Betriebliche Kriegszeitschriften im Ersten Weltkrieg - PR und/oder Propaganda? - "Süß und ehrenhaft ist es, für die Firma zu sterben!"


Seminararbeit, 2005

21 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Gazetten als Bindeglied zwischen Heimat und Front

3. Begriffsklärung
3.1 Definition PR
3.2 Definition Propaganda

4. Die Kriegszeitschriften
4.1 Formale Aspekte und Inhalt
4.2 Das Beispiel der „Leibniz-Feldpost“
4.3 Das Beispiel der „Hanomag-Nachrichten“
4.4 Vergleich „Leibniz-Feldpost“ und „Hanomag-Nachrichten“

5. Die Feldpostbriefe
5.1 Inhalt und Funktion
5.2 Zensur von Feldpostbriefen

6. Reflexion nach dem Krieg und Legendenbildung

7. Schlussfolgerung

8. Anhang (Abbildungen)

9. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In den Jahren 1914 bis 1918 kam es zur „großen Urkatastrophe unseres Jahrhunderts“, wie der Diplomat und Politikwissenschaftler George Frost Kennan den Ersten Weltkrieg bezeichnete.

Zunächst war der Erste Weltkrieg ein lokal begrenzter Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und dem Königreich Serbien. Dieser weitete sich jedoch rasch zu einem europäisch und schließlich global geführten Krieg aus, an dem sich 32 Nationen beteiligten. Der Einsatz moderner Waffentechniken, neue Methoden strategischer Kriegsführung sowie die auf militärische Ziele ausgerichtete Umstrukturierung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft machten den Ersten Weltkrieg zum ersten totalen Krieg in der Geschichte der Menschheit. Kennzeichnend für solch einen totalen Krieg ist eine Kriegsführung, die alle verfügbaren Kräfte und Reserven ausschöpft. Dabei werden alle Lebensbereiche ausschließlich auf den Krieg konzentriert und der Unterschied zwischen Zivilbevölkerung und militärischer Truppe wird zunehmend geringer.[1] Dies zeigt sich u.a. an dem vollen Engagement der Industrie, die unaufhörlich wichtige Heeresgüter militärischer und ziviler Art produzierte. Ebenso wichtig war die totale Unterstützung durch die deutsche Bevölkerung, wobei die Einflussnahme auf die öffentliche Meinung und Stimmung im Volke rasch zu einem wichtigen Faktor der Kriegsführung geworden war. „Der Große Krieg stellte einen Kampf um die Stimmungs-, Meinungs- und Urteilsbildung nach innen und außen dar.“[2] Um sowohl die Gegner als auch die eigene Bevölkerung zu desinformieren, wurden Medien als strategische Waffen eingesetzt. Ein Beispiel dieser medialen Kriegsmittel waren die betrieblichen Kriegszeitschriften der Unternehmen.

Ziel dieser Hausarbeit ist es, den Untersuchungsgegenstand „Betriebliche Kriegszeitschriften im Ersten Weltkrieg“ intensiver in Augenschein zu nehmen. Im Kontext des Spannungsfeldes von PR, Propaganda und Werbung soll der Frage: „Betriebliche Kriegszeitschriften im Ersten Weltkrieg – PR und/oder Propaganda?“ nachgegangenen werden. Diese Arbeit stützt sich alleinig auf die Studien von Dr. Joachim Heise zur Unternehmenskommunikation während des Ersten Weltkriegs, da keine weitere Literatur zu diesem Problemkreis aufzufinden war.

2. Die Gazetten als Bindeglied zwischen Heimat und Front

In der aktuellen Diskussion zur nationalen, internationalen sowie globalen Wirtschaftsfrage werden häufig zahlreiche Militarismen wie „Preisoffensiven“, „feindliche Übernahmen“, „Rückzüge“ oder „globale Schlachten“ bemüht. Im Gegensatz dazu muten die im Ersten Weltkrieg verwendeten Termini wie „publizistische Offensive“ und „mediales Trommelfeuer“ noch harmlos an. Der Erste Weltkrieg war ein moderner, mediatisierter Krieg, indem der Krieg an sich zu einem PR- und Medienereignis deklariert wurde. Dabei wurden die Färbung der Volksstimmung und die öffentliche Meinung durch propagandistische Mittel gestaltet und gesteuert. Kurz nach Kriegsausbruch reagierte vor allem die Industrie rasch. „Monate bevor von offizieller Seite an eine systematische Propaganda zu denken war, setzten die Firmen im vorauseilenden Gehorsam ihr Know-how in der Werbung und der Mitarbeiterführung strategisch für das Vaterland, den Krieg und das eigene Unternehmen ein.“[3] Bald hatten mehr als hundert deutsche Firmen eigene Kriegsgazetten herausgebracht. An diesem publizistischen Feldzug waren u.a. die Hanomag (Kriegs-Beilage der Hanomag-Nachrichten), die Bahlsen Keksfabrik (Leibniz-Feldpost), die Continental-AG (Continental Kriegs-Echo) sowie die Firma Günther Wagner (Der Kleine Pelikan) beteiligt. Ziel dieser Unternehmen war es, dem Völkerringen durch eine eigene Kriegspostille einen betrieblich-nationalen Sinn zu geben. Des Weiteren sollten die Mitarbeiterzeitschriften „’ein innigeres Band zwischen Heimat und Front’ knüpfen und so die Verbindung der Betriebs-Soldaten mit den Stätten ihres bisherigen Wirkens aufrechterhalten.“[4] Neben der ideologischen Sinngebung kam den Gazetten somit auch die Aufgabe der Mitarbeiterführung zu. Vor Beginn des Krieges hatten die genannten Unternehmen zwar noch keine Werkszeitschriften herausgegeben, jedoch bereits literarische Instrumente für ihre Unternehmenswerbung eingesetzt. Auffällig ist, dass ein Teil der Firmen versuchte, z.B. die Hanomag, eine Betriebsfamilie aufzubauen, wohingegen der andere Teil, so z.B. Bahlsen, solch „sozialistische Umtriebe“ abzublocken strebte.[5] Daher ist es unwahrscheinlich, dass die betrieblichen Kriegszeitschriften ausschließlich der Mitarbeiterführung dienten.

3. Begriffsklärung

Dr. Joachim Heise macht in seinen Studien deutlich, dass die Mitarbeiterführung nur eine Teilfunktion im Kommunikationsprozess zwischen den Unternehmen und ihren Mitarbeitern darstellt. „Die firmeneigenen Kriegszeitschriften dienten nicht nur den Human Relations, sondern auch in hohem Maß der externen PR, der militärischen Propaganda und der Werbung. Aufgebaut wurden die Zeitschriften als kommunikative Verbindungsbrücken zwischen Front und Heimat, zwischen Betriebsinteressen und Patriotismus, zwischen Arbeitnehmern und Unternehmensleitung, zwischen Soldaten und Zurückgestellten, zwischen Männern und Frauen, zwischen Betrieb und Stadt.“[6]

Es stellt sich die Frage, inwiefern diese Gazetten als ein Instrument der Human Relations und der politischen Meinungsbildung gesehen werden können. Dabei ist es notwendig, die Begriffe Public Relations und Propaganda zu erläutern.

3.1. Definition von PR

Grundsätzlich sind unter PR die Bemühungen von Unternehmen, Staat, Kommunen und Organisationen zu verstehen, für die eigenen Arbeiten und Ziele die Öffentlichkeit zu interessieren, ein positives Image zu gestalten und Vertrauen zu schaffen. Demzufolge sind Public Relations öffentlichkeitsorientiert, indem sie eine gesellschafts-politische Informationsfunktion wahrnehmen.[7]

Heises Studie zufolge, bietet PR ein Interventionsprogramm für Organisatoren, die eigene Weltsicht im Verbund oder Konkurrenz zu anderen Kommunikationsmitteln zu etablieren. Dies ist nur möglich, wenn sich eine Gesellschaft über die Basissysteme Ökonomie, Politik und Orientierung reproduziert. Der PR wird dabei eine wichtige Aufgabe zuteil: Informationssteuerung und -generierung.

Günther Bentele kommt zu der Definition, dass „Öffentlichkeit oder Public Relations das Management von Informations- und Kommunikationsprozessen zwischen Organisationen einerseits und ihren internen oder externen Umwelten (Teilöffentlichkeiten) andererseits ist. Funktionen von Public Relations sind Information, Kommunikation, Persuasion, Imagegestaltung, kontinuierlicher Vertrauenserwerb, Konfliktmanagement und das Herstellen von gesellschaftlichem Konsens“[8]

In Anlehnung an Michael Kunczik versteht Joachim Heise unter PR des weiteren die Bemühungen einer Organisation, die mit kontinuierlich oder situativ eingesetzten kommunikativen Mitteln eigene Interessen gegenüber der Öffentlichkeit beziehungsweise relevanten Teilöffentlichkeiten durchzusetzen versucht oder diese nachhaltig in ihrer Haltung gegenüber der Organisation beeinflussen will. Dabei wertet Heise die Belegschaft eines Unternehmens als Teilöffentlichkeit und ordnet folglich das Gebiet der innerbetrieblichen Organisationskommunikation der PR zu.[9] „Externe PR hat eine Output-, bei der Informationssammlung in der Umwelt eine Input- sowie in der kontinuierlichen Anpassung und Aufhebung von Differenzen eine Feedbackfunktion. Interne PR verfolgt hingegen mit der Herstellung und Sicherung von Identifikation primär eine Integrations- und Mobilisierungsfunktion.“[10].

3.2 Definition von Propaganda

Günther Bentele vertritt die für die Hausarbeit wichtige Theorie, dass auch in totalitären Systemen trotz der dominierenden staatlichen Propaganda desgleichen PR, Werbung und Journalismus als Formen öffentlicher Kommunikation existieren und wirken können.[11]

Propaganda beinhaltet die Verbreitung von Ideen und Informationen mit dem Ziel der Manipulation. Ausgehend von Einzelpersonen, Unternehmen, politischen Organisationen und Regierungen erfolgt die ideologische Beeinflussung dabei durch publizistische Organe. Der Einsatz von Medien und Kommunikationsmitteln ist dabei unerlässlich.

Die für die Hausarbeit relevante Form der Propaganda ist die politische Propaganda. Diese hat zum Ziel, die öffentliche Meinung positiv gegenüber den Zielen und Wertvorstellungen einer bestimmten politischen Gruppierung oder der Regierung zu beeinflussen. Die im Ersten Weltkrieg eingesetzte politische Propaganda wurde in der historischen Betrachtung als „Gräuelpropaganda“ gebrandmarkt, da sie versuchte, durch fiktive Meldungen den militärischen und politischen Gegner moralisch in ein schlechtes Licht zu stellen.[12]

[...]


[1] Microsoft Encarta Enzyklopädie: „Erster Weltkrieg“. 1993-2002 Microsoft Cooperation

[2] Heise, Joachim S.: Für Firma, Gott und Vaterland. Betriebliche Kriegszeitschriften im Ersten Weltkrieg. Das Beispiel Hannover. Hannover: Verlag Hahnsche Buchhandlung, 2000, S. 10.

[3] Heise, Joachim S.: Im Westen doch etwas Neues – feldgraue PF für den Endsieg. In: prmagazin, Ausgabe 4, 2001, S.35.

[4] Ebd., S.35

[5] Heise, Joachim S.: Für Firma, Gott und Vaterland. Betriebliche Kriegszeitschriften im Ersten Weltkrieg. Das Beispiel Hannover. Hannover: Verlag Hahnsche Buchhandlung, 2000, S.396.

[6] Vgl. Heise, Joachim S.: Im Westen doch etwas Neues – feldgraue PF für den Endsieg. In: prmagazin, Ausgabe 4, 2001, S.36.

[7] Microsoft Encarta Enzyklopädie: „Public Relations“. 1993-2002 Microsoft Cooperation.

[8] Bentele, Günther: Grundlagen der Public Relations. Positionsbestimmung und einige Thesen. In: Donsbach, Wolfgang: Public Relations in Theorie und Praxis. Grundlagen und Arbeitsweise der Öffentlichkeitsarbeit in verschiedenen Funktionen. München: R. Fischer, 1997, S.22.

[9] Vgl. Vgl. Heise, Joachim S.: Im Westen doch etwas Neues – feldgraue PF für den Endsieg. In: prmagazin, Ausgabe 4, 2001, S. 36.

[10] Ebd., S. 36.

[11] Ebd., S. 36.

[12] Microsoft Encarta Enzyklopädie: „Propaganda“. 1993-2002 Microsoft Cooperation

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Betriebliche Kriegszeitschriften im Ersten Weltkrieg - PR und/oder Propaganda? - "Süß und ehrenhaft ist es, für die Firma zu sterben!"
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft)
Veranstaltung
Geschichte der PR
Note
2,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V79599
ISBN (eBook)
9783638869775
ISBN (Buch)
9783638869874
Dateigröße
702 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Betriebliche, Kriegszeitschriften, Ersten, Weltkrieg, Propaganda, Firma, Geschichte, PR, Öffentlichkeitsarbeit
Arbeit zitieren
Ulrike Römer (Autor:in), 2005, Betriebliche Kriegszeitschriften im Ersten Weltkrieg - PR und/oder Propaganda? - "Süß und ehrenhaft ist es, für die Firma zu sterben!", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79599

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