Übergang von Planwirtschaft zur Marktwirtschaft - Ein Blick auf die gesellschaftlichen Folgen für die Schrumpfungsregion Halle / Leipzig


Seminararbeit, 2007

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlegende Betrachtungen
2.1 Analyse wirtschaftlicher Strukturen der DDR
2.2 Analyse gesellschaftlicher Strukturen der DDR

3. Darstellung wirtschaftlicher Strukturveränderungen nach der Wende

4 Schrumpfung als Folge fehlender gesellschaftlicher Zugehörigkeit?

5. Ausblick

1. Einleitung

„Die Region ... hat in der Gegenwart keine gemeinsame Identität mehr: Das Chemiedreieck hat sich aufgelöst, und Mitteldeutschland liegt nicht mehr in der Mitte Deutschlands.“[1]

Bei einer Auseinandersetzung mit der Schrumpfungsregion Halle / Leipzig fallen die extremen Zahlen in Bezug auf Abwanderung, Suburbanisierung und demographische Veränderungen schnell auf. Große Teile heutiger und ehemaliger Bewohner dieses verdichteten Gebietes sind seit dem Fall der Mauer zu einem Grad von Mobilität bereit gewesen, der sogar für ostdeutsche Verhältnisse bemerkenswert ist. Das einleitende Zitat steht im Zusammenhang mit dieser Problematik. Die DDR ist als Arbeiterstaat gegründet worden, dessen Selbstverständnis die Arbeit als wichtigsten Lebensinhalt hochstilisiert hat.[2] Dass die Krise des industriellen Sektors nach der Wende einen einzigartigen „Verfall“[3] gerade dieser Region bewirkt hat, scheint unter diesem Gesichtspunkt geradezu verständlich. Diese Arbeit wird die Transformationsprozesse in der ehemaligen Industrieregion Halle / Leipzig nach dem Fall der Mauer analysieren, die Gründe der raschen Schrumpfung herausarbeiten und dabei immer wieder auf die Gleichzeitigkeit von wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Transformation hinweisen, da diese für die Region, mit ihrer herausgehobenen wirtschaftlichen Eigenheit, von zentraler Bedeutung sind.

Dazu wird unter Punkt 2 zunächst eine Analyse der Sozial- und Ökonomiestruktur angestellt, um dann in einem weiteren Schritt die wirtschaftlichen Veränderungen dieser Strukturen unmittelbar nach der Wende darzustellen. Der vierte Teil dieser Arbeit dient einer Erörterung bezüglich der sozialen Auswirkungen dieses ökonomischen Prozesses. Abgerundet wird die Arbeit mit einem Ausblick, der unserer Debatte zum ostdeutschen Städteschrumpfen noch ein paar Bemerkungen hinzufügen wird.

2. Grundlegende Betrachtungen

Wenn im einleitenden Zitat dieser Arbeit von Identität gesprochen wird, so blickt man auf ca. ein dreiviertel Jahrhundert zurück, in welchem die Städte stets in einem Atemzug genannt wurden. War Leipzig vor Ausbruch des ersten Weltkrieges noch als Handels- und Messestadt und zugleich mit Halle als Kultur- und Universitätsstadt bekannt gewesen, so hat sich aufgrund der industriellen Entwicklung in der Folgezeit der Begriff „mitteldeutsches Industrierevier“ durchgesetzt. Vorraussetzung dafür waren die großen Braunkohlevorkommen, welche für Ansiedlungen von Verarbeitungsindustrien sorgten.[4] Da westdeutsche Industriegebiete im erstem Weltkrieg oft Ziele feindlicher Luftangriffe gewesen sind, wurde die chemische Großindustrie auf Drängen der Reichsregierung systematisch hier aufgebaut. Zu DDR-Zeiten sprach man dann vom „Chemiedreieck“, welches im Wiedervereinigungsprozess oft als das östliche Pendant zum Ruhrgebiet dargestellt wurde. Heute werden die Städte nicht unbedingt mehr als Einheit gesehen. Doch fragen wir zunächst nach den Besonderheiten des Systems DDR vor der Wende.

2.1 Analyse wirtschaftlicher Strukturen der DDR

Die DDR befand sich nach der Teilung Deutschlands in einem weitgehend isolierten Wirtschaftsgebiet. Im Gegensatz zu Westdeutschland konnte sie nicht von Krediten strategischer Partnerländer profitieren, sondern musste der UDSSR im Gegensatz sogar noch Reparationsleistungen abbezahlen. Diese autarke Situation verlangte den Aufbau einer eigenen Grundstoffversorgung. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Produktion in Halle / Leipzig und den monostrukturierten Randzonen um Bitterfeld, Weißenfels oder das Geiseltal noch auf einem postkriegerisch-geringen Niveau – was nicht minder auch am Zustand der vom Kriege gebeutelten Anlagen lag. Nun wurde es erneut als Lieferant für Rohstoffe und Energie benötigt.[5] Jedoch war die Produktion gering, da „(...) die Anlagen in den Nachkriegsjahren nur schleppend repariert wurden.“[6] Nachdem es dann im Zuge der Ölkrise zu einer „ungeplanten Renaissance der Braunkohle“[7] kam, ohne dass die Anlagen der DDR zuvor jedoch modernisiert wurden, sank die Produktivität, bis hin zum totalen Verschleiß der Anlagen. Als Folge wurde das Chemiedreieck zum „Synonym für Naturzerstörung und Umweltbelastung.“[8] Doch besaß die DDR nicht die nötigen Mittel um diesem Trend entgegenzuwirken. So sei es spätestens in den achtziger Jahren an den großen Industriestandorten finanziell auch nicht mehr möglich gewesen, erforderliche Umweltschutzmaßnahmen zur Verfügung zu stellen.[9] Was das für die Beschäftigten bedeutete kann man am Beispiel des Industriekombinates Bitterfeld exemplarisch erkennen. 1987 arbeiten hier 4000 Beschäftigte an Anlagen, „(...) die unter gesundheitsgefährdeten Bedingungen bereits im gesetzlosen Zustand weiterbetrieben wurden. Weil der Sicherheitsstandard der Anlagen nicht mehr wiederherzustellen war, hatte die Kombinatsleitung hier ganz darauf verzichtet, noch einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung zu stellen.“[10]

Die Ursachen der genannten Entwicklung steckten im System. Die Planwirtschaft der DDR wurde mit der Mauer vor Konkurrenz geschützt, sodass sich innerhalb der Unternehmen zentrale Antriebsmechanismen der sozialen Marktwirtschaft wie Eigentümerinteresse, Eigenverantwortlichkeit oder Marktorientierung gar nicht erst entwickeln konnten. Zugleich fehlte diesem System die Not zur Modernisierung und Effizienz. Während sich die westlichen Länder zu Dienstleistungsgesellschaften wandelten, fiel die Produktivität der DDR-Länder immer mehr ab. Die Kombinatsreform der siebziger Jahre hat überdies auch noch „(...) zur Entstehung von Betriebseinheiten geführt, die sowohl hinsichtlich ihrer Größe als auch ihrer Produktionspalette für einen freien Wettbewerb oftmals dramatisch überdimensioniert waren.“[11] Doch galt die Arbeit in der DDR nicht nur dem Lohnerwerb, worauf im Folgenden eingegangen wird.

[...]


[1] Rink, Dieter: Aufbau und Verfall einer Industrieregion, in: Oswalt, Philipp (Hrsg.): Schrumpfende Städte, Bd. 1: Internationale Untersuchung, Berlin 2004, S. 638.

[2] Vgl. Busch, Ulrich: Zur Entwicklung des Lebensstandards in den neuen Bundesländern, in: Westphal, Andreas u. a., Wirtschaftspolitische Konsequenzen der deutschen Vereinigung (Reihe Wirtschaftswissenschaft, Bd. 15), Frankfurt, New York 1991, S. 221.

[3] Diese Zustandsbeschreibung wird mittlerweile von mehreren Autoren gebraucht. So zum Beispiel in dem Buchtitel von auch von Dieter Rink: „Aufbau und Verfall einer Industrieregion“

[4] Vgl. Zeuchner, Simone: Sanierung der alten Industrieregionen Halle / Leipzig / Bitterfeld. Erfahrungen aus der Ruhrgebietspolitik, Bochum 1992, S. 76. Die Autorin verweist hier auf die Konsistenz von Braunkohle, welche einen Transport über größere Strecken wirtschaftlich unmöglich mache.

[5] Vgl. Rink, Verfall, S. 634. Der Autor spricht hier von „strategischen Bedeutung“ des Braunkohle- / Energie- / Chemiekomplexes. Seine Anmerkung, dass die DDR im Ganzen ein Rohstoffarmes Land war, erhöht die Bedeutung und Einzigartigkeit dieser Region noch mal hervor.

[6] Zeuchner, Sanierung, S. 79.

[7] Rink, Verfall, S. 634.

[8] Ebda.

[9] Vgl. Beyer, Heinrich, Nutzinger, Hans G.: Sanierung und / oder Privatisierung? Zur Umstrukturierung der ostdeutschen Unternehmen durch die Treuhandanstalt, in: Westphal, Andreas u. a., Wirtschaftspolitische Konsequenzen der deutschen Vereinigung (Reihe Wirtschaftswissenschaft, Bd. 15), Frankfurt, New York 1991, S.248

[10] Christ, Claus: Umweltprobleme und Umweltschutz in der mitteldeutschen Chemieindustrie der DDR, in: Rupieper, Herman-J., Sattler, Friederike, Wagner-Kyora, Georg: Die mitteldeutsche Chemieindustrie und ihre Arbeiter im 20. Jahrhundert, Halle a. d. Saale 2005, S. 400.

[11] Beyer, Nutzinger, Sanierung, S. 250.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Übergang von Planwirtschaft zur Marktwirtschaft - Ein Blick auf die gesellschaftlichen Folgen für die Schrumpfungsregion Halle / Leipzig
Hochschule
Universität Bielefeld  (Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, Abteilung Geschichte)
Veranstaltung
Probleme der Stadt- und Bevölkerungspolitik - schrumpfende Stadt
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
15
Katalognummer
V79224
ISBN (eBook)
9783638859912
Dateigröße
431 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Planwirtschaft, Marktwirtschaft, Blick, Folgen, Schrumpfungsregion, Halle, Leipzig, Probleme, Stadt-, Bevölkerungspolitik, Stadt
Arbeit zitieren
Philipp Horst (Autor:in), 2007, Übergang von Planwirtschaft zur Marktwirtschaft - Ein Blick auf die gesellschaftlichen Folgen für die Schrumpfungsregion Halle / Leipzig, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79224

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