Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Instrumentalisierung des Sehens
3. Vertrauen/ Skepsis in die Zuverlässigkeit des Auges - Diskursintegration
3.1 Vertrauen in das Auge - biologischer Diskurs
3.2 Skepsis an der Zuverlässigkeit des Auges - philosophischer Diskurs
4.Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Schon zu Lebzeiten Georg Büchners spricht der Journalist Karl Gutzkow vom "Autopsiebedürfnis", das man in den Werken Büchners erkennen könne. Er habe durch das Medizinstudium die Fähigkeit des Selbstschauens entwickelt.
Untersuchungsgegenstand dieses Referates ist die Anwendung des "Autopsiebedürfnisses" Büchners auf das Drama Dantons Tod. Es soll herausgestellt werden, inwieweit Büchners Sprache durch seine biologischen und philosophischen Erkenntnisse beeinflußt wird und welche Rolle die Charaktäre durch die Sprache einnehmen. Die Ausführungen zu dem Thema basieren dabei grundsätzlich auf dem Aufsatz "Autopsie, Bemerkungen zum 'Selbst - Schauen' in Texten Georg Büchners" von Wulf Wülfing. Aufgrund der "Knappheit" eines Referates können die Thesen zu diesem Themenbereich jedoch nur in Ansätzen dargestellt und nicht eingehend erläutert werden. Zudem erwies sich die Verschriftlichung über die Diskursintegration wegen des Versuchs der knappen Darstellung als schwierig.
2. Instrumentalisierung des Sehens
Nicht nur bei Büchner selbst, sondern auch in seinem Drama Dantons Tod zeigt sich die Fähigkeit des Selbstschauens, die Büchner hier auf die Figuren projeziert: er läßt sie einander gegenseitig auffordern, die Möglichkeit zum Selbstschauen zu nutzen. Wulf Wülfing spricht hier von "Appellen an die sinnliche Wahrnehmungsbereitschaft", das "Sehen" wird instrumentalisiert.
An folgenden Textstellen läßt sich dies erkennen:
1. Danton: "Sieh, die hübsche Dame, wie artig sie die Karten dreht." (1. Akt, 1. Szene)[1]
2. Drittes Weib: "Ja, man muß die Leute in allen Verhältnissen sehen, es ist recht gut, daß das Sterben so öffentlich wird." (4. Akt, 8. Szene)
3. deutlich auch die Aussage Dantons: "Das Volk ist wie ein Kind, es muß alles zerbrechen, um zu sehen, was darin steckt." (1. Akt, 5. Szene)
Das Volk nimmt demnach durch das Sehen am Terreur des Systems teil.
Daß niemand diesen Terreur hinterfragt und dieser sich somit ausbreiten kann, liegt am Vertrauen des Volkes in das "Auge" durch das es gelenkt wird. Es vertraut ihm, weil es dieses Auge für das Auge Gottes hält: die Rolle des Auges in Büchners Drama übernimmt Robbespierre . Er wird zB. von einem Weib als "Messias" begrüßt:
"Seine Augen sind die Augen der Wahl, seine Hände sind die Hände des Gerichts." (1. Akt, 2. Szene) - Auge (Blick) und Hände (Tat) können hier als traditionelle Symbole des Staates gedeutet werden.
Aufgrund der Aussage des Weibes bekommt Robbespierre die Aufgabe der Überwachung und der Exekutive, was sich im Verlaufe des Dramas als richtig herausstellt. Doch mit einer Formulierung schiebt Robbespierre die Aufgabe der Exekution auf das Volk und führt gewissermaßen eine Arbeitsteilung ein:
"Deine Gesetzgeber wachen, sie werden deine Hände führen, ihre Augen sind untrügbar, deine [des Volkes] Hände sind unentrinnbar." (1. Akt, 2. Szene)
Robbespierre und das Volk sind demnach die Maschine, die die Toten produziert. Daß das Volk selbst dabei keine Hand anlegt, spielt in diesem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle. Die Arbeit des Volkes besteht nur im Sehen selbst. Robbespierres Aufgabe dagegen ist es, diejenigen auszugucken, die unter die Guillotine sollen.
[...]
[1] Georg Büchner, Dantons Tod. S.5. Die folgenden Textstellen aus Dantons Tod werden nur noch mit der Akt - bzw. Szenenbezeichnung angegeben!
- Arbeit zitieren
- Stephan Becht (Autor:in), 1995, Büchners Rhetorik am Beispiel von Dantons Tod - Der physiologische Blick Georg Büchners, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79204
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