Rassismus in der deutschen Gesellschaft seit der Wiedervereinigung


Examensarbeit, 2007

116 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

1 Erläuterungen und Definitionen der Kernbegriffe
1.1 Die Geschichte des Begriffs „Rasse“
1.2 Die Definition des Begriffs „Rasse“
1.3 Die Geschichte des Begriffs „Rassismus“
1.4 Was ist „Rassismus“?
1.5 Abgrenzung des Begriffs „Rassismus“zu anderen Phänomenen
1.5.1 Ethnozentrismus
1.5.2 Xenophobie
1.5.3 Fremdenfeindlichkeit
1.5.4 Ausländerfeindlichkeit
1.5.5 Rechtsradikalismus/ Rechtsextremismus
1.5.6 Sexismus
1.5.7 Antisemitismus

2 Rassismus vor der Wiedervereinigung
2.1 Rassismus in der DDR
2.2 Rassismus in Westdeutschland

3 Rassismus in Deutschland nach der Wiedervereinigung
3.1 Die Situation in Deutschland kurz nach der Wiedervereinigung
3.2 Die Arbeitsmarktsituation und ihre Auswirkungen auf den Rassismus
3.3 Zusammenhänge von Bildungsstand und Rassismus
3.4 Die Wohnsituation und ihre Auswirkungen auf den Rassismus
3.5 Die Verbreitung rechtsradikaler Parteien in Deutschland
3.5.1 Die REP
3.5.2 Die DVU
3.5.3 Die NPD
3.5.4 „Ich wähle rechts!“
3.6 Das Täterprofil rassistischer Gewalt
3.7 Politische Ansätze zur Minderung des Rassismus
3.8 Die heutige Situation in Deutschland
3.9 Fallbeispiel: Der Brandanschlag von Solingen
3.9.1 Die Stadt Solingen
3.9.2 Der Tathergang
3.9.3 Der Tag danach
3.9.4 Die Täter
3.9.5 Die Opfer
3.9.6 Der Prozess
3.9.7 Solingen heute, 14 Jahre nach dem Brandanschlag

4 Rassismus in der Schule
4.1 Rassismus bei Schülern
4.1.1 Persönlichkeitsstruktur rassistischer Jugendlicher
4.1.2 Mädchen
4.1.3 Jungen
4.2 Rassistische Lehrer
4.3 Einflussnahme der Schule auf rassistische Tendenzen bei Schülern
4.3.1 Möglichkeiten und Probleme der Rassismusbekämpfung in der Schule
4.3.2 Konkrete Unterrichtskonzepte zur Prävention und Minderung von Rassismus
4.3.2.1 Der Geschichtsunterricht
4.3.2.2 Der Politikunterricht
4.3.2.3 Die sozial-ethische Bildung
4.3.2.4 Der Wirtschafts- und Geographieunterricht
4.3.2.5 Die interkulturelle Bildung
4.4 Das Projekt „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“
4.4.1 Was ist „SOR - SMC“?
4.4.2 Wie wird man eine „SOR - SMC“?
4.4.2.1 Rechte der Schüler
4.4.2.2 Die Kooperation mit Lehrern
4.4.2.3 Patenschaften
4.4.3 Projekte und Aktionen von „SOR - SMC“
4.4.3.1 „Q-rage“: Die Zeitung des größten deutschen Schulnetzwerks
4.4.3.2 Das Projekt „Unsere Stadt ohne Rassismus“
4.4.4 „Schule ohne Rassismus“in anderen Ländern Europas

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Anhang

Anhangverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Rassismus war nicht nur ein Problem vergangener Tage, sondern ist auch in der heutigen Zeit noch aktuell. Er wurde in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit häufig tabuisiert, wenn nicht sogar geleugnet. Politiker und Medien vermieden es bei Gewalttaten gegen Migranten von rassistischen Angriffen zu sprechen, sie zogen die Begriffe „Ausländerfeindlichkeit“oder „Fremdenfeindlichkeit“vor.

Der Begriff „Rassismus“ weckt in den Köpfen der Menschen noch immer Assoziationen zum Dritten Reich und der damaligen Rassenideologie der Nationalsozialisten, die möglichst nicht mehr thematisiert werden soll. Seit der Wiedervereinigung Deutschlands kam es immer häufiger zu rassistischen Straftaten, wodurch der „Rassismus-Begriff“ wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückte. Zu nennen sind hier besonders die vielen Brandanschläge gegen Ausländer (z.B. in Mölln, Hoyerswerda, Rostock- Lichtenhagen und Solingen) zu Beginn der 90er Jahre, die bis heute unvergessen sind und im weiteren Verlauf der Examensarbeit unter anderem thematisiert werden.

Ich habe für meine Arbeit zwei Themenschwerpunkte gewählt, die ich ausführlich bearbeiten möchte. Zunächst jedoch stelle ich die Situation in Westdeutschland und der DDR bezogen auf den Rassismus vor der Wiedervereinigung vor. Den Mittelpunkt meiner Examensarbeit bildet die verstärkte Ausbreitung des Rassismus nach der Wiedervereinigung und ihre Ursachen, die ich näher erläutern werde. Dass es seit dem Mauerfall vermehrt zu Rassismus kam ist bekannt, allerdings stellt sich die Frage nach den Gründen. Einen weiteren Themenschwerpunkt bildet der Rassismus in der Schule, wobei ich hier besonders Präventivmaßnahmen vorstellen möchte.

Beginnen werde ich mit einer kurzen Erläuterung der Begriffe „Rasse“und „Rassismus“ sowie ihrer historischen Hintergründe. Anschließend werde ich Abgrenzungen zu verwandten Begriffen („Ethnozentrismus“, „Xenophobie“, „Fremdenfeindlichkeit“, „Ausländerfeindlichkeit“, „Rechtsradikalismus“, „Sexismus“ und „Antisemitismus“) vornehmen, damit es nicht zu begrifflichen Unklarheiten während der Examensarbeit kommt. Dieser Einstieg basiert hauptsächlich auf der Literatur von Johannes Zerger und George Mosse.

Danach gebe ich einen kurzen Rückblick auf die Rassismus-Problematik vor der Wiedervereinigung. Gab es bereits in der früheren DDR rassistische Tendenzen oder ist es ein völlig neues Phänomen das zusammen mit der Wiedervereinigung ausbrach? Diese Frage möchte ich anhand des Buches „Asyl und Migration“ von Albert-Peter Rethmann sowie ausgewählter Internetquellen beantworten. Auch die Lage in Westdeutschland, insbesondere das „Gastarbeiter-Problem“ und die Asyldebatte in den 80er Jahren, wird angesprochen und hauptsächlich mithilfe der Literatur von Ulrich Herbert „Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland“bearbeitet.

Mit dem Rassismus seit der Wiedervereinigung werde ich mich in dem darauf folgenden Kapitel beschäftigen, welches an das Vorherige anknüpft. Dabei werde ich auf die Ursachen des vermehrten Rassismus seit der Wiedervereinigung eingehen und die Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland herausstellen. Hierzu benutze ich Literatur von Rethmann, Herbert sowie einige Internetquellen. Können Arbeitslosigkeit, niedriger Bildungsstand, Wohnsituation und die Ausbreitung rechter Parteien für den steigenden Rassismus verantwortlich gemacht werden? Zu diesen Fragen nehme ich mithilfe der Literatur von Miryam Eser Davolio und Ulrich Otto, Hans-Uwe Otto und Siegfried Müller sowie offizieller Internetseiten u.a. der Bundesagentur für Arbeit, der Schader Stiftung und des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen Stellung. Ich werde versuchen anhand des bisher Erarbeiteten ein passendes Täterprofil zu erstellen und die Möglichkeiten der Politik aufzeigen dem Rassismus entgegen zu wirken. Abschließen werde ich das Kapitel mit einem Fallbeispiel das viele meiner vorausgegangenen Überlegungen reflektiert. Dazu habe ich den Brandanschlag von Solingen gewählt, der den Menschen deutlich machte, dass Rassismus nach wie vor präsent ist. Nach einem kurzen Einblick in die damalige Situation der Stadt Solingen, werde ich den Hergang der Tat noch einmal Revue passieren lassen und auf die verheerenden Folgen eingehen. Im Anschluss befasse ich mich näher mit den Tätern und Opfern. Welche Motive trieben die Täter zu einer solchen Tat? Und wie reagierten die Angehörigen der Opfer? Ich werde den Verlauf und wichtige Eckdaten des langwierigen Prozesses, der damals für viel Aufsehen sorgte, erläutern. Das Fallbeispiel schließt mit der heutigen Situation der Opfer, Täter und Einwohner der Stadt Solingen, die noch immer mit dem Makel des Brandanschlages ihrer Stadt zu kämpfen haben, ab. Als Literatur habe ich das Buch „Die Solingen-Akte“von Metin Gür und Alaverdi Turhan sowie einige ergänzende Internetquellen gewählt.

In einem weiteren Themenschwerpunkt setze ich mich mit dem Rassismus in der Schule auseinander. In dieser Phase des Lebens, im Jugendalter, werden häufig rassistische Tendenzen gebildet, die sich dann oftmals durch ein ganzes Leben ziehen. Könnte in diesem Stadium seitens der Schule aktiv vorgebeugt werden, so wäre es vielleicht möglich eine Vielzahl rassistischer Straftaten zu verhindern. Dazu muss zunächst einmal die Frage geklärt werden, ob es überhaupt rassistische Schüler und Lehrer gibt und wie sich dieser Rassismus äußert. Anschließend stelle ich Überlegungen an, ob es möglich ist, dass die Schule Einfluss auf rassistische Einstellungen nimmt oder diesen vorbeugt. Besteht die Möglichkeit das Thema Rassismus sinnvoll in den Unterricht zu integrieren? Hierzu nenne ich einige Denkanstöße, die zeigen wie die Thematik in verschiedenen Unterrichtsfächern behandelt werden kann. Die Betrachtung des Themas basiert größtenteils auf der Literatur von Miryam Eser Davolio. Zum Schluss meiner Examensarbeit möchte ich das Projekt „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ vorstellen, das sich gegen alle Formen von Diskriminierung richtet. Hierbei ist es interessant zu erfahren, wie man eine „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ werden kann und welche Vorraussetzungen dazu erfüllt werden müssen. Da das Projekt von Schülern initiiert wird sollten diese ihre Rechte kennen, bzw. sie in Erfahrung bringen und kennen lernen. Auch eine gute Kooperation mit den Lehrern und nützliche Patenschaften sind von Vorteil. „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“führt viele verschiedene Aktionen durch, von denen ich zwei näher vorstellen möchte: Die Zeitung „Q-rage“und das Projekt „Unsere Stadt ohne Rassismus“. Interessant ist auch ein kurzer Blick in die anderen Länder Europas, von denen einige ebenfalls Teil des Netzwerkes von „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“sind.

Ich hoffe, dass ich mit meiner Examenarbeit einen guten und ausführlichen Einblick in die Thematik des neueren Rassismus geben kann und auch Ansätze und Möglichkeiten zur Prävention vorstelle, die gegebenenfalls zu einem Rückgang rassistischer Straftaten führen könnten.

Rassismus richtet sich gegen eine Vielzahl von menschlichen Gruppen, u.a. gegen Ausländer, Behinderte, Homosexuelle, ältere Menschen und Religionsgruppen. Im Laufe dieser Arbeit bezieht sich der „Rassismus- Begriff“, wenn nicht anders erwähnt, ausschließlich auf Ausländer. Ich weise darauf hin, dass die grundsätzlich benutzte maskuline Form in meiner Examensarbeit auch die weibliche Form umfasst und der Vereinfachung dient.

Um möglichst aktuell arbeiten zu können habe ich verstärkt auf Internetquellen zurückgegriffen. Dabei habe ich mich bemüht unseriöse Quellen zu vermeiden.

1 Erläuterungen und Definitionen der Kernbegriffe

Zunächst einmal möchte ich wesentliche Begriffe, die ich in meiner Examensarbeit verwenden werde vorstellen und erklären. Dies halte ich für sehr wichtig, da ansonsten nicht die Grundlage gegeben ist, auf der ich im weiteren Verlauf diese Begriffe einsetze. Beginnen werde ich mit der Geschichte und Definition des Begriffs „Rasse“. Anschließend wende ich mich dem „Rassismus-Begriff“ zu, um abschließend eine Abgrenzung zu anderen verwandten Begriffen vorzunehmen. Ich werde mich in diesem Teil der Arbeit möglichst kurz fassen und verzichte auf detaillierte Erläuterungen, da ich mich auf einen knappen Umriss beschränken möchte.

1.1 Die Geschichte des Begriffs „Rasse“

Um sich dem „Rasse-Begriff“, der für das Thema Rassismus von großer Bedeutung ist zu nähern, möchte ich mich zunächst mit seiner Geschichte befassen. Diese beginnt, anders als vielleicht anzunehmen, bereits sehr früh und zwar ab dem späteren Mittelalter. Man kann sagen, dass „ [ … ] der vorwissenschaftliche „ Rasse-Begriff “ die Zugehörigkeit zu einer Gruppe bezeichnete, die durch Prinzipien der Abstammung konstituiert und - in Abgrenzung von anderen Gruppen - (positiv) bewertet wurde “ (Zerger 1997, S. 15). Damals fand noch keine Anwendung des „Rasse-Begriffs“ auf körperliche Merkmale statt, sondern nur eine Einteilung in Gruppen, wie beispielsweise den Adel.

Auch Tiere und Pflanzen wurden mit der Zeit immer häufiger in Rassen eingeteilt, wobei sich der Begriff hier auf Qualitätsmerkmale und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Herde oder Gattung bezog (vgl. Zerger 1997, S. 15).

Die ersten wissenschaftlichen „Rasseneinteilungen“ stammen von François Bernier, einem französischem Arzt, aus dem Jahre 1684. Er schlug vor, die Menschheit in vier oder fünf Arten oder Rassen zu unterteilen und zwar anhand von Hautfarbe, Körper, Gesicht, Nase, Lippen, Zähne und Haaren (vgl. Zerger 1997, S. 16 f.). „ Im deutschsprachigen Raum war es Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), der als erster bedeutender Philosoph den von Bernier geprägten „ Rasse-Begriff “übernahm. “ (Zerger 1997, S. 17) Leibniz sprach von der Einheit des Menschengeschlechts und erklärte die phänotypischen Unterschiede lediglich durch klimatische Einflüsse.

Nach und nach wurden die „Menschenrassen“ auch mit geistig-kulturellen Eigenschaften belegt, welche sich besonders durch die Hautfarbe ergaben. So formulierte der schwedische Mediziner und Naturforscher Carl von Linné 1758, in der zehnten Auflage seines Werkes „Systema naturae“ folgendes:

„ Die Amerikaner haben eine rothe Haut, ein galliges oder cholerisches Temperament [ … ] Sie sind hartnäckig, fröhlich, lieben die Freiheit [ … ] und lassen sich durch alte Gewohnheiten beherrschen. Die Europäer haben eine weisse Haut, ein blutreiches sanguinisches Temperament [ … ] die Gemütsart ist wankelmütig, vernünftig, und zu Erfindungen geschickt [ … ] und lassen sich durch Gesetze regieren. Die Asier haben eine braune Haut, ein schwarzgallichtes oder melancholisches Temperament [ … ] die Gemütsart ist streng, sie lieben Pracht, Hoffart und Geld [ … ] und lassen sich durch Meinungen regieren. Die Afrikaner endlich haben eine schwarze Haut, dabey aber ein wässerichtes oder melancholisches Temperament [ … ] Die Gemütsart ist boßhaft, faul, nachlässig. Sie beschmieren sich mit Fett, und werden durch Willkür regieret. “ (Zerger 1997, S. 20)

Immer häufiger kam es zu positiven „Rassebewertungen“der Europäer und stark abwertenden Urteilen anderer „Rassen“, was sich dann auch in der kolonialen Unterdrückung widerspiegelte, die durch die „Rasseneinteilung“ gerechtfertigt wurde (vgl. Zerger 1997, S. 28).

Waren bis dahin die Schwarzen, als „ fehlende Verbindung zwischen Affe und Mensch “ (Mosse 1978, S. 19), Zielscheibe des Rassismus, entstand ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Antisemitismus, der den Juden als Eindringling empfand. Begriffe wie „Rassenhygiene“ und „Rassenerhaltung“ kamen auf und schürten die Angst einer Vermischung der Rassen, die, so glaubten viele, zu einem Niedergang der „höheren Rasse“führe (vgl. Zerger 1997, S. 37 ff.).

Seinen Höhepunkt erreichte der „Rasse-Begriff“ während der Zeit des Nationalsozialismus, der seine Anziehungskraft laut Johannes Zerger aus traditionellem Antisemitismus, aggressivem Nationalismus, (pseudo-) wissenschaftlichen Rassentheorien, Sozialdarwinismus und Geschichts- okkultismus gewann. Die „Reinerhaltung der Rasse“wurde mit der Bedrohung der Arier durch die Juden gerechtfertigt und hatte die physische Vernichtung all derer die eine potenzielle „Bedrohung“darstellten zur Folge (vgl. Zerger 1997, S. 51 ff.).

Nach 1945 wurde Kritik am „Rasse-Begriff“ laut, da die Schrecken der so genannten Rassentheorien noch tief saßen. Eine UNESCO-Initiative in den 50er und 60er Jahren sprach sich gegen die Benutzung des „Rasse-Begriffs“ aus und schlug vor stattdessen den Begriff „Ethnische Gruppe“ zu verwenden (vgl. Zerger 1997, S. 57). Man einigte sich jedoch, dass man der Rassismuskritik nicht auf Sprachebene beikommen kann, sondern sich mit

„ [ … ] Inhalten und Struktur [ … ], vor allem jedoch mit ihren tieferliegenden Ursachen, beschäftigen “ (Zerger 1997, S. 63) muss.

1.2 Die Definition des Begriffs „Rasse“

Der Begriff „Rasse“findet häufig Verwendung in Flora und Fauna und dient dort zur Einteilung der verschiedenen Arten in Gruppen. Die Anwendung des Begriffs auf den Menschen wurde lange Zeit praktiziert (siehe Kapitel 1.1 Die Geschichte des Begriffs „Rasse“), ist aber mittlerweile mehr als fragwürdig.

Versucht man nun den „Rasse-Begriff“ dennoch auf die Menschheit zu übertragen, so definiert er sich wie folgt: „Rasse“ ist eine „ Gruppe von Menschen, die sich durch erbbedingte charakteristische Merkmale deutlich voneinander unterscheiden lassen, etwa durch die Hautfarbe (weiß, schwarz gelb), den Augenschnitt (Mongolenfalte) oder das Haar (blond oder dunkel, glatt oder kraus) “ („Rasse“ in: Reinhold 2000, S. 514 f.). Man kann also feststellen, dass man im allgemeinen „ [ … ] Phänotypen statt Genotypen zur Unterteilung der Species Mensch in Rassegruppen [ … ] “ („Rasse“ in: Bernsdorf 1969, S. 864) wählt. Das bedeutet, dass man die Menschheit eher nach ihrem Aussehen (z.B. Haarfarbe, Hautfarbe, Kopfform), als nach ihrem genetischen Material (z.B. Blutgruppen) unterteilt.

„ Es spricht vieles für die Auffassung, daßalle Rassen einen gemeinsamen Ursprung haben und daßdie späterenänderungen der physischen Merkmale auf Wanderungen, geographische Isolierung, physische Anpassung, natürliche Zuchtwahl, Mutationen und Kreuzungen zurückgehen. “ („Rasse“ in: Bernsdorf 1969, S. 864) Trotzdem existiert noch immer der Gedanke rassischer Minderund Höherwertigkeit oder „guter“und „böser“ Rassen, der die Grundlage des Rassismus bildet (vgl. Mosse 1978, S. 2).

1.3 Die Geschichte des Begriffs „Rassismus“

Der Begriff „Rassismus“ entstand anders als der „Rasse-Begriff“ erst im 20. Jahrhundert. „ Ohne das erste Auftreten des Begriffs exakt datieren zu können, wird sein Entstehen zumeist in den zwanziger und dreißiger Jahren angesiedelt. “ (Zerger 1997, S. 63) Er bezog sich zu dieser Zeit kritisch auf die Propaganda und Politik der Nationalsozialisten und verdrängte weitgehend den älteren und bis dahin populären Begriff „Rassenhass“ (vgl. „Rassismus“ in: Hillmann 1994, S. 713).

Eine Verbreitung des Begriffs war ab 1938, durch einen Eintrag im Deutschen Fremdwörterbuch, zu beobachten. „ Die erste lexikalische Definition des Begriffs Rassismus findet sich in Meyers Lexikon aus den Jahr 1942. “ (Zerger 1997, S. 64) Diese Definition stand jedoch unter deutlichem NS-Einfluss. Nach 1945 konnte man zwischen zwei Entwicklungen des „Rassismus- Begriffs“ unterscheiden: Zum einen stand er für Ausgrenzungsideologien und -praktiken, wie beispielsweise die Politik der Kolonialstaaten oder die Diskriminierung der Schwarzen in den USA. Zum anderen gab es eine wissenschaftliche Debatte, „ [ … ] die sich kritisch reflektierend mit dem Zusammenhang zwischen den Rassentheorien des 19. Jahrhunderts und der rassistischen Ausrottungspolitik der Nationalsozialisten auseinandersetzte “ (Zerger 1997, S. 66).

In der BRD wurde der „Rassismus-Begriff“ lange Zeit tabuisiert und fand erst in den 80er Jahren durch die steigende Gewalt an Flüchtlingen und Migranten zurück in den Sprachgebrauch. Auch heute noch wird häufig ein Bezug zum Massenmord der Nationalsozialisten hergestellt und der „Rassismus-Begriff“ wird wohl für immer vor allen Dingen durch diese Zeit geprägt sein (vgl. Zerger 1997, S. 66 ff).

1.4 Was ist „Rassismus“?

Rassismus ist ein komplexes und vielschichtiges soziales Phänomen und lässt sich nicht kurz in einem Satz erklären. Der britische Soziologe Stuart Hall betont sogar, dass Rassismus „ historisch spezifisch ist, je nach der bestimmten Epoche, nach der bestimmten Kultur, nach der bestimmten Gesellschaftsform und daher nicht von Rassismus sondern von Rassismen gesprochen werden sollte “ (Zerger 1997, S. 70). Johannes Zerger bestätigt die vielen verschiedenen Formen des Rassismus, macht jedoch darauf aufmerksam, dass sie alle gemeinsame Charakteristika haben, die sich auf die Rassentheorien zurückführen lassen (vgl. Zerger 1997, S. 70 f.).

Für die Entwicklung einer Begriffsbestimmung gibt es einige Kernelemente, die von besonderer Bedeutung sind. „ Dabei handelt es sich um

- die als „ Rassen-Konstruktion “ bezeichnete Einteilung der Menschheit in Gruppen,
- die als Abstammungs- oder Herkunftsgemeinschaft gefasst und
- denen bestimmte kollektive Merkmale zugeschrieben werden,
- welche als nicht oder nur schwer veränderlich angesehen
- und einer (expliziten oder impliziten) Wertung unterzogen werden. “ (Zerger 1997, S. 73)

Wendet man sich nun einer Definition des Begriffs „Rassismus“zu, so müssen die Gemeinsamkeiten zwischen klassischen, biologischen Unterschieden und den neueren kulturalistischen Ausgrenzungsideologien beachtet werden. Die Definition muss also beiden Argumentationsmustern gerecht werden. Eine sehr häufig verwendete Rassismus-Definition ist die von Albert Memmi (geboren 1920), einem französischem Schriftsteller und Soziologen tunesischer Herkunft. Memmi definiert Rassismus als „ [ … ] die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Vorteil des Anklägers und zum Nachteil seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen “ (Zerger 1997, S. 74). Er beschreibt Rassismus also als eine Rechtfertigungsideologie für aggressives Verhalten, Durchsetzung von Interessen und Ausübung von Herrschaft. Trotz der richtigen und auch wichtigen Aspekte, die diese Definition enthält, ist sie meiner Meinung nach zu ungenau, denn anhand dieser Begriffsbestimmung kann man nur schwer oder überhaupt nicht zwischen Rassismus und anderen Ausgrenzungs- oder Unterdrückungsverhältnissen, wie beispielsweise Sexismus, unterscheiden.

Weitere Rassismus-Definitionen wurden von Poliakov, Delacampagne und Girard sowie Robert Miles aufgestellt. Während Erstere zwar präziser formulierten als Memmi, sich jedoch weitestgehend auf biologistische Begründungen beschränkten, umfasst die Definition des Briten Robert Miles ausschließlich das ideologische Phänomen (vgl. Zerger 1997, S. 76 ff.). Meiner Meinung nach liefert Johannes Zerger (geboren 1961), ein Diplomsozialpädagoge und Politikwissenschaftler, eine treffendere RassismusDefinition. Er definiert Rassismus folgendermaßen:

„ Rassismus umfasst Ideologien und Praxisformen auf der Basis der Konstruktion von Menschengruppen als Abstammungs- oder Herkunftsgemeinschaften, denen kollektive Merkmale zugeschrieben werden, die implizit oder explizit bewertet und als nicht oder nur schwer veränderbar interpretiert werden. “ (Zerger 1997, S. 81) In dieser Definition sind, soweit ich es beurteilen kann, alle wesentlichen Merkmale des Rassismus enthalten. Sie bezieht sich sowohl auf die biologistische als auch kulturalistische Argumentation, wobei Letztere, laut George M. Fredrickson (geboren 1934) einem Professor emeritus für die Geschichte der Vereinigten Staaten an der Stanford University und Co-Direktor des Forschungsinstituts für Vergleichende Studien zu Rasse und Ethnizität, immer wichtiger wird. Fredrickson spricht davon, dass im 20. Jahrhundert Hautfarbengrenzen dominiert haben, heute im 21. Jahrhundert sind es Glaubensgrenzen (vgl. Fredrickson 2004, S. 151).

Eine gute Rassismus-Definition muss für jedes Zeitalter aktuell und richtig sein und das trifft auf die Begriffsklärung von Johannes Zerger zu. Ich möchte noch eine weitere Definition von Rassismus in diese Examensarbeit aufnehmen und zwar aus dem „Wörterbuch der Soziologie“. In dieser versteht man Rassismus als eine „ Bezeichnung für ein Bündel von Auffassungen,überzeugungen, Einstellungen u. Verhaltensweisen, die durch den Glauben an eine unterschiedl. Wertigkeit der menschl. Rassen geprägt sind “ („Rassismus“ in: Hillmann 1994, S. 713). Diese Definition ist sehr klar und verständlich, benutzt aber um „Rassismus“ zu erklären den „Rasse-Begriff“, welcher zunächst geläufig und bekannt sein muss, damit man die Begriffserklärung benutzen kann.

Rassismus hat viele unterschiedliche Gesichter und äußert sich „ in verschiedenen Formen der Diskriminierung, Benachteiligung u. Unterdrückung, in Verachtung u. Ausgrenzung, in Versklavung, Vertreibung oder sogar in phys. Ausrottung der Angehörigen einer unterbewerteten, abgelehnten Rasse “ (Hillmann 1994, S. 714).

1.5 Abgrenzung des Begriffs „Rassismus“ zu anderen Phänomenen

Im Rahmen von Rassismus werden häufig auch Begriffe wie „Ethnozentrismus“, „Xenophobie“ und „Ausländerfeindlichkeit“ genannt. Diese stehen zwar in einem engen Zusammenhang zum „Rassismus-Begriff“, sind aber keinesfalls gleichzusetzen. Häufig jedoch werden alle Begriffe vermischt und die Grenzen immer undeutlicher. Dies geschieht vor allen Dingen in den Medien. Aber auch die Politik verwendet anstatt des „Rassismus-Begriffs“, der mit vielen negativen Assoziationen belegt ist, immer öfter Ausdrücke wie „Ausländerfeindlichkeit“ oder „Fremdenfeindlichkeit“, die wesentlich harmloser klingen. Natürlich sind all diese Begriffe miteinander verwandt, unterscheiden sich lediglich durch Kleinigkeiten und können oftmals gegeneinander ausgetauscht werden, allerdings möchte ich doch auch die Unterschiede herausstellen. Um die verschiedenen Begriffe voneinander abzugrenzen, werde ich sie kurz erläutern und vorstellen, um so auch die weitere Basis für diese Examensarbeit zu schaffen.

1.5.1 Ethnozentrismus

„Ethnozentrismus“bezeichnet eine „ Einstellung, Auffassung oder Lehre, die das eigene soz. Kollektiv in den Mittelpunkt stellt u. gegenüber anderen, fremden Kollektiven als höherwertig,überlegen interpretiert “ („Ethnozentrismus“ in: Hillmann 1994, S. 202). Unter „Ethnozentrismus“ versteht man demnach die erwünschte, als zwingend notwendig erachtete Übernahme der eigenen Werte durch die Fremdgruppe. Man versucht also die Assimilation der anderen zu erzwingen, wohingegen beim Rassismus die Verschiedenheit anderer Gruppen als nicht oder kaum veränderlich angesehen wird und auf der Differenz und dem Ausschluss der Fremdgruppe beharrt wird (vgl. Zerger 1997, S. 91).

Es wird deutlich, dass die Begriffe „Rassismus“ und „Ethnozentrismus“zwar verwandt sind, jedoch keineswegs gleichgesetzt werden dürfen.

1.5.2 Xenophobie

Der Begriff „Xenophobie“ (dt. Fremdenangst) ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff „Fremdenfeindlichkeit“, auf den ich gleich noch näher eingehen werde.

„Xenophobie“ (griech. „Xenos“ = Fremder, Gast und „Phobie“ = Angst, Furcht) geht davon aus, dass Fremde Angstreaktionen hervorrufen, was allerdings weder empirisch belegbar, noch theoretisch fundiert ist, denn Fremde können auch völlig gegenteilige Gefühle wie Neugier, Faszination oder Anziehung hervorrufen (vgl. Zerger 1997, S. 92 f.). Benutzt man daher den Begriff „Xenophobie“, so muss er auf solche Situationen beschränkt werden, in denen das Zusammentreffen mit Fremden tatsächlich Ängste hervorruft.

1.5.3 Fremdenfeindlichkeit

Bei diesem Begriff bezieht sich der Wortteil „fremd“auf das Vorhandensein von Unterschieden, „Feindlichkeit“ steht für Gegnerschaft, Ablehnung und Ausgrenzung in Zusammenhang mit einer emotionalen Anreicherung. Der Unterschied zwischen dem Begriff „Fremdenfeindlichkeit“ gegenüber „Rassismus“besteht darin, dass die Begründung der ablehnenden Haltung bei „Fremdenfeindlichkeit“ unspezifischer ist als beim „Rassismus“. Es gibt oftmals weder eine Zuschreibung noch Bewertung spezifischer Merkmale der Fremdgruppe. Der „Fremde“ kann demnach zwar Mitglied eines Großkollektivs, und somit verbunden sein mit den Personen die ihn ablehnen, aber gleichzeitig Nicht-Mitglied eines Unterkollektivs und damit Fremder (vgl. Zerger 1997, S. 94 f.).

Der Unterschied in den Begrifflichkeiten wird allerdings als so gering betrachtet, dass vor allen Dingen in Politik und Medien „Fremdenfeindlichkeit“ als Synonym für „Rassismus“gebraucht wird.

1.5.4 Ausländerfeindlichkeit

„Ausländerfeindlichkeit“ stellt „ [ … ] eine besondere Form der Fremden feindlichkeit dar, bei der die Staatsangehörigkeit das entscheidende Kriterium ist [ … ] “ (Zerger 1997, S. 96). Hierbei gibt es eine Weigerung dem Ausländer dieselben Rechte einzuräumen die Inländer haben.

Festzustellen ist, dass nicht alle Nicht-Deutschen in gleicher Weise betroffen sind, sondern sich die Ausländerfeindlichkeit häufig gegen so genannte „Problemgruppen“ richtet, die meistens an phänotypischen und kulturellen Merkmalen festgemacht werden (vgl. Zerger 1997, S. 97).

Vergleicht man nun den Begriff „Ausländerfeindlichkeit“mit dem „RassismusBegriff“so wird deutlich, dass „Rassismus“einen viel größeren Umfang und Wirkungsbereich hat, während „Ausländerfeindlichkeit“ ausschließlich auf eine bestimmte Gruppe fixiert ist.

Im alltäglichen Sprachgebrauch werden die beiden Begriffe jedoch häufig gegeneinander ausgetauscht und gleichgesetzt.

1.5.5 Rechtsradikalismus/ Rechtsextremismus

„Rechtsradikalismus“oder „Rechtsextremismus“ liegt dann vor, „ [ … ] wenn die beiden Grundelemente der “ Ungleichwertigkeit von Menschen “ und die der Gewaltakzeptanz zusammenfließen “ (Posselt; Schumacher 2001, S. 106). Die Ungleichwertigkeit von Menschen spiegelt sich dabei in nationalistischer Selbstübersteigerung, rassistischer Sichtweise, Unterscheidung von „lebenswertem“ und „unwertem“ Leben, Behauptung „natürlicher“ Hierarchien, Betonung des „Rechtes des Stärkeren“(Sozialdarwinismus) und Ausgrenzung des „Anderssein“wieder.

Der Gewaltakzeptanz entsprechen die Ablehnung rationaler Diskurse, die Betonung des alltäglichen „Kampfes ums Dasein“, die Ablehnung demokratischer Regelungsformen von sozialen und politischen Konflikten sowie die Betonung autoritärer und militärischer Umgangsformen und Stile (vgl. Posselt; Schumacher 2001, S. 106 f.).

1.5.6 Sexismus

„Sexismus“ bezieht sich, anders als der Begriff „Rassismus“, ausschließlich auf das Geschlecht einer Person. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um die Benachteiligung oder das diskriminierende Verhalten von Männern gegenüber Frauen in Politik, Arbeitswelt und Gesellschaft. Man kann sagen, dass der „Sexismus-Begriff“überall dort deutlich wird, wo Frauen zuerst als Geschlechtswesen und erst dann als Menschen betrachtet und behandelt werden. Oftmals spielt der Glauben an die Höherwertigkeit des männlichen und die Minderwertigkeit des weiblichen Geschlechts eine große Rolle (vgl. „Sexismus“ in: Hillmann 1994, S. 777). Sehr selten werden auch Männer Opfer des Sexismus.

„ Analog zum Begriff Rassismus entstand jener des Sexismus in den 1960er Jahren in den USA bei der Herausbildung der neuen Frauenbewegung. “

(„Sexismus“ in: Hillmann 1994, S. 777) Rassismus und Sexismus sind zwar nicht gleichzusetzen, schließen sich jedoch häufig nicht aus und so kommt es zu einer Verschmelzung von rassistischem und sexistischem Gedankengut. Übereinstimmungen findet man bei

1. biologistischen Zuschreibungen (Geschlecht, Herkunft)
2. öffentlichem Zur-Schau-Stellen (Glaube an Rechtsanspruch, Legitimität)
3. rituellen Verfahrensweisen (fester Ablauf, rituell-inszenierte Männer- gewalt) (vgl. Bukow 1996, S. 24 ff.)

1.5.7 Antisemitismus

Während der Rassismus nicht auf eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet ist, konzentriert sich beim Antisemitismus die Ablehnung auf das Judentum. Der Begriff „Antisemitismus“steht also für eine Judenfeindschaft, die bis in die Spätantike und das Frühmittelalter zurück reicht. Er kam verstärkt Ende des 19. Jahrhunderts auf und ist eng verknüpft mit den damaligen Rassentheorien („Antisemitismus“in: Hillmann 1994, S. 34).

Juden galten häufig als böse, jedoch auch als äußerst klug. Somit entwickelten sich viele Verschwörungstheorien, die den Juden die Übernahme der Weltherrschaft unterstellten (vgl. Mosse 1978, S. 107 ff.).

Seinen traurigen Höhepunkt fand der Antisemitismus im dritten Reich. Die Nationalsozialisten tasteten sich vorsichtig an das „Feindbild Jude“heran. So warf man den Juden zunächst Feigheit vor, da sie im Ersten Weltkrieg hauptsächlich hinter der Front eingesetzt worden waren. Man verwehrte ihnen die Aufnahme in Studentenverbände, Veteranenorganisationen und Parteien und schloss sie nach und nach vom öffentlichen Leben aus. 1933 trat der Boykott jüdischer Geschäfte in Kraft, auch jüdische Beamten wurden aus ihren Ämtern entfernt. Die Nürnberger Gesetze von 1935, die ich hier nicht näher erläutern möchte, stellten klare Regeln im Umgang von Juden und Ariern auf und sollten offiziell einen Schlussstrich unter das „Judenthema“ setzen. Doch bereits Anfang 1938 gab es eine scharfe Wende in der Judenpolitik: Juden bekamen keine Steuervorteile, keine staatliche Unterstützung, keinen Rechtsschutz sowie ein Verbot zur Ausübung aller Berufe. Die Wirtschaft wurde „arisiert“. In der Nacht vom 9. auf den 10. November desselben Jahres wurden in der Reichskristallnacht Synagogen niedergebrannt und die ersten Juden in KZs gebracht. Am 30.01.1939 verkündete Hitler dann in einer Rede unterschwellig die Ausrottung der Juden und lastete ihnen gleichzeitig im Voraus den Zweiten Weltkrieg an. Der Befehl zur Endlösung erfolgte 1941. Es starben etwa 6 Millionen Juden (vgl. Mosse 1978, S 159 ff.).

2 Rassismus vor der Wiedervereinigung

Ich möchte mich in diesem Kapitel kurz mit dem Rassismus vor der Wiedervereinigung befassen, um darzustellen wie das „Rassismus-Problem“ vor 1990 aussah, bzw. ob es überhaupt eines gab. Dazu werde ich knapp auf die Situation in Westdeutschland sowie der DDR nach dem Zweiten Weltkrieg eingehen.

2.1 Rassismus in der DDR

Oftmals stellt man sich die Frage, ob es Rassismus in der sozialistischen DDR überhaupt gab. Wäre dies nicht der Fall, woher würden dann nach der Wende die vielen rassistischen Übergriffe kommen, die uns durch die Medien bekannt sind? Es muss ihn also gegeben haben, jedoch ist wenig darüber bekannt und die Quellen sind beschränkt.

Bereits zu DDR-Zeiten gab es eine rechtsextreme Jugendszene, die besonders in der Endphase immer stärker wurde, da sie eine Kontroverse zu dem bis dato regierenden Regime bildete (vgl. Bürgin: http://baustein.new-bbs.info/ index.php?load=reg&m1=A&m2=2&m3=3). „ In der früheren DDR waren rassistische Ressentiments gegenüber Polen und Russen, Vertragsarbeitern aus Ländern der Dritten Welt und ein „ Antisemitismus ohne Juden “ bei Protagonisten aus fast allen Schichten präsent. “ (Zachäus: http://www.vsp- vernetzt.de/soz/011008.htm) Somit setzt sich der Rassismus der DDR zwar vom Rassismus der BRD ab, da er sich überwiegend auf Menschen völlig anderer Nationen bezieht, ist aber in seinem Kern gleich. Dieses wird in einem Zitat eines DDR-Arbeiters deutlich: „ Die Russen haben uns ihre schlampige Wirtschaftsführung aufgezwungen. Die faulen Polen und die Vietnamesen kaufen uns die Geschäfte leer. Diese Neger aus dem Busch haben die dicke Westkohle und vergreifen sich an unseren Frauen, während wir für unsere Arbeit nur wertlose Alu-Chips bekommen. Hätten wir dieselben Chefs wie unsere Verwandten im Westen, würden wir nicht ständig von den Russen bevormundet und müssten wir nicht immer irgendwelche unterentwickelten Hungerleider mit durchfüttern, würden wir ganz woanders stehen. “ (Zachäus: http://www.vsp-vernetzt.de/soz/011008.htm) Vietnamesen, Polen und Afrikaner stellten einen großen Teil der Vertragsarbeitnehmer in der DDR. Sie wurden zeitlich befristet (bis zu 5 Jahre) beschäftigt und wohnten in speziellen Wohnsiedlungen. Eine Integration in die Gesellschaft wurde nicht angestrebt und fand auch nur sehr selten statt (vgl. Rethmann 1996, S. 66).

Ich nehme an, dass das Gefühl des drohenden Absturzes vielen Menschen als Motiv für Rassismus reichte. Die Bürger der DDR empfanden sich als Deutsche, die rechtmäßige Teilhaber an einem weltweit sehr hohen Lebensstandard sind. Jedoch ließ sich dieser Standard nicht ausleben und führte somit zu Frustration. „ Der DDR-spezifische Rassismus war demzufolge eine Mischung aus Schuldzuweisungen an eine „ undeutsche Wirtschaftsführung “ seitens der SED-Oberen und aus dem Rassismus, der in der Warteschlange vermeintlich oder tatsächlich zu kurz Gekommenen. “ (Zachäus: http://www.vsp-vernetzt.de/soz/011008.htm)

Ein weiterer Erklärungsversuch des in der DDR vorkommenden Rassismus bezieht sich auf die wenigen Kontakte zu ausländischen Mitmenschen. In einer „Spiegel-Umfrage“ von 1982 zur persönlichen Meinung über Ausländer fand man heraus, dass die Einstellung zu Ausländern positiver ist, je mehr Kontakte zwischen ihnen und den Befragten bestehen.

Persönliche Meinung über Ausländer („Spiegel“-Umfrage 1982) (Quelle: Rethmann 1996, S. 124)

Der Anteil der Befragten mit einer „eher guten“Meinung über Ausländer steigt demnach in dieser Umfrage mit Zunahme der sozialen Kontakte zu ihnen auf weit mehr als das Doppelte (von 18 auf 47 Prozent).

Diese sozialen Kontakte zu Ausländern fehlten jedoch in der DDR. „ Die von der Honecker-Propaganda gepriesene ´ weltoffene ´ DDR war faktisch ein abgeschotteter monokultureller Staat, in dem ideologische Prämissen und ein antipluralistisches politisches Denken Intoleranz gegenüber Andersartigen hervorbrachten. “ (Rethmann 1996, S. 125) Anfang 1989 lebten somit nur etwa 190.000 Ausländer in der DDR, weniger als 1 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung (vgl. Herbert 2001, S. 296).

2.2 Rassismus in Westdeutschland

Der Rassismus erlebte während des Dritten Reichs seinen Höhepunkt und verschwand in der Zeit danach zunächst einmal aus dem Wortschatz und der Öffentlichkeit in Westdeutschland. Doch trotz der Scham der Menschen überlebte der Rassismus. Ansprechen möchte ich hierbei das „Gastarbeiterproblem“ und die vermehrten Asylbewerber seit Beginn der 80er Jahre sowie den massiven Anstieg rassistischer Gewalt ab Mitte der 80er Jahre. Kurz nach dem Krieg kehrten zahlreiche Vertriebene und Flüchtlinge des NS- Regimes nach Deutschland zurück. Sie konnten jedoch gut in das sich neu formierende Deutschland eingegliedert werden, so dass kaum soziale Spannungen entstanden. In dem allgemeinen Nachkriegsdurcheinander waren die Vertriebenen einfach eine Gruppe unter vielen (vgl. Herbert 2001, S. 196 ff.).

Zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges warb die Bundesrepublik mit staatlichem Abkommen ausländische Arbeitskräfte an, die man als „Gastarbeiter“ bezeichnete. Diese Bezeichnung signalisiert „ das vortheoretische Verständnis des Gastgebens gegenüber Fremden, denen gegenüber man seinerseits eine Weile lang Freundliches antut (nämlich ihnen Arbeit gibt) und die dann ihrerseits gehen “ (Rethmann 1996, S. 78). Der geläufige Begriff „Gastarbeiter“ist keinesfalls amtlich, sondern entsprang der Umgangssprache. Amtliche Bezeichnungen waren damals „ausländischer Arbeitnehmer“ oder „Arbeitnehmer aus den Anwerbeländern“. Heutzutage benutzt man häufig die Bezeichnung „Arbeitsmigrant“, währenddessen man in der NS-Zeit die Zwangsarbeiter als „Fremdarbeiter“bezeichnete (vgl. Reinle: http://www.wdr.de/themen/kultur/2/deutsche_vita/uebersicht/historie/index_tei l_1.jhtml?rubrikenstyle=50_jahre_deutsche_vita#sw01).

Bereits 1954 dachte der damalige Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard über die Möglichkeit von „Gastarbeitern“in Deutschland nach, stieß allerdings auf Widerstand, da bei einer Arbeitslosenquote von 7 Prozent über eine Million Menschen arbeitslos gemeldet waren. Erhard prognostizierte, dass es ein enormes Wirtschaftswachstum geben würde, welches „Gastarbeiter“ unumgänglich machen würde. Im Laufe des Jahres 1955 sank die Arbeitslosenquote auf 5,6 Prozent und die große Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs begann (vgl. Reinle: http://www.wdr.de/themen/kultur/2/ deutsche_vita/uebersicht/historie/index_teil_1.jhtml?rubrikenstyle=50_jahre_d eutsche_vita#sw01).

Es fehlte in vielen Branchen an Arbeitskräften, denn das Wirtschaftswachstum hielt an und der Zustrom von Flüchtlingen und Vertriebenen ebbte langsam ab. Zudem sanken die Zahlen potenzieller Erwerbstätiger, da nun die geburtenschwachen Kriegjahrgänge ins Erwerbsleben traten. Weitere Gründe für mangelnde Arbeitskräfte waren die verlängerte Ausbildungszeit, die Absenkung des durchschnittlichen Eintrittsalters in den Ruhestand und die langsam sinkende Arbeitszeit (vgl. Herbert 2001, S. 208). Erhards Vorschlag wurde somit in die Tat umgesetzt.

Am 22. Dezember 1955 unterzeichneten die deutsche und die italienische Regierung in Rom das deutsch-italienische Anwerbeabkommen - das erste seiner Art. Dieses Abkommen regelte, dass „ [ … ] die Arbeitskräfte in Italien von einer Abwerbekommission der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit in Verbindung mit der italienischen Arbeitsverwaltung ausgewählt und angeworben werden sollten, die ihrerseits die Anforderungen der deutschen Betriebe erhielt und die italienischen Arbeiter je nach Eignung den einzelnen Unternehmen zuwies “ (Herbert 2001, S. 203 f.). Der Arbeitsvertrag garantierte den „Gastarbeitern“ die prinzipielle sozialpolitische Gleichstellung mit vergleichbaren deutschen Arbeitskräften, die Bezahlung nach Tarif, eine bestimmte Vertragsdauer, eine „angemessene“ Unterkunft, das Recht auf Lohntransfer und die Prüfung der Anträge auf Familiennachzug (vgl. Herbert 2002, S. 204). Weitere Verträge mit Spanien und Griechenland (1960), der Türkei (1961), Portugal (1964) und Jugoslawien (1968) folgten (vgl. Herbert 2001, S. 208). Die Bedingungen in den Anwerbeländern waren nach dem Krieg oftmals katastrophal und es herrschten hohe Arbeitslosigkeit und Armut. Ein Ausweg wurde häufig in der Auswanderung gesehen.

Die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit errichtete in Verona für italienische „Gastarbeiter“die „Deutsche Kommission“. Hier mussten die Arbeitswilligen eine Vielzahl behördlicher Bescheinigungen einreichen, ihren Gesundheitszustand überprüfen lassen und Blut- und Urinproben abgeben.

„ Wer akzeptiert wird, erhält eine Zugfahrkarte in den Norden - mit einem Merkblattüber Verhaltensregeln in der Bundesrepublik. “ (vgl. Reinle: http://www.wdr.de/themen/kultur/2/deutsche_vita/uebersicht/historie/index_tei l_1.jhtml?rubrikenstyle=50_jahre_deutsche_vita#sw01)

Zu diesem Zeitpunkt rechnete niemand damit, nicht einmal die „Gastarbeiter“ selbst, dass die angeworbenen Arbeitskräfte dauerhaft bleiben würden. Alles war allein auf die ökonomischen Bedürfnisse und Interessen des Industriestaates ausgerichtet und es wurde weitgehend auf soziale und integrationspolitische Maßnahmen verzichtet (vgl. Rethmann 1996, S. 65). Die Verträge waren befristet und so wurden die zumeist 20 bis 40-jährigen Männer, die ohne Familie nach Deutschland gereist waren, in Baracken untergebracht, die sehr zweckmäßig eingerichtet waren (vgl. Herbert 2001, S. 212 f.). Oftmals teilten sich vier Arbeiter einen Raum von 13 Quadratmetern, der mit Etagenbetten, einem Tisch, vier Stühlen und einem Schrank ausgestattet war (vgl. Reinle: http://www.wdr.de/themen/kultur/2/deutsche_vita/uebersicht/ historie/index_teil_2.jhtml?rubrikenstyle=50_jahre_deutsche_vita). Privatsphä- re gab es keine. Es bestand die Meinung, dass die Unterbringung für eine kurze Zeit ausreichend war.

Die Männer arbeiteten vor allem in der Land- und Bauwirtschaft, Schwerindustrie, Bergbau sowie bei der Produktion des VW-Käfers und verrichteten die bei den Deutschen unbeliebte Arbeit. Sie bekamen den branchenüblichen Tariflohn, um eine Absenkung des Lohnniveaus zu verhindern und schickten einen großen Teil des Einkommens nach Hause oder sparten das Geld, um später in ihrem Heimatland besser leben zu können (vgl. Herbert 2001, S. 212 ff.).

Mit der Rezession 1966/67 begann in Deutschland eine Diskussion über die Ausländerbeschäftigung. Die „Gastarbeiterfrage“ wurde von einem theoretischen und moralischen zu einem wirtschaftlichen und sozialen Problem. In dieser Zeit feierte auch die NPD ihre größten Wahlerfolge und es wurden Befürchtungen wach, der Rechtsradikalismus könnte vor seiner Renaissance stehen. So standen zu diesem Zeitpunkt 51 Prozent der deutschen Bevölkerung der Anwerbung von „Gastarbeitern“ kritisch gegenüber. Zwar gab es noch keine ausgeprägte Fremdenfeindlichkeit, aber erste Misstöne wurden laut: Die „Gastarbeiter“seien zu laut, feierten zu oft krank, würden die Kriminalitätsrate erhöhen und schickten „unser gutes Geld“ in fremde Länder (vgl. Herbert 2001, S. 218 ff.).

Am 23. November 1973 erließ die Bundesregierung einen Anwerbestopp. Sie hatte bereits seit einiger Zeit auf einen günstigen Anlass gewartet, den dann die Ölkrise (Ölboykott der arabischen Ölstaaten) lieferte. So konnte ohne große Diskussionen in der Öffentlichkeit der Zustrom ausländischer Arbeiter eingedämmt werden (vgl. Herbert 2001, S. 229).

Es folgte der eigentliche Beginn des Daueraufenthaltes der Arbeiter, die anfingen ihre Familien nachzuholen und sich in Deutschland eine Existenz aufbauten. Waren die Deutschen bis dahin davon ausgegangen, dass die „Gastarbeiter“ nur kurzzeitig in ihrem Land leben würden, wurden nun die Probleme der Integration ganz deutlich: Sprachprobleme, unterschiedliche Mentalitäten und ungewohnte Lebensgewohntheiten hinterließen gegenseitiges Unverständnis und Ablehnung. In diese Zeit fallen auch die Gründung der DVU und das Heidelberger Manifest, worauf ich später noch eingehen werde. Allgemein hielt sich der Rassismus jedoch in Grenzen, wahrscheinlich auch aufgrund der schlechten Erfahrungen des Dritten Reiches und der damit verbundenen Tabuisierung von Rassismus (vgl. Herbert 2001, S. 234 ff.).

Gegen Ende der 70er Jahre begann die Zuwanderung von Asylbewerbern nach Westdeutschland, die aber zunächst von der Bevölkerung nicht wahrgenommen wurde. Der Fokus der Öffentlichkeit lag noch immer auf den „Gastarbeitern“ und so nutzte die Politik das Thema um massiven Wahlkampf zu betreiben. Helmut Kohl versicherte, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei und machte die Integration, Rückkehrbereitschaft (mithilfe von Prämiengeldern) und Verhinderung weiteren Zuzugs zu Zielsetzungen seiner Partei. Die von der Politik ideologisch aufgeladene Debatte ließ die Stimmung gegen Ausländer anwachsen und führte zu vermehrter Xenophobie und essentieller Kulturkritik (vgl. Herbert 2001, S. 247 ff.).

Das Interesse der Gesellschaft verlagerte sich nun von den „Gastarbeitern“ zu den Asylbewerbern, die in immer größerer Zahl nach Deutschland kamen. Die Stimmung in der Öffentlichkeit veränderte sich deutlich; denn waren die „Gastarbeiter“ zunächst willkommen gewesen, so war dies bei den Asylbewerbern nie der Fall. 1980 erreichte die Zahl der Asylsuchenden einen ersten Höhepunkt, sank zunächst aber wieder, um in der zweiten Hälfte der 80er Jahre erneut auf über 100.000 anzusteigen. Der historische Höchststand wurde im Jahre 1992 mit 438.191 Asylbewerbern erreicht.

Zahl der Asylbewerber in der Bundesrepublik (1975 bis 1995)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Herbert 2001, S. 263)

Die Arbeitslosigkeit wuchs, der Ausländerzuzug stieg an und in Politik und Medien wurde emotional diskutiert, was den Anschein einer Konzeptlosigkeit in der Ausländerpolitik hatte. Das öffentliche Unbehagen wurde immer deutlicher. „ Zuwanderung wurde verstärkt als ein von der Politik bislang ungelöstes Problem wahrgenommen. “ (Reißlandt: http://www.bpb.de/ popup/popup_druckversion.html?guid=6XDUPY)

Man hatte infolge des deutschen Faschismus am 23. Mai 1949 das Grundgesetz mit dem Artikel 16 Absatz 2 Satz 2 „ Politisch Verfolgte genießen Asylrecht “ (Rethmann 1996, S. 83) geschaffen, welches Flüchtlingen einen Rechtsanspruch auf Asyl in der BRD versprach. Um nun eine Verringerung der Asylbewerber zu erreichen wurden die Aufnahmeverfahren beschleunigt, Kriterien für das Recht auf Asyl verschärft, die Zugangsmöglichkeiten nach Westdeutschland erschwert, die Ausweisung abgelehnter Bewerber beschleunigt und die Lebensbedingungen in Deutschland mit dem Ziel der Abschreckung verschlechtert. Der erwünschte Erfolg blieb aus (vgl. Herbert 2001, S. 264).

Betrachtet man allerdings die Gesamtzahl der Flüchtlinge in den 80er Jahren, dann hat nur weniger als 1 % von ihnen Deutschland erreicht. Dieses wird anhand von Statistiken deutlich, die zeigen, dass die Hauptlast des Flüchtlingsproblems noch immer bei den ärmeren Ländern dieser Erde liegt.

Einheimische pro Flüchtling (1986/87)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Rethmann 1996, S. 88)

Deutschland findet man mit 418 Einwohnern pro Flüchtling weit hinten in der Tabelle, während z.B. Somalia mit 6 Einwohnern pro Flüchtling weit vorne liegt. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland im Gegensatz zu Schweden (70 Einwohner pro Flüchtling), der Schweiz (215), Frankreich (312), Belgien (330), Österreich (461) und Großbritannien (565) im Mittelfeld der Aufnahmezahlen von Flüchtlingen.

Insgesamt suchten nur etwa 5 Prozent aller Flüchtlinge Schutz in Westeuropa (vgl. Heigl 1996, S. 29).

Trotzdem stießen die Asylbewerber und Asylberechtigten auf immer weniger Akzeptanz und Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung. Sie wurden als Nichtstuer und Schmarotzer beschimpft, obwohl sie für ihre Situation nicht selbst verantwortlich waren. Bis zum Asylverfahren erhielten die Asylbewerber keine Arbeitserlaubnis und wurden in Sammellagern untergebracht. Die Situation in diesen Unterkünften war kaum menschenwürdig: Depressionen, Inaktivität, Unsicherheit, Isolierung, Zurückweisung, Hilflosigkeit und Verzweiflung (vgl. Herbert 2001, S. 267). Zusätzlich zu den Asylbewerbern und Asylberechtigten kamen noch sehr viele

De-facto-Flüchtlinge nach Deutschland, die aus Krieg- oder Bürgerkriegsgebieten geflohen waren (vgl. Herbert 2001, S. 264 f.). Außerdem gab es noch einen kleinen Teil Kontingentflüchtlinge, die aufgrund einer Bekennung der BRD gegenüber Flüchtlingsorganisationen begrenzt aufgenommen werden mussten (vgl. Herbert 2001, S. 270).

Die Politik nutzte diesmal die Asylfrage als Wahlkampfthema und verbreitete ein falsches Bild in der Öffentlichkeit. Zahlen wurden verfälscht und Angst verbreitet. So kam es, dass viele Einheimische Ausländer mehr und mehr als Belastung empfanden und sich die Übergriffe von Rechtsradikalen auf Ausländer und Überfälle auf Asylbewerberheime in der zweiten Hälfte der 80er Jahre häuften (vgl. Herbert 2001, S. 272 f.).

Ein Beispiel stellt 1988 die Geschichte des 19-jährigen NPD-Anhängers Josef Saller dar. Der stadtbekannte Rechtsextremist legte am 17. Dezember in einem hauptsächlich von Ausländern und Ausländerinnen bewohnten Haus in der Schwandorfer Innenstadt Feuer. Dabei kamen vier Menschen, darunter eine dreiköpfige türkische Familie, ums Leben. Weitere Zwölf wurden zum Teil schwer verletzt (vgl. Kurz: http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_ world/_98/51/12c.htm). Vor Gericht sagte Saller damals, „ [ … ] sein gr öß ter persönlicher Wunsch sei ein besatzer- und ausländerfreies Deutschland in germanisch-preußischer Tradition in den Grenzen von 1938, ein Europa ohne Neger, Rote und Hakennasen “ (Kurz: http://www.nadir.org/nadir/ periodika/jungle_world/_98/51/12c.htm). Umso erschreckender ist es, dass Saller nicht etwa wegen Mordes, sondern ausschließlich wegen schwerer Brandstiftung zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde. Auch der damalige Oberbürgermeister von Schwandorf, Hans Kraus (CSU), sprach lediglich von einem „irregeleiteten Straftäter“ und keinesfalls von Rassismus (vgl. Kurz: http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_98/51/12c.htm).

Das Bewusstsein, dass der Rassismus nicht mit Ende des Zweiten Weltkrieges ausgestorben war, wurde in Westdeutschland wohl erst mit der Wende richtig deutlich.

3 Rassismus in Deutschland nach der Wiedervereinigung

In diesem Teil der Arbeit konzentriere ich mich speziell auf den Rassismus in Deutschland nach der Wiedervereinigung. Dabei werde ich Deutschland als Einheit betrachten, jedoch häufiger Vergleiche zwischen den Situationen im Osten und Westen ziehen. Hierbei möchte ich besonders die Arbeitslosigkeit, den Bildungsstand, die Wohnsituation und die Verbreitung rechtsradikaler Parteien beachten. Außerdem werde ich auf ein mögliches Täterprofil eingehen und Überlegungen anstellen, was die Politik gegen den Anstieg rassistischer Gewalt tun kann. Außerdem gebe ich eine kurze Beschreibung der „Rassismus- Situation“kurz nach der Wiedervereinigung und heute. Anschließend werde ich ein Fallbeispiel von Rassismus vorstellen, den Brandanschlag von Solingen.

3.1 Die Situation in Deutschland kurz nach der Wiedervereinigung

Betrachtet man die Tendenzen des Rassismus in Deutschland, so wird deutlich, dass es mit der Wiedervereinigung von West und Ost am 3. Oktober 1990 einen massiven Anstieg von Rassismus gab. Es war bereits in den 80er Jahren, sowohl in der DDR, als auch in der BRD, eine erhöhte rassistische Einstellung festgestellt worden (siehe Kapitel 2 Rassismus vor der Wiedervereinigung). In den 90er Jahren jedoch überschwemmte eine Gewaltwelle die Bundesrepublik. War die steigende Arbeitslosigkeit, die zunehmende Perspektivlosigkeit oder die Verbreitung rechtsradikaler Parteien der Auslöser? Lässt sich überhaupt eine Ursache finden oder gibt es eine Verstrickung von zusammenhängenden Indikatoren?

Die Menschen im Osten hatten bis dato immer von der „reichen Bundesrepublik“ gehört und feierten die Wiedervereinigung auch mit der Hoffnung nun ebenfalls etwas Reichtum zu erfahren. Dieses war allerdings nicht der Fall. Da die ohnehin schon marode ostdeutsche Wirtschaft größtenteils nicht wettbewerbsfähig war, erlitt sie einen Zusammenbruch und stürzte weite Teile der neuen Bundesländer noch tiefer in die Krise (vgl. Müller; Otto; Otto 1995, S. 68). Die finanziellen Mittel des Westens halfen zwar beim Wiederaufbau, jedoch bekamen die meisten Menschen nichts davon und führten ein Leben in Armut. Das Leben in der DDR war bis dahin sehr abgeschottet von der restlichen Welt verlaufen und plötzlich sahen sich die Menschen einer völlig neuen Situation ausgesetzt. Die politische Kultur im wiedervereinten Deutschland war den Ostdeutschen fremd und führte zu einer „Angst vor Überfremdung“, die sich in einer feindseligen Position gegen Ausländer zeigte (vgl. Müller; Otto; Otto 1995, S. 62).

Zudem wurde Anfang der 90er Jahre eine heftige Debatte in der Politik um die Asylfrage ausgetragen, bei der viele Politiker den Eindruck entstehen ließen, dass alle Asylbewerber Betrüger seien. Diese hochemotionalisierte Asyldebatte war eine der ersten politischen Erfahrungen, die die Ostdeutschen im wiedervereinten Deutschland machten. Es verwundert daher nicht, dass einige Bürger zum Mittel der Gewalt gegen Ausländer griffen (vgl. Herbert 2001, S. 303).

Doch auch in Westdeutschland stieg die Konkurrenzsituation zwischen Einheimischen und Einwanderern. „ Schon 1990 fehlten mehr als 2 Millionen Wohnungen. Die Wohnungsnot hat die Zahl der Obdachlosen schon in der zweiten Hälfte der 80er Jahre und noch mehr in den letzten Jahren erheblich ansteigen lassen. Ungeachtet der günstigen Wirtschaftskonjunktur war auch die Situation am Arbeitsmarkt angespannt geblieben, und auch hier wiederum

[...]

Ende der Leseprobe aus 116 Seiten

Details

Titel
Rassismus in der deutschen Gesellschaft seit der Wiedervereinigung
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
116
Katalognummer
V78910
ISBN (eBook)
9783638817462
Dateigröße
15246 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Umfassende Examensarbeit zum Thema "Rassismus in der deutschen Gesellschaft seit der Wiedervereinigung". Inklusive Abkürzungsverzeichnis, Einleitung, Hauptteilen, Zusammenfassung, Literaturverzeichnis plus Internetquellen sowie Anhang.
Schlagworte
Rassismus, Gesellschaft, Wiedervereinigung
Arbeit zitieren
Katrin Selter (Autor:in), 2007, Rassismus in der deutschen Gesellschaft seit der Wiedervereinigung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78910

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