Über den demographischen Wandel in China und die Auswirkungen auf die chinesische Gesellschaft - Geschichte, Entwicklung und Perspektiven


Seminararbeit, 2007

32 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


1. Inhaltsverzeichnis

2. Einleitung

3. Entwicklung der chinesischen Gesellschaft Geschichte des Sozialstaats
3. 1. Bestandsaufnahme
Exkurs:
3. 2. Historischer Abriss
3. 3. Regionale Unterschiede in der Altersversorgung
3. 4. Veränderungen der Familienstruktur
3. 5. Auswirkungen auf die Erwerbsstruktur
3. 6. Entwicklung Hochbetagter

4. Altersversorgung
4. 1. Im vorsozialistischen China
4. 2. In der sozialistischen Planwirtschaft
4. 2. 1. Versorgung in den Städten
4. 2. 2. Versorgung auf dem Land
4. 3. Marktwirtschaftliche Ausrichtung und die Folgen für die Alterssicherung
4. 4. Zukunftsaussichten
4. 5. Altersarmut

5. Freizeit
5. 1. Weiterbildung und Lernen
5. 2. Sinnsuche jenseits des Lernens

6. Fazit

7. Literatur

2. Einleitung

1999 wurde von der UNO das „Internationale Jahr der Senioren“ ausgerufen und kein Jahrhun­dert war für das menschliche Lebensalter so bedeutungsvoll wie das 20. Jahrhundert; es begann als Jahrhundert des Kindes und endete als das Jahrhundert der Senioren. Hierzu sagt Peter Alheit:

„Zum ersten Mal in der Geschichte verbringen Individuen mehr Zeit ihres Lebens als Kind noch lebender Eltern als in der Rolle der Eltern von Kindern unter 20 Jahren. Die Rede vom ,alternden Kinde’ ist durchaus nicht absurd.“ (Alheit 1999, S. 33).[1]

Während der letzten 40 Jahre hat China einen extremen Wandel in der Fertilität durchgemacht. Nach einem ständigen Anstieg der Fertilitätsrate nahm die Fertilität in den 1970er und 1980er Jahren von einer Rate von 6 ab und hatte Ende der 1980er nur noch einen Wert von 2,31.[2]

China ist ein Land mit einer enormen Bevölkerung, einem großen Territorium und großen regio­nalen Unterschieden, was die sozioökonomische Entwicklung und die traditionellen Traditionen betrifft. Die Veränderungen der Fertilität sind nicht homogen im Land. Es hat immer schon Unter­schiede in der Fertilität und den Eheschließungen gegeben, so fand die Änderung der Ferti­litäts­rate in den Städten früher statt und vollzog sich auch schneller. Die Veränderung der Ferti­lität begann in den ländlichen Gebieten rund 10 Jahre später als den städtischen. Hinzu kommt auch das die Fertilitätsraten auf dem Land höher waren, als in der Stadt.[3]

Die Entwicklung der chinesischen Gesellschaft, die Auswirkungen und Probleme sollen anhand dieser Arbeit dargestellt werden. Dabei sollen geographische Unterschiede und Unterschiede zwischen der Stadt- und Landbevölkerung dargestellt werden. Abschließend sollen Lösungen aufgezeigt werden, nicht nur aus sozialpolitischer Sicht, sondern auch aus der Perspektive, wie das Potential der Alten genutzt und gefördert werden kann.

3. Entwicklung der chinesischen Gesellschaft

3. 1. Bestandsaufnahme

Die demographische Alterung der chinesischen Gesellschaft und die Probleme, die sich hieraus ergeben traten gegen Mitte der 1980er Jahre in das Bewusstsein der chinesischen Bevölkerung.

Noch Mitte der 1980er Jahre verstand man in China unter demographischer Alterung hauptsäch­lich die Zahl der alten Menschen im Zusammenhang mit der Gesamtbevölkerung, als Auswir­kung der Ein-Kind-Politik. Obwohl es Studien gab, wie die von Bonggarts und Grennhalgh, die besagen, dass mit einer Zwei-Kind-Politik, das gleiche Ziel hätte erreicht werden können, wenn die Geburten spät stattgefunden hätten und es zu einem größeren Abstand zwischen den Geburten gekommen wäre, so wurde die Ein-Kind-Politik dennoch mit harter Hand durchgesetzt. Die de­mographischen Folgen wären im Falle der Zwei-Kind-Politik nicht ganz so dramatisch ausgefal­len.[4]

Forschungen zur Demographie finden in China meist vor dem Hintergrund statt, dass es zu einer möglichen staatlichen Änderung der Ein-Kind-Politik kommt, weniger ist es ihr Ziel die zukünf­tige demographische Alterung zu thematisieren, sowie die dadurch verursachten Probleme.[5]

Die Auffassung, dass viele Kinder mehr Glück bedeuten, die Versorgung im Alter betreffend, ist nicht mehr in vollem Umfang gültig, denn es hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass nicht allein die Kinderzahl wichtig ist, sondern auch die Bereitschaft der Kinder, ihre Eltern zu unterstützen. Mit dem gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und demographischen Wandel unterliegt diese Be­reitschaft auch Veränderungen.[6]

Ein weiteres Problem ist, dass seit 1984 der Einsatz vorgeburtlicher Geschlechtsbestimmung ver­breitet ist und dadurch ein Mangel an Mädchen und Frauen unausweichlich ist. Diese Tatsache wird zur Verschärfung der Situation beitragen.[7]

Noch befindet sich die demographische Alterung in China auf einem niedrigen Niveau, aber eine schnellere Entwicklung und ein höheres Alterungsniveau scheinen unausweichlich. Problema­tisch ist, dass die Wirtschaft noch nicht ausreichend entwickelt ist, dass ein Mangel an Siche­rungssystemen herrscht und das traditionelle Familiensicherungssystem dem gesellschaftlichen Wandel unterzogen ist. Dies alles könnte zur Verschärfung der Situation beitragen.[8]

Heute ist mehr als jeder 5. alte Mensch weltweit ein Chinese. Jährlich nehmen die Alten in China um 3,32% zu.[9] Nach Angaben der UNO erreichte China im Jahre 2000 eine Zahl von 128,9 Mil­lionen alten Menschen und das entspricht 21,3% der alten Menschen weltweit. Ab 2010 wird die Zahl alter Menschen weiter ansteigen und in 20 Jahren wird sich die Zahl alter Menschen ver­doppelt haben, in 45 Jahren sogar verdreifacht. 2030 werden weltweit ein Viertel der Menschen über 60 Jahre Chinesen sein. Die alten Menschen in China werden zahlenmäßig genauso vertre­ten sein, wie alle Alten in den Industrienationen zusammengenommen. Der Anteil der Chinesen an der Weltbevölkerung wird aber abnehmen und es bleibt zu erwarten, dass China 2045 den Platz als bevölkerungsreichstes Land der Erde an Indien abtritt. Nach 2060 wird die Zahl der Al­ten in China langsam sinken. China nimmt damit eine demographische Platzierung zwischen den Entwicklungsländern und den Industrieländern ein[10].

Die quantitative Zunahme von älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung ist auch durch den quantitativen Zuwachs des Lebensalters bedingt.[11] In China lebte 2000 die Mehrheit der alten Menschen mit ihren Kindern zusammen, auf dem Land war dies mehr verbreitet, als in der Stadt.[12]

In China wurde der Generationenvertrag als Familienangelegenheit betrachtet, die Familien sind blutsverwandt und patrilinear. Der Altersbegriff war nur über die Position im Familiensystem definierbar und mit dem „Alter“ war der Anspruch auf materielle Zuwendung und Unterstützung verbunden. Da den Kindern von den Eltern das Leben geschenkt worden ist und sie von den El­tern zu Erwachsenen erzogen worden sind, verpflichtet dies die Kinder ihnen Gehorsam und Leistungen entgegen zu bringen, dies entspricht der konfuzianischen Familienordnung.[13] Bisher konnte diese Verbindung, die Blutverwandtschaft, alle Umwälzungen in China überstehen und so den Mechanismus der Altenpflege aufrechterhalten. Auch die marktwirtschaftlichen Verän­derun­gen hat dieser Mechanismus überstanden, aber er hat Auswirkungen hinterlassen:

„(…) family support fort he elderly in China is weakening and the cultural sign of this weakening is that family support for the elderly is moving from a cultural norm towards a behavioural one“[14].

Exkurs: Demographische Alterung

Demographische Alterung ist ein Prozess, bei dem der relative Anteil alter Menschen an der Ge­samtbevölkerung zunimmt; auch Überalterung genannt. Als „Alte“ werden hier Personen über 60 Jahre bezeichnet und die Personen über 80 Jahre werden als „Hochbetagte“ oder „Hochaltrige“ bezeichnet. Die Altersgrenze wurde jedoch durch andere Organisationen, wie das „Population Reference Bureau“ auf 65 Jahre erhöht und dieser Erhöhung liegt die Annahme zugrunde, dass mit einer zunehmenden Lebenserwartung auch davon ausgegangen werden kann, dass das Ren­teneintrittsalter heraufgesetzt werden muss. Die Alterung der Bevölkerung ist eigentlich ein Problem der Industrieländer, aber sie trifft auch schon auf einige Entwicklungsländer zu. In den Industrieländern ist die Überalterung der Bevölkerung auch das Hauptbevölkerungsproblem, ins­besondere in Bezug auf die sozialen Sicherungssysteme, den Arbeits- und Wohnungsmarkt, den Verkehr, aber auch im Bereich der Kultur und Freizeitgestaltung.

In den Entwicklungsländern steht jedoch die materielle Altenversorgung an erster Stelle der Probleme. In China wird die (Über)Alterung der Gesellschaft durch einen Geburtenrückgang und durch die höhere Lebenserwartung bewirkt.[15]

„Die demographische Alterung der chinesischen Gesellschaft im Zeitraffertempo ist das Ergebnis des Prozesses der demographischen Reproduktion: Eine Entwicklung, die von ho­her Fertilität, niedriger Mortalität und hohem Bevölkerungszuwachs zu niedriger Fertilität, niedriger Mortalität und niedrigem Bevölkerungszuwachs führte.“[16]

Der Rückgang der Geburtenrate ist in zweierlei Hinsicht wichtig, einmal weil es durch den Rück­gang der Geburten zu einer relativen Zunahme des Anteils alter Menschen an der Gesamtbevöl­kerung kommt (demographische Alterung). Ein Rückgang der Sterberate bedeutet eigentlich, dass die Lebenserwartung junger Menschen steigt und dass die Bevölkerung insgesamt jünger wird. Erreicht die Lebenserwartung aber einen Wert von mehr als 70 Jahren, macht dies die Be­völkerung älter, da es keinen Spielraum mehr gibt, die Lebenserwartungen für die jüngere Bevöl­kerung zu verbessern und die Zunahme der Lebenserwartung konzentriert sich mehrheitlich auf die alte Bevölkerung.[17] Es ist also zwischen einer relativen bzw. einer strukturellen demo­graphi­schen Alterung und einer absoluten Alterung zu unterscheiden. Beide Prozesse setzten jeweils an einer anderen Stelle der Alterspyramide an. Die Veränderung der Geburtenrate läuft meist von unten nach oben durch und ist dadurch struktureller als die durch Mortalitätsvariation, was heißen soll, dass die Bevölkerung insgesamt altert, da der Anteil der Jungen abnimmt und die Alten nicht tatsächlich zunehmen. Der Rückgang der Alterssterblichkeit beschreibt eine Alterung von oben nach unten und zeigt die absolute Alterung auf, da die Zahl der Alten absolut zunimmt.[18]

3. 2. Historischer Abriss

In den letzten 50 Jahren ist die chinesische Bevölkerung stetig gewachsen. Von 1949 bis 2000 kam es zu einer Verdopplung der Bevölkerungszahl, jedoch war das Wachstum auch immer wie­der Schwankungen unterworfen. Die Bevölkerung wuchs von 1949 bis 1957 zunächst stark an. Hier lag die Geburtenrate bei jährlich durchschnittlich 33,5%. Die Bevölkerung nahm in dieser Zeit um 105 Millionen zu. Gründe waren die politische Ruhephase nach dem Bürgerkrieg, das Entstehen eines staatlichen Gesundheitswesens und eine Politik die hohen Geburtenzahlen sehr positiv gegenüber stand. Von 1958 bis 1962 kam es zu Hungersnöten und folglich gingen auch die Geburten zurück und die Sterberate stieg. Die Wachstumsrate war negativ. Nach dieser Zeit versuchten viele Paare, denen es während der Hungersnot nicht gelungen war, Kinder zu be­kommen. Doch bereits 1962 versuchte die chinesische Regierung eine Geburtenkontrollpolitik einzusetzen, um das Wachstum zu hemmen, welche jedoch eher nachlässig betrieben wurde. 1962 lag die Geburtenrate bei 37%. In den folgenden Jahren pendelte sie sich bei 30% ein und die sinkende Sterberate tat, bewirkt durch gute medizinische Versorgung, ihr übriges. Jährlich kamen 25 Millionen Menschen zur Welt und bis 1973 nahm die chinesische Bevölkerung um 200 Millionen zu. Ab 1971 kam es mit Erfolg zu einer schärferen Kontrolle der Geburten, so dass die Zahl abnahm. Mit dem Ende der Kulturrevolution wurde der Entschluss gefasst, China wirt­schaftlich nach vorne zu bringen und es zu entwickeln, wobei die große Bevölkerungszahl jedoch ein Hindernis darstellte. Deshalb wurde(1982) in die Verfassung als Ziel aufgenommen, bis zum Jahr 2000 die 1,2 Mrd. nicht übersteigen zu wollen. Da zum Ende der 1980er Jahre die geburten­starken Jahrgänge ins heirats- und gebärfähige Alter eintraten, beschloss die Regierung für 90% der jungen Paare die Beschränkung auf ein Kind. Diese Bestimmung wird mit der ganzen Band­breite von Mitteln durchzusetzen versucht. 1984 wurde die Geburtenkontrolle gelo­ckert und in der Folge stiegen auch die Geburten wieder an.[19]

Seit den 1990er Jahren sinkt die Geburtenrate und chinesische Demographen behaupten, dass die Phase der niedrigen Geburten eingetreten ist, die Geburtenrate ist von 33,4% auf 15,2% zu­rück­gegangen (1970 bis 1999) und im gleichen Zeitraum ist auch das natürliche Bevölkerungs­wachstum von 25,8% auf 8,8% zurückgegangen. Die Kinder pro Frau sind von 5,8 auf 2 (1970 bis 1997) zurückgegangen. Die Bevölkerungspolitik hatte hierauf maßgeblich Einfluss und die Entwicklung ist von großer Bedeutung für die Gesellschaft und die Wirtschaft.[20]

Abb. 1.: Entwicklung der Bevölkerung insgesamt in China, 1949 bis 2000 und ihr Anteil an der Weltbevölkerung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Wu 2004, S. 16.

[...]


[1] Yu 2005a, S. 3.

[2] Vgl. Peng 1991, S. 276.

[3] Vgl. Peng 1991, S. 276/277.

[4] Vgl. Wu 2004, S.8/9.

[5] Vgl. Wu 2004, S.8/9.

[6] Vgl. Wu 2004, S. 10.

[7] Vgl. Yu, 2005b, S. 147.

[8] Vgl. Wu 2004, S. 31.

[9] Vgl. Yu 2005b, S. 147.

[10] Vgl. Schulz 2000, S. 281.

[11] Vgl. Yu 2005a, S.4-5.

[12] Vgl. Yu 2005a, S.4-5.

[13] Vgl. Yu 2005a, S. 25.

[14] Yao 1998, S. 50.

[15] Vgl. Wu 2004, S. 14.

[16] Yu 2005b, S. 147.

[17] Vgl. Wu 2004, S. 14.

[18] Vgl. Wu 2004, S. 15.

[19] Vgl. Wu 2004, S. 17.

[20] Vgl. Wu 2004, S. 18.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Über den demographischen Wandel in China und die Auswirkungen auf die chinesische Gesellschaft - Geschichte, Entwicklung und Perspektiven
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Soziologie )
Veranstaltung
Seminar: Jugend, Alter und Generation
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2007
Seiten
32
Katalognummer
V78503
ISBN (eBook)
9783638840620
Dateigröße
848 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wandel, China, Auswirkungen, Gesellschaft, Geschichte, Entwicklung, Perspektiven, Seminar, Jugend, Alter, Generation
Arbeit zitieren
Corinna Patrizia Franiek (Autor:in), 2007, Über den demographischen Wandel in China und die Auswirkungen auf die chinesische Gesellschaft - Geschichte, Entwicklung und Perspektiven , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78503

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