Die Bedeutung der "Ehre" in Gottfried Kellers "Romeo und Julia auf dem Dorfe"


Hausarbeit, 2003

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Auffassung der Ehre im Kontext der Zeit
2.1 Der Ehrbegriff
2.1.1 Der Ehrbegriff zu Zeiten der Veröffentlichung
2.1.2 Der Ehrbegriff in der Moderne
2.2 Die Ehrvorstellung von Manz und Marti
2.3 Der Geiger als Signifikant
2.4 Sali und Vrenchen’s Identifikation mit der Ehre
2.4.1 Äußere Ehre
2.4.2 Innere Ehre
2.4.3 Symbolik
2.4.4 Auswirkungen auf Liebe und Leben
2.5 Intention Kellers

3 Schlussbetrachtung

4 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Altes Fundament ehrt man, darf aber das Recht nicht aufgeben, irgendwo wieder einmal von vorn zu gründen.

Johann Wolfgang von Goethe

Johann Wolfgang von Goethe hat in dem obigen Zitat zwei wesentliche Aspekte präzise auf den Punkt gebracht: einerseits die Würdigung des Alten, andererseits das Recht um den Gedanken der Neuerung.

Gottfried Kellers Novelle Romeo und Julia auf dem Dorfe beinhaltet neben der Liebesgeschichte zweier Kinder, dessen Familien im bösen Streit liegen, eine Problematik in Bezug auf den Begriff der Ehre.

Durch die Auffassung dieses Codex wird der Verlauf der Handlung und Geschehnisse innerhalb der Novelle oftmals beeinflusst und gelenkt sowie die fatalen Auswirkungen der damaligen Ehrauffassung deutlich gemacht, ohne dabei einer jeglichen Wertung des Realisten Kellers zu unterliegen.

In der folgenden Arbeit soll zunächst der Begriff der Ehre näher analysiert werden, da sich hinter der Vokabel verschiedene epochale Auffassungen und Definitionen verstecken.

Weiterhin soll der Begriff auf Inhalte wie Werte, Normen, Gewissen und Tradition untersucht werden, die das damalige Zusammenleben in der Gesellschaft bestimmt haben. Besonders in den Kapiteln unter 2.1 werden die unterschiedlichen Inhalte des Begriffs im Kontext der Zeit näher beleuchtet, um eine Annäherung an den weiten und undurchsichtigen Ehrbegriff möglich und verständlich zu machen.

Das Hauptaugenmerk richtet sich jedoch auf die Figuren der Geschichte, insbesondere Sali und Vrenchen, die innerhalb der Erzählung an das Regelwerk der Gesellschaft anscheinend unausweichlich gebunden sind und anhand deren Verhaltensmuster die Doppeldeutigkeit zwischen äußerer und innerer Ehre spezifiziert wird.

Doch auch die Nebenfiguren wie der schwarze Geiger sind im Hinblick auf das Thema nicht zu unterschätzen, wie im Kapitel 2.3 erläutert wird, da sie explizit eine ganz bestimmte, von der Ehrauffassung der Gesellschaft geprägte Rolle innerhalb des Geschehens einnehmen.

Im vorletzten Kapitel sollen dann die auf der Ehrauffassung beruhenden Folgen für die Kinder und deren Entscheidung für den Freitod anhand von Beispielen aus der Novelle abgehandelt werden, worauf die Intention Kellers, die sich weder auf Verurteilung noch auf Beschönigung stützt, folgt.

Was es mit dem Begriff der Ehre auf sich hat, soll im Folgenden analysiert und erläutert werden, wobei eine solche Arbeit nicht ausreicht, um den Begriff der Ehre ansatzweise durchsichtig zu machen, da der Begriff sehr an subjektive, persönliche Ansichten sowie Erziehung, Herkunft, Kultur, historischen Hintergrund und Gesellschaftsauffassung zum epochalen Zeitpunkt gebunden ist.

Klaus Schreiner und Gerd Schwerhoff haben bezüglich des Ehrbegriffs einen Band herausgegeben, in dem durch verschiedene Studien und Aufsätze ein Gesamtbild des Begriffs der Ehre vom Mittelalter bis hin zur frühen Neuzeit entsteht[1].

2 Auffassung der Ehre im Kontext der Zeit

2.1 Der Ehrbegriff

Da es sich bei der Vokabel „Ehre“ ( lat. honus) nicht um einen materiellen Gegenstand handelt, sondern um eine Vorstellung, die mit anderen Worten wie Sitte, Anstand, Norm, Tradition, Moral, Ansehen und Status einhergeht, empfiehlt es sich, sich dem Begriff auf zwei Wegen zu nähern: einerseits Ehre im Bezug auf die Stellung in der sozialen Gesellschaft, anhand welcher man erkennen kann, welche Ehre eine Person erfährt, z. B. anhand seines Besitzes, seines Ansehens und seinem Status, d.h. seine Standeszugehörigkeit innerhalb einer Gemeinschaft und welchen Anspruch eine Person im Hinblick auf Anerkennung und Achtung auf seine Mitmenschen geltend macht. Auf der anderen Seite steht hinter dem undurchsichtigen Wort „Ehre“ der sittliche Begriff mit den Umschreibungen wie Anstand, Moral, Verhalten, Würde, Tradition, Brauch, Gewissen oder gesellschaftliche Normen. Die Form der Ehrauffassung ist eng mit zum Teil subjektiven Werturteilen verknüpft. Diese Werturteile einer bestimmten Gesellschaft sind gebunden an Merkmale wie Zeitalter, Epoche, geschichtlicher, politischer und sozialer Hintergrund, Denken, Religion, etc. An diesen Aufzählungen lässt sich bereits erkennen, dass sich Ehre nicht in einem Satz erklären oder zusammenfassen lässt. Das folgende Zitat beschreibt die Schwierigkeit der Definition doch sehr treffend:

„Da Werte stets von kulturellen Sinnsystemen […] abhängen, sind für Ehre neben den sozialen vor allem kulturelle Gegebenheiten konstituiv- solange Art, Herkunft und Entwicklung jener Wertsetzungen im jeweiligen historisch- kulturellen Kontext nicht ins Blickfeld einbezogen werden und die Betrachtung etwa bei sozialstrukturellen Gegebenheiten stehen bleibt, wird man das Phänomen der Ehre nicht angemessen erfassen können“[2].

Der Begriff Ehre beschreibt Sachverhalte und Beziehungen zwischen einzelnen Sachverhalten, wobei ein weiterer Ansatzpunkt genannt ist, durch welchen man an diesen schillernden Begriff herankommt: die Negativierung, d.h. was ist Recht und läßt sich mit der Ehre vereinbaren und was ist Unrecht und kann niemals mit der Auffassung dieser Vokabel in Einklang gebracht werden. Anhand von Gegenüberstellung und Vergleich sowie Beispielen wird schon eher deutlich, dass „Ehre eine Chiffre für Universalien des gesellschaftlichen Lebens ist“[3]. Was sich aber sicher sagen lässt, ist, dass sich die jeweilige Auffassung der Ehre im Zusammenleben der Menschen und der Gesellschaften in Form von Verhaltensmustern und bestimmten, der Ehre entsprechenden Handlungen, niederschlägt. Je nach Zeitalter und Sitte sind mit der Ehre bestimmte Rechte und Gewohnheiten verbunden wie beispielsweise Ehrengaben, Ehrenbürger, Zeremonien usw. Charakteristische Merkmale der Bedeutung von Ehre können sich auf ein Individuum auswirken, und nicht nur dies, sondern auch auf eine gesamte Gemeinschaft oder Nation. In der Theologie wird dieser Begriff indessen noch breiter aufgefächert, was aber hier nicht Gegenstand sein soll.

2.1.1 Der Ehrbegriff zu Zeiten der Veröffentlichung

Wie schon in 2.1 erwähnt, lässt sich die Ehre nur innerhalb bestimmter Grenzen nach Völkern und Zeitalter bestimmen. Der zugrunde liegende Text von Gottfried Keller ist in seiner Erstausgabe im Jahre1856 erschienen, also mehr als sechzig Jahre nach der französischen Revolution. Die Aufklärung und das Denken dieser Zeit sei also schon in das menschliche Gedankengut eingegangen. Dennoch gab es diesbezüglich vielerlei Debatten um das moderne Gesellschaftsleben. Im Vergleich zur heutigen Auffassung von Ehre genießen aber um 1850 die strengen Regeln und Normen der Gesellschaft wesentlich mehr Präsenz. Ehre ist allgegenwärtig und bestimmt den Alltag eines jeden Individuums jenes Zeitalters. Man legt besonders großen Wert auf Ansehen und Standeszugehörigkeit, wobei hauptsächlich der Besitz und die Masse des Eigentums ausschlaggebend sind[4]. Viel deutlicher wird der Druck der Gesellschaft und deren Anschauung von Wertstrukturen anhand von Kellers später zugefügtem und danach wieder entferntem Schlussteil, in dem er auf die öffentliche Meinung zu seiner Novelle eingeht und sich an einer Rechtfertigung versucht, die Problematik von Sitte, Schuld und Freitod zu thematisieren. Diese wird jedoch kurze Zeit wieder gestrichen. Dass Keller seine Erzählung kommentiert, zeugt von einer Sittlichkeitsvorstellung in den Köpfen der Gesellschaft, die den Inhalt, d.h. Liebe ohne Eheschließung und das Ende der Kinder mit dem selbstgewählten Freitod, aus dem die Novelle gemacht ist, in ihrem Sinne nicht als der Ehre und Moral entsprechend, empfinden. In 2.5 soll darauf näher eingegangen werden.

[...]


[1] Verletzte Ehre. Ehrkonflikt in Gesellschaften des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Hrsg. von Klaus Schreiner und Gerd Schwerhoff. Köln; Weimar; Wien; Böhlau: Böhlau Verlag GmbH 1995.

[2] Ehre. Archaische Momente in der Moderne. Hrsg. von Ludgera Vogt und Arnold Zingerle. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1994, S. 9.

[3] Ebd., S. 16.

[4] Vgl. Klaus Schreiner/Gerd Schwerhoff: Verletzte Ehre, S. 10.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung der "Ehre" in Gottfried Kellers "Romeo und Julia auf dem Dorfe"
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für Deutsche Sprache und Literatur)
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V79443
ISBN (eBook)
9783638860147
ISBN (Buch)
9783638864541
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bedeutung, Ehre, Gottfried, Kellers, Romeo, Julia, Dorfe, Thema Romeo und Julia auf dem Dorfe
Arbeit zitieren
Stefanie Udema (Autor:in), 2003, Die Bedeutung der "Ehre" in Gottfried Kellers "Romeo und Julia auf dem Dorfe", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79443

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