Die Potenzialanalyse aus ethischer Sicht


Essay, 2007

24 Seiten


Leseprobe


Ulrike Kipman

Zusammenfassung

Die „optimale Nutzung der Ressource Mensch“ soll in diesem Artikel diskutiert werden. Welche Ressourcen ein Mensch mitbringt, wird meist mit Hilfe eignungsdiagnostischer Verfahren erhoben – dies entweder schon vor der Einstellung ODER zur Entscheidung, was eine Beförderung betrifft. Dass diese Vorgehensweise aus betriebswirtschaftlicher Sicht erhebliche Vorteile bringen kann, steht außer Frage. In der folgenden Abhandlung soll analysiert werden, wie diese Verfahren aus ethischer Sicht zu beurteilen sind.

1 Grundlegende Gedanken zur Ausgangslage

„Auch wenn in den letzten Jahren grundsätzliche, anthropologisch und sozialpolitisch orientierte Bedenken gegenüber der Eignungsdiagnostik formuliert wurden, ist die Eignungsdiagnostik zu einem unentbehrlichen Instrumentarium beruflicher Entscheidungsfindung avanciert. Die Anwendung angemessener eignungsdiagnostischer Verfahren ermöglicht die Auswahl jener Kandidaten, die den größtmöglichen Ertrag für ein Unternehmen garantieren. Unter diesen Verfahren wird auch die Potenzialanalyse als eignungsdiagnostisches Instrument in den verschiedensten Unternehmen immer beliebter.“

(vgl. Rexilius, 2002)

Diese Aussage, die sich in Abwandlungen in mehreren einschlägigen Werken zur Eignungsdiagnostik findet, möchte ich an den Anfang dieser Abhandlung stellen.

Kritisch anzumerken ist hier, dass lediglich auf den Nutzen des Unternehmens abgestellt, welches „durch die Auswahl des besten Kandidaten den größten Erfolg“ haben soll. In dieser Aussage bleibt die Person mit ihren Rechten und deren Rolle im Verfahren (bewusst?) ausgespart.

Genau diese Problematik soll im Folgenden behandelt werden:

Das Verhalten der Unternehmen im wirtschaftlichen Prozess wird von einer sensibilisierten Öffentlichkeit zunehmend kritisch betrachtet. Insbesondere ist die Diskussion um die Legitimität wirtschaftlichen Handelns schärfer geworden. Globalisierungsaspekte, Managementgehälter und Abfindungen, Hyperwettbewerb mit Bestechungen sowie Skandale um „kreative Buchführung“ haben den Rechtfertigungsdruck auf die Unternehmen erhöht. Gleichzeitig nimmt in stagnierenden Märkten der Konkurrenzdruck zu. Nicht selten verschieben die Unternehmen ihre Aktivitäten von Wachstumsstrategien auf die Konsolidierung des Erreichten. Da nahezu alle Unternehmen über moderne Instrumente der Unternehmensführung verfügen, diese unter dem Einfluss der Beraterindustrie strukturell immer ähnlicher werden, kommt es zunehmend auf die Qualität der Mitarbeiter an. So ist die „optimale Nutzung der Ressource Mensch ein erheblicher Wettbewerbsvorteil“ (vgl. Müller, 2004), vor allem bei sektoraler Knappheit auf den Personalmärkten. Geht man in der Folge davon aus, dass der Wettbewerb auch oder vorrangig auf den Personalmärkten entschieden wird, gibt das Image des Unternehmens den Ausschlag für die Qualität des Bewerberpools. In diesem Zusammenhang ist es vorteilhaft, wenn das Unternehmen als ethisch reflektiert und sozial verantwortlich gilt. Die gesamte Handhabung des Bewerbungsprozesses prägt den Eindruck, den ein Bewerber von dem Unternehmen hat. Da davon auszugehen ist, dass er über diese Erfahrung mit Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten spricht, trägt sie wesentlich zum Bild des Unternehmens bei. Dabei gibt die Art und Weise der Personaldiagnostik Auskunft über das unternehmerische Selbstverständnis, macht deutlich, welche Leute ein Unternehmen anziehen möchte und lässt Rückschlüsse auf die unbekannten Elemente der Unternehmenskultur zu. Qualifizierten und ethisch sensibilisierten Personen ist es unter Umständen wichtig, in einem Unternehmen zu arbeiten, das von einer sozial- und umweltverträglichen Verantwortungsethik geprägt ist. Obwohl die Lage auf dem aktuellen Arbeitsmarkt ihnen nahe legt, sich auch problematischen Auswahlprozessen zu unterwerfen, werden sie zögern, sich auf ein Unternehmen einzulassen, dessen Unternehmensgeschichte skandalgeschädigt ist. Dies hat Konsequenzen für die Gestaltung der Auswahlverfahren sowie für die Wahl von Selektionsinstrumenten. Beide müssen geeignet sein, einerseits für das Unternehmen den passenden Bewerber zu finden, und andererseits für ethisch sensibilisierte Bewerber zustimmungsfähig zu sein sowie gesellschaftlich wünschbares Verhalten zu diagnostizieren.

2 Betriebliche Eignungsdiagnostik aus ethischer Sicht

2.1 Personalauswahlverfahren auf dem ethischen Prüfstand

2.1.1 Einleitung

Während des Bewerbungsverfahrens sind die Ansprüche des Unternehmens meistens hinreichend durch die Personalabteilung vertreten. Aber auch die Ansprüche der Probanden, die persönliche Daten zur Verfügung stellen, müssen - betrachtet man die Thematik aus ethischer Sicht - anerkannt werden. So erwarten diese eine freundliche Behandlung, gerechte Entscheidungsprinzipien und einen verantwortungsvollen Umgang mit den erhobenen Daten. Obwohl nicht selbstverständlich - aber zumindest möglich - ist die Gestaltung einer Auswahlsituation und die Nutzung von Diagnoseverfahren, die neben hoher Validität auch faire Behandlung gewährleistet. Abgesehen vom Spezialistenbereich bewegt sich die Personalgewinnung zurzeit in einem Käufermarkt. Mit jedem Ungleichgewicht zwischen Käufern und Anbietern geht die Gefahr eines Missbrauchs durch die stärkere Seite einher. Obwohl gemäß Kanning (2004) Ethik und Wirtschaftlichkeit meistens Hand in Hand gehen, ist auch er der Meinung, dass man nicht davon ausgehen könne, dass jedes Unternehmen von sich aus eine seriöse und ethisch verantwortliche Personaldiagnostik betreibe. Diese Problematik gibt es meines Erachtens insbesondere deshalb, weil es keine bindenden Gesetze diesbezüglich gibt. Zwar hat die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen bereits im Jahre 1973 Anlass gesehen, zum „Schutz der Privatsphäre im Lichte moderner psychologischer und physikalischer Methoden zum Herauslocken von Informationen“ (vgl. Blanke & Sterzel, 1999) eine Reihe von Empfehlungen auszusprechen. Dem Vorwort des APA-Reports of Association (1992, S. 1598) kann entnommen werden:„If the Ethics Code establishes a higher standard of conduct than is required by law, psychologists must meet the higher ethical standard".Auch die Normen zum Einsatz von Verfahren der Eignungsbeurteilung (DIN 33430) und die ethischen Richtlinien von Psychologenvereinigungen (Förderation Schweizer Psychologen-FSP und Bund Deutscher Psychologen-BdP) verfolgen denselben Zweck. Dennoch haben diesen keinen bindenden Charakter. Die Empfehlungen und Richtlinien haben lediglich einen Anspruch an die Selbstverpflichtung. Der Gesetzgeber legt eine Reihe von Regeln vor, die Missbrauch indirekt verhindern und das Verhalten der Diagnostiker in geregelten Bahnen lenken (siehe Teil IV), ein Garant für ethisch verantwortungsvolles Verfahren ist das selbstverständlich nicht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Potenzialanalyse aus ethischer Sicht
Hochschule
Universität Salzburg  (Rechtssoziologie)
Autor
Jahr
2007
Seiten
24
Katalognummer
V78868
ISBN (eBook)
9783638852562
ISBN (Buch)
9783638852142
Dateigröße
445 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Potenzialanalyse, Sicht, Ethik, Recht
Arbeit zitieren
MMag. DDr. B.Sc. Ulrike Kipman (Autor:in), 2007, Die Potenzialanalyse aus ethischer Sicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78868

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