Sind Einheitlichkeit im Bildungssystem und die Forderung nach bestimmten Schlüsselkompetenzen im internationalen Kontext umfassend umsetzbar?


Seminararbeit, 2006

24 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Anforderungen an die Wissensgesellschaft
2.1. Kontroversen in den Schlüsselkompetenzen
2.2. Problematik der Etablierung von Schlüsselkompetenzen

3. Die Lage in Ägypten
3.1. Die Realität Ägyptens im alltäglichen Lebensraum
3.1.1. Natürliche Einflussfaktoren
3.1.2. Synthetische Einflussfaktoren
3.2. Education, National Security and Political Stability
3.3. Das ägyptische Schulsystem - Pläne und Fortschritte der letzten Jahre
3.3.1. Entwicklungen im ägyptischen Bildungssektor bis heute
3.3.2. Mögliche Einflüsse einer digitalen Revolution in Ägypten

4. Fazit

5. Literaturliste

“Es ist der Wille Gottes, dass Präsident Mohamed Hosny Mubarak die Führung in Ägypten

übernommen hat. (...) Er betrachtete die letzten 10 Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts als das nationale Jahrzehnt für die Beseitigung des Analphabetentums und das Wohl des Kindes. (...) Man scheute keine Kosten. In 9 Jahren wurde der Haushalt des Bildungswesens auf des Siebenfache erhöht. (...)

Aber der Bildungsprozeß litt auch unter den schweren politischen Verhältnissen des Landes in dieser Zeit. Die Vorbereitung für den Krieg von 1973 und die Rechnung von den vier Kriegen vor ´73 kosteten Ägypten mehr als 200 Milliarden Dollar als direkte Verluste und Tausend Milliarden als indirekte Verluste. (...)

Egoismus, Kriterien der Materiellen und Konsumwerte und Politik der offenen Konsumtür führten zu gravierenden Verschlechterungen des Niveaus der Dienstleistungen. Das Bildungswesen und die Investitionen im Bildungsbereich wurden auch negativ stark beeinflußt. Mehr als die Hälfte aller Schulen galt nicht einmal als menschenwürdiger Aufenthaltsort. (...)

Die Bevölkerungsexplosion, die enorme Zunahme der Schülerzahl im Grundschulalter, die Defizite der Bildungsgebäude, die Überlastung der Schulen und Klassen (u.a. manchmal saßen mehr als hundert Schüler in einer Klasse. Schulgebäude dienten in nicht seltenen Fällen mehreren Bildungsinstitutionen) und mehrschichtiges Schulsystem, bis zu drei Schichten pro Tag, trugen zur wesentlichen Verschlechterung des Bildungswesens bei. (...)

Diese Zustände führten auch zu einer gewissen Inkohärenz zwischen den Bildungssystemen, den Bedürfnissen der Gesellschaft und der neuen wirtschaftlichen Lage. Dazu kommt noch die Abwesenheit der Zukunftsdimension. Die Bildungsinstitutionen beschäftigen sich nur mit der Vergangenheit oder bestenfalls mit der Gegenwart.”1

1. Einleitung

Die Anforderungen an das Leben eines Individuums im 21. Jahrhundert sind geprägt von einer Vielzahl an Kompetenzen - sowohl im persönlichen Bereich als auch im betrieblichen Kontext. Ersteres auszubilden scheint in der Verantwortung der elterlichen Erziehung und der Prägung des sozialen Umfeldes zu liegen, während betriebliche Kompetenzen Aufgabe der schulischen und betrieblichen Ausbildung sind. Mehr und mehr jedoch fließen die persönlichen Stärken in die Anforderungen betrieblicher Kompetenzen ein. Im Rahmen vielfältiger Ausarbeitungen und kontroverser Diskussionen innerhalb der EU wurden in den letzten Jahren erforderliche Kompetenzen zusammengestellt, die dem Einzelnen das erfolgreiche Bestehen in der heutigen Leistungs- und Wissensgesellschaft ermöglichen sollen. So genannte Schlüsselkompetenzen bilden hierbei den Kern dessen, was allen Beteiligten durch Bildung und Erziehung zuteil kommen sollte. Diese Schlüsselkompetenzen wurden im Hinblick auf Anforderungen im aktuellen und zukünftigen Leben für ein Bestehen innerhalb der Gemeinschaft und im Arbeitsleben erstellt. Somit bestimmen soziales Umfeld, bestehende Berufsfelder und deren Anforderungen, technologische Entwicklungen sowie eine Vielzahl weiterer äußerer Umstände den Rahmen der zu erwerbenden Grundkenntnisse (wie Rechnen, Schreiben, Lesen) und weiter greifenden Fertigkeiten (wie IT- Kenntnisse, Teamfähigkeit). Durch Globalisierung und verbesserte Technologien, die ein immer stärker werdendes Schwinden räumlicher und zeitlicher Grenzen verursachen, liegt im europäischen Raum ein besonderes

Augenmerk auf der Einheitlichkeit von Bildung und Erziehung nicht nur innerhalb eines Landes, sondern über dessen Grenzen hinaus. Diese interkulturelle Komponente impliziert wiederum weitere Schlüsselkompetenzen wie fremdsprachliche Fähigkeiten und Kenntnisse im Umgang mit anderen Kulturen. Bereits innerhalb der EU zeigen sich dabei grundlegende Probleme in der Angleichung europäischer Bildungssysteme (siehe Artikel).

OTZ vom 17.02.2006

Dies liegt nicht zuletzt an der bestehenden Verschiedenheit kultureller Lebenswelten und den daraus resultierenden unterschiedlichen Anforderungen. Weitere Aspekte politischer (z.B. finanzielle Möglichkeiten des Staates), wirtschaftlicher (z.B. Ausbildung der Infrastruktur, Verteilung der Agrar- und Industrielandschaft) und gesellschaftlicher Natur (z.B. Einkommensstrukturen, soziale Unterschiede) können eine Spaltung zwischen den Gesellschaften verschiedener Nationen verstärken oder mindern.

Im Rahmen meiner Hausarbeit möchte ich daher die Problematik der Verschiedenheit zwischen den Nationen aufgreifen, um anhand kultureller und struktureller Gegebenheiten die Schwierigkeit der Angleichung von Bildungssystemen über nationale Grenzen heraus tiefer gehend zu erörtern. Als Beispiel soll hierbei das Land Ägypten dienen, da ich in diesem Land bereits praktisch im Bildungssektor beschäftigt war und dadurch über aktuelle, überprüfbare und verlässliche Informationen verfüge. Dieses Land ist ein sehr anschauliches Beispiel für die Rolle von externen und internen Faktoren, welche den Erfolg von bildungspolitischen Maßnahmen beeinflussen sowie die daraus folgende Erklärung der Komplikation für ein einheitliches Bildungssystem in unterschiedlichen Lebensräumen. Dies soll letztendlich meine Annahme veranschaulichen, warum Veränderungen in bildungspolitischer Sicht je nach Region nicht ausreichend erscheinen, um den in verschiedenen Ländern übergreifenden Ansprüchen gerecht zu werden. Um auf all dies einzugehen, ist es zunächst jedoch einmal notwendig, den grundlegenden Diskurs um die Schlüsselkompetenzen und Anforderungen an ein erfolgreiches Bestehen im Rahmen der Globalisierung aufzunehmen.

2. Anforderungen an die Wissensgesellschaft

Vor nicht einmal zwei Jahren veröffentlichte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ihre “Empfehlungen (...) zu Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen”2. Sie hat es sich zur Aufgabe erklärt, notwendige Schlüsselkompetenzen zu ermitteln, welche “notwendig für den sozialen Zusammenhalt, die Beschäftigungsfähigkeit und die persönliche Entfaltung (…) sind.”3 Es gilt zunächst, die “neuen” Grundfertigkeiten4 wie „IT-Fertigkeiten, Fremdsprachen, technologische Kultur, Unternehmergeist und soziale Fähigkeiten“5 festzulegen, um diese dann der Bevölkerung zu vermitteln - und zwar nicht nur im Schulunterricht, sondern auch in anderen Lernumgebungen für “Menschen mit besonderen Bedürfnissen, Schulabbrecher/innen und erwachsenen Lernenden“6. Weiterhin ist es unumgänglich für den lebenslangen Lerner, seine Fertigkeiten laufend zu aktualisieren. Hierfür bedarf es eigenständiger Aktivität, Motivation, Interesse und der Fähigkeit der Informationssuche des Lerners. Dies hebt gewisse Schlüsselkompetenzen unter der Menge möglicher erforderlicher Kompetenzen heraus. Demnach werden Kompetenzen als eine “Kombination aus Kenntnissen, Fähigkeiten und

Einstellungen”7 definiert, während Schlüsselkompetenzen sich tiefer gehend persönlichkeitsprägenden Faktoren wie “persönliche Entfaltung, soziale Integration, aktive Bürgerschaft und Beschäftigung”8 widmen. Doch gerade diese lassen sich schwer abgrenzen und geschlossen festlegen, da sie aus Teilkompetenzen bestehen, welche in bestimmten Kombinationen wiederum verschiedenen Hauptfeldern zugeordnet werden können. Wie kontrovers und kompliziert allein diese Aufgabe der Aufschlüsselung ist, zeigt das Beispiel der vergleichenden Betrachtung der Ausarbeitung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und dem Forschungsbericht des Lehrstuhls für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Kontroversen in den Schlüsselkompetenzen

Seit globale Einflüsse nicht mehr nur in der Welt von Politik und Wirtschaft, sondern auch in jedermanns Alltag eine tragende Rolle spielen, wachsen die Diskussionen um eine erfolgreiche Angleichung. Schwindende räumliche Grenzen, stetig verbesserte Technologien und daraus entstehende wachsende Anforderungen im Bestehen des Einzelnen verändern die Lebenswelt sowohl im beruflichen als auch privaten Kontext. Durch Internet und schnellere schriftliche Kommunikation scheint die Vermittlung von bedarfsorientiertem Wissen kaum noch der Mühe wert. Besondere Handfertigkeiten und persönliche Ausprägungen wie Flexibilität, Neugier und der Bereitschaft zum Lebenslangen Lernen nehmen in ihren Prioritäten immer mehr zu. Schlüsselkompetenzen sollen diese Eigenschaften zu einer Gesamtheit des „Kompetenten Lerners“ zusammenführen. Gemäß der Empfehlung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften wurden folgende Schlüsselkompetenzen herausgefiltert9:

1. Muttersprachliche Kompetenz
2. Fremdsprachliche Kompetenz
3. Mathematische Kompetenz und grundlegende naturwissenschaftlich-technische Kompetenz
4. Computerkompetenz
5. Lernkompetenz
6. Interpersonelle, interkulturelle und soziale Kompetenz und Bürgerkompetenz
7. Unternehmerische Kompetenz
8. Kulturelle Kompetenz

Innerhalb dieser Schlüsselkompetenzen finden sich persönliche Kompetenzen10 mehrfach wieder. So entnimmt der Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München dem Punkt „5. Lernkompetenz“ die Teilkompetenzen Selbststeuerungs-, Kooperations- und Medienkompetenz11, welche jedoch auch in anderen Schlüsselkompetenzen wieder zu finden sind. Unter Medienkompetenz beispielsweise wird der „Umgang mit alten und neuen Informations- und Kommunikationstechnologien“ sowie „Selektions- und Bewertungskompetenzen“12 gefordert. Demnach ist diese aber auch besonders in der Computerkompetenz erforderlich („… erfordert Kenntnisse der Art, Aufgaben und Möglichkeiten der Technologien für die Informationsgesellschaft“ und „die Fähigkeit, Informationen zu recherchieren, zu sammeln und zu verarbeiten und diese kritisch und systematisch zu verwenden.“13 ). Ähnlich verhält es sich mit den beiden anderen Teilkompetenzen, welche gerade in der heutigen Zeit in vielfältigen Bereichen lebenslang besonders gefordert werden. Die Ludwig-Maximilian- Universität München hierzu an, dass „zwar zahlreiche weitere Differenzierungen denkbar [sind], die hier gewählte Unterteilung hat jedoch den Vorteil, dass sie konkrete Anknüpfungspunkte für die Gestaltung von Lernumgebungen liefert, die ein effektives, motivationsförderliches Lernen ermöglichen“14.

[...]


1 Ministerium für Erziehung und Unterricht Ägypten: Präsident Mubarak und die Bildung. Der qualitative Sprung für das nationale Bildungsprojekt; Kairo 2002; Seiten 24f.

2 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Vorschlag für eine Empfehlung des europäischen Parlaments und des Rates zu Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen; Brüssel 2005.

3 Ebd.; Seite 3.

4 Zu den alten Grundfertigkeiten zählen im Allgemeinen Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen.

5 Ebd.; Seite 2.

6 Ebd.; Seite 2.

7 Ebd.; Seite 3.

8 Ebd.; Seite 3.

9 ebd.; Seite 16ff.

10 „persönliche Kompetenzen“ definieren hierbei indirekt erworbenes Wissen und eigens gewonnene Fähigkeiten. Direktes Wissen, welches durch Vermitteln von konkreten Fakten entsteht, wird somit abgegrenzt von diesem, da Indirektes Lernen eher den Umgang mit Lernen und der erforderlichen Situation beinhaltet. So können innerhalb einer zu lösenden Aufgabe Teamfähigkeit, Toleranz, Selbstsicherheit und andere Teilkompetenzen mit Hilfe einer unterstützenden Person herausgebildet werden.

11 Mandl, H. & Krause U.-M.: Lernkompetenz für die Wissensgesellschaft; Ludwig-Maximilian- Universität München; München 2001; Seiten 10ff.

12 ebd. Seite 13.

13 Kommission der Europäischen Gemeinschaften; Brüssel 2005; Seite 18.

14 Mandl, H. & Krause U.-M,; München 2001; Seite 10.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Sind Einheitlichkeit im Bildungssystem und die Forderung nach bestimmten Schlüsselkompetenzen im internationalen Kontext umfassend umsetzbar?
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Erziehungswissenschaft)
Veranstaltung
Lebenslanges Lernen in der W issensgesellschaft
Autor
Jahr
2006
Seiten
24
Katalognummer
V78598
ISBN (eBook)
9783638846509
ISBN (Buch)
9783638845380
Dateigröße
2741 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Argumentation baut auf meinen mehrmonatigen Aufenthalt mit praktischer Tätigkeit im Bildungssektor in Kairo/ Ägypten auf. Die Recherchen zur dortigen Kultur, Bildung, Problemen und Rezepten entstanden nach bestem Wissen und Gewissen, jedoch ist anzumerken, dass ich kein wissenschaftlich-fundierter Kenner dieses außerordentlich tief greifenden Kulturkreises bin.
Schlagworte
Diskussionen, Bildungssektoren, Kontroversen, Sind, Einheitlichkeit, Bildungssystem, Forderung, Schlüsselkompetenzen, Kontext, Lebenslanges, Lernen
Arbeit zitieren
Anita Weißflog (Autor:in), 2006, Sind Einheitlichkeit im Bildungssystem und die Forderung nach bestimmten Schlüsselkompetenzen im internationalen Kontext umfassend umsetzbar?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78598

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