„Der was der selbe valke, den si in ir troume sach,
den ir besciet ir muoter. wie sêre si daz rach
an ir næhsten mâgen, die in sluogen sint!
durch sîn eines sterben starp vil maneger muoter kint.“
Mit diesen Versen endet die erste Aventiure des Nibelungenlieds, nachdem die Protagonisten am Burgundenhof vorgestellt worden sind und der Erzähler mit dem Kriemhildschen Falkentraum die Katastrophe des Untergangs bereits sehr früh andeutet. Da man das Motiv der Rache als für das ganze Epos handlungskonstitutiv bezeichnen kann, nimmt die Figur des Sîvrit darin eine zentrale Stellung ein, ja ist sogar der ganze erste Abschnitt des Lieds engstens mit Sîvrit verbunden, denn ohne seine Ermordung wären die Rache Kriemhilds und der Untergang der Nibelungen nicht möglich.
Nachdem die erste Aventiure die Hauptpersonen am Königshof zu Worms eingeführt hat, wechselt der Schauplatz im folgenden Kapitel nach Xanten an den Niederrhein und der Erzähler stellt die Angehörigen der dortigen Königsfamilie vor. Während dort neben König Gunther und seinen Blutsverwandten auch die Inhaber der wichtigsten Hofämter vorgestellt werden, die als Protagonisten wichtige handlungstragende Elemente des NL darstellen, bleibt die Sphäre des niederländischen Königreichs im weiteren Handlungsverlauf weitgehend unberührt. Sîvrit wird gleichsam aus jener herausgehoben, seine Person dominiert den ersten Abschnitt des NL bis zu seiner Ermordung in der 16. Aventiure und m.E. auch darüber hinaus.
In dieser Arbeit möchte der Verfasser den Aufbau der Sîvrit-Figur in den ersten Aventiuren untersuchen, wobei der Fokus in erster Linie auf die beiden Jugendgeschichten in der zweiten bzw. dritten Aventiure gerichtet werden soll. Der Befund (soweit es dabei überhaupt möglich ist, zu objektivierbaren Erkenntnissen zu gelangen) wird sich in erster Linie auf narratologische Beobachtungen stützen; zusätzlich soll auf die teilweise konträren Positionen der Forschung zu diesem Thema zurückgegriffen werden. Es gilt herauszuarbeiten, welche Bedeutung der Gestaltung der Sîvrit-Figur für den Aufbau des Nibelungenlieds zukommt und dabei auch die Eigenheiten dieses schwierigen Werks angemessen zu würdigen. Besonderes Interesse finden hierbei verschiedene Schichten des Textes, aus deren Verflochtenheit eine charakteristische, faszinierende Spannung zwischen höfischen Erzählelementen und mythischem Sagengut in der Zeichnung der heroischen Siegfried-Figur resultiert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die zwei grundverschiedenen Geschichten von Sîvrits Jugend und ihre narratologischen Eigenheiten
- Der Bericht des Erzählers in der 2. Aventiure: behütete Erziehung in der 'höfischen Welt zu Xanten
- Hagens 'niuwemære` - Sîvrits Heldentaten in der 'archaischen` Welt der Nibelungen
- Die narrativen Eigenheiten
- Zur 'mythischen Kausalität` in Hagens Jugendbericht
- Die Dichotomien 'Mündlichkeit – Schriftlichkeit`, 'höfisch – archaisch`, 'literarische Mode\nliterarisches Erbe`
- Exkurs: Zu den Heldenbezeichnungen im Nibelungenlied
- Sîvrits Ankunft am Burgundenhof
- Sîvrits übermüete und die Folgen
- Beilegung des Konflikts
- Das Spiel mit literarischen Modellen: Höfischer Roman und Minnesang
- Resümee
- Bibliographie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Aufbau der Sîvrit-Figur in den ersten Aventiuren des Nibelungenlieds, wobei der Fokus auf die beiden Jugendgeschichten in der zweiten und dritten Aventiure liegt. Die Analyse stützt sich in erster Linie auf narratologische Beobachtungen und betrachtet die teilweise konträren Positionen der Forschung. Ziel ist es, die Bedeutung der Gestaltung der Sîvrit-Figur für den Aufbau des Nibelungenlieds herauszuarbeiten und dabei die Eigenheiten dieses schwierigen Werks angemessen zu würdigen.
- Die zwei verschiedenen Versionen von Sîvrits Jugendgeschichte und ihre narratologischen Besonderheiten
- Die Dichotomien 'Mündlichkeit – Schriftlichkeit', 'höfisch – archaisch', 'literarische Mode – literarisches Erbe' im Kontext der Sîvrit-Figur
- Die Rolle der Erzählinstanzen und die Bedeutung des 'Sagenwissens' für den Aufbau der Sîvrit-Figur
- Die Beziehung zwischen Sîvrit und den Burgunden und die Folgen seiner Übermüte
- Das Spiel mit literarischen Modellen im Nibelungenlied und deren Bedeutung für die Gestaltung der Sîvrit-Figur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung, die die zentrale Rolle der Sîvrit-Figur im Nibelungenlied hervorhebt und die Zielsetzung der Arbeit sowie den Fokus auf die beiden Jugendgeschichten in den ersten Aventiuren festlegt.
Im ersten Kapitel werden die zwei grundverschiedenen Geschichten von Sîvrits Jugend und ihre narratologischen Eigenheiten vorgestellt. Der Bericht des Erzählers in der zweiten Aventiure beschreibt Sîvrits behütete Erziehung in der 'höfischen Welt zu Xanten', während Hagens 'niuwemære` in der dritten Aventiure Sîvrits Heldentaten in der 'archaischen` Welt der Nibelungen schildert. Dabei werden die narrativen Eigenheiten der beiden Geschichten, die 'mythische Kausalität` in Hagens Jugendbericht und die Dichotomien 'Mündlichkeit – Schriftlichkeit', 'höfisch – archaisch', 'literarische Mode – literarisches Erbe` analysiert.
Das zweite Kapitel beleuchtet die verschiedenen Bezeichnungen für Helden im Nibelungenlied und stellt die Bedeutung der jeweiligen Bezeichnungen in den Kontext der Figur Sîvrit.
Kapitel drei behandelt Sîvrits Ankunft am Burgundenhof und die Folgen seiner Übermüte. Dabei werden die Beilegung des Konflikts und das Spiel mit literarischen Modellen – Höfischer Roman und Minnesang – analysiert.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter der Arbeit sind: Nibelungenlied, Sîvrit, Jugendgeschichte, narratologische Analyse, Dichotomien, 'Mündlichkeit – Schriftlichkeit', 'höfisch – archaisch', 'literarische Mode – literarisches Erbe', Erzählinstanzen, 'Sagenwissen', Höfische Welt, Burgunden, Übermüte, literarische Modelle, Höfischer Roman, Minnesang. Die Arbeit konzentriert sich auf die Bedeutung der Figur Sîvrit für den Aufbau des Nibelungenlieds und die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten.
- Quote paper
- M.A. Matthias Reim (Author), 2001, Der Aufbau der Siegfried-Figur in den ersten Aventiuren des Nibelungenliedes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78819