bis zur Einrichtung eines kollegialen Direktoriums (USPD). Den SPD-Vertretern war mehr nach einer Sicherung vor Missbrauch der Machtbefugnisse gelegen. Der größte Teil war sich jedoch über ein relativ starkes Staatsüberhaupt einig.

[4] Rausch 1979, S. 34.

[5] Art. 45 Abs. 1 WRV: “Der Reichspräsident vertritt das Reich völkerrechtlich. Er schließt im Namen des Reichs Bündnisse und andere Verträge mit auswärtigen Mächten. Er beglaubigt und empfängt die Gesandten.“

[6] Art. 47 WRV: „Der Reichspräsident hat den Oberbefehl über die gesamte Wehrmacht des Reichs.“

[7] Art. 43 Abs. 2 WRV: “ Vor Ablauf der Frist kann der Reichspräsident auf Antrag des Reichstags durch Volksabstimmung abgesetzt werden. Der Beschluß des Reichstags erfordert Zweidrittelmehrheit. Durch den Beschluß ist der Reichspräsident an der ferneren Ausübung des Amtes verhindert. Die Ablehnung der Absetzung durch die Volksabstimmung gilt als neue Wahl und hat die Auflösung des Reichstags zur Folge.“

[8] Ebenda.

[9] Art. 25 Abs. 1 WRV.

[10] Art. 53 WRV: „Der Reichskanzler und auf seinen Vorschlag die Reichsminister werden vom Reichspräsidenten ernannt und entlassen.“

[11] Art. 54 WRV: „Der Reichskanzler und die Reichsminister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Reichstags. Jeder von ihnen muß zurücktreten, wenn ihm der Reichstag durch ausdrücklichen Beschluß sein Vertrauen entzieht.

[12] Rausch 1979, S. 37.

[13] Art. 48 Abs. 1 WRV.

[14] DTV Atlas 2006, S. 471: Der als Preußenschlag bekannt gewordene Staatstreich gegen die SPD geführte Landesregierung des Ministerpräsidenten Otto Braun führte zu Absetzung derselbigen durch den Reichskanzler Franz von Papen, unter dem Vorwand eines drohenden Bürgerkrieges, und zur Einsetzung eines Reichskommissars. Dies stellte einen Verlust föderativer Elemente in der Weimarer Republik dar.

[15] Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV.

[16] Art. 48 Abs. 2 Satz 2 WRV.

[17] Rausch 1979, S. 40.

[18] Ebenda.

[19] Diese Handlung markierte den Beginn der so genannten Präsidialkabinette, die aufgrund fehlender Mehrheitsverhältnisse auf die Anwendung des Artikels 48 angewiesen waren. Diese Phase hält bis zur Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler 1933.

[20] Siehe 18.

[21] Rausch 1979, S. 49.

[22] Art. 54 Abs. 2 Grundgesetz (GG).

[23] Rausch 1979, S. 50.

[24] Ebenda.

[25] Ebenda.

[26] Vorschlag eines Kandidaten und Ernennungspflicht zum Bundeskanzler nach dessen Wahl durch den Bundestag.

[27] Art. 68 Abs. 1 GG.

[28] Art. 81 GG.

[29] Siehe Kap. 4.

[30] Rausch 1979, S. 55.

[31] Ebenda.

[32] Gesetz über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung (BPräsWahlG) vom 25.04.1959, zuletzt geändert am 20.06.2002.

[33] Art. 61 GG.

[34] Art. 54 Abs. 2 GG.

[35] § 1 und 8 BPräsWahlG.

[36] Im Sinne des Art. 116 GG.

[37] Art. 38 Abs. 2 GG.

[38] Art. 54 Abs. 1 Satz 2 GG.

[39] § 9 Abs. 1 Satz 1 BPräsWahlG.

[40] Rausch 1974, S. 59.

[41] Kessel 2004, S. 9: Der Ort der Wahl ist nicht festgelegt. Seit 1949 wurde die Bundesversammlung, mit Ausnahme von 1954-69 in Berlin, nach Protesten der DDR und der Sowjetunion bis 1991 in Bonn, der damaligen Bundeshauptstadt, gewählt. Seit 1994 wird die Wahl wieder in Berlin im Reichstag abgehalten.

[42] Art. 54 Abs. 4 Satz 1 GG: „Die Bundesversammlung tritt spätestens dreißig Tage vor Ablauf des Bundespräsidenten, bei vorzeitiger Beendigung spätestens dreißig Tage nach diesem Zeitpunkt zusammen.“ und Art. 54 Abs. 5 GG: „Nach Ablauf der Wahlperiode beginnt die Frist des Absatzes 4 Satz 1 mit dem ersten Zusammentreten des Bundestages.“

[43] Kessel 2004, S. 8.

[44] Kessel 2004, S. 9.

[45] Siehe 35.

[46] Art. 54 Abs. 3 GG.

[47] § 2 BPräsWahlG.

[48] Kessel 2004, S. 12.

[49] § 9 Abs. 1 Satz 1 BPräsWahlG.

[50] § 9 Abs. 1 Satz 2 BPräsWahlG.

[51] Art. 54 Abs. 6 GG. u. s. a. Abb. 1.

[52] § 9 Abs. 4 BPräsWahlG.

[53] Ebenda.

[54] Kessel 2004, S. 18: gem. § 11 BPräsWahlG und Art. 56 Satz 1 GG.

[55] Art. 56 GG.

[56] § 10 BPräsWahlG.

[57] Siehe 22.

[58] Art. 55 GG.

[59] Art. 59 Abs. 1 GG.

[60] ebenda, Satz 1, hierzu gehört ergänzend die Möglichkeit des Bundespräsidenten zur Verkündigung des Verteidigungsfalles im Bundesgesetzblatt bzw. die Erklärung über das Bestehen des Verteidigungsfalles, Art. 115a Abs. 3 u. 5 GG.

[61] Rausch 1979, S. 102.

[62] Art. 59 Abs. 1 Satz 3 GG.

[63] Art. 65 Satz 1 GG.

[64] Art. 59 Abs. 1 GG.

[65] Griechenland im Mai 1956.

[66] Rausch 1979, S. 103.

[67] Westphalen 2001, S. 335.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Der Bundespräsident. Aufgaben und tatsächliche Funktionen in der deutschen Politik
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Veranstaltung
Einführung in das politische
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
28
Katalognummer
V78331
ISBN (eBook)
9783638846271
ISBN (Buch)
9783640282098
Dateigröße
911 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bundespräsident, Einführung
Arbeit zitieren
Benjamin Pommer (Autor:in), 2007, Der Bundespräsident. Aufgaben und tatsächliche Funktionen in der deutschen Politik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78331

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