Beiträge zur Ökologie der Baumkrabbe Aratus pisonii in den Mangroven von Itamaracá, Nordbrasilien

Anpassung des Verhaltens an den Gezeitenwechsel und die Tageslichtperiode


Diplomarbeit, 2004

147 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1.2 Leben im Rhythmus der Gezeiten und im Tag/Nacht-Wechsel
1.3 Untersuchungsziel

2. Das Untersuchungsgebiet

3. Material und Methoden
3.1 Arbeitsmittel
a) Laborumgebung
b) Meerwasservorrat
c) Allgemeine Arbeitsmittel
d) Automatischer Zähler für Planktonorganismen
3.2 Untersuchung adulter Weibchen
a) Probenahme und Hälterung
b) Aktivitätsrhythmen
3.3 Untersuchung der Larven
3.3.1 Larvenaufzucht
a) Larvenaufzucht – Methode 1
b) Larvenaufzucht – Methode 2
c) Dokumentation der Larvenentwicklung
3.3.2 Fraßexperimente
a) Fraßrate über den Verlauf der Entwicklungsstufen und Häutungszyklen
b) Fraßrate über den Verlauf eines Tages
c) Fraßrate in Abhängigkeit der Futtertier-Dichte
3.3.3 Vertikalwanderungen
3.3.4 Metamorphose-Reize
3.4 Statistische Datenanalyse
3.4.1 Überprüfung von Stichproben
3.4.2 Analyse von Zeitserien-Datensätzen
a) Übersicht
b) Standardmethoden-Repertoire
c) Analyse-Schema

4. Ergebnisse
4.1 Adulte Aratus pisonii
4.1.1 Allgemeine Beobachtungen
4.1.2 Reproduktion
4.1.3 Aktivitätsrhythmen
a) Rohdaten und allgemeine Beobachtungen
b) Datenfilterung und abschnittsweise Kreuz-Korrelation
c) Spektralanalyse
d) Phasenbeziehungen
4.2 Larven von Aratus pisonii
4.2.1 Larvenentwicklung
a) Allgemeine Beobachtungen: Morphologie und Wachstum
b) Laboraufzucht: Entwicklungsdauer und Überlebensrate
4.2.2 Fraßexperimente
a) Nahrungsaufnahme über den Entwicklungsverlauf
b) Nahrungsaufnahme im Verlauf eines Tages
c) Fraßrate in Abhängigkeit der Beutetier-Dichte
4.2.3 Schwimmrhythmus von Zoëa I

5. Diskussion
5.1 Methodenkritik
a) Larvenaufzucht
b) Fraßexperimente
c) Aktivitätsrhythmen
5.2 Die Bedeutung biologischer Rhythmen als Anpassungsstrategie von Aratus pisonii

6. Literatur

7. Anhang
7.1 Gezeitentabellen
7.2 Rohauswertung der Fotoserien
7.3 Daten aus der Larvenaufzucht
7.4 Daten der Fraßexperimente

Zusammenfassung

Die Baumkrabbe Aratus pisonii (Unterfamilie Sesarminae) ist eine von wenigen brachyuren Arten, die in der Adultphase zu einer vollständig arborealen Lebensweise übergeht und in Mangrovengebieten eine außergewöhnliche ökologische Nische besetzt. Im Rahmen dieser Arbeit wurde untersucht, inwieweit Aratus pisonii ihr Verhalten mithilfe einer „inneren Uhr“ an den Gezeitenwechsel und an Tageslichtperiode anpasst.

Sechs Weibchen wurden über 26 Tage unter experimentell kontrollierten Bedingungen gehalten und ihre Bewegungen mithilfe einer Digitalkamera fortlaufend dokumentiert. Von weiteren Weibchen wurden die Larven aufgezogen und bei diesen die Nahrungsaufnahme in Abhängigkeit der Tageszeit, des Häutungszyklus und des Entwicklungsstadiums untersucht. Unter konstant gehaltenen Bedingungen wurden außerdem die Vertikalwanderungen von Zoëa I aufgezeichnet.

Die Untersuchung lieferte folgende Ergebnisse: Die adulten Krebse waren zu jeder Tageszeit relativ gleichmäßig aktiv. Leichte circatidale und diurnale Schwankungen in der Bewegungshäufigkeit waren jedoch signifikant. Vor allem hatten die Tiere vermehrt den Kontakt zum Wasser aufgesucht, wenn im Feld gerade die Ebbe begann. Der Zweck dieses periodischen Verhaltens wurde damit in Zusammenhang gebracht, dass sich Aratus pisonii vornehmlich von marinen Inkrustierungen der Baumrinde ernährt, an der nach jeder Flut neue Organismen ansiedeln.

Der Reproduktionszyklus trächtiger Weibchen war stark mit der Mondphase synchronisiert. Mehr als 80 % hatten um die Zeit der Syzygien abgelaicht. Alle übrigen Larven schlüpften ausnahmslos kurz vor den Quadraturen. Dies wurde als eine alternative Verbreitungsstrategie gedeutet, um dem größten Konkurrenzdruck zu entgehen.

Der circatidale Schwimmrhythmus von Zoëa I war hoch signifikant. Da der obere Aufenthalt in der Wassersäule zeitlich mit der Ebbeperiode im Feld zusammenfiel, wird in situ ein schneller Export aus dem Ästuar erreicht.

Die höchste Fraßrate der Zoëa I wurde während der Lichtperiode gemessen. Dies mag eine Anpassung an Nahrungsquellen sein, die im Feld eher bei Tageslicht verfügbar sind (Diatomeen und Tintinnidae).

Die Nahrungsaufnahme und Schwimmaktivität der Larven variierte besonders stark mit dem Häutungszyklus. Während der ersten 24 Stunden nach der Ecdysis war die Fraßrate in jedem der vier Zoëa-Stadien mindestens doppelt so hoch wie im folgenden 24-stündigen Intervall. Frisch gehäutete Larven hielten sich außerdem vermehrt an der Wasseroberfläche auf.

1. Einleitung

In der Literatur wird von mindestens 560 decapoden Arten berichtet, die wenigstens gelegentlich auf Bäume klettern (vgl. Dunham & Gilchrist 1988). Darunter sind Vertreter der brachyuren Familien Gecarcinidae, Grapsidae, Ocypodidae und Xanthidae, sowie der anomuren Coenobitidae. Die Anpassungen an eine arboreale Lebensweise sind in dieser inhomogenen Gruppe sehr unterschiedlich weit fortgeschritten. Die Ocypodidae und Gecarcinidae bewegen sich primär in der Ebene, etwa im Litoral (Uca, Ucides, Ocypode) oder einige Kilometer landeinwärts (Cardisoma). Sie besteigen – wenn überhaupt – nur sporadisch den Wurzelbereich der Mangroven, vornehmlich um den epiphytischen und epizooischen Bewuchs abzugrasen. Winkerkrabben-Männchen nutzen außerdem die erhöhte Position, um ihr Werbeverhalten zur Schau zu stellen (von Hagen 1977). Ein gemeinsames Kennzeichen aller Ocypodidae und Gecarcinidae und vieler weiterer Landkrabben sind die selbst gegrabenen Wohnhöhlen, in denen sie vor Fraßfeinden und zu großer Hitze zuflucht suchen und normalerweise die Überflutung des Litorals überdauern. Nur in Extremsituationen, etwa nach besonders starken Regenfällen, verlassen Uca rapax und Ucides cordatus ihre Höhlen und halten sich bei Flut vorübergehend auf den Bäumen auf (von Hagen 1977).

Unter allen Brachyuren, die in den Mangrovengebieten ansiedeln, zeigen die Grapsidae die weitestreichendsten Anpassungen an eine arboreale Lebensweise. Eine große Gruppe innerhalb der Familie klettert mehr oder weniger periodisch auf die Bäume, um der Überschwemmung durch die Flut zu entgehen. Für höhlenbauende Arten wie Metasesarma rubripes sind diese Vertikalwanderungen fakultativ und nur bei einem Teil der Population zu beobachten. Osmotischer Stress scheint ein wesentlicher Auslöser dafür zu sein, dass nach starken Regenfällen besonders viele Exemplare oberhalb des Wassers gesichtet werden (vgl. von Hagen 1977).

Für Arten, die den Höhlenbau aufgegeben haben, mag das Hauptmotiv hingegen darin bestehen, sich vor den „Flutgästen“ (Gerlach 1958, zit. n. von Hagen 1977), z. B. vor Beute suchenden Fischen wie Lutjanus griseus zu schützen. Daher ist ein Besteigen der Bäume während des Hochwassers obligatorisch. An Goniopsis cruentata wurden die Vertikalwanderungen genauer beobachtet (von Hagen 1977): Während der einkommenden Flut findet man die Tiere zunächst an allen höher gelegenen Stellen des Bodens. Schließlich werden die Wurzeln der Mangroven erklommen und dann wird der Aufenthalt schrittweise nach oben verlagert. Die Krebse halten sich stets dicht über dem Wasserspiegel und rühren sich zwischen den kurzen Aufstiegsintervallen nicht. Erst mit der nächsten Niedrigwasser-Periode werden die Krabben wieder aktiv und begeben sich auf Nahrungssuche. Der Aufenthalt auf den Bäumen dient bei Goniopsis also primär dem Ausharren der Hochwasser-Periode. Ähnliches trifft auf jene Arten zu, die unterdessen in Höhlen verweilen.

Aratus pisonii ist eine der wenigen Arten, die in den Mangrovengebieten in der Adultphase zu einer vollständig arborealen Lebensweise übergeht und dabei bis in die obersten Baumwipfel vordringt. Als eine von zwei Spezies ihrer Gattung[1] gehört sie zur Unterfamilie der Sesarminae und ist in den Neotropen an der Westatlantikküste von Florida über die Karibik bis nach Südbrasilien heimisch, sowie im Ostpazifik von Nicaragua bis Peru. Ihr Vorkommen ist fleckenhaft aggregiert und konzentriert sich in erster Linie auf Uferbestände der Roten Mangrove Rhizophora mangle. In geringerer Abundanz wird sie auch auf den Mangroven Avicenia germinans, Laguncularia racemosa angetroffen (Beever et al. 1979). Als Baumbewohner sind die relativ kleinen Krebse (etwa 20 – 26 mm Carapaxbreite, s. auch Warner 1967) mit ihrer braun-rötlich bis olivgrünen und schwarzen Zeichnung gut vor dem Untergrund getarnt. Ihre seitlich abgeflachten, scharfkantigen Laufbeine sowie die nadelartigen Fußspitzen sorgen in jeder Lage für ausgezeichneten Halt beim Klettern. Aratus pisonii ernährt sich direkt von den Blättern, dem Mark (s. Lacerda 1981) und der Rinde der Wirtspflanze und vermag damit etwa 16 – 42% des Bedarfs zu decken (vgl. Lacerda et al. 1991). Epiphytische Algen (z. B. Ulvaria oxisperma, Rhizoconium spec.) stellen wahrscheinlich jedoch die Hauptkomponente der Nahrung (ebd., vgl. auch von Hagen 1977). Die äußerst flinken Krabben machen zudem Jagd auf Insekten (z. B. Schmetterlingsraupen, Grillen und Käfer, vgl. Beever et al. 1979). Aas von Fischen und Crustaceae bietet eine weitere Ergänzung der Diät (ebd., vgl. Díaz & Conde 1989), sogar die Fäkalien der Artgenossen werden aufgenommen (von Hagen 1977). Normalerweise begeben sich die Krabben zur Nahrungssuche nicht auf den bei Ebbe freiliegenden Sedimentboden und nur in Einzelfällen wurde Kannibalismus unter gefangen gehaltenen Tieren beobachtet (Beever et al. 1979).

Der Predationsdruck auf Aratus pisonii geht in erster Linie von der unmittelbaren Wasser- oder Bodennähe aus. Die räuberischen Mangrovenkrabben Goniopsis cruentata (Atlanikküste) bzw. Goniopsis pulchra (Pazifikküste, vgl. Beever et al. 1979) laufen bei Ebbe über das Substrat oder dringen bis in den oberen Wurzelbereich bzw. den unteren Astbereich der Bäume vor (von Hagen 1977). Ebenfalls suchen zahlreiche Fische das Ästuar im Rhythmus der Gezeiten auf, um dort Nahrung zu erbeuten. Darunter machen einige Schnappfische (z. B. Lutjanus griseus) Jagd auf die Baumkrabbe (Beever et al. 1979, Warner 1967). Eine geringere Gefahr geht für die Art vom Land aus, etwa durch Waschbären (Procyon lotor) oder andere Säuger und möglicherweise auch aus der Luft durch Vögel (vgl. Beever et al. 1979)[2].

Der Lebenszyklus der Baumkrabbe dauert ungefähr ein bis zwei Jahre (Warner 1967). Die ersten Wochen verbringen die Larven im Plankton, es ist jedoch nicht genau bekannt, ob die Entwicklung im Ästuar, in küstennahen Gewässern oder offshore stattfindet. Die Entwicklungsstadien wurden 1967 erstmals von Warner beschrieben. Diesem zufolge schlüpfen die Larven als Prezoëae, die sich sehr bald zur Zoëa I häuten. Es folgen in Abständen von mehreren Tagen vier weitere Häutungen zur Zoëa II, III und IV, sowie zur Megalopa. Im letzten Stadium tragen die Larven schon voll entwickelte Laufbeine und Scheren, sie ähneln bereits einem juvenilen Krebs. Mit der sogenannten Metamorphose – der Häutung zum ersten Juvenilstadium – schließen sie ihre larvale Phase ab. Die jungen Krebse halten sich zunächst nur im untersten Bereich der Bäume auf, verbergen sich unter loser Rinde oder auf dem Substrat unter abgefallenen Blättern (vgl. von Hagen 1977, Burggren & McMahon 1988). Etwa nach einem halben Jahr werden die Weibchen geschlechtsreif und beginnen über das ganze Jahr und durchschnittlich alle zwei Monate Nachkommen zu produzieren (Warner 1967). Die Inkubationszeit der Eier beträgt 16 Tage. Sie werden bis zuletzt an den Pleopoden getragen und die Muttertiere begeben sich zum Zeitpunkt des Schlüpfens ins Wasser (ebd.). Nach Warner (1967) finden wahrscheinlich regelmäßige Brutwanderungen statt, die zurückgelegten Strecken sollen jedoch nicht mehr als 20 Meter betragen. Markierungsexperimente bei erwachsenen Krebsen haben jedenfalls ergeben, dass die Populationen außergewöhnlich ortstreu sind (Díaz & Conde 1989).

1.2 Leben im Rhythmus der Gezeiten und im Tag/Nacht-Wechsel

Der Aufenthalt im Intertidal erfordert von den Organismen eine hohe Anpassung an die periodisch schwankenden Umweltfaktoren. Auf der Ebene des Verhaltens sind rhythmische Aktivitätsphasen entweder zu Hoch- oder zu Niedrigwasser typisch und dazwischen liegen oft ausgeprägte Ruhepausen, in denen die Tiere Unterschlupf suchen oder sich aus dem Gezeitenbereich entfernen. In fast allen Fällen, die man daraufhin untersucht hat, wird dieser Rhythmus von einer inneren Uhr gesteuert, die zu bestimmten sensiblen Phasen durch spezifische äußere Faktoren, sogenannte Zeitgeber mit dem Umweltrhythmus synchronisiert wird.

Unter experimentell konstant gehaltenen Bedingungen konnte bei zahlreichen Arten der Winkerkrabbe ein hochpräziser circatidaler Laufrhythmus nachgewiesen werden, der noch nach mehreren Wochen mit den örtlichen Gezeiten in Phase lag (s. z. B. Palmer 1976, Endres & Schad 1997). Mit den abwechselnden Tag/Nacht-Verhältnissen gehen oft weitere Anpassungen einher. Um visuellen Predatoren zu entgehen, schwärmen einige Uca -Arten nur während der nächtlichen Ebbe aus. (z. B. Uca minax, Uca pugilator, Uca pugnax, s. Endres & Schad 1997). Besonders hohe Temperaturen können eine Art ebenso dazu veranlassen, sich bei Tage in Erdlöchern zurückzuziehen. Mit zunehmender Entfernung zur See verliert der tidale Rhythmus an Bedeutung und ausgeprägte Landkrabben wie Cardisoma spec. gehen zu einer rein nächtlichen Lebensweise über, um ihren Wasserverlust zu reduzieren (Wolcott 1988).

In dem dichten Nahrungsgefüge der Mangroven sind die Brachyuren außerordentlich zahlreich vertreten. Viele Arten leben mit ähnlichen Habitatsansprüchen nebeneinander und sind unter dem hohen Konkurrenzdruck dazu gezwungen, sich mehr oder weniger stark zu spezialisieren. Dies beinhaltet mitunter eine weitere Anpassung der Aktivitätsrhythmen. Die Marschkrabbe Sesarma reticulatum teilt beispielsweise ihr Habitat mit Uca pugnax und ernährt sich ebenfalls herbivor, schwärmt im Gegensatz zu dieser jedoch nur bei Hochwasser aus (Bursey 1982, zit. n. Dunham & Gilchrist 1988).

Die Geisterkrabbe Ocypode gaudichaudii weicht an Küstengebieten, an denen Ocypode occidentalis sympatrisch vorkommt, von ihrer nächtlichen Lebensweise auf den Tag aus (Crane 1941, Koepcke & Koepke 153, zit. n. Wolcott 1988).

Aratus pisonii hat in den Mangrovengebieten eine für Brachyuren außergewöhnliche ökologische Nische besetzt. Sie profitiert von der hohen Produktivität der Biocoenose ohne zugleich dem erheblichen Konkurrenzkampf und Predationsdruck ausgesetzt zu sein, der unmittelbar auf dem Substrat des Intertidals herrscht. Einen nicht unerheblichen Teil ihres Bedarfs deckt sie mit nicht-marinen Pflanzenbestandteilen, die jederzeit verfügbar sind. Innerhalb der Baumkrone ist sie vor visuellen Predatoren (z. B. Vögeln) und direkter Sonnenbestrahlung einigermaßen geschützt. Damit liegen Rahmenbedingungen vor, die prinzipiell eine durchgehende Ernährungsweise ermöglichen (vgl. auch Díaz & Conde 1989).

Dennoch ist die Baumkrabbe nicht von allen Rhythmen entkoppelt: Ihre wahrscheinliche Hauptnahrungsquelle befindet sich in Form von marinen Epiphyten unterhalb der Hochwasserlinie und ist erst nach dem Rückgang der Flut zugänglich[3]. Regelmäßig müssen die Tiere ihren Wasserhaushalt ergänzen, dies wird zu gewissen Zeiten mit unterschiedlichen Predationsrisiken verbunden sein (s. oben). Schließlich kann die Erschließung bestimmter Nahrungsquellen (z. B. Fang von Insekten, Aas vom Substratboden) auch eine diurnale bzw. nocturnale Anpassung erfordern.

Vor allem aber ist für die Reproduktion eine entsprechende Abstimmung mit den Gezeiten wichtig. Sobald die Larven ins Wasser entlassen werden, sind sie der passiven Verdriftung durch die vorherrschende Strömung überlassen. Generell geschieht der kritische Zeitpunkt des Schlüpfens kurz nach der nächtlichen Flut (Forward 1987). Damit werden die Larven möglichst weit seewärts getragen und entgehen visuellen Predatoren, die bei Tageslicht vermehrt in den Gezeitenkanälen des oberen Ästuars nach Nahrung im Plankton suchen (vgl. Morgan 1990). Die Vermeidung hoher Temperaturen, niedriger Salzkonzentrationen und die reduzierte Gefahr, dass die Larven angespült werden, mögen als weitere Gründe angeführt werden (vgl. Forward 1987). Zahlreiche Arten laichen im semilunaren Rhythmus zur Zeit der Springtiden bei Neu- und Vollmond, um eine noch effektivere Verbreitung der Nachkommenschaft zu erzielen (vgl. Forward 1987). Aratus pisonii war sogar erst die zweite brachyure Art, bei der ein solcher Rhythmus bekannt geworden ist (Warner 1967).

Nach der entsprechenden Vorsorge durch die Muttertiere[4] sind die Larven darauf angewiesen, ihre weitere Verdriftung durch vertikale Wanderungen in der Wassersäule zu steuern. Einige Arten verbleiben während ihrer gesamten Entwicklung im Ästuargebiet (retention strategy, vgl. Anger et al., 1994), die meisten werden jedoch in Küstengewässer oder gar vom Schelf gespült (export strategy). In der Literatur wurden verschiedene Transportmechanismen beschrieben, dabei wurden z. B. gerichtete, windinduzierte Oberflächenströmungen und Bodenströmungen ins Auge gefasst (Smyth 1980, McConaugha et al. 1983, Epifanio 1988, Epifanio et al. 1984, 1989, Dittel & Epifanio 1982, zit. n. Tankersley 1994).

In vielen Fällen konnte man jedoch nachweisen, dass die Larven in erster Linie den periodisch umkehrenden Gezeitenstrom nutzen. Die Zoëae der Sumpfkrabbe Rhithropanopeus harrisii entwickeln sich beispielsweise im oberen Ästuar nahe der Adultpopulation. Sie halten sich während der Ebbe in Grundnähe auf, steigen aber regelmäßig mit der Flut zur Oberfläche, um den seewärts gerichteten Nettostrom zu kompensieren (Cronin & Forward 1979, 1983, Forward & Cronin 1980). Hingegen beschleunigen die Zoëae der Winkerkrabbe mit einem umkehrten Schwimmrhythmus ihren Export (vgl. DeCoursey 1976, zit. n. DeCoursey 1983).

Bei Aratus pisonii wurde das rhythmische Verhalten der Larven noch nicht untersucht und es fehlen Fangdaten aus dem Freiland. Durch die Arbeit von Schwamborn (1997) ist bekannt, dass sich die Zoëae von pflanzlichem Detritus, aber auch von Diatomeen und Tintinnidae ernähren. Folglich wären diurnale Vertikalwanderungen zur Wasseroberfläche als eine Anpassung an die Ernährungsweise denkbar.

Bisherige Arbeiten zur Schwimmrhythmik brachyurer Larven beziehen sich mit Ausnahme der oben genannten Beispiele auf das Endstadium (z. B. DeVries et al. 1994). Der so genannte flood-tide transport (FTT) ins Ästuar findet generell mit den nächtlichen Flutwellen statt.

Bei der Wanderung flussaufwärts orientieren sich die Megalopae, wie am Beispiel der Schwimmkrabbe Callinectes sapidus gezeigt, chemotaktisch anhand artspezifischer Lock- und Hemmstoffe (Forward et al. 2003). Die Megalopae von semiterrestrischen Krabben wie Uca spec. werden von der Flut schließlich an Land gespült (O´Connor & Ludge 1997, vgl. auch Forward 2001). Liegen auf dem Substrat günstige Reizbedingungen vor, häuten sie sich sehr bald zu juvenilen Krebsen. Andernfalls kehren sie mit dem nächsten Gezeitenzyklus ins Plankton zurück und besiedeln ein neues Substrat. Der Zeitpunkt der Metamorphose (time to metamorphosis, TTM) ist also zu einem gewissen Grade variabel. Da die Larven mit ihrer abschließenden Häutung abrupt zu einer benthischen Lebensform übergehen und ihre hohe Mobilität verlieren, ist diese Flexibilität von enormer Bedeutung.

Pheromone von adulten Artgenossen, habitattypischen Pflanzen, die chemische Zusammensetzung des Wassers und spezifische Biofilme auf dem Substrat können die Metamorphose zahlreicher Arten beschleunigen. Reize von Predatoren wirken wenigstens bei Callinectes sapidus antagonistisch (vgl. z. B. Forward et al. 2001). Von Aratus pisonii sind bisher noch keine Daten vorhanden.

1.3 Untersuchungsziel

Aratus pisonii ist die bekannteste aller Baumkrabben (von Hagen 1977) und im Vergleich zu anderen Vertretern der Grapsidae recht gut untersucht. Demgegenüber steht eine umfangreiche Literatur über rhythmische Verhaltensweisen von Decapoden in welcher die Spezies Aratus pisonii nicht einmal erwähnt wird. Angesichts der langwierigen Feldstudien, die von einigen Autoren unternommen worden sind, ist es überraschend, dass lediglich von Hagen (1977) Beobachtungen beschrieben hat, die auf einen kontinuierlichen Aktivitätsrhythmus hindeuten. Die ökologische Fitness einer litoralen Art hängt aber ganz wesentlich davon ab, wie gut sie auf die periodisch wechselnden Umweltfaktoren zeitlich abgestimmt ist. Diesbezüglich besteht bei Aratus pisonii eine große Wissenslücke und die vorliegende Arbeit möchte auf diesem Gebiet einen Beitrag leisten.

Hierzu wurden folgende Teilaspekte bearbeitet:

Erstens wurde unter kontrollierten Bedingungen untersucht, inwiefern Vertikalwanderungen und Aktivitätsphasen der adulten Tieren durch endogene circatidale oder circadiurnale Rhythmen gesteuert werden. Als Arbeitshypothese wurde angenommen, dass eventuell vorliegende Rhythmen in situ primär der Erschließung bestimmter Nahrungsquellen und der Vermeidung von Fraßfeinden dienen.

Zweitens wurde der Rhythmus der Schwimmaktivität und der Nahrungsaufnahme bei den Larven erfasst. Hierzu wurden folgende (Arbeits)hypothesen aufgestellt:

1) Tidale Vertikalwanderungen steuern den passiven Transport mit den Gezeiten. Das Vorhandensein solcher Rhythmen bei Zoëae I gibt je nach Phasenlage Aufschluss darüber, ob die Art eine Exportstrategie verfolgt oder ob die Larvenentwicklung im Ästuar stattfindet (s. oben).
2) Diurnale Rhythmuskomponenten sind primär als Anpassung an eine bestimmte Nahrungsquelle oder an den Predationsdruck zu deuten.
3) Mit dem Häutungszyklus geht ein weiterer Rhythmus in der Nahrungsaufnahme einher.

Drittens wurde ein Experiment vorbereitet, um die Dauer des Megalopa-Stadiums in Abhängigkeit ausgewählter Reize zu untersuchen. Es wurden Bestandteile der Wirtspflanze (Laubblatt von Rhizophora mangle), Inkubationswasser von adulten Weibchen, ästuarines Wasser und ein künstliches Substrat appliziert.

Viertens wurden Daten von insgesamt N=32 trächtigen Krebsweibchen erhoben, um sie mit bekannten Ergebnissen der Literatur zu vergleichen:

1) Durchschnittliche Anzahl geschlüpfter Larven pro Weibchen in Abhängigkeit zur Größe des Carapax.
2) Vorhandensein und Ausprägung einer semilunaren Laichperiode.

Ebenso wurden von allen Larven-Stadien Zeichnungen angefertigt.

2. Das Untersuchungsgebiet

Die Insel Itamaracá liegt im Nordosten Brasiliens etwa 7,5° südlich des Äquators und ungefähr 49 km nördlich von Recife, der Bundeshauptstadt von Pernambuco. Auf der Karte hebt sie sich kaum von der Küstenlinie des Umlandes ab, da sie nur durch den schmalen Canal de Santa Cruz vom Festland getrennt ist. Der Kanal umläuft die Insel als U-förmiges, nach beiden Seiten offenes System und hat eine Länge von etwa 20 km. Er erhält Zustrom von fünf kleinen Flüssen. Eine Brücke stellt bei Igarassu die einzige Verbindung vom Festland zur Insel her. Bei einer Ausdehnung von 86 km2 ist Itamaracá fast nur an der Ostküste, südlich des Rio Jaguaribe besiedelt. Im Landesinneren birgt sie drei Strafgefangenen-Kolonien, die dort Landwirtschaft betreiben. Die Negativ-Schlagzeilen in den Nachrichten sorgen für eine nur mäßige touristische Erschließung der Insel, was immerhin der heimischen Flora und Fauna zugute kommt: Das Ästuarsystem stellt insgesamt 36 km2 Mangrovenwälder, dominiert von Rhizophora mangle, Laguncularia racemosa und Avicennia spec. (Medeiros & Kjerfve 1993, zit. n. Schwamborn 1997). Nicht weniger als 47 brachyure Arten wurden vorgefunden (Coelho & Ramos-Porto 1995, zit. n. Schwamborn 1997) und neben Copepoden stellen decapode Larven den größten Teil des Mesoplanktons (Schwamborn 1997). Die Wassertemperatur liegt im Kanal bei 28 – 30°C, während die Salinität je nach Regen- oder Trockenzeit zwischen 15 und > 36 variiert (Medeiros & Kjerfve 1993, zit. n. Schwamborn 1997). Die Gezeiten sind streng semidiurnal, bei Springtiden beträgt der Hub 1.4 – 2.2 m und bei Nipptiden 0.5 – 1.1 m (Medeiros & Kjerfve 1993, zit. n. de Almeida e Silva et al. 2003). Zur offenen Meerseite der Insel dominieren Sandstrände, die in ein 0,5 – 2 m flaches Becken übergehen, das in ca. 6 km Entfernung von einer Rifflinie begrenzt wird. Der Sandgrund vor dem Riff ist fleckenhaft von Seegras (Halodule wrightii) bewachsen, jenseits des Riffs bestimmen Kalkalgen (Halimeda sp.) die Substratbildung (Kempf et al. 1970, zit. n. Schwamborn 1997). Exportierte Wassermassen aus dem Canal de Santa Cruz reichen etwa bis zur Rifflinie heran und lassen sich anhand ihrer Trübung und der transportierten Laubblätter an der Gezeitenfront klar von dem Einflussbereich des Südäquatorialstroms unterscheiden (Schwamborn 1997).

Die Probenahme erfolgte nahe der biologischen Station der UFPE, die sich mehr als einen Kilometer weit im Landesinneren befindet. Die nähere Umgebung ist durch Salzmärsche und Mangrovensümpfe geprägt und früher hatte dort eine künstliche Bewässerung von Aquakulturen stattgefunden. Ein schmaler, befestigter Deich, der in regelmäßigen Abständen von engen Schleusen unterbrochen ist, führt in das Gebiet hinein. Während der umfangreichen Begehungen konnten immer wieder Vertreter folgender brachyurer Spezies angetroffen werden: Uca spec., Ucides cordatus, Goniopsis cruentata und Aratus pisonii. Die Verteilung dieser war jedoch fleckenhaft. Winkerkrabben (z. B. Uca thayeri, Abb. 2-7) siedelten sehr zahlreich in den künstlich angelegten, kahlen Sedimentbecken, bei Flut hielten sie sich sogar außerhalb des Überschwemmungsgebietes auf den Feldwegen zur biologischen Station auf. Die räuberische große Mangrovenkrabbe (Goniopsis cruentata) wurde hier und da an den steilen Beckenrändern im Schutze der Gras-Vegetation angetroffen. Ein besonders hohes Aufkommen dieser Art wurde unmittelbar an einem Bewässerungskanal entdeckt, der von buschartigen, lichten Mangrovenbeständen umgeben war. Einzelne Exemplare saßen auch regelmäßig an den Mauern der Schleusen.

Über den Deich erreichte man den eigentlichen Ort der Probennahme: Einen kleinen Abschnitt des Mangrovenwaldes, durch den bei Niedrigwasser ein seichter, wenige Meter breiter Gezeitenkanal senkrecht zur Schleuse verlief. Das Ufer diese Ebbeflusses war von dichten Beständen der roten Mangrove Rhizophora mangle umgeben und bei zahlreichen Bäumen war das Stammwurzelwerk vollständig im Sediment eingesunken (s. Abb. 2-3).

Inkrustierungen der Rinde durch filamentöse Algen waren nicht auffällig, die Makro-Epifauna wurde von Seepocken (Cirripedia) dominiert.

Die Baumkrabbe Aratus pisonii (Abb. 2-5) war im Probenahmegebiet recht abundant. Andere Brachyuren-Arten wurden dort weniger häufig gesichtet: Mitunter hielten sich im oberen Wurzelbereich oder an den unteren Ästen einige kleinere Exemplare von Goniopsis cruentata (Abb. 2-4). Nur wenige Male tauchte Ucides cordatus auf den höher gelegenen Bodenflächen auf (Abb. 2-6).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

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3. Material und Methoden

3.1 Arbeitsmittel

a) Laborumgebung

Die Versuche fanden in den Sommermonaten vom 21. Dezember 2003 bis zum 27. März 2004 an der Universidade Federal de Pernambuco (UFPE), Brasilien statt. Im Departamento de Oceanografia wurde mir freundlicherweise ein eigenes Labor im Zooplankton -Gebäude zur Verfügung gestellt. Es handelte sich um einen etwa 14 m2 großen unklimatisierten Raum, dessen Fenster etwa zur Nordseite war. Die natürliche Lichtperiode betrug ca. 12,5 : 11,5 Stunden mit Sonnenaufgang kurz nach 5:00 und Sonnenuntergang kurz nach 17:30 Uhr Ortszeit. Bis spätestens 20:00 Uhr wurde mit elektrischer Raumbeleuchtung gearbeitet. Die vorherrschende Temperatur betrug bei Tage 29-30°C, während der außergewöhnlich starken Regenfälle im Januar fiel sie jedoch zeitweise auf 26°C ab. Entsprechend des tropischen Klimas bestand generell eine hohe Luftfeuchte.

Das Labor war mit einer weiß gekachelten Arbeitsfläche ausgestattet, auf der zahlreiche Kulturgefäße in beliebiger Entfernung zum Fenster aufgestellt werden konnten. Ein Teil des Standregals wurde mit schwarzer Plastikplane abgedeckt, um darin ein vom übrigen Raum abgetrenntes, künstliches Lichtmilieu zur Aufzucht von Artemien zu erzeugen (s. Abschnitt 3.3-a). Fließendes Wasser war vorhanden, jedoch wurden die verwendeten Kulturgefäße immer mit Meerwasser oder Mineralwasser nachgespült.

b) Meerwasservorrat

Die Hälterung der adulten Krebse und der Larven wurde zunächst in filtriertem offshore -Meerwasser betrieben und die Salinität war auf 32 – 33 eingestellt.

Das Wasser war vor dem ehemaligen Hafengebiet Porto de Galinhas entnommen worden, einem bekanntermaßen sauberen Küstenabschnitt ca. 50 km südlich von Recife. Unmittelbar vor Ort hatte man das Wasser gefiltert und mit Chlor versetzt. Es wurden keine Antibiotika zugefügt. Auf dem Universitätsgelände wurde der Vorrat über Monate in offenen Tanks unter freiem Himmel gelagert, wo das Chlor abdampfen konnte und die Salinität durch Evaporation auf einen Wert von 80 anstieg. Vor Verwendung wurde das Meerwasser ein zweites Mal durch ein Kartuschenfilter (2 µm) gepumpt und entweder mit Aqua dest. oder mit Mineralwasser verdünnt. Dabei wurde die genaue Salzkonzentration mithilfe eines Conductiometers eingestellt. Zur weiteren Lagerung über maximal drei Wochen wurden 40l-Polykarbonat-Tanks oder Mineralwasser-Plastikbehälter genutzt.

Unglücklicherweise war der gesamte außen gelagerte Meerwasservorrat ab dem 6. Februar unbrauchbar geworden – man hatte versäumt, den Tank vor den starken Regenfällen abzudecken. Als Notbehelf wurden bis zum Ende der Versuche alle weiteren Vorräte vom städtischen Strand Boa Viagem vor dem Riff entnommen und auf eine konstante Salinität von 30 – 31 eingestellt. Zunächst wurde das Wasser nur durch ein 50 µm Sieb gegeben und maximal über drei Tage gelagert. Die erste Probe war am 6. Februar etwa 3½ Stunden nach einer abendlichen Springflut entnommen worden, die zweite am 9. Februar etwa eine Stunde nach Ebbe und die dritte am 12. Februar wieder drei Stunden nach der Flut.

Aufgrund der vorliegenden Erfahrung mit der schwankenden Wasserqualität erfolgte die endgültige Entnahme am 4. März abermals etwa 3½ Stunden nach der Springflut. Das Meerwasser wurde am folgenden Tag filtriert (2 µm) und bis zum Abschluss der Versuche in Polykarbonat-Tanks gelagert. Am 18. März wurde zusätzlich ein Chlor- und silberionenhaltiges Präparat der Marke certisil ® (Peter Gelshäuser GmbH) in der zur Trinkwasser-Entkeimung empfohlenen Dosis beigesetzt.

c) Allgemeine Arbeitsmittel

Für die Hälterung der Tiere wurden verschiedene Gefäße aus Glas oder aus Kunststoff eingesetzt, davon wurden einige Behälter für bestimmte Versuche mit 100%-igem Silikon verklebt. Diese werden weiter unten im Kontext mit den einzelnen Methoden noch genau beschrieben. Alle Behälter aus Kunststoff oder mit Silikonverklebungen wurden vor Verwendung mindestens 48 Stunden in Leitungswasser inkubiert. Allgemein wurde wenigstens zeitweise mit künstlicher Belüftung gearbeitet. Hierzu standen Aquarien-schläuche mit ca. 4 mm Innendurchmesser und entsprechende Pumpen zur Verfügung. In die Enden der Schläuche wurden Kunststoffröhrchen geschoben (abgeschnittener Schaft von Einweg-Pipetten), wahlweise mit 3,5 mm Austrittsöffnung oder auf 1,5 mm Durch-messer verjüngt. Die Gefäße wurden generell mit je einem Schlauch vom unteren Rand aus belüftete und eine Pumpe genügte für drei Behälter. Per Ventil wurde der Luftstrom so reduziert, dass die austretenden Luftblasen noch einzeln abzählbar waren und nur eine geringe Turbulenz entstand. Nach Schwamborn (mündliche Mitteilung) war dies ein günstiger Erfahrungswert, der nicht genauer quantifiziert wurde.

Im benachbarten Laborraum standen Zeiss-Binokulare bereit. Für alle Fotoaufnahmen im Freiland und im Labor wurde eine Digitalkamera der Marke Canon PowerShot A70 verwendet. Um Bilder von Larven unter Vergrößerung zu machen, wurde das Kamera-objektiv direkt vor das Okular gehalten.

Für bestimmte Versuche wurden automatische Fotoserien über einen langen Beobach-tungszeitraum angefertigt. Dazu wurde die Digitalkamera über Kabel an einen Laptop-Computer angeschlossen (ECS Desknote A929) und mithilfe der mitgelieferten Software (Canon Utilities ZoomBrowser EX 4.1) programmiert. Zur Stromversorgung der Kamera wurde ein 12V-Schaltnetzteil (1,5 Ampere) in Kombination mit einem provisorisch aufgebauten Längsregler (4,3V) eingesetzt.

Alle elektronischen Geräte wurden sicherheitshalber über spezielle Stabilisatoren mit 115V Ausgangsspannung am Lichtnetz betrieben (Estabilizador eletronic SD 300E, Fa. Ragtech). Leider war kein Gerät mit eingebautem Notstromakkumulator oder wenigstens ein Laptop-Akku verfügbar.

Zur automatischen Zählung von Aratus -Larven und Artemia -Nauplien wurde vor Ort ein spezielles Gerät entwickelt, das im folgenden Abschnitt beschrieben wird. Alle weiteren Arbeitsmittel, die nur für bestimmte Versuche verwendet wurden, werden erst im Zusammenhang genannt.

d) Automatischer Zähler für Planktonorganismen

Die Dichte der Zoëae und der Futtertiere in den Kulturgefäßen war im Vorversuch aus Stichproben geschätzt worden. Dies hatte sich als eine mühevolle und zeitaufwendige Arbeit erwiesen, die zudem nur unzureichende Ergebnisse geliefert hatte.

Als Alternative wurde mit mehr oder weniger provisorischen Mitteln vor Ort eine Apparatur zur automatischen Zählung der Planktonorganismen entwickelt, die ab dem 15. Januar einsatzfähig war. Die Methode basiert auf dem Prinzip, die zu zählenden Organismen einzeln durch eine Infrarot-Lichtschranke laufen zu lassen. Hierzu wurde eine Einweg-Pasteurpipette eingesetzt, deren Schaftende sich auf einen Durchmesser von ca. 1 mm verjüngt. Über einen Aquarienschlauch (Innendurchmesser 4 mm) wurden die Organismen per Unterdruckstrom in die Glas-Pipette geleitet.

In der Praxis wurde das Kulturgefäß mit den zu zählenden Larven auf einem Laborhocker auf der Arbeitsfläche hochgestellt. Über dem Auffanggefäß wurde der Infrarotsensor an einem Metallständer befestigt. Der Sensor war über abgeschirmtes Kabel an einer kompakten Verstärker/Digitalzähler-Einheit angeschlossen. Schlauch und Pipette – beides über eine Kupplung fest miteinander verbunden – wurden vor dem Einsatz mit Leitungswasser gefüllt, der Schlauch in der Mitte abgeknickt und der Pipettenschaft in eine dafür vorgesehene Durchbohrung in den Strahlgang der Lichtschranke geschoben. Dann wurde das freie Schlauchende in die Kulturlösung gehalten und der Knick gelöst. Durch die bestehende Höhendifferenz baute sich ein langsamer, stetiger Unterdruckstrom auf. Eine wandernde Luftblase zeigte ziemlich genau an, ab wann das gesamte Leitungswasser durchgelaufen war. Dieser erste Ausfluss wurde stets verworfen.

Um das Auffanggefäß zu wechseln, wurde der Strom durch Abknicken des Schlauchs kurz unterbrochen und der Zähler per Reset-Taste auf Null gesetzt. Auf diese Weise ließen sich Organismen portionsweise abzählen. Sollten alle im Kulturgefäß befindlichen Larven erfasst werden, waren die letzten stets mithilfe der Spritzflasche nachzuspülen, bevor der Schlauch Luft ansaugte.

Der Laboraufbau des Plankton-zählers ist auf dem nebenstehenden Foto (Abb. 3-1) zu sehen. Zur schnellen und sicheren Befestigung des Sensors, der Pipette und des Schlauchs, sowie zum Abklemmen des Schlauchs haben sich Wäsche-klammern bewährt. Die Elektronik wurde über ein 9V-Schaltnetzteil und einen Netzspannungsstabilisator betrieben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3-1: Elektronische Zählung von Artemia -Nauplii

Larven von Aratus Pisonii wurden mit einem zusätzlichen Schlauch (Durchmesser 1 mm), der über die Pipettenspitze geschoben wurde, schonend ins Auffanggefäß geleitet (im Bild nicht zu sehen).

Beim Zählen von Artemia -Nauplii war auf eine nicht zu hohe Dichte im Kulturgefäß zu achten, um die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, dass zwei Larven gleichzeitig in die Lichtschranke eintraten und nur einen Zählimpuls auslösten.

Die Kulturlösung wurde zudem durch Umrühren mit dem Glasstab immer wieder homogenisiert, und zwar insbesondere dann, wenn tote Nauplii gezählt wurden. Luftblasen verursachten immense Fehler, sie ließen sich jedoch durch entsprechende Handhabung leicht vermeiden.

Vor dem routinemäßigen Einsatz des Gerätes wurde die Genauigkeit der Messung mit lebenden Artemia -Nauplii getestet: In den Proben A und B waren die Larven anfangs auf 100 ml Meerwasser konzentriert. Um die Individuenzahl abzuschätzen wurden unter ständigem Homogenisieren mit einer Kolbenspritze je 7 Stichproben á 2 ml bzw. 1 ml entnommen (s. Tab. 3-1). Danach folgten jeweils zwölf Durchläufe im Planktonzähler, wobei das Lösungsvolumen schrittweise erhöht wurde (Tab. 3-2).

Bei einer Individuendichte von maximal 5,6 Nauplii / ml (Probe A) waren die elektroni-schen Messungen sehr gut reproduzierbar, Abweichungen vom Mittelwert lagen unter 3.2 %. Erst ab 20 Nauplii / ml wurden tendenziell deutlich geringere Werte gemessen

(Probe B).

Tab. 3-1: Die Anzahl der enthaltenen Nauplii in den Proben A und B durch Stichproben-Hochrechnung

geschätzt. Angabe der Standardabweichung (Stw) in Prozent.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 3-2: Elektronische Zählung der Proben A und B, zwölf Male wiederholt.

Angabe mit prozentualer Abweichung (Abw.) vom Mittelwert (MW), sowie prozentuale Standard-

abweichung (Stw). Das Probevolumen (Vol) hatte sich nach jedem Durchlauf erhöht, da mit der Spitzflasche nachgespült worden war.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Laufe der Versuche hatte sich herausgestellt, dass die Zysten von Artemia salina anfangs wesentlich länger inkubiert worden waren, als sie zum Schlüpfen benötigt hatten (s. Abschnitt 3.3.1 b). Mit gerade geschlüpften Nauplii funktionierte die elektronische Zählung nicht mehr einwandfrei. Wurden die Larven am folgenden Tag nochmals gezählt, lag der Messwert nämlich um 20 – 30 % höher. Insofern eignete sich die Methode später nur noch zum ungefähren Abschätzen der Futtertiermenge. Larven von Aratus pisonii, die beim Durchlaufen mit dem bloßen Auge gut zu erkennen waren, lösten hingegen einwandfreie Zählimpulse aus.

Nachfolgend wird die Apparatur in der Form beschrieben, wie sie für die vorliegenden Versuche eingesetzt wurde. Inzwischen liegt allerdings ein verbesserter Entwurf des Elektronikverstärkers für genauere Messungen bei schwachen optischen Signalen vor.

Aufbau der Anlage im Detail:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3-2: Elektronisches Zählrohr schematisch.

Das Schema in Abb. 3-2 zeigt den Aufbau des Zählrohrs: Ein Holzblock (e) der Abmessung 22 x 35 x 10 mm dient dem mechanischen Zusammenhalt der einzelnen Elemente. IR-Sender (f) und -Empfänger (g) sind links und rechts in die Öffnungen eines waagerechten Gangs eingelassen. Die Pipette (a) wird durch einen senkrechten Gang eingeführt, der oben und unten von Kunstoffmanschetten (d) um-kleidet ist, um den zerbrechlichen Schaft zu schützen und im Strahlgang der Lichtschranke zu zentrieren. Über eine Schelle (h) wird der Sensor am Metallständer befestigt und der Pipettenhals durch eine zusätzliche Wäsche-klammer gesichert. Der Aquarienschlauch (b) ist durch ein breiteres Schlauchstück (c) fest mit dem Pipettenhals verbunden.

Elektronikverstärker:

Die elektronische Schaltung wurde mit Standard-Bauteilen auf Lochrasterplatinen aufgebaut und in ein handliches Kunststoffgehäuse eingebaut. Prinzipiell besteht sie aus einem differenzierenden Analogverstärker und einem digitalen Zähler. Der Verstärker reagiert auf minimale Helligkeitsunterschiede, wie sie beim Abdunkeln des IR-Empfängers durch durchlaufende Partikel entstehen und generiert beim Überschreiten eines festen Schwellwertes den Zählimpuls. Durch Einstellung des Verstärkungsfaktors von 1 bis ca. 140-fach ist die Empfindlichkeit stufenlos regelbar.

Abb. 3-3 (folgende Seite) zeigt den kompletten Schaltplan der Anlage:

Der Fototransistor T1 und die IR-Diode D3 bilden die Lichtschranke, beide Elemente werden über die RC-Netzwerke (R5/C3 und R3/C10) mit entstörter Betriebsspannung versorgt. Das Ausgangssignal der Lichtschranke liegt gleichspannungsmäßig entkoppelt (RC-Glied R14/C5) am Eingang des nicht-invertierenden, regelbaren Verstärkers (IC5c) an. Zum korrekten Betrieb des Verstärkers erzeugt IC5b eine virtuelle Masse bei halber Betriebsspannung (Spannungsteiler R1/R2). Das RC-Glied R9/C4 unterdrückt hochfrequentes Rauschen am Verstärkerausgang und die nachfolgende Schmitt-Triggerschaltung (IC5d) generiert ein digitales Ausgangssignal für den Zähler.

Durch den Einsatz von hochintegrierten Standard-CMOS-Bausteinen ist der Aufbau des Zählers sehr übersichtlich. Da der CD 4033 bereits über alle wichtigen Funktionen wie Reset und Nullstellen-Unterdrückung, sowie über einen 7-Segment-Decoder und Anzeige-treiber verfügt, sind keine weiteren aktiven Elemente erforderlich. In der vorliegenden Schaltung sind vier CD 4033 (IC1 – IC4) mit vier 7-Segment-Würfeln (LD1 – LD4, betrie-ben über Vorwiderstände R15 – R42) zu einem 4-stelligen Zähler kaskadiert. Parallel zum Reset-Schalter (S2 in Kombination mit R4) befindet sich ein Kondensator (C2), der die Anzeige beim ersten Einschalten automatisch auf Null zurücksetzt.

Um Rückkopplungseffekte zwischen der analogen und der digitalen Schaltung zu dämpfen, werden beide Teile über eigene Gleichrichterdioden und Entstörkondesatoren (D1, C6/C8 bzw. D2, C7/C9) mit der 9V-Betriebsspannung versorgt. Zudem ist der Verstärker auf einer eigenen, mit Weißblech abgeschirmten Platine aufgebaut.

Abb. 3-3: Schaltplan des elektronischen Zählrohrs. Zur näheren Erläuterung siehe Text

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.2 Untersuchung adulter Weibchen

a) Probenahme und Hälterung

Insgesamt fünf Stichproben wurden in unregelmäßigen Zeitabständen aus dem Untersu-chungsgebiet entnommen. Da Arbeitszeit, Aufnahmekapazität und vor allem der Wasservorrat im Labor beschränkt waren, wurden folgende Kompromisse eingegangen: Von Aratus pisonii wurden ausnahmslos weibliche Tiere gefangen, von denen jedes offensichtlich voll entwickelte Eier trug. Die Stichprobengröße wurde gering gehalten. Die Termine der letzten beiden Probenahmen wurden unmittelbar vor Neumond bzw. Vollmond gelegt, um möglichst rasch frisch geschlüpfte Zoëae zu erhalten.

Die Zusammenstellung der Stichproben sah wie folgt aus:

- 1. Fang: 12. Dezember 2003; N=3 Individuen
- 2. Fang: 9. Januar 2004; N=6 Individuen

(davon 5 Exemplare infolge des Transports eingegangen)

- 3. Fang: 13. Januar 2004; N=7 Individuen
- 4. Fang: 3. März 2004; N=5 Individuen
- 5. Fang: 18. März 2004; N=18 Individuen

Mit dem letzten Fang wurden zusätzlich 3 Exemplare Uca thayeri (zwei ♂♂, ein ♀), sowie zwei Goniopsis cruentata (ein ♂, ein trächtiges ♀) zu reinen Beobachtungszwecken ins Labor gebracht.

Alle Probenahmen fanden am Tage und bei Niedrigwasser statt. Die Krebse wurden einzeln mit der Hand gefangen und zusammen mit einigen Mangrovenzweigen und wenigen 100 ml Ästuarwasser in den Transportbehälter (ab dem 3. Fang: 1,5l-Thermoskanne) gesetzt. Von der lebenden Pflanze Rhizophora mangle wurden weitere ältere, blattlose Zweige abgebrochen, um den Tieren im Labor ein natürliches Klettersubstrat zu bieten. Mit Ausnahme des 2. Fangs, der erst über Umwege nach mehrstündiger Fahrt im Labor eingetroffen war, hatten alle Krebse den Transport selbst in hoher Dichte problemlos überstanden.

Zur Hälterung der adulten Aratus Pisonii wurden klare zylindrische Kunststoffbehälter von 2,3 Liter Volumen und ca. 30 cm Höhe benutzt. Generell kamen in jeden Behälter zwei Weibchen, ca. 800 ml filtriertes Meerwasser und zwei (über Kreuz aufgestellte) Kletterzweige. Die Behälter wurden mit einer mehrfach durchlöcherten, starken Klarsichtfolie verschlossen und per Schlauch (3,5 mm Schaftende) und Pumpe vom Boden aus belüftet. Normalerweise wurde das Wasser täglich gewechselt sowie der Behälter, der Schlauch und die Zweige mit Leitungswasser gespült. Etwa alle drei Tage erhielten die Krebse Fischfutter (Zierfischflocken Marke Artemia, vom einheimischen Aquarien-Handel bezogen), das, mit Wasser zu einer Paste vermengt, auf die Zweigspitzen gegeben wurden.

Täglich wurde morgens und, wenn möglich in den späten Abendstunden abermals nach frisch geschlüpften Larven geschaut. Waren Larven vorhanden, wurden diese sofort in einen anderen belüfteten Behälter mit frischem Meerwasser überführt. Hierzu wurde entweder eine weitlumige Pipette oder ein Schlauch nach dem Unterdruckprinzip ein-gesetzt (vgl. Abschnitt 3.3.1 a), wobei darauf geachtet wurde, dass am Boden abgesetzte Fäkalien, Futterreste und Pflanzenbruchstücke nicht mit transportiert wurden.

Die Gesamtzahl geschlüpfter Larven wurde schließlich durch elektronische Zählung bestimmt (bzw. beim 1. Fang aus einer Stichprobenhochrechnungen) und die Carapaxgröße (Länge x Breite) des Muttertiers mit dem Lineal vermessen.

b) Aktivitätsrhythmen

Über einen Zeitraum von etwa einem Monat wurden N=6 adulte Weibchen (aus dem 3. Fang) unter kontrollierten Bedingungen gehalten und in zwei aufeinander folgenden Messreihen alle 10 Minuten fotografiert. Im ersten Experiment waren die Tiere dem Rhythmus des natürlich einfallenden Tageslichtes unterworfen. Im zweiten Versuch wurde bei kompletter Verdunkelung des Raums mit einer konstanten Dämmerlichtquelle gearbeitet. Pro Fotoserie wurden nach einem standardisierten Verfahren drei (bzw. vier) Messparameter ausgewertet, die weiter unten beschrieben sind.

Zur Durchführung der Experimente wurde in Privaträumen ein zusätzliches Labor eingerichtet, das mit fließendem Wasser ausgestattet war und für keine anderen Zwecke benutzt wurde:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3-4: Labor zur Untersuchung der Aktivitätsrhythmen adulter Aratus pisonii.

(Zur Erläuterung s. unten)

Die N=6 trächtigen Aratus -Weibchen wurden (in oben beschriebener Weise) in drei Kulturbechern (a) gehalten, die dicht unter dem Fenster (b) in einer Reihe auf dem weiß gefließten Fußboden aufgestellt waren. Das Fenster war nach Nordost gerichtet und bis auf die Oberlichter mit hellblauer durchscheinender Folie beklebt. Auf die Krebse fiel also nur gedämpftes Tageslicht. Je nach Versuchsbedingung (s. unten) wurde als Tageslichtersatz entweder der indirekte Schein einer LED-Taschenlampe (d) oder ein 40 Wattstrahler mit einem ¼ der Leistung (e) eingesetzt. Die Kamera (f) war in knapp 2 m Entfernung unmittelbar neben dem Raumeingang aufgebaut. Dies hatte den Vorteil, die Versuchstiere möglichst wenig zu stören, wenn der Apparat nach einem Stromausfall neu einzuschalten war. Alle übrigen Kameraeinstellung konnten vom Nachbarraum aus am Laptop-Computer (g) vorgenommen werden. Generell wurde in maximaler Tele-Einstellung des Objektivs (105 mm), 1.6-fachem Digitalzoom und ISO-Empfindlichkeit 400 formatfüllend fotografiert.

Die erste Messreihe wurde etwa 30 Stunden nach dem Fang und Transport der Tiere am 15. Januar um 0:00 Uhr begonnen und dauerte 9 volle Tage. Um bei Nacht genügend Restlicht für die Fotoaufnahmen zu erhalten, wurde der indirekte Schein der LED-Taschenlampe (d) genutzt. Die Lampe (Hersteller IWT, Bezug Conrad Elektronik) strahlte ein kalt temperiertes, weißes Licht aus, das von der hellen Wand reflektiert wurde. Direkter Lichteinfall wurde durch einen Vorhang (c) abgedämpft. Eine Kameraeinstellung mit 15 sec. Verschlusszeit und Blende 4.8 (maximal mögliche Öffnung im Tele-Ende) lieferte gerade noch ausreichend erkennbare Bilder. Die Lampe wurde jeweils zu Sonnenuntergang (17:35 Uhr) und Sonnenaufgang (5:15 Uhr) ein- und ausgeschaltet und die Kamera entsprechend für den Betrieb bei Tageslicht auf Blenden- und Verschlussautomatik umgestellt. Außerdem wurde der Raum ein- bis zwei weitere Male pro Tag betreten, um nach geschlüpften Larven zu schauen bzw. das Wasser zu wechseln. Der Wasserwechsel und die Fütterung wurden regulär jedoch nur jeden zweiten Tag vorgenommen. Durch zügiges Umsetzten der Krebse in vorbereitete Behälter dauerte die Prozedur weniger als 10 Minuten.

Die zweite Messreihe wurde nach einer dreitägigen Pause am 27. Januar um 0:00 Uhr begonnen und lief über 13½ Tage. Wenige Stunden zuvor waren Fenster und Türspalt mit einer doppelten, schwarzen Plastikplane verklebt worden. Als alleinige Lichtquelle wurde ein 40 Wattstrahler (Osram 40W Spot R63 E27/ES) eingesetzt. Die Lampe wurde über den Netzspannungsstabilisator mit halber Betriebsspannung (115V) versorgt, nahm also wenig mehr als ein ¼ der vorgesehenen Leistung auf. Sie erzeugte ein warmes, orange-rotes Dämmerlicht, das für gut erkennbare Fotos und die notwendigen Arbeiten beim Wasserwechsel ausreichte. Die Kamera wurde mit 6 sec. Verschlusszeit und Blende 4.8 betrieben.

Der Wasserwechsel wurde stets um 0:00 Uhr, und zwar in wachsenden Zeitabständen, erst nach zwei, dann alle drei und zuletzt nur noch nach vier Tagen vorgenommen. Außerdem wurden die Behälter ab dem 6. Tag nicht mehr belüftet.

Anhand des Fotomaterials wurden zu jeder Messreihe folgende Parameter ausgewertet:

- Positionswechsel /h: Auf sechs Fotos pro Stunde wurde gezählt, wie viele Krebse ihre Position um mindestens eine Carapaxbreite gegenüber dem vorhergehenden Foto geändert hatten. Die Summe wurde entsprechend der Individuenzahl durch 6 geteilt, somit beträgt der maximal mögliche Messwert 6 Positionswechsel pro Stunde.
- Wasseraufenthaltszeit /h: Auf sechs Fotos pro Stunde wurde gezählt, wie viele Krebse teilweise (z. B. mit den Extremitäten) oder ganz im Wasser eingetaucht waren. Bei sechs Krebsen pro Foto wurde die höchst mögliche Summe 36 schätzungsweise einer Wasseraufenthaltszeit von 100% gleichgesetzt.
- Zweigspitzenaufenthaltszeit /h: Auf sechs Fotos pro Stunde wurde gezählt, wie viele Krebse, die feste Markierung (Gummiband) im oberen 1/5 der Behälter überschritten hatten. Die maximal mögliche Summe 36 wurde schätzungsweise mit einer Zweigspitzenaufenthaltszeit von 100% gleichgesetzt.

Bei der zweiten Messreihe (Konstantlicht) hatte die Auswertung der Wasseraufenthaltszeit nur geringe Werte ergeben. Für die statistische Zeitserien-Analyse (s. Abschnitt 3.4.2 c) wurde daher alternativ der Aufenthalt in Wassernähe /h bestimmt, dessen Grenzkriterium mit einer maximalen Entfernung von ca. 1 cm zur Wasseroberfläche weniger eng definiert war. Außerdem wurde dieser Parameter für jeden der drei Behälter einzeln berechnet.

[...]


[1] Die zweite Spezies Aratus elegans, Verbreitungsgebiet Westafrika, wird in der älteren Literatur noch als Sesarma elegans aufgeführt (vgl. Burggren & McMahon 1988).

[2] Bisher wird in der Literatur erst von einem Vogelangriff auf Aratus berichtet: Ein weißer Ibis (Eudocimus albus) hatte den Krebs bei Ebbe vom Boden aus ergriffen (Beever et al. 1979).

[3] Bei einer Population auf Trinidad hat von Hagen (1977) im Laufe eines Tages bereits einen tidalen Aktivitätsrhythmus beobachten können, der mit der Verwertung dieser Nahrungsquelle einhergeht.

[4] Nach Forward (1987) wird der Zeitpunkt des Schlüpfens wahrscheinlich bei den meisten semiterrestrischen Arten vom Muttertier und nicht von den Larven kontrolliert.

Ende der Leseprobe aus 147 Seiten

Details

Titel
Beiträge zur Ökologie der Baumkrabbe Aratus pisonii in den Mangroven von Itamaracá, Nordbrasilien
Untertitel
Anpassung des Verhaltens an den Gezeitenwechsel und die Tageslichtperiode
Hochschule
Universität Bremen  (Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT) Bremen)
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2004
Seiten
147
Katalognummer
V78814
ISBN (eBook)
9783638815055
ISBN (Buch)
9783638822831
Dateigröße
4809 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Beiträge, Baumkrabbe, Aratus, Mangroven, Itamaracá, Nordbrasilien
Arbeit zitieren
Christoph Schmitt (Autor:in), 2004, Beiträge zur Ökologie der Baumkrabbe Aratus pisonii in den Mangroven von Itamaracá, Nordbrasilien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78814

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