Auf die Frage „Was ist ein Diskurs und was wollen uns die Dichter und Denker sagen?“ kann mit vorliegender Arbeit nicht geantwortet werden. Meine Frage lautet „Wie macht sich das Sagen zwischen Aussagen des geisteswissenschaftlichen Diskurses und metaphorischen Konstellationen der Poesie bemerkbar?“ Wie läßt es sich kulturwissenschaftlich denken und analysieren? Eines der wichtigsten Eingeständnisse der modernen Geisteswissenschaften ist, daß epistemologische Zentren wie ein kognitives Selbst, zu vervollkommnende Erfahrung und das Suchen nach letzten Wahrheiten an Bedeutung verlieren. Ein literatur- und diskurstheoretisch reformuliertes Interesse am Text will also nicht Interpretieren und Dekonstruieren. (Vgl. Silverman 1994, 246 und 256.) Vielmehr will ein solches Interesse abendländische Denktraditionen perforieren, indem es diskursive Zentren zum einen identifiziert und zum anderen Formationen ähnlicher Aussagen ihrer Struktur nach differenziert und analysiert. Hierbei erweist sich der topologische Diskurs als sinnvolles epistemologisches Werkzeug, das der Gefahr einer begrifflichen Beliebigkeit bzw. interpretativer Willkür vorbeugt.
Im Zentrum meiner Untersuchung stehen kanonisch etablierte Metaphern des Raumes in literarischen Texten sowie die intertextuelle Struktur der sich durch sie formierenden Metaphernkonstellationen. Hierbei sind auch assoziative Bezüge zu geisteswissenschaftlichen Texten von Bedeutung. Im direkten Nebeneinanderstellen entsprechender Textstellen verschiedener Genres sowie innerhalb eines Genres wird die sinnstiftende Aussagekraft solcher Konstellationen deutlich. Ein Exposévorschlag in Blumenbergs Metaphorologie war hierzu Initiation:
“Die alte Schicksalsmetapher vom Schiff auf dem Meere fließt hier mit dem neuen Bewußtsein von der Entropie des Weltgeschehens zusammen, das die Gestalt der Reisemetapher aufnimmt, die bei der Odyssee Homers ihren ewigen Quell hat, aber nun die Gegenform der Heimkehrlosigkeit, der Irreversibilität, der Nicht-Kreisförmigkeit erreicht hat. Das ist beinahe schon das Exposé einer, noch zu leistenden, sehr reizvollen Sonderuntersuchung.” (Blumenberg 1998, 29.)
Um im Sinne der Topologie eine Orientierung innerhalb der modernen Literatur zu ermöglichen, beschränkt sich meine Untersuchung auf die Metaphernkonstellationen Netz – Gewebe, Meer – Wüste und Fleck – Rest.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Einführung. Kulturwissenschaft und Poetik
- I Ähnliche Netze und mannigfaltige Gewebe
- II Das Anderswo des Meeres und der Wüste
- III Der Fleck oder: der Rest ist das Zentrum
- Nachwort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Untersuchung widmet sich dem Diskurs der Moderne und betrachtet dabei die Konstellation ähnlicher Aussagen und metaphorischer Verknüpfungen zwischen Geisteswissenschaft und Poesie im Lichte des kulturwissenschaftlichen Denkens. Der Fokus liegt auf der Analyse von kanonisch etablierten Raummetaphern in literarischen Texten und ihrer intertextuellen Struktur.
- Die Bedeutung von Metaphernkonstellationen für die Sinnstiftung in literarischen Texten
- Die Verknüpfung von literarischen und geisteswissenschaftlichen Texten durch gemeinsame metaphorische Strukturen
- Die Rolle von Raummetaphern in der Gestaltung von Bedeutung und Erinnerung
- Die Bedeutung von Spuren, Brüchen und Resten im kulturellen Gedächtnis
- Die Verbindung von Poesie und Philosophie im Kontext der Analyse von Metaphern
Zusammenfassung der Kapitel
- Vorwort: Das Vorwort stellt die grundlegende Methodik der Untersuchung dar und fokussiert auf die Analyse von Raummetaphern in literarischen Texten. Es skizziert die Herangehensweise an die Untersuchung und verweist auf Blumenbergs Metaphorologie als Ausgangspunkt.
- Einführung. Kulturwissenschaft und Poetik: Die Einführung beleuchtet den Zusammenhang zwischen Kulturwissenschaft und Poesie, insbesondere hinsichtlich der Ökonomie des Wortes, der Metapher und der Metaphernkonstellation. Sie verdeutlicht die Bedeutung von intertextuellen Spuren und Strukturveränderungen innerhalb des Textes.
- I Ähnliche Netze und mannigfaltige Gewebe: Dieses Kapitel untersucht die Metaphernkonstellation "Netz - Gewebe" und analysiert die Bedeutung dieser Metaphern für die Gestaltung von Bedeutung und Erinnerung im Diskurs der Moderne.
- II Das Anderswo des Meeres und der Wüste: Das Kapitel fokussiert auf die Metaphernkonstellation "Meer - Wüste" und untersucht, wie diese Metaphern die Konzepte von Raum, Grenzüberschreitung und Anderssein in literarischen Texten prägen.
- III Der Fleck oder: der Rest ist das Zentrum: Dieses Kapitel befasst sich mit der Metaphernkonstellation "Fleck - Rest" und analysiert die Bedeutung von Brüchen, Spuren und Vergessen im kulturellen Gedächtnis.
Schlüsselwörter
Die Untersuchung befasst sich mit Schlüsselbegriffen wie Metaphernkonstellationen, Raummetaphern, intertextuelle Struktur, Kulturwissenschaft, Poesie, modernes Denken, Bedeutungsstiftung, Erinnerung, Spuren, Brüche und Rest. Im Mittelpunkt stehen die Analyse von kanonisch etablierten Raummetaphern in literarischen Texten und deren Bedeutung für die Gestaltung von Bedeutung und Erinnerung im Diskurs der Moderne.
- Quote paper
- Dr. des. Robert Dennhardt (Author), 2003, Die Mannigfaltigkeit des Selben im Diskurs der Moderne (Teil 2), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79549