Behinderung in der Dritten Welt - dargestellt am Beispiel Kenia


Vordiplomarbeit, 2001

46 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1 Sozio – Ökonomische Strukturen in Kenia
1.1 Land und Bevölkerung
1.2 Wirtschaftliche Struktur
1.2.1 Zur Arbeitsmarktsituation
1.3 Politische Struktur
1.4 Sozialstruktur
1.5 Gesundheitswesen
1.6 Auswirkungen des Tourismus im sozio-kulturellen Bereich

2 Sozio – kulturelle Probleme Behinderter
2.1 Familiäre Einstellungen
2.2 Behinderte in der Gesellschaft
2.3 Traditionelle Einstellungen gegenüber Behinderung
2.3.1 Luo
2.3.2 Giarama
2.3.3 Süd Kikuyu

3 Probleme und Ursachen behinderter Menschen in Kenia
3.1 Statistischer Überblick
3.2 Somatische Ursachen
3.3 Sozio – ökonomische Ursachen
3.4 Infrastrukturelle Benachteiligungen
3.5 Behinderungsformen
3.5.1 Körperbehinderungen
3.5.2 Geistige Behinderungen
3.5.3 Blindheit, eingeschränktes Sehen
3.5.4 Hörbehinderung, Taubheit
3.5.5 Mehrfachbehinderungen
3.5.6 Psychische Behinderungen

4 Arbeitsmarktsituation Behinderter
4.1 Chancen auf dem Arbeitsmarkt
4.2 Berufsausbildung und deren Probleme
4.3 Betteln
4.4 Behindertenwerkstätten

5 Inhaltsverzeichnis

6 Anlagen

1 Sozio – Ökonomische Strukturen in Kenia

1.1 Land und Bevölkerung

Alle folgenden Angaben dieses Kapitels sind dem Handbuch der Dritten Welt, 3. Aufl. 1993 entnommen. Bei der letzten Volkszählung im August 1989, wurde in Kenia eine Einwohnerzahl von 21,4 Mio. ermittelt. Das politisch unabhängige Kenia ist fast zweieinhalb mal so groß wie die BRD. Trotz der durchschnittlichen Wachstumsrate von 3,3 % pro Jahr hat es eine deutlich niedrigere Einwohnerzahl als Deutschland. Dennoch ist die Republik überbevölkert und mit Versorgungsproblemen belastet. In der Bevölkerungsverteilung lassen sich regionale Unterschiede in der Bevölkerungsdichte aufweisen. In den westlichen Provinzen Western und Nyanza liegt der Bevölkerungsdurchschnitt bei 300 E. ( Einwohner ) pro qkm ( Quadratkilometer ), in den östlichen Regionen 22 – 24 E. pro qkm und in den rein ländlichen Gegenden wie in Kisii und Kakamega 400 – 500 E. pro qkm. Der größte Teil der Bevölkerung lebt in den ländlichen Regionen. Dies bedeutet in einigen Gebieten eine kritische Landknappheit. Ungefähr 40 % der Bevölkerung konzentrieren sich in 8 Distrikten, die ca. 4 % der Gesamtfläche und weniger als 25 % der Ackerfläche ausmachen. Seit 1983 versucht die Regierung dem mit einer distriktorientierten Politik entgegenzuwirken.

Die Lebenserwartung stieg auf 60 Jahre ( 1990 ) gegenüber 41 Jahren ( 1960 ) an. Die Bevölkerungsstruktur ergibt durch die gleichzeitige Geburtenzunahme und dem Sinken der Kindersterblichkeit eine typische Alterspyramide, mit einem sehr hohen Anteil an jungen Jahrgängen. Circa 50 % sind jünger als 15 Jahre. Im gleichen Zeitraum nahm der Anteil der städtischen Bevölkerung von 7 % auf 24 % zu. 1989 gab es in Kenia schon 45 Städte mit je einer Einwohnerzahl von über 10000.. Die wichtigsten Städte ( Daten von 1989 ) sind Nairobi mit 1,35 Mio., Mombasa mit 465.000, Kisumu mit 185.000, Nakuru mit 163.000, Machakos mit 116.000 und Eldoret mit 15.000 Einwohnern.

Die Bevölkerung Kenias gliedert sich in viele unterschiedliche Gruppen. Eine Minderheit stellen die Asiaten, die Europäer und die Araber dar. Die afrikanische Bevölkerung teilt sich in 40 Völker mit 3 verschiedenen Hauptsprachen ( Bantu, Kushiten und Niloten ) auf. Die jeweilige Zugehörigkeit bestimmt die Sprache, die traditionelle Kultur und die Religion. 2/3 der Bevölkerung gehören der Bantu – Sprachgruppe an, der größte Teil des Restes zählt zu der Nilotensprachgruppe. Die offizielle Amt- und Nationalsprache ist seit 1974 Kiswahili, wobei in der Wirtschaft, in der Politik und in der Verwaltung Englisch die Gebrauchssprache ist.

Ungefähr die Hälfte der Gesamtbevölkerung ist christlich, davon sind 40 % katholisch und 60 % protestantisch. 10 % sind islamisch, der Rest gliedert sich an Naturreligionen an.

1.2 Wirtschaftliche Struktur

Kenia ist im Gegensatz zu den meisten afrikanischen Staaten relativ weit fortgeschritten. Dies ist das Resultat, der seit der Unabhängigkeit ( 12.12.1963 ) betriebenen Wirtschaftspolitik, und das Resultat des aus der Kolonialzeit stammenden Erbes, das allmählich aufgebaut wurde.

Kenia ist sehr stark nach außen orientiert. Es bestehen vielfältige Kapitalinteressen und Verflechtungen ins Ausland. Dadurch ist es sehr anfällig auf jegliche Einflußfaktoren. Mit dem Pro – Kopf – Einkommen von 370 US $[1] ( 1990 ) befindet sich Kenia auf der oberen Position der Länder mit einem niedrigen Einkommen und in einer Mittelposition innerhalb von Afrika.

Kenia galt als eines der erfolgreichsten afrikanischen Länder mit einem Wachstum der Infrastruktur, der Landwirtschaft, dem Ausbau der Industrie und in den Dienstleistungssektoren. Trotzdem ist ein grundlegender Wandel zur Volkswirtschaft nicht gelungen. Seit 1990 befindet sich Kenia in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Trotz einer sozialistischen Planwirtschaft verfolgte Kenia überwiegend eine marktorientierte Entwicklungsstrategie, verbunden mit staatlichen Lenk- und Kontrollorganen. Der Staat erwarb in einzelnen wichtigen Bereichen ( Banken, Energieversorgung ) durch Kauf von Besitzanteilen die Kontrollmehrheit. Trotzdem gab es genügend Möglichkeiten für private Unternehmen im Laufe der Jahre einen vielfältigen und direkten Einfluß durch die Beeinflussung politischer Machthaber zu erwerben. Die massive Durchsetzung von Eigeninteressen der politischen Führung ( Korruption, Steuerung der Lizenzvergabe, Behinderung von unerwünschten Konkurrenten ) stellten einen stärker werdenden Hemmfaktor dar. Die Lukrativität bei internationalen Investoren wurde verstärkt in Frage gestellt.

Das Wirtschaftssystem Kenias ist heute eine Mischung mit privaten und wirtschaftlichen Anteilen. Die hohe Abhängigkeit vom Weltmarkt, hervorgerufen durch den schwankenden Erlös für Exportgüter, schlägt sich direkt auf die Produktion und auf da inländische Preisniveau zurück.

Grundlegende wirtschaftliche Hindernisse liegen in der relativen Armut an Bodenschätzen und der Notwendigkeit teurer Erdölimporte zur Deckung des kommerziellen Energiebedarfs. Die gewerbliche Wirtschaft liegt hauptsächlich in der Weiterverarbeitung von land- und landeswirtschaftlichen Erzeugnissen. Daneben findet sich die Textil-, Leder-, Schuh- und Holzindustrie. Der Anteil des produzierenden Gewerbes am Bruttoinlandsprodukt lag 1984 stagnierend bei ca. 19 %[2] ( Energie- und Wasserversorgung, Bergbau ausgenommen).

Die bedeutendste volkswirtschaftliche Rolle kommt in Kenia der Landwirtschaft zu. Die Produktpalette ist aufgrund der Klimazonen sehr breit gefächert. An der Spitze der Exportprodukte stehen Kaffee und Tee, die Spitzenpreise auf dem Weltmarkt erzielen. Seit den 70er Jahren gewannen auch Gartenbauprodukte , die vorwiegend in der Wintersaison in Europa einen Absatz finden, eine größere Bedeutung. Die Grundlage der inländischen Nahrungsmittelversorgung bildet der Anbau von Mais, Weizen, Reis, Zucker und die Vieh- und Milchwirtschaft.

Die Landwirtschaft Kenias gilt innerhalb Afrikas als eine der erfolgreichsten. Trotzdem kommt es hin und wieder vor, daß Engpässe in der Grundnahrungsmittelversorgung durch Reaktion auf die Preispolitik oder durch klimatisch bedingte Mißzustände auftreten. Andere Ursachen der Unterversorgung sind die begrenzten agrarisch nutzbaren Flächen einschließlich der Bodenerosion oder der Bevölkerungsexplosion. Die Agrarpolitik ist weitgehend auf eine kommerzialisierte Landwirtschaft ausgerichtet. Der Staat bietet Beratungsdienste an, unterstützt Genossenschaften aber auch das private Interesse der Bauern. Innerhalb ländlicher Entwicklungsprogramme wird versucht die Lebensqualität auf dem Land durch Verbesserung der Infrastruktur und ein vielfältiges Angebot von Dienstleistungen zu verbessern und damit der Landflucht vorzubeugen.

1.2.1 Zur Arbeitsmarktsituation

Die Beschäftigungssituation stellt aufgrund der hohen Bevölkerungszunahme, der erfolgreichen Ausweitung des Bildungssystems und dem Strukturwandel in der Landwirtschaft ein zentrales Problem dar. Immer mehr Menschen suchen eine Beschäftigungsmöglichkeit im modernen Sektor. Die Gesamtzahl der Beschäftigten nahm nur gegenüber dem letzten Jahrzehnt gering zu. An registrierten Beschäftigten wurden 1,9 Mio. erfaßt. Der Anstieg der Beschäftigungsmöglichkeiten nahm nur durchschnittlich 4,7 % pro Jahr zu[3]. Das ist viel zu gering um die Abwanderung vom Lande aufhalten zu können. In ländlichen Gebieten wird der Lebensunterhalt hauptsächlich durch Eigenversorgung realisiert. Dabei sind die Einwohner von einer ausreichenden Versorgung, wenn sie nicht gerade Plantagenbesitzer sind, weit entfernt. Dies liegt begründet in der Bodenknappheit, wobei die Einwohner entweder ohne Landsitz sind, oder die vorgeschriebene Mindestgröße von Ackerland wird aufgrund der Vielzahl von Landanforderungen unterlaufen. Landlose, die bei privaten Bauern beschäftigt sind, erhalten einen festgelegten Mindestlohn. In den 80er Jahren hatten infrastrukturelle und institutionelle Verbesserungen in den ländlichen Gebieten, wie der Verkehrserschließung, der Wasserversorgung, Schulen, Gesundheitsdienste, eine nur symptomlindernde Auswirkung auf den Arbeitsmarkt.

Außerhalb der Landwirtschaft spielt der öffentliche Sektor eine zunehmende Rolle mit stetig steigender Tendenz. Gleichzeitig kommt auch dem informellen Sektor eine zunehmende Bedeutung zu. In dem Zeitraum zwischen 1973 – 1983 nahm die Zahl der Beschäftigten um 47 % zu[4], dabei handelt es sich um fragwürdige Existenzbedingungen mit einem minimalen Lebensunterhalt. Natürlich wird mit der Zunahme an Beschäftigten die Einkommensgrenze oder die Verdienstchance geringer.

Durch die ständig expandierende Zahl an Schulabgängern verschärft sich das Problem der Jugendarbeitslosigkeit. 1984 wurden 33 – 44 % der Bevölkerung geschätzt, die direkt oder versteckt von Arbeitslosigkeit betroffen waren[5]. Verweigern die Jugendlichen nach dem Schulabschluß ein Leben auf dem Land, wo sie meinen, diesen nicht zu benötigen, versuchen sie im informellen Sektor tätig zu werden. Nicht selten gleiten sie in die Verwahrlosung und in die Kriminalität ab.

1.3 Politische Struktur

Seit 1982 ist Kenia ein Ein- Parteien- Staat. Politische Entscheidungen liegen beim Präsidenten und seiner unmittelbaren Umgebung, seiner Regierung, die ohne Gegenkandidaten gewählt wird. Die Partei KANU – Keniya African National Union, verfügt über eine relativ geringe Selbständigkeit und Machtstellung.[6] Politisch brisante Themen oder Alternativen zu den bestehenden Machtstrukturen stehen nicht zur Debatte. Verstoßen Kandidaten gegen diese Herrschaftsstrukturen, werden sie ausgefiltert. Das Interesse der Regierung ist auf ein investitions- und tourismusförderndes Klima ausgerichtet. Erst seit dem Amtsantritt Mois ( 1979 ), nehmen die Erkenntnisse an Lösungen der sozialen und wirtschaftlichen Ebene auf der Basis nationaler Ressourcen zu. Allerdings sind diese Lösungsansätze nicht sozialistisch, sondern eher marktwirtschaftlich angesiedelt. Dies steht im Gegensatz zu dem 1965 verabschiedeten Grundsatzdokument

“Afrikanischer Sozialismus und seine Anwendung bei der Planung Kenias “.

Im Laufe der Jahre konnte Präsident Moi seine Machtstellung immer weiter ausbauen. Auch seine anfängliche Kikuyu – Stütze konnte er ins politische Abseits stellen. Bei der blutigen Niederschlagung eines Putschversuches 1982, durchgeführt von der Luftwaffe, wurde die politische Stabilität von Moi abermals demonstriert. In den Folgejahren zeichneten sich Phasen von politischen Freiheiten der Kritiker dieses Regimes und Phasen der Repression ab. 1986 ging das System gegen die Untergrundbewegung Mwakenya vor. Sie setzte sich aus linksradikalen Kikuyu zusammen, stellte aber für die herrschenden Machtstrukturen nie eine tatsächliche Bedrohung dar.

Ab 1990 verschärfte sich die Opposition gegen das als korrupt geltende Regime. Forderungen nach politischem Pluralismus und der Zulassung von mehreren Parteien, gefordert von Rechtsanwälten, Kirchenführern und ehemaligen Ministern, wurde mit massiver Gewalt ( Niederknüppelung, Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren, Verbot kritischer Journalisten ), niedergeschlagen. Im Juli 1990 kam es zu blutigen Straßenschlachten in den Städten. Entgegen dem allgemeinen afrikanischen Trend hielt das Regime mit aller Kraft an der Einheitspartei fest. Erst als im November 1991 westliche Entwicklungshilfegeber wegen mangelnder politischer und wirtschaftlicher Reformbereitschaft Gelder kürzten, trat eine idiologische Veränderung ein. Am 10.12. 1991 wurde die Verfassungsklausel von 1982 über das Einparteiensystem aufgehoben. Schnell folgten Austritte verschiedener Politiker aus der KANU. Doch bald wurde eine Zersplitterung der Opposition, bedingt durch Rivalität und der Zugehörigkeit verschiedener Ethnien, sichtbar.

Als hauptsächliche Konkurrenz der KANU stellte sich die FORD Kenya, FORD Asili und die Democratic Party of Kenya heraus, die aber durch den oppositionellen Streit nie Oberwasser erhielten. Die kenianische Politik zeichnet sich durch eine starke Verknüpfung politischer Macht und wirtschaftlicher Interessen, Korruption in den verschiedensten Ebenen und trotzdem einer gut funktionierenden Verwaltung und Rechtspflege aus.

Das Militär umfaßt eine Stärke von 19000 Mann in der Armee, 3500 in der Luftwaffe und 1100 in der Marine. Die finanziellen Ausgaben für da Militär sind im Vergleich zu anderen Staaten eher zurückhaltend. Politisch blieb das Militär bis jetzt im Hintergrund. Mit einer sorgfältigen Personalpolitik und der Berücksichtigung der ethnischen Herkunft, achtet das Moi – Regime bei den Spitzenpositionen darauf, daß eine politische Loyalität erhalten bleibt.

Bei den Präsidentschaftswahlen, am 29.12.1992 wurde Moi der Sieger, mit nur wenig mehr als einem Drittel der abgegebenen Stimmen, gefolgt von Matiba mit einem Viertel, und Kibaki und Odinga mit weniger als ein Fünftel der Stimmen. Trotz der Proteste von Seiten der Opposition wegen Wahlmanipulation, wurde Moi für eine 4. Amtszeit vereidigt. Von den 188 Wahlkreisen gingen 100 an die KANU, je 31 an FORD Kenya und FORD Asili, 23 a die DP und 3 an Einzelkandidaten.[7] Damit war zwar die Mehrheit der Plätze für die KANU gesichert, dennoch gestaltete sich die weitere Regierungstätigkeit als schwierig, da die KANU in den Gebieten der Kikuyu und Luo ( Provinz Central und Nyanza ) eine große Niederlage einstecken mußte. Trotz der aktuellen Unsicherheiten besitzt Kenia keine schlechten Vorraussetzungen einer pluralistischen Zivilgesellschaft.

1.4 Sozialstruktur

Die kenianische Gesellschaft weist aufgrund der schwierigen ökonomischen Situation sehr krasse soziale Unterschiede auf. Im Durchschnitt befanden sich in den 80er Jahren ca. 44 % der Gesamtbevölkerung ( 55 % der ländlichen Bevölkerung )[8] unterhalb der Armutsgrenze, darunter Landlose, Nomaden, Kleinbauern und relativ wenig Stadtbewohner.

Ein beträchtlicher Teil der ländlichen Bevölkerung kann mittlerweile zur Schicht der modernen Kleinbauern gezählt werden, die nach dem Einkommen, der Betriebsgröße und der Produktivität gemessen werden. Die restlichen Hauptgruppen setzen sich zusammen aus den lohnbeschäftigten Personen, d.h. der gut entwickelte Mittelstand der Handwerker, Händler und Vertreter freier Berufe, sowie die ökonomische und politische Oberschicht. Die Mittelschicht wird gestützt durch wichtige Personen in der Industrie und im Ausbildungs- und Dienstleistungsbereich. Einen Sonderstatus haben nach wie vor die Europäer und die Asiaten, die meist herausragende ökonomische Positionen einnehmen.

Kenias Wirtschafts- und Sozialsystem beruht zum großen Teil auf die Anwendung des Konkurrenzsystems und des Wettbewerbs. Für Initiative und mit Beziehungen ausgestattete Menschen bietet es in kurzer Zeit eine Möglichkeit sich nach oben zu arbeiten. Die damit verbundenen Hoffnungen animieren viele Menschen im modernen Sektor tätig zu werden. Erst seit Ende der 80er Jahre kann man von einer wachsenden Bewußtheit der ungleichen Sozialentwicklung sprechen.

Die Unterschiede der Einkommensentwicklung sind eng verbunden mit dem Bildungsstand und der Chance zur Erarbeitung nichtlandwirtschaftlicher Einkommen. Ein wesentlicher Teil des im modernen Sektors erwirtschafteten Geldes wird auf dem Land investiert. Es bewirkt eine Landkonzentration, die die Armen immer weiter in sich eingrenzt. ( siehe Lohntab. 5 im Anhang ) Die unteren Einkommensgruppen fallen beim Verteilungskampf nationaler Ressourcen zurück. Trotzdem partizipiert nicht nur die Oberschicht an den Gewinnen, sondern auch mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist an der Aufwärtsbewegung beteiligt.

Ein wesentlicher Aspekt der sozialen Beweglichkeit ist das Bildungssystem. Kenia wendet über 20 % des laufenden Haushalts für das Bildungssystem auf. Außerdem gibt es Privatinitiativen. Auch ohne Schulpflicht ist außer in vereinzelten dünn besiedelten Gebieten, die vollständige Einschulung, entsprechend der Altersstufe erreicht. Seit 1980 sind alle 7 Klassen der Primery School gebührenfrei. In dem Zeitraum von 1974 – 1985 gelang es, die Schulbesuchsquote in diesem Altersbereich von 40 % auf 90 % heraufzusetzen. Trotzdem gibt es in Kenia 45 % Analphabeten, da es im Bereich der Erwachsenenbildung noch wenig Programme gibt. 1985 wurde das Schulystem auf das sogenannte 8-4-4-System, 8 Jahre Primery School, 4 Jahre Secondary und 4 Jahre Universität, umgestellt. Da die Erziehung bislang zu theoretisch ausgerichtet war und indirekt die Arbeitslosigkeit auf Grund von nichtpraxisorientierten Schulabgängern erhöhte, sollte jede Primery School Workshops für Hauswirtschaft, Holz- und Metallverarbeitung und Agrarwirtschaft einrichten. Bislang scheint die Umsetzung eher zurückhaltend, da die Finanzierung solcher Projekte sehr aufwendig ist. Nach Abschluß der Primery School sind die weiterführenden Schulen gebührenpflichtig. Nur wenige Familien können e sich leisten, ihre Kinder höhere Schulen besuchen zu lasen. Hier läßt sich ein Stadt – Landgefälle beobachten, 75 % der höheren Schulen konzentrieren sich auf Nairobi.[9]

1.5 Gesundheitswesen

Im Gesundheitswesen wurden ebenfalls deutliche Fortschritte erzielt. Das Durchschnittsalter stieg 1965 – 1990 für Männer von 46 auf 57 Jahre, bei Frauen von 50 auf 61 Jahre. Die Kindersterblichkeit ging von 112 auf 67 pro Tsd. Geburten zurück. Die Zahl der Krankenhäuser und die Ärztezahl (1991 ) 3500, konnte in der Vergangenheit mit der wachsenden Bevölkerung nicht Schritt halten.[10]

Da Gesundheitswesen des Landes ist im afrikanischen Vergleich relativ weit fortgeschritten, dennoch ist die regionale Versorgung z. T. sehr schlecht. Es wird auch hier ein deutliches Stadt – Landgefälle sichtbar, wobei in den einzelnen Regionen erhebliche qualitative Unterschiede in der Versorgung der Bevölkerung existieren. 1984 stand 1 Arzt für 7789 Einwohner zur Verfügung. Die Zahl der Krankenpfleger nahm zwischen 1980 – 1984 ( um rnd. 4400 ) auf19815 zu (Statistisches Bundesamt, 1987, .27/28 ).Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der Krankenstationen ( um 186 ) auf 1273, die Gesundheitszentren ( um 52 ) auf 293. Zum gleich Zeitpunkt nahm die Zahl der Krankenhäuser ( um 12 ) ab.[11] Problematisch in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung erweist sich die Bevölkerungsexplosion und die verkehrstechnischen Probleme. Eine eindeutige Bevorzugung erhält die Stadt Nairobi und die Provinz Central Coast ( Touristenzentrum ). Demgegenüber entstehen gewaltige Benachteiligungen für Nyanza und Eastern und für den Rest der Provinzen Kenias.[12] Die Gesundheitszentren und Dispensarien die hauptsächlich für die Landbevölkerung gedacht sind, sind aufgrund der schlechten Verkehrswege und des mangelnden Geldes unterversorgt.

Die kenianische Regierung führt über Rundfunk Erwachsenenbildung, einer Schulung der Gesundheitserziehung mittels Prophylaxe ( Hygiene, Ernährung ) durch, wobei bisher keine gravierenden Erfolge sichtbar wurden. Zum Präventivbereich zugehörige Impfaktionen werden durch die Kirchen und internat. Organisationen gestützt, aber nicht ausreichend in regionaler Chancengleichheit koordiniert. Die Folgen sind dauerhafte Schäden und Epidemien.

Ein im 4. Entwicklungsplan ( 1979 – 1983 ) entworfenes Programm zur Familienplanung brachte nicht die erhoffte Senkung der Geburtenrate. Hindernisse bestanden darin, daß sich die Beratung auf die Städte und Gesundheitszentren wandte, nicht jedoch auf die tief verwurzelte traditionelle Überzeugung, das Kinderreichtum identisch ist mit Ansehen, Wohlstand und Altersversorgung. Ohne soziale Absicherung wird diese Hürde kaum zu überwinden ein.

Die heutige negative Gesundheitssituation hat ihre Ursprünge im Kolonialismus. Erstmals wurden Fremderreger der bis dahin unbekannten Krankheit der Tbc und der Masern eingeschleppt, andere wurden erstmals verbreitet, so z. Bsp. die Schlafkrankheit. Lastenträger wurden durch den weißen Mann gezwungen, kreuz und quer durch das Land zu wandern, dadurch konnte sich der Erreger erheblich ausdehnen. Auch die Ausrichtung der Kolonialisten auf Monokulturen, statt einer vielfältigen Anbauweise, schränkte die Nahrungsmittelproduktion erheblich ein. Dies hatte gesundheitsschädigende Ernährungsdefizite zur Folge.

Auch heute, begründet durch die Armut, ist Mangelernährung im Kreis der Landlosen, der Kleinbauern, der Arbeitslosen und Unterbeschäftigten weit verbreitet. Nicht selten erkranken die Menschen an Anämie, Vitamin A- Mangel, oder an der Kombination von beidem. Krankheitsverursacher sind neben der Fehlernährung die unzulängliche Wasserversorgung, Hygiene, Abfallbeseitigung und die Wohnverhältnisse. Mangelhafte hygienische Verhältnisse in weiten Teilen des Landes führen zur Verbreitung von Cholera, Typhus, Ruhr, Hepatitis, Poliomyelitis, Neugeborenen – Tetanus und zu Parasitenerkrankungen. Die meist unzulänglichen Wohnverhältnisse in viel zu engen Räumen sind ideale Übertragungsorte für Infektionen. Landflucht und Urbanisierung führen zu einer Weiterverbreitung von Geschlechtskrankheiten bzw. auch wechselnden Sexualkontakte alleinlebender Männer und Frauen. All diese Infektionskrankheiten könnten durch eine angemessene Prophylaxe verhindert werden oder wären mit rechtzeitiger Behandlung meist heilbar.

[...]


[1] Hrsg.: Dieter Nohlen, Franz Nuscheler: Handbuch der Dritten Welt, 5 Ostafrika und Südafrika, Bonn, Verlag J.H.W. Dietz Nachf. GmbH, S. 88 ff

[2] Anna – Claudia Guimbous: Behinderte in Kenia: soziale und pädagogische Probleme einer großen Randgruppe, Frankfurt am Main, IKO – Verlag, für interkulturelle Kommunikation, 1993,

[3] Hrsg.: Dieter Nohlen, Franz Nuscheler: Handbuch der Dritten Welt, 5 Ostafrika und Südafrika, Bonn, Verlag J.H.W. Dietz Nachf. GmbH,

[4] Anna – Claudia Guimbous: Behinderte in Kenia: soziale und pädagogische Probleme einer großen Randgruppe, Frankfurt am Main, IKO – Verlag, für interkulturelle Kommunikation, 1993,

[5] Anna – Claudia Guimbous: Behinderte in Kenia: soziale und pädagogische Probleme einer großen Randgruppe, Frankfurt am Main, IKO – Verlag, für interkulturelle Kommunikation, 1993,

[6] Wolfgang Geiger, , Klaus Voll, Hartmut Deckelmann: Entwicklungsländer im Blickpunkt. Ein Arbeitsbuch für Schule und Weiterbildung, Frankfurt a. M.,1980, S.135

[7] Hrsg.: Dieter Nohlen, Franz Nuscheler: Handbuch der Dritten Welt, 5 Ostafrika und Südafrika, Bonn, Verlag J.H.W. Dietz Nachf. GmbH,

[8] Hrsg.: Dieter Nohlen, Franz Nuscheler: Handbuch der Dritten Welt, 5 Ostafrika und Südafrika, Bonn, Verlag J.H.W. Dietz Nachf. GmbH,

[9] F. Gleiß: Ostafrika 1984, Express GmbH, S.154

[10] Hrsg.: Dieter Nohlen, Franz Nuscheler: Handbuch der Dritten Welt, 5 Ostafrika und Südafrika, Bonn, Verlag J.H.W. Dietz Nachf. GmbH,

[11] Anna – Claudia Guimbous: Behinderte in Kenia: soziale und pädagogische Probleme einer großen Randgruppe, Frankfurt am Main, IKO – Verlag, für interkulturelle Kommunikation, 1993,

[12] Anna – Claudia Guimbous: Behinderte in Kenia: soziale und pädagogische Probleme einer großen Randgruppe, Frankfurt am Main, IKO – Verlag, für interkulturelle Kommunikation, 1993,

Ende der Leseprobe aus 46 Seiten

Details

Titel
Behinderung in der Dritten Welt - dargestellt am Beispiel Kenia
Hochschule
Technische Universität Berlin  (Pädagogik)
Note
1
Autor
Jahr
2001
Seiten
46
Katalognummer
V7841
ISBN (eBook)
9783638149679
ISBN (Buch)
9783640858026
Dateigröße
720 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
sozioökonomische Strukturen, Einstellung gegenüber Behinderung, Behinderungsarten, Pädagogik
Arbeit zitieren
Britt Gaab (Autor:in), 2001, Behinderung in der Dritten Welt - dargestellt am Beispiel Kenia, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7841

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