Die böhmischen Exulanten und deren Einfluss auf die Entwicklung Sachsens unter Johann Georg I. im 17. Jahrhundert


Seminararbeit, 2001

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Sachsen und Böhmen im 17. Jahrhundert

Rekatholisierung (Gegenreformation)

Exulantenbewegung
Gründe der Auswanderung
Betroffene gesellschaftliche Schichten
Siedlungsgebiete der Exulanten in Sachsen

Auswirkungen auf das kulturelle und wirtschaftliche Leben in Sachsen
Wirtschaftliche Wiederbelebung
Kultureller und geistiger Einfluss der Exulanten

Zusammenfassung

Literatur

Einleitung

Bevölkerungsverschiebungen, deren Ursachen und Folgen, geben Anlass zur Forschung. In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) fand eine, für Sachsen wichtige, Auswanderungsbewegung statt. Diese endete erst am Anfang des 18. Jahrhunderts. Die Rede ist hierbei von den aus Böhmen und Mähren geflohenen Protestanten. Jene Glaubensflüchtlinge siedelten sich zum Großteil im benachbarten Sachsen an. Sie mussten, um ihres Glaubens Willen vor den Auswirkungen der Gegenreformation fliehen. Aufgrund ihrer Tüchtigkeit und hohen Bildung wirkten sie an der raschen wirtschaftlichen und sozial-kulturellen Erholung Sachsens von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges mit.

Diese Arbeit stützt sich auf die von Christian Adolph Pescheck und Georg Loesche geführten Studien zur Gegenreformation und den Exulanten. Anhand einiger ausgewählter Aspekte soll das Schicksal der protestantischen Glaubensflüchtlinge, die Gründe für ihre Auswanderung, ihre Siedlungsgebiete und die dadurch entstandenen, zumeist positiven, wirtschaftlichen und kulturellen Auswirkungen für Sachsen - besonders vom Anfang bis zur Mitte des 17. Jahrhundert - dargestellt werden. Problematisch ist es hierbei eine genaue Aussage über die Anzahl der geflüchteten Protestanten und ihrer Herkunftsgebiete zu treffen. Die verwendeten Angaben betreffend der Zahlen, belaufen sich lediglich auf Schätzungen, aufgrund der Gesamtbevölkerung Böhmens zu jener Zeit und sind fragwürdig[1]. Die Begründung dafür liegt in den damals noch nicht geführten Aufzeichnungen[2]. Die Volkszählungen begannen ab 1705 in Böhmen und die systematische Anlage von Kirchenbüchern wurde erst im Konzil von Trient verfügt. Vorher geführte Aufzeichnungen wurden zum Großteil durch Feuer und Krieg zerstört, oder sie fielen der absichtlichen Vernichtung infolge der Gegenreformation zum Opfer[3]. Für die Einordnung in das damalige Geschehen ist es des weiteren notwendig kurz die Situation in Sachsen und Böhmen und vor allem die Rekatholisierung der habsburgischen Lande - besonders Böhmens - zu betrachten. Jedoch soll dabei auf eine detaillierte Schilderung aller einzelnen Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges verzichtet werden.

Sachsen und Böhmen im 17. Jahrhundert

Kursachsen stand, trotz protestantischen Glaubens, am Anfang des 17. Jahrhunderts treu zum Kaiser und damit zum Hause Habsburg. Der sächsische Kurfürst Johann Georg I. (Regierungszeit 1611-1656) unterstützte 1612 die Wahl des Kaisers Matthias und bekräftigte damit das enge Verhältnis. Auch der böhmische Aufstand im Mai 1618 tat diesem Verhältnis keinen Abbruch. Zwar versuchte der sächsische Kurfürst friedlich zwischen den Konfliktparteien (Protestanten und Katholiken) zu vermitteln, achtete aber stets darauf Sachsen neutral[4] zu halten. 1619 wurde Johann Georg I. von den Ständen Böhmens das Angebot der böhmischen Königskrone unterbreitet. Dieses lehnte er jedoch ab und die Stände wählten sich den calvinistischen Kurfürsten Friedrich von der Pfalz zum neuen König Böhmens. Johann Georg „verabscheute“[5] den Calvinismus. Er versuchte deshalb der Ausbreitung dieses Glaubens, vertreten durch Friedrich von der Pfalz, vehement entgegenzuwirken und sah die Chance dazu in der Bindung an den neuen Kaiser Ferdinand II. . Mit der Annahme der böhmischen Königskrone hätte sich für Kursachsen zwar ein beträchtlicher territorialer Gewinn[6] verbunden, jedoch muss für den Kurfürsten wohl die realpolitische Ausgangslage entscheidend gewesen sein. Er sah sich der Gefahr ausgesetzt dieses neu entstehende Gebiet nicht mehr machtpolitisch sichern zu können und lehnte daher ab.[7]

Am 6. Juni 1620 übernahm Johann Georg I. den kaiserlichen Auftrag gegen Böhmen ins Feld zu ziehen und die Oberlausitz, die Niederlausitz und Schlesien zu besetzen. Der Kurfürst forderte von Ferdinand II., als Bedingung dafür, die Glaubensfreiheit der Lutheraner in den habsburgischen Landen zu versichern und als Entschädigung für seine Kriegskosten die beiden Lausitzen als Pfand zu erhalten. Diesen Forderungen kam der Kaiser nach. Nachdem die Niederlausitz besetzt wurde und Bautzen am 2. Oktober 1620 auch erstürmt wurde, gewährte der sächsische Kurfürst den Ständen Amnestie und garantierte die Erhaltung der Landesverfassung[8]. Drei Jahre später am 23. Juni 1623 wurde förmlich die kursächsische Pfandherrschaft über die beiden Lausitzen erklärt. Sie konnte nicht wieder eingelöst werden.

Die Ober- und Niederlausitz wurde auf diese Art vor dem Vorgehen der Rekatholisierung geschützt und wurde in den folgenden Jahren zu einem Hauptzufluchtsort der Exulanten.

Rekatholisierung (Gegenreformation)

Rekatholisierung oder auch Gegenreformation beschreibt die Bestrebungen der katholischen Kirche der Ausbreitung des protestantischen Glaubens im 16. und 17. Jahrhundert entgegenzuwirken. Seit Beginn des Dreißigjährigen Krieges mit dem Prager Fenstersturz am 23.05.1618[9] und dem damit verbundenen Aufbegehren der protestantischen Reichsstände im Böhmischen Aufstand, verschärfte sich die Situation für die Protestanten stetig. Grund war die Nichteinhaltung der Religionstoleranz der Katholiken gegenüber den Protestanten. Die Religionsstreitigkeiten reichten jedoch weiter zurück. Im Augsburger Religionsfrieden von 1555 waren dafür die Ursachen zu suchen. Dieser wurde zwischen dem Kaiser Karl V., vertreten durch seinen Bruder Ferdinand I. , und den protestantischen Reichsständen geschlossen. In ihm wurde den Lutheranern (nicht aber den Calvinisten) Frieden und Besitzstand garantiert, die weltlichen Fürsten erhielten Religionsfreiheit und das Recht über die Religion ihrer Untertanen zu bestimmen[10]. Den Untertanen wurde rechtlich zuerkannt auswandern zu dürfen, wenn sie einen Religionswechsel nicht mitvollziehen wollten. Die geistlichen Fürsten verloren beim Übertritt zum Protestantismus ihr Amt und Territorium. Der Augsburger Religionsfrieden sollte nur eine Interimslösung darstellen, wurde jedoch durch die gescheiterten Verständigungsversuche zwischen beiden Parteien auf dem Konzil von Trient in den Jahren zwischen 1545 und 1563, verbindliches Gesetz von Dauer.

Seit der Herrschaft Kaiser Rudolfs II. (1576-1612) wurde das Recht der Protestanten auf freie Religionsausübung beschnitten. An vielen Orten des Reiches wurden protestantische Kirchen zerstört. Mit der Bildung eines Defensivbündnisses der protestantischen Fürsten und Städte – der Union (1608) und dem Zusammenschluss der katholisch-kaiserlichen Seite zur katholischen Liga (1609) manifestierte sich der konfessionelle Gegensatz endgültig. Am 9. Juli 1609 garantierte Rudolf II. in seinem Majestätsbrief den böhmischen Ständen Religionsfreiheit. Alle gegen die Protestanten ergangenen Erlasse wurden darin für ungültig erklärt. Die Prager Universität wurde unter ihre Aufsicht gestellt. Rudolf stand in dieser Zeit im Konflikt mit seinem Bruder Matthias und versuchte damit Böhmen für sich zu gewinnen. Die böhmischen Stände sahen darin die Chance ihre Rechte zu sichern.

Nach Rudolfs Tod wurde Matthias zum neuen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Ziel seiner Bestrebungen war es die konfessionelle Spaltung durch Verständigungsversuche zwischen den Katholiken und Protestanten zu überwinden und die konfliktgeladene Situation zu entspannen. Diese Versuche scheiterten. 1617 bestimmte Matthias seinen Cousin Ferdinand zu seinem Nachfolger und ließ ihn zum König von Böhmen wählen. Ferdinand war streng katholisch erzogen. Mit der Nachfolge von Matthias setzte er als Kaiser Ferdinand II. (Regierungszeit 1619-1637) ein schonungsloses Umgehen mit den Protestanten durch. Er verletzte damit die im Majestätsbrief Rudolfs II. gegebenen Zusicherungen an die Protestanten. Sein Ziel war es jedweden Andersgläubigen rigoros zum Katholizismus zu bekehren[11]. Ein erneutes Aufflammen der Bekämpfung des evangelischen Glaubens folgte im Jahre 1629. Auf dem Höhepunkt seiner Macht erließ Ferdinand II. am 6. März 1629 das kaiserliche Restitutionsedikt[12]. Dieses zog die Empörung der protestantischen Fürsten nach sich und führte zur Eskalation der Lage im Reich. Diese Politik entspannte das Verhältnis der Konfessionen zueinander keineswegs und sollte weitreichende Folgen nach sich ziehen.

Auch mit dem Tod Ferdinands II. (1637) fand die Verfolgung kein Ende. Ferdinand II. sah sich dazu berufen das Werk seines Vaters zu vollenden[13]. So wurden erneut „Bekehrungscommissionen“[14] gebildet und das schreckliche Treiben und die Quälereien gingen weiter. Besonders nachdem 1648 der Westfälische Friede geschlossen wurde, konnten nun alle Kräfte auf die Rekatholisierung ausgerichtet werden. Im Jahre 1651 kam es daher für Böhmen zur stärksten Auswanderungswelle.

[...]


[1] Vgl. Blaschke, Karlheinz: Bevölkerungsgeschichte von Sachsen bis zur industriellen Revolution, S. 115, Weimar 1967.

[2] Vgl. Loesche, Georg: Die böhmischen Exulanten in Sachsen, S.108, Wien 1923.

[3] Ebenda.

[4] Vgl. Czok, Karl (Hrsg.): Geschichte Sachsens, S. 240, Weimar 1989.

[5] Kämmel, Otto: Sächsische Geschichte, 6. erweiterte und bearbeitete Auflage, S. 78, Dresden 2000. Vgl. auch Loesche, Georg: Die böhmischen Exulanten in Sachsen, S. 100f, Wien 1923.

[6] Vgl. Groß, Rainer: Geschichte Sachsens, S. 95f, Leipzig 2001.

[7] Vgl. Kämmel, Otto: Sächsische Geschichte, 6. erweiterte und bearbeitete Auflage, S. 78-87, Dresden 2000 und Kötzschke, Rudolf; Kretzschmar, Hellmut: Sächsische Geschichte, S. 245, Augsburg 1995.

[8] Vgl. Kämmel, Otto: Sächsische Geschichte, 6. erweiterte und bearbeitete Auflage, S. 78, Dresden 2000.

[9] Böhmische Protestanten drangen in die Prager Burg ein und stürzten zwei kaiserliche Statthalter und einen Schreiber aus einem Fenster.

[10] Cuius regio, eius religio (lateinisch, „wessen das Land, dessen die Religion”) wurde zum konfessionspolitischen Grundsatz im Augsburger Religionsfrieden. Dieser wurde im Westfälischen Frieden übernommen und bis 1806 beibehalten.

[11] Vgl. Press, Volker: Kriege und Krisen, Deutschland 1600 – 1715, S. 210f, München 1991.

[12] Das Restitutionsedikt sah vor, dass alle seit 1552, von den protestantischen Fürsten einverleibten katholischen Besitzungen der katholischen Seite zurückzugeben sind. Es wäre damit die ökonomische Basis vieler protestantischer Fürsten zerstört worden. Auch der sächsische Kurfürst Johann Georg I. fürchtete um diesen Verlust (z.B.: Bistümer Meißen, Merseburg, Naumburg, Anspruch auf das Erzstift Magdeburg).

[13] Pescheck, Christian Adolph: Die böhmischen Exulanten in Sachsen, S. 12, Leipzig 1857.

[14] Ebenda.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die böhmischen Exulanten und deren Einfluss auf die Entwicklung Sachsens unter Johann Georg I. im 17. Jahrhundert
Hochschule
Technische Universität Chemnitz  (Fachbereich Regionalgeschichte)
Veranstaltung
Proseminar Bevölkerungsgeschichte von Sachsen in der Neuzeit
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
16
Katalognummer
V786
ISBN (eBook)
9783638105071
ISBN (Buch)
9783638937221
Dateigröße
489 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sachsen, Exulanten, Glaubensflüchtlinge, Böhmen, 17. Jahrhundert
Arbeit zitieren
Magister Artium Jens Weis (Autor:in), 2001, Die böhmischen Exulanten und deren Einfluss auf die Entwicklung Sachsens unter Johann Georg I. im 17. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/786

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