Hrabanus Maurus gilt als einer der strittigsten Charaktere des frühen Mittelalters. Auf der einen Seite wurde er von seinen Zeitgenossen als ein Dichter und Denker hoch geschätzt und stand auch in späteren Jahrhunderten bei Gelehrten in hohem Ansehen, was ihm in jüngerer Zeit den Titel des „Lehrer Germaniens“ einbrachte. Auf der anderen Seite gibt es aber auch zahlreiche Kritiker Hrabans, die den Fuldaer Abt und späteren Erzbischof von Mainz nüchterner betrachten, den Wert seiner schriftlichen Arbeiten geringer bewerten oder diese sogar als Plagiate zu enttarnen versuchen.
Die Frage, wie diese Persönlichkeit nun zu bewerten ist, wurde schon oft gestellt und dennoch ist in der bisherigen Forschung nur selten der Versuch unternommen worden, das Bild Hrabans parallel aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten und dabei die zeitliche und räumliche Umgebung zu berücksichtigen, durch die er einerseits beeinflusst wurde, die durch ihn aber andererseits auch eine maßgebliche Prägung fand.
In dieser Arbeit soll der Versuch unternommen werden, die anderen Tätigkeitsfelder des Hrabanus Maurus zu untersuchen und dabei die Frage zu beantworten, ob das Wesen dieses Mannes tatsächlich nur anhand seiner schriftlichen Tätigkeit ausreichend erfasst werden kann oder ob eine Bewertung seiner Person nicht doch eines anderen Konzeptes bedarf, als es in der Forschung bislang üblich gewesen ist. Dabei soll, aus Gründen der Überschaubarkeit, nur die Zeit Hrabans im Kontext des Fuldaer Klosters betrachtet werden, in dem er einen Großteil seiner Zeit als Mönch verbrachte. An geeigneten Stellen wird auch auf das Verhältnis zum königlich-kaiserlichen Hof um Karl den Großen eingegangen werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Fragestellung
1.1 Quellenlage und Forschungsstand
2. Biographischer Hintergrund Hrabans
3. Die frühe Geschichte des Klosters Fulda
4. Hrabans Wirken im Kloster Fulda
4.1 Innere Reformen – neue Strukturen
4.2 Ausbau der Klosterbibliothek
4.3 Die Fuldaer Klosterschule – ein Zentrum mittelalterlicher Bildung
4.4 Hraban als Autor
4.5 Hraban und die Volkssprache
5 Zusammenfassung und abschließende Beurteilung
6 Literatur- und Quellenverzeichnis
Quellen
Darstellungen und Hilfsmittel
1. Einleitung und Fragestellung
Hrabanus Maurus[1] gilt als einer der strittigsten Charaktere des frühen Mittelalters. Auf der einen Seite wurde er von seinen Zeitgenossen als ein Dichter und Denker hoch geschätzt und stand auch in späteren Jahrhunderten bei Gelehrten in hohem Ansehen, was ihm in jüngerer Zeit den Titel des „Lehrer Germaniens“ einbrachte. Auf der anderen Seite gibt es aber auch zahlreiche Kritiker Hrabans, die den Fuldaer Abt und späteren Erzbischof von Mainz nüchterner betrachten, den Wert seiner schriftlichen Arbeiten geringer bewerten oder diese sogar als Plagiate zu enttarnen versuchen.
Die Frage, wie diese Persönlichkeit nun zu bewerten ist, wurde schon oft gestellt und dennoch ist in der bisherigen Forschung nur selten der Versuch unternommen worden, das Bild Hrabans parallel aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten und dabei die zeitliche und räumliche Umgebung zu berücksichtigen, durch die er einerseits beeinflusst wurde, die durch ihn aber andererseits auch eine maßgebliche Prägung fand.
In der folgenden Hausarbeit soll daher der Versuch unternommen werden, die anderen Tätigkeitsfelder des Hrabanus Maurus zu untersuchen und dabei die Frage zu beantworten, ob das Wesen dieses Mannes tatsächlich nur anhand seiner schriftlichen Tätigkeit ausreichend erfasst werden kann oder ob eine Bewertung seiner Person nicht doch eines anderen Konzeptes bedarf, als es in der Forschung bislang üblich gewesen ist. Dabei soll, aus Gründen der Überschaubarkeit, nur die Zeit Hrabans im Kontext des Fuldaer Klosters betrachtet werden, in dem er einen Großteil seiner Zeit als Mönch verbrachte. An geeigneten Stellen wird auch auf das Verhältnis zum königlich-kaiserlichen Hof um Karl eingegangen werden.
1.1 Quellenlage und Forschungsstand
Die Schriften, die Hrabanus Maurus selbst verfasst hat, sowie die vielfältigen Einzelquellen zu seinem Leben sind heute in ihrer Gesamtzahl durch Historiker und Philologen inhaltlich gut erschlossen und liegen größtenteils in kommentierten Editionen vor. Die genauere Erforschung der methodischen Arbeitsweise des Abtes setzte jedoch erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts ein, sodass zumindest für seine zentralen Schriften der Bestand an analysierender Sekundärliteratur recht breit gefächert ist, wenn auch einzelne Aspekte seines Schaffens noch nicht ausreichend durch die Wissenschaft beleuchtet wurden.
Zur zentralen Sekundärliteratur gehören hierbei vor allem die Forschungsergebnisse von Elisabeth Heyse zur Kompilationsmethode im Lob des heiligen Kreuzes[2], Burkhard Taegers Analyse der Zahlensymbolik in den Werken des Abtes[3] sowie Maria Rissels Studien zu Hrabans Verständnis der antiken Wissenschaften[4]. Alle diese Darstellungen sind in den 1960er und 70er Jahren erschienen, letztere wird auch in dieser Hausarbeit Berücksichtigung finden.
Das Wirken Hrabans im Kloster Fulda, vor allem seine Zeit als Abt, ist ebenfalls durch mehrere Primärquellen belegt, die von der Forschung bereits erschlossen wurden. An geeigneten Stellen dieser Darstellung wird auf sie noch einmal genauer Bezug genommen.
An Sekundärliteratur sind sowohl Gangolf Schrimpfs Ausführungen zur frühen Geschichte des Fuldaer Klosters zu nennen als auch zwei zentrale Publikationen von Thomas Martin, die einerseits ebenfalls die Gründungszeit Fuldas, andererseits die klösterliche Bildung als Schwerpunkt haben.
In diesen Werken jüngerer Zeit finden die Person und das Wirken des Hrabanus Maurus breite Erwähnung, sodass sie als Grundlage für diese Hausarbeit dienen werden[5].
Im Jahr 2006 jährt sich zum 1150. Mal der Todestag Hrabans. Aus diesem Anlass finden das gesamte Jahr über in Fulda und Mainz, den beiden Städten, in denen der Abt und Erzbischof hauptsächlich tätig war, Vorträge und Ausstellungen zu seinem Leben und seinem geistigen Vermächtnis statt. Dabei werden auch aktuelle Ergebnisse zur historischen Hrabanus Maurus Forschung vorgestellt werden, die leider in dieser Hausarbeit keine Berücksichtigung mehr finden können, da entsprechende Publikationen zum Zeitpunkt des Verfassens noch nicht veröffentlicht worden sind.
2. Biographischer Hintergrund Hrabans
Nach dem heutigem Stand der Forschung wurde Hraban um das Jahr 780[6] in Mainz geboren[7]. Seine Eltern entstammten dem fränkischen Adel und hatten zahlreiche Besitzungen in und um Mainz. Sein Vater Waluram war als hoher Beamter im Wormsgau tätig, sein Bruder Gunthram wurde später Graf im Oberrheingau und einer seiner Neffen machte sich später als Kaplan am Hof des Kaisers einen Namen. Am 25. Mai 788 machten Waluram und dessen Frau Waltrat dem Kloster Fulda eine großzügige Schenkung, die ein Grundstück „innerhalb der Mauern der Stadt Mainz“ (intus muro civitatis Mogontiae)[8] mit allen darauf befindlichen Wohn- und Verwaltungsgebäuden umfasste. Gleichzeitig übergaben sie ihren damals etwa achtjährigen Sohn Hraban als „puer oblatus“ in die Obhut der Fuldaer Mönche.
Dieser genoss hier eine erste, grundlegende Ausbildung. Etwa um 798/99 wurde er an die Hofakademie Karls des Großen geschickt, wo er dessen Berater, den Hofgelehrten Alkuin, kennenlernte, der im gesamten Reich einen vortrefflichen Ruf besaß. Zwischen beiden entwickelte sich ein enges und freundschaftliches Verhältnis, was sich an dem Beinamen „Maurus“ zeigt, den Alkuin seinem Zögling gab und der als Anspielung auf den Namen des Lieblingsschülers des Benedikt von Nursia gesehen wird[9].
Nach seiner knapp zweijährigen Ausbildung kehrte Hrabanus nach Fulda zurück, wo er 801 zum Diakon geweiht wurde. Etwa zwei Jahre später reiste er zusammen mit seinem Mitschüler Hatto auf Weisung des Fuldaer Abtes Ratger noch einmal zu Alkuin, der inzwischen in Tours seinen Altersruhesitz gefunden hatte.
Hier begann Hraban, vermutlich unter dem Einfluss seines Lehrers, sein erstes Werk zu verfassen, nämlich die Dichtung „vom Lob des Heiligen Kreuzes“ (Liber de laudibus sanctae crucis), auf die an späterer Stelle noch eingegangen werden soll.
Spätestens nach dem Tod Alkuins 804 kehrte Hraban in das Kloster Fulda zurück, wo er mit der Leitung der Klosterschule beauftragt wurde, die unter ihm zu einem Bildungszentrum des Frankenreiches avancierte. Um 810 beendete er schließlich die Dichtung, die er in Tours begonnen hatte und empfing vier Jahre später am 23.12.814 die Priesterweihe durch Haistulf, den damaligen Erzbischof von Mainz. Seine Dankbarkeit drückte er in seinen nächsten drei Werken aus, die er dem Erzbischof widmete. Neben dem Verfassen von weiteren Lehr- und Denkschriften setzte er seine Lehrtätigkeit fort.
Nachdem der Fuldaer Abt Eigil 822 verstorben war, wurde Hraban zu seinem Nachfolger gewählt und sollte fortan für zwanzig Jahre die Geschichte der Fuldaer Abtei maßgeblich mitgestalten. Nach Aufgabe seines Abbatiats wurde er dann 847 Erzbischof von Mainz und war dort hauptsächlich als Seelsorger tätig, obgleich er weiterhin in ständigem Kontakt mit dem Fuldaer Kloster blieb. Eine ernste Erkrankung, die als unmittelbare Folge eines längeren Leidens gesehen wird, führte schließlich, am vierten Februar 856, zum Tode des fast achtzigjährigen Hrabans. Er wurde im Mainzer Kloster Sankt Alban beigesetzt, wo sich der Leichnam bis 1515 befand. Sein Verbleib nach diesem Jahr ist auch heute noch ungewiss, da sich jede Spur bei dem Versuch, die Gebeine über Halle nach Aschaffenburg zu überführen, verliert.
3. Die frühe Geschichte des Klosters Fulda
Um verstehen zu können, in welchem wirtschaftlichen und personalen Zustand sich das Kloster Fulda zu Beginn des Abbatiats Hrabans befand, erscheint es sinnvoll, einen kurzen Exkurs in die Anfänge des Klosters zu machen.
Die Gründungsphase des Benediktinerklosters Fulda wird vor allem von zwei Personen maßgeblich mitgetragen: Bonifatius und Karlmann[10].
Winfried Bonifatius (* 672/73, † 754) war bereits als Kind einem Kloster anvertraut worden, wo er nach den Idealen des angelsächsischen Mönchtums unterrichtet und erzogen wurde. Bis weit über sein 40. Lebensjahr blieb er auch im Kloster, bis ihm durch eine päpstliche Weisung die Organisation und Missionierung der Kirche in Germanien anvertraut wurde. Karlmann (* vor 714, † 754) war der älteste Sohn des fränkischen Hausmeiers Karl Martell und hatte als Kind eine geistliche Erziehung genossen, was sein Verhältnis zur Kirche positiv prägte.
Im Jahr 741 fand an drei zentralen Stellen des Christentums ein Generationswechsel statt, als der byzantinische Kaiser Leo III., der fränkische Hausmeier Karl Martell und Papst Gregor III. nacheinander starben. Martell hatte sein Amt vier Jahre lang ohne einen König innegehabt und vor seinem Tod verfügen lassen, dass sein Herrschaftsgebiet unter den beiden Söhnen aus erster Ehe aufgeteilt werden solle. Karlmann erhielt den östlichen, Pippin den westlichen Teil des Reiches. Anders als sein Vater, der die Kirche nur dann zu unterstützen schien, wenn sie seinem eigenen politischen Interesse von Nutzen sein konnte, setzte Karlmann gerade auf diese Zusammenarbeit, konnte doch ein Bündnis mit den Vertretern der Kirche als Ersatz für die fehlende königliche Legitimation gegenüber dem Adel dienen. So rief er 743 zum Concilium Germanicum der ostfränkischen Kirche auf, bestätigte die bisherigen Bischöfe in ihren Ämtern, verfügte eine Zusammenfassung der Kirche mit Bonifatius als geistlichem Führer und rief zur inneren Reform und zu einer neuen Disziplin im Umgang mit der Religion auf.
Dadurch war der Schulterschluss zwischen Kirche und Staat besiegelt und Karlmann hatte seine Papsttreue unter Beweis gestellt[11].
Aus den Quellen wird klar, dass Bonifatius zu dieser Zeit auch auf der Suche nach einem geeigneten Platz für ein neues Kloster war. Als er diesen Ort, aus dem später die Stadt Fulda hervorgehen sollte, gefunden hatte, ließ Bonifatius seinen in Hersfeld zurückgezogen lebenden Schüler Sturmius zu sich nach Fritzlar kommen. Er beauftragte ihn, den Ort aufzusuchen und auf seine Eignung zu prüfen. Für das Bauvorhaben an dieser Stelle sprach die zentrale Lage zwischen den kurz zuvor errichteten Bistümern Würzburg, Erfurt und Büraburg. Darüber hinaus war mit den alten Handelswegen Antsanvia und Ortesweg sowie dem schiffbaren Fluss Fulda eine gute Transportanbindung nach außen gesichert. Für Bonifatius’ missionarische Tätigkeit bot sich der Platz ebenfalls an, da nur wenige Kilometer südlich vier Gaue aufeinander trafen, was auch aus politischen Erwägungen eine Rolle gespielt haben dürfte.
Nachdem Sturmius nach Fritzlar zurückgekehrt war, wandte sich Bonifatius an Karlmann und bat um Überlassung des gewünschten Gebietes. Obwohl die Urkunde dieser „Karlmannschenkung“ im Original nicht erhalten ist, ist der Inhalt unter anderem durch die Vita Sancti Sturmi des späteren Fuldaer Abtes Eigil, der ein enger Verwandter Sturmi war, zumindest dem Inhalt nach überliefert. So überließ Karlmann dem Missionar Bonifatius den gewünschten Ort „ganz und unberührt“ (totum et integrum) und legte als Grenze des Schenkungsgebietes einen Radius von 4000 Doppelschritt[12] um den Platz des künftigen Klosters fest (ab illo loco undique in circuitu [...] marcha per quatuor milia passuum tendatur)[13].
Am 12. März 744 besuchte Sturmius den Bauplatz zur Landnahme, denn obwohl Bonifatius den Auftrag zum Bau einer neuen Klosteranlage gegeben hatte, oblag es seinem Schüler, das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Während der Bauphase besuchte Bonifatius mehrmals die Gegend und unterwies die Mönche in der von ihnen verlangten Disziplin. Darüber hinaus schickte er seinen Schüler Sturmius und zwei weitere Mönche um 747 nach Monte Cassino, wo sie die Regel des Heiligen Benedikt studieren und ihre Erfahrungen mit nach Fulda bringen sollten. Die Funktion des Klosters, das seit seinen Anfängen bereits nach dem Fluss Fulda benannt wurde, wird aus einem Brief des Bonifatius an Papst Zacharias aus dem Jahre 751 deutlich. Demnach ging es dem Missionar vor allem um die strikte Einhaltung der Regel des Heiligen Benedikt. Ferner weist er in dem Brief darauf hin, dass er sich das Kloster Fulda als Altersruhesitz inmitten des Missionsgebietes ausgesucht habe und hier seine letzte Ruhestätte finden wolle, da dies „ein Ort im Wald in einer Einöde wüstester Einsamkeit“ (locus silvaticus in heremo vastissimae solitudinis)[14] sei. Da der Brief überdies von der erfolgreichen Klostergründung spricht, ist anzunehmen, dass die groben Bauarbeiten erst zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen wurden[15].
Noch im gleichen Jahr erhielt das Kloster Fulda, das mit Sturmius seinen ersten Abt hatte, auf persönlichen Wunsch des Bonifatius die kirchliche Exemtion durch den Papst. Damit war die Abtei dem Kirchenoberhaupt direkt unterstellt und dem Einflussbereich der Bischöfe in den umliegenden Bistümern dauerhaft entzogen. In den Folgejahren kehrte Bonifatius regelmäßig in dem immer weiter wachsenden Kloster ein bis er schließlich auf einer Reise im Juni 754 bei Dokkum ermordet wurde. Sein Tod entfachte einen Streit zwischen den Bistümern Utrecht und Mainz[16], die den Leichnam für sich beanspruchten. Die Fuldaer Mönche folgten jedoch dem persönlichen Wunsch ihres Lehrmeisters und überführten die Überreste nach Fulda. Nach Eigils Angaben in der Vita Sturmi sowie Einträgen der Urkundenbücher des Klosters zufolge zogen seitdem regelmäßig Pilger nach Fulda und bezeugten ihre Ehrerbietung gegenüber des verstorbenen Bonifatius durch großzügige Schenkungen an das Kloster, das dadurch zu einem der größten Grundbesitzer des Frankenreiches wurde[17].
Doch die anfänglich so erfolgversprechende Geschichte des Klosters Fulda nahm eine ungünstige Wendung. Lul, der neue Bischof von Mainz, inszenierte 763 eine Intrige[18] gegen Sturmius, die dazu führte, dass Pippin, der inzwischen König geworden war, den Fuldaer Abt verbannte. Lul setzte einen eigenen Priester an die Spitze des Klosters, was zu inneren Unruhen zwischen den Mönchen führte, die sich nun direkt an den König wandten. So konnten diese zwei Jahre später die Rückkehr Sturmi aus dem Exil bewirken und Pippin stellte darüber hinaus das Kloster unter seinen persönlichen Schutz, womit die Fuldaer Abtei die erste war, die diese privilegierte Stellung erhalten hatte.
Unter Karl dem Großen wurden 772 die Vorrechte des Benediktinerklosters dann bestätigt und am 24. September 774 durch einen Sonderstatus, der die Immunität des Klosters und das Recht der freien Abtswahl für die Fuldaer Mönche sicherte, erweitert. Gleichzeitig wurde die Fuldaer Abtei damit Reichskloster. Darin zeigt sich abermals die enge Verbundenheit zwischen dem Kloster und dem Königshaus, die mit Bonifatius und Karlmann Jahre zuvor ihren Anfang genommen hatte. Schließlich bedeutete das Privileg der Immunität eine rechtliche Besserstellung der Klosterangehörigen, die nun dem Machtbereich weltlicher Gerichte entzogen waren und selber die Möglichkeit hatten, in ihrem Einflussgebiet Recht zu sprechen.
Die Möglichkeit der freien Abtswahl, für die sich Sturmius ausgesprochen hatte, resultierte zudem in einer noch größeren Unabhängigkeit des Klosters von äußeren Einflüssen, da das Konvent nun das Recht besaß, nach dem Tod eines Abtes dessen Nachfolger unter königlicher Zustimmung selbst zu bestimmen.
Insgesamt besaß das Kloster Fulda also nach nur 30 Jahren neben der päpstlichen Exemtion auch die soeben angesprochenen Privilegien, wodurch die Abtei sehr viel Spielraum zur inneren Gestaltung hatte und nunmehr den Einflüssen sowohl weltlicher als auch bischöflicher Macht weitestgehend entzogen war. Dadurch waren Fälle wie die Intrige Luls künftig – zumindest theoretisch – ausgeschlossen.
[...]
[1] In der Hausarbeit wird die wissenschaftliche Schreibweise des Namens Verwendung finden, also: Hraban(us) statt Raban(us) oder Rhaban(us).
[2] Heyse, Elisabeth. Hrabanus Maurus’ Enzyklopädie „De rerum naturis“. Untersuchungen zu den Quellen und zur Methode der Kompilation. München 1969.
[3] Taeger, Burkhard. Zahlensymbolik bei Hraban, bei Hincmar und im „Heliand“? Studien zur Zahlensymbolik im Frühmittelalter. München 1970.
[4] Rissel, Maria. Rezeption antiker und patristischer Wissenschaft bei Hrabanus Maurus. Studien zur karolingischen Geistesgeschichte. Diss. phil. Köln 1974. Lateinische Sprache und Literatur des Mittelalters, Band 7. Hg. von Alf Önnerfors. Frankfurt am Main 1976.
[5] vgl. Literaturanhang!
[6] Die bei früheren Autoren gemachten Jahresangaben 776, 784 und 788 konnten durch die Arbeiten von Konrad Dahl 1828 und Paul Lehmann 1925 endgültig widerlegt werden. Vgl. hierzu: Mittelrheinisches Landesmuseum Mainz (Hg.), Rabanus Maurus in seiner Zeit. 780-1980. Mainz 1980. S. 9. Dieses Sekundärwerk wird im Folgenden mit MRL abgekürzt.
[7] Die folgenden Aussagen beruhen im Wesentlichen auf: MRL, S. 9 ff. sowie MRL, S. 63 ff. und Hägele, Paulus Ottmar. Hrabanus Maurus als Lehrer und Seelsorger. Nach dem Zeugnis seiner Briefe. Diss. phil. Freiburg im Breisgau 1969, Fulda 1972. S. 3 ff.
[8] Hier zitiert nach: Böhne, Winfried (Hg.). Hrabanus Maurus und seine Schule. Festschrift der Rabanus-Maurus-Schule 1980. Fulda 1980. S. 15. Die originale Schenkungsurkunde wird noch heute im Staatsarchiv Marburg aufbewahrt.
[9] Vgl. MRL, S. 9.
[10] Die folgenden Aussagen beruhen im Wesentlichen auf: Martin, Thomas. Klosterleben und Reichspolitik. Die Anfänge des Klosters Fulda 744 – 842. Mainz 1989. S. 9 ff. sowie Leinweber, Josef. Die Fuldaer Äbte und Bischöfe. Frankfurt 1989. S. 13-20.
[11] Vgl. hierzu vor allem Martin, Thomas. Klosterleben und Reichspolitik. S. 12 ff.
[12] dies entspricht grob einem Radius von etwa 8 Kilometern. Anmerkung des Autors.
[13] Eigilis Vita Sancti Sturmi. Hg. von Georg-Heinrich Pertz. In: MGH SS II. Hannover 1829. S. 370.
[14] Bonifatius an Papst Zacharias. Hg. von Michael Tangl. In: MGH Epp. Sel. I. Berlin 1916. S. 193.
[15] Vgl. Martin, Thomas. Klosterleben und Reichspolitik. S. 25 f.
[16] Utrecht stand damals unter der kirchlichen Aufsicht des Bonifatius; ab 745 war er außerdem Bischof von Mainz.
[17] Vgl. vor allem Martin, Thomas. Klosterleben und Reichspolitik. S. 27 f.
[18] die genauen Beweggründe Luls sind nicht bekannt, können jedoch in der Sonderstellung des Klosters Fulda im Reich vermutet werden. Vgl. diesbezüglich auch Leinweber, Josef. Die Fuldaer Äbte und Bischöfe. S. 13 f.
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