Die vorliegende Arbeit wird zwar auf Forschung zurückgreifen, die sich junger jüdischer Literatur im Allgemeinen widmet, zielt aber durch die Setzung eines sehr engen Fokus auf Erkenntnisgewinn hinsichtlich des Autors und der Kapazitäten und Gefahren eines Interpretationsansatzes, der die Frage nach der Gestaltung kultureller Identität an Literatur stellt. Für die vorliegende Fragestellung disponiert sich seine Literatur über ihre Ebene markanter Reflexion jener mächtigen Diskursposition. Aus Billers Erzählungen wird Harlem Holocaust ausgewählt und einer eingehenden Analyse unterzogen.
Um Erkenntnisse über soziohistorische und kulturelle Bedingungen zu erhalten, die der Literatur nicht immanent sind, jedoch in einem reflexiven Wirkverhältnis zu ihr stehen, welches die Arbeit beleuchten möchte, muss die literaturwissenschaftliche Methode ein tragfähiges kulturwissenschaftliches Fundament erhalten. Im vorliegenden Zusammenhang wird das durch die kursorische Aufarbeitung des Begriffes der Identität im ersten Kapitel geleistet. Dazu wird nicht nur auf die Geschichte des Begriffs und damit auf die Sozialpsychologie eingegangen, sondern auch auf die grundlegenden Bedeutungsverschiebungen, denen der Begriff seit seiner Einführung in die Humanwissenschaften unterzogen wurde.
Eine Möglichkeit, die dargelegten Identitätstheorien mit den für das Themenfeld deutsch/jüdische Literatur relevanten Inhalten zu füllen, wurde in Dan Diners Konzept der „Negativen Symbiose“ gefunden. Es wird in Kapitel zwei vorgestellt und als eine Analyse des Diskurses, auf den Billers Schaffen abzielt, den folgenden Überlegungen zu Grunde gelegt werden.
Kapitel drei stellt eine erste Erkundungsbewegung dar, durch die, indem Biller auf der äußeren Bahn des literarischen Möbiusbandes gefolgt wird, die Rolle der Negativen Symbiose in Harlem Holocaust erkennbar wird.
Im fünften Kapitel werden die gewonnenen Resultate für eine umfassende Interpretation der Erzählung Harlem Holocaust als einem literarischen Identitätsentwurf fruchtbar gemacht.
Entsprechend der hier formulierten Fragestellung wird die Interpretation der Erzählung als Identitätsentwurf mit allgemeinen Strukturen, Tendenzen und gängigen Erwartungen, die sich in vergleichbaren Interpretationen finden lassen in kritischen Zusammenhang gebracht.
Im abschließenden sechsten Kapitel wird die Frage danach gestellt, welche Form von Handlungsfähigkeit als Ausdruck von Identität in der Erzählung festmachen lässt.
Inhaltsverzeichnis
- Identitätstheorie
- Personale und kollektive Identität und Identitätsbildung
- Subjektkonstitution bei Lacan und die Frage der Autonomie als diskursive Praxis
- Lacans Bildschirm und kollektive Identität als Diskurse in der Praxis
- Kollektive Identität – zwischen Konstruktion und Realität
- Literatur und kollektive Identität
- Kollektive jüdische Identität in Deutschland nach der Shoah
- ,Negative Symbiose'
- Legitimation des identitätsstiftenden Bezugs Auschwitz' in der Gegenwart
- Wahrnehmungen und Repräsentationen heute - die Seite der Täter
- Wahrnehmungen und Repräsentationen heute - die jüdische Seite
- Strategien und Position
- Negative Symbiose und Harlem Holocaust
- Aufbau und plot der Erzählung
- Der Handlungsort als Symbol der Negativen Symbiose
- Personale Identität innerhalb der Negativen Symbiose
- Ambivalenz der Rolle des Mahners
- Scheitern innerhalb der Negativen Symbiose
- Herstellung von Identität im Paradigma der Negativen Symbiose
- Zwischen sozialer Repräsentation und Individualität
- Der Bildschirm
- Von, Auschwitz' zu,Holocaust'
- Legitimationsstrategie der Negativen Symbiose
- Legitimmatorische Konsolidierung
- Fixierung und Wahn
- Zwischenergebnis
- Das Paradox des repräsentativen Entzugs
- Biller als Repräsentant
- Deleuze/Guattari: ,Kleine Literatur'
- Kleine Literatur im Umgang mit Minderheitenliteratur
- Subversion ist Option
- Harlem Holocaust - Diskursive Praxis
- Die Identitätsposition des Autors
- Nicht-jüdische Autorschaft
- Jüdische Autorschaft
- Der Entzug - Reaktion auf Übercodierung
- Vervielfältigung der Autoren – Technik der Verschachtelung
- Stereotype und Klischees – der Bildschirm
- Stellenwert und Funktion des Stereotyps
- Der Identitätsentwurf in Harlem Holocaust
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht Maxim Billers Erzählung „Harlem Holocaust“ als literarischen Identitätsentwurf. Sie befasst sich mit der Frage, wie der Autor seine Position als jüdischer Autor in Deutschland nach der Shoah in seinem Werk konstruiert und welche Rolle die „Negative Symbiose“ (Dan Diner) in diesem Prozess spielt.
- Die Konstruktion von Identität im Spannungsfeld zwischen individueller und kollektiver Zugehörigkeit
- Die Rolle der „Negativen Symbiose“ als diskursives Konzept für die deutsche Nachkriegsgesellschaft
- Die Darstellung von Stereotypen und Klischees in der Literatur
- Der Einfluss von Diskursen auf die Produktion von Literatur
- Die Bedeutung der narrativen Struktur für den Identitätsentwurf
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 beleuchtet die verschiedenen Theorien der Identität und ihre historische Entwicklung. Es werden die Begriffsgeschichte sowie die relevanten Bedeutungsverschiebungen von „Identität“ im Kontext der Humanwissenschaften aufgezeigt.
Kapitel 2 stellt das Konzept der „Negativen Symbiose“ von Dan Diner vor und erläutert, wie dieses Konzept die Analyse des Diskurses über jüdische Identität in Deutschland nach der Shoah ermöglichen kann.
Kapitel 3 analysiert die Rolle der „Negativen Symbiose“ in Billers Erzählung „Harlem Holocaust“. Es wird untersucht, wie Billers Identitätskonstruktionen sich an dem Konzept der „Negativen Symbiose“ orientieren und welche Bedeutung dieses Konzept für die Interpretation der Erzählung hat.
Kapitel 4 analysiert die Konstruktion von Identität im Rahmen des „Negativen Symbiose“-Konzepts. Es werden die gegensätzlichen Vorstellungen vom autonomen Subjekt und vom Subjekt als passivem Effekt von Strukturen in Bezug auf die Identitätskonstruktion in Billers Werk betrachtet.
Kapitel 5 analysiert die Erzählung „Harlem Holocaust“ als literarischen Identitätsentwurf. Es wird die verschachtelte Struktur der Narration beleuchtet und deren Bedeutung für die Interpretation der Erzählung hervorgehoben.
Kapitel 6 stellt die Frage nach der Handlungsfähigkeit als Ausdruck von Identität in der Erzählung „Harlem Holocaust“. Es werden die Ergebnisse der Analyse zusammengefasst und die Interpretation von „Harlem Holocaust“ als Geste des Entzugs aus einem fixierten Diskurs diskutiert.
Schlüsselwörter
Identität, Kollektive Identität, „Negative Symbiose“, Harlem Holocaust, Maxim Biller, Jüdische Literatur, Diskursanalyse, Stereotype, Narrative Strukturen, Entzug, Subversion, Minderheitenliteratur, Deutsche Nachkriegsgesellschaft.
- Arbeit zitieren
- Kerstin Weich (Autor:in), 2006, Literarische Gestaltung deutsch-jüdischer Identität in Maxim Billers Harlem Holocaust, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78687