Das Sonnen-, Linien-, und Höhlengleichnis in Platons Politeia

Zur Schlüssigkeit der getroffenen Aussagen und des entstehenden Meinungssystems


Zwischenprüfungsarbeit, 2004

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Inhaltsangaben
2.1. Das Sonnengleichnis
2.2. Das Liniengleichnis
2.3. Das Höhlengleichnis
2.4. Verbindung der Gleichnisse durch Interpretation der Aussagen

3. Bewertung der Gleichnisse
3.1 Das Sonnengleichnis
3.2. Das Liniengleichnis
3.3. Das Höhlengleichnis

4. Fazit - Schlüssigkeit des Meinungssystems

5. Literatur

1. Einleitung

Diese Arbeit setzt sich mit den drei Gleichnissen auseinander, die Platon in der „politeia“ (dem „Staat“) benutzt, um seine Ideenlehre zu veranschaulichen: Sonnengleichnis, Liniengleichnis und Höhlengleichnis.

Die „politeia“ setzt sich in Form der bei Platon üblichen Dialoge mit der Überlegung auseinander, was Gerechtigkeit bedeutet, wie ihr Wesen beschaffen ist und wie sie sich im Verhalten der Menschen niederschlägt. „Aufgeworfen wird diese Debatte von Thrasymachus, der behauptet, dass der Ungerechte glücklich sei. Die folgenden Dialoge werden hauptsächlich von Sokrates mit Glaukon und Adeimantos geführt.“[1] Im Verlaufe der Diskussion werden auch die Ansicht über die „Ethik, die Seelenkunde, die Erziehung, die Kultur, die Soziologie, die Erbgesundheitslehre“[2] und letztlich die Staatskunst dargestellt. Die Beteiligten (allen voran Sokrates) entwickeln das Bild des Menschen und seiner Lebensweise in der Gesellschaft, die mit den Überlegungen der Männer immer weiter wächst und nach und nach alle Merkmale aufweist, um vollkommen gerecht zu sein:

Vom Wesen der Gerechtigkeit verschlägt es die Männer bald zu Überlegungen über den Aufbau eines Staates, für den sie dann die Voraussetzungen für die Kriegskunst festlegen. Dies beinhaltet die Erziehung der Wachen, sei es in Kampf, Gymnastik oder Musik, die nötige Beschaffenheit ihres Wesens und damit verbunden die Erziehung solcher Kinder, die sich als geeignet für den Wächterberuf erweisen. Vom Wesen der Wächter schließen sie auf das Wesen des Staates und hieraus ergibt sich bald die Diskussion über die richtige Zeugung und Erziehung der Kinder. Als es darum geht, wer den Staat regieren soll, kommt Sokrates auf die Philosophen zu sprechen. Er möchte nämlich, dass im Staat nur diejenigen regieren, die genaue Kenntnis vom Guten und Schönen haben. Es ist deshalb also nötig, eine Definition davon abzugeben, was gut oder schön ist.

Im Verlaufe dieser Unterhaltung nun kommen Sokrates und Glaukon auf die drei o. g. Gleichnisse. Um den Inhalt der letzten Erörterungen genauer zu beleuchten, verdeutlicht Sokrates mit ihnen seine Vorstellung von den vier Teilen der Seele, wie die Ideen (und insbesondere die Idee des Guten) im Verstand entstehen, wie Denkbares und Sichtbares zu unterscheiden sind und was die Philosophen von den herkömmlichen Menschen unterscheidet.

Ziel der Arbeit soll es sein, die drei Erkenntnisse der Gleichnisse zusammenzufügen, um so ein vollständigeres Bild der Sichtweise Sokrates’ zu erhalten und eventuelle Widersprüche zu entdecken. Dessen Vollständigkeit und Richtigkeit zu hinterfragen, ist eines der Hauptaugenmerke dieser Arbeit.

Ich möchte in dieser Arbeit zunächst die Inhalte der drei Gleichnisse wiedergeben, in der Reihenfolge, wie sie in der „politeia“ aufgeführt sind. Diese sollen dann zu einem Gesamtergebnis der Erkenntnisse führen, indem ich hoffentlich das von Sokrates Geäußerte kurz zu einem Ganzen zusammen fügen kann. Darauf folgt eine Bewertung der getanen Arbeit: Argumentiert Sokrates schlüssig? Gibt es Sinnfehler in dem Dialog? Was sagt Sokrates aus und gibt es womöglich Widersprüche, wenn man die drei Gleichnisse als Eins betrachtet?

Ich werde die aus den Dialogen entstehenden Erkenntnisse als die von Sokrates betiteln. Da Unklarheit darüber herrscht, ob Platon seine eigenen Meinungen in Form von Dialogen niederschrieb, indem er Sokrates als Protagonisten einsetzt, der seine Gesprächspartner von seiner Sicht der Dinge überzeugt oder ob Platon lediglich niederschrieb, was Sokrates sagte, erscheint mir dies der beste Weg, damit umzugehen.

Ich werde weitestgehend auf weiterführende Literatur verzichten, wenn es sich denn vermeiden lässt. Platons Dialoge bieten sich durch klare, einfache Hinführung zu den behandelten Themen und deren strukturierte Untersuchungen geradezu an, um eigene Erkenntnisse zu gewinnen. Ich werde jedoch nicht zögern, bei Unklarheiten Rat auch in anderen Werken zu suchen, um der Arbeit einen neuen Aspekt hinzuzufügen, andere Sichtweisen zu dem Thema kennen zu lernen oder ähnliches. Dies jedoch wird sich erst im Laufe der Arbeit zeigen.

Meine Literatur beschränkt sich somit zunächst auf die Übersetzung der „politeia“ von Otto Apelt[3].

2. Inhaltsangaben

Mit den drei Gleichnissen möchte Sokrates seinen Zuhörern die Ideenlehre näher bringen. Im Sonnengleichnis wird die Idee des Guten als geistige Wahrnehmung mit der Sonne als empirische Wahrnehmung verglichen, das Liniengleichnis erläutert dann die Teilung der Wahrnehmung in den Bereich des Sichtbaren und des Denkbaren. Im Höhlengleichnis werden das Sonnen- und Liniengleichnis zusammengefasst, indem die Gegenstände und der Grund der Erkenntnis in einem Bild vereinigt werden.[4]

2.1. Das Sonnengleichnis

Nachdem Sokrates eine Definition für die Philosophen abgegeben hat und ihre Geistesanlagen festgelegt hat, die nötig sind, um sie zu Herrschern des Staates zu machen, legt er ein Bildungsziel für sie fest. Zunächst behandelt er die Erkenntnis über die Idee des Guten im Sonnengleichnis. Er arbeitet gemeinsam mit Glaukon heraus, dass die Sehkraft als einziger der fünf Sinne ein weiteres Mittel benötige, um Wahrnehmung zu ermöglichen: das Licht. Sei dieses Mittel nicht vorhanden, könne der Mensch Dinge weder farblich wahrnehmen noch sie womöglich überhaupt sehen. Die Verbindung von der Sicht und dem „Vermögen, gesehen zu werden“[5] durch das Licht der Sonne bezeichnet Sokrates als ein „kostbareres Band […] als es bei anderen Zusammenpaarungen der Fall ist“[6]. Die Quelle des Lichts also ist die Sonne, und somit ist sie der Urheber des Sehens und Gesehenwerdens.

Sokrates sucht nun nach dem Verhältnis zwischen der Sonne und dem Gesicht(Sokrates bezeichnet damit die Fähigkeit des Sehens). Er kommt zu dem Schluss, dass zwar weder das Gesicht, noch die Augen die Sonne sind, diese aber von allen Sinnesorganen der Sonne am ähnlichsten sind. Weil die Sonne die Wahrnehmung des Auges erst möglich macht es aber nicht selbst ist, bildet sie die Ursache der Sicht. Nun beginnt Sokrates, die Sonne als „Sprössling des Guten“[7] mit jenem zu vergleichen. Was das Gute im Verhältnis zu Vernunft und Gedanken ist, sei die Sonne im Verhältnis zur Sicht und dem Gesehenen. Er unterteilt so die Wahrnehmung bereits grob in einen denkbaren und einen sichtbaren Teil.

Sein Vergleich lautet nun folgendermaßen: Wenn das Auge auf etwas blickt, das von der Sonne angestrahlt wird, so erscheint es bunt und klar. Die Sehkraft ist voll ausgebildet. Blickt man nun aber auf Dinge, die nicht vom Tageslicht erhellt sind, also solche, „über die sich nächtliche Dämmerung breitet“[8], so erscheinen sie grau und undeutlich. Ebenso verhalte es sich mit der Seele: Blickt sie auf das Entstehende und Vergehende, also auf das „mit Finsternis Gemischte“[9], so verfällt sie den bloßen Meinungen. Dies würde bald zur Stumpfsinnigkeit der Seele führen, sie erschiene unvernünftig. Richtet sie aber ihre Aufmerksamkeit auf Etwas, dem Wahrheit und Existenz innewohnt, so erkennt sie es und ist so im Besitz der Vernunft, des Wissens. Was den Dingen Wahrheit verleiht und „dem Erkennenden die Kraft zum Erkennen gibt, […] ist die Idee des Guten“[10]. Wenn die Wahrheit erkannt wird, ist die Idee des Guten die Ursache für eben diese und die Erkenntnis. Beiden wohnt eine Ähnlichkeit zur Idee des Guten inne. Es verhält sich hier wie das Auge zur Sonne: Es ist zwar sonnenartig, aber nicht die Sonne selbst. Wahrheit und Erkenntnis sind somit nicht das Gute an sich, sondern lediglich ‚gutartig’. Sie erhalten ihre Existenzberechtigung, ihr Sein und ihr Wesen, aus dem Guten. Daraus folgert Sokrates, dass das Gute an sich in seiner Kraft und Würde noch über das Sein hinausreicht. Als Begründung führt Sokrates an, dass es sich auch hier wie bei der Sonne verhält: Die Sonne verleiht Dingen und Lebewesen nicht nur das Vermögen zu sehen oder gesehen zu werden, sie schenkt ihnen außerdem überhaupt erst die Möglichkeit zu Entwicklung, Wachstum und Nahrungsaufnahme.

Sokrates findet nun eine Überleitung zum Liniengleichnis, indem er Glaukon hinsichtlich seines Wissens über den Unterschied von Sichtbarem und Denkbarem befragt.

2.2. Das Liniengleichnis

Er beschreibt die Bereiche der Wahrnehmung anhand einer Linie, die in unterschiedlich große Abschnitte unterteilt ist. (Die unterschiedliche Größe bedingt sich aus der Wertabstufung der Erkenntnisgebiete: Die Meinung ist in Sokrates’ Augen geringer in ihrem Wert als das Denkbare. Diese unterschiedliche Gewichtung findet in jedem der von Sokrates erdachten Abschnitte auf der Linie statt.[11] ) Zunächst teilt er sie in die Bereiche des Sichtbaren und des Denkbaren.

Das Sichtbare spaltet er, wiederum ungleich gewichtet, in die Bilder der Gegenstände und jene selbst. Als Bilder bezeichnet er die Abbilder der Gegenstände: ihre Schatten, ihr Spiegelbild im Wasser oder auf glatten Oberflächen. Also alle Erscheinungen, die zwar den Gegenstand wiedergeben, ihn aber nicht selbst darstellen. In die Gruppe der tatsächlichen Gegenstände, welche also den zweiten Abschnitt der geteilten Linie bilden, bezieht er die Tierwelt, die Welt der Pflanzen und „jede Art von Erzeugnissen des menschlichen Kunstfleißes“[12] ein.

Im zweiten Teil der Linie, dem Denkbaren, stellt Sokrates Deduktion und Dialektik gegenüber. Er besteht zunächst aus dem Bereich der Gegenstände, die als Bilder dienen sollen für den zweiten Teil: den Bereich der Ideen. Die Ideen stellen die reinen Begriffe der Gegenstände dar, ihre Erscheinung ‚an sich’. Sokrates begründet seine Unterteilung mit der Ansicht, dass das Denken die Gegenstände als Bilder benutzt, um die Ideen und deren Beziehungen untereinander zu entwickeln.

Er ergänzt ein Beispiel aus der Mathematik: Benutzen die Mathematiker einen geometrischen Körper und beweisen an ihm Sätze und Rechnungen, so verwenden sie zwar das Bild des Körpers, um ihre Beweise zu veranschaulichen. Sie reden jedoch letztlich von den Körpern, die „niemand auf andere Weise erkennen kann als durch den denkenden Verstand“[13], wenn sie von geometrischen Körpern reden, da nur er das darstellt, was ihre Rechnungen beschreiben, nicht der unvollkommene, gezeichnete Körper. Somit benutzen auch sie die Abbildung (den Gegenstand), um aber eigentlich über die denkbare Idealisierung des Gegenstandes zu sprechen.

[...]


[1] Gefunden im Internet, http://www.dasan.de/madrid/mixed/projekt/k10ac_01/Politeia.htm, abgerufen am 28.08.2003.

[2] ebd.

[3] Platon Sämtliche Dialoge, Hrsg. und Übers. Otto Apelt. Band V: „Der Staat“. Hamburg 1998. Im Weiteren: Apelt 1998

[4] Vgl.: Franz-Peter Burkard und Peter Prechtl (Hrsg.): Metzler Philosophie Lexikon. 2., erweiterte Auflage, Stuttgart 1999. S. 550, 331, 237f. Im Weiteren: Metzler 1999.

[5] Apelt 1998, S. 262

[6] ebd.

[7] ebd. S. 263

[8] Apelt 1998, S. 263

[9] ebd. S. 264

[10] ebd.

[11] Vgl. Apelt 1998, S. 501 (Anmerkungen)

[12] ebd. S. 266

[13] ebd. S. 267

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Das Sonnen-, Linien-, und Höhlengleichnis in Platons Politeia
Untertitel
Zur Schlüssigkeit der getroffenen Aussagen und des entstehenden Meinungssystems
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Philosophischens Seminar)
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V79388
ISBN (eBook)
9783638867849
ISBN (Buch)
9783638867887
Dateigröße
459 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sonnen-, Linien-, Höhlengleichnis, Platons, Politeia
Arbeit zitieren
Anja Gregor (Autor:in), 2004, Das Sonnen-, Linien-, und Höhlengleichnis in Platons Politeia, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79388

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