Die Deutschlandpolitik der Regierung Brandt/Scheel im parlamentarischen Prozess


Seminararbeit, 2002

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
2. Die Deutschlandverträge
2.1 Das Vier-Mächte-Abkommen
2.2 Das Transitabkommen
2.3 Das Verkehrsabkommen
2.4 Der Grundlagenvertrag

3. Die parlamentarische Diskussion
3.1 Die Debatte um die Deutschlandverträge
3.2 Das konstruktive Misstrauensvotum
3.3 Auflösung und Neuwahlen zum Deutschen Bundestag
3.4 Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht

4. Die Bewertung der oppositionellen Deutschlandpolitik(Schlussbetrachtung )

Literaturverzeichnis

1. Einleitung:

Die Ostpolitik der sozial-liberalen Koalition umfasst die Teilbereiche Osteuropa-Politik und Deutschlandpolitik. Die durch die Regierung ausgehandelten Vertragswerke waren für Deutschland und Osteuropa ein wichtiger Meilenstein in der Entspannungspolitik und bildeten nicht zuletzt eine Basis für die 1990 erfolgte Deutsche Wiedervereinigung.

In dieser Hausarbeit soll der parlamentarische Prozess um die Deutschlandverträge der sozial-liberalen Koalition behandelt werden und explizit die Haltung der parlamentarischen Opposition herausgestellt werden. Da im sechsten Deutschen Bundestag FDP und SPD die Regierung bildeten, war die CDU/CSU-Fraktion die alleinige Oppositionspartei. In dieser Hausarbeit sollen die Strategien, die Meinungen sowie die parlamentarischen Mittel der Union dokumentiert und bewertet werden.

Im auf diese Einleitung folgenden zweiten Kapitel dieser Hausarbeit werden die Deutschlandverträge der sozial-liberalen Regierung bearbeitet. Nach einer kurzen Einleitung über die Vorverhandlungen werden das Vier-Mächte-Abkommen, das Transitabkommen, das Verkehrsabkommen und der Grundlagenvertrag mit ihren Inhalten vorgestellt und dokumentiert. Das Vier-Mächte-Abkommen wurde von den vier Besatzungsmächten ausgehandelt und ratifiziert. Deutsche Vertreter haben an diesem Vertragswerk nur am Rande mitgewirkt. Da es nicht zu den Abkommen zählt, welche DDR und BRD unmittelbar untereinander ausgehandelt haben, wird das Vier-Mächte-Abkommen nur am Rande behandelt. Trotzdem bildete das Vier-Mächte-Abkommen die Grundlage für die Verträge und Abkommen zwischen BRD und DDR. In Kapitel drei dieser Arbeit soll die parlamentarische Diskussion um die Deutschlandverträge behandelt werden. Zunächst soll auf die Debatten im Deutschen Bundestag eingegangen und die Standpunkte der parlamentarischen Opposition verdeutlicht werden. Da in den Bundestagsdebatten im allgemeinen von den „Ostverträgen“ die Rede ist, es wurde nicht immer zwischen den Verträgen mit den osteuropäischen Staaten und den Verträgen mit der DDR differenziert, wird in dieser Hausarbeit gelegentlich von den Ostverträgen die Rede sein. Hiermit sind aber auch die Deutschlandverträge mit der DDR gemeint.

Im Anschließenden Unterkapitel 3.2 wird das konstruktive Misstrauensvotum der Opposition gegen Bundeskanzler Willy Brandt, mitsamt den Hintergründen, beleuchtet. Das darauf folgende Unterkapitel (3.3) untersucht die nach dem konstruktiven Misstrauensvotum erfolgte Auflösung des Deutschen Bundestages und den damit verbundenen Neuwahlen. In Kapitel 3.4 soll die Klage der parlamentarischen Opposition vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bearbeitet werden. Im Schlusswort dieser Hausarbeit (Kapitel 4) sollen die Standpunkte der CDU/CSU-Fraktion noch einmal aus der Gesamtübersicht betrachtet und bewertet werden.

2. Die Deutschlandverträge

In seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 deutete der neue Bundeskanzler Willy Brandt die Verhandlungsbereitschaft mit der DDR an. Er betonte, dass man mit der DDR auf der Basis der Gleichberechtigung Gespräche führen wolle und das Verhältnis der beiden Deutschen Staaten untereinander verbessert und normalisiert werden solle. Grundsätzliche Fragen oder noch nicht geklärte Fragen sollten verbessert werden. Der Regierungschef stellte jedoch fest: „Eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR kann nicht in Betracht kommen. Auch wenn zwei Staaten in Deutschland existieren, sind sie doch füreinander nicht Ausland; ihre Beziehungen zueinander können nur von besonderer Art sein.“[1] Die Reaktion der DDR ließ zunächst keine Verhandlungsbereitschaft erkennen, die Konzeption der Bundesregierung über mögliche Gespräche wurde vom Staatsratsvorsitzenden der DDR, Walter Ulbricht, als „Vormundschaftsanspruch“ der BRD gegenüber der DDR zurückgewiesen. Dennoch übersandte Ulbricht am 17. Dezember 1969 einen „Entwurf eines Vertrages über die Aufnahme gleichberechtigter Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland“ an Bundespräsident Gustav W. Heinemann. Bundeskanzler Willy Brandt verzichtete darauf, einen Gegenvorschlag vorzulegen. Er schlug aber vor, einen Meinungsaustausch der beiden Regierungen durchzuführen. Hierbei sollten alle Fragen der Beziehungen zueinander geklärt werden.[2]

Am 19. März 1970 trafen sich in Erfurt die Regierungschefs der beiden deutschen Staaten zu einem grundsätzlichen Meinungsaustausch. Bundeskanzler Willy Brandt betonte, dass für ihn nicht der Abschluss von förmlichen Dokumenten wichtig sei, sondern dass die Menschen in beiden deutschen Staaten von den Verhandlungen profitieren müssten. Man beschloss, die Gespräche der beiden deutschen Regierungen am 21. Mai in Kassel weiterzuführen. Die Erwartungen der Menschen in der DDR und der BRD auf erleichterte Reisemöglichkeiten und verbesserte Zusammenarbeit wurden allein durch die Tatsache erhöht, dass man den Dialog fortsetzen wollte.[3] Die Interessen der beiden verhandelnden Seiten waren jedoch noch sehr gegensätzlich. Auch das Gespräch in Kassel erbrachte noch keine Ergebnisse. Bundeskanzler Willy Brandt präsentierte In Kassel ein 20-Punkte-Papier in dem er grundsätzliche Elemente eines Vertrages festlegte. Der DDR-Ministerratsvorsitzende Willi Stoph beharrte auf seinen Grundpositionen und empfahl eine Denkpause für beide verhandelnden Seiten. Am 27. November 1970 wurde der Meinungsaustausch fortgesetzt. Die Bundesrepublik Deutschland wurde durch den Staatssekretär Egon Bahr vertreten, die DDR durch Dr. Michael Kohl. Es begann ein Dialog, der im Verlaufe von zwei Jahren in den Vertragswerken mündete: Dem Transitabkommen, dem Verkehrsabkommen und letztendlich dem Grundlagenvertrag. Die Wiederaufnahme der Gespräche war vor allem das Ergebnis der Fortschritte in den Verhandlungen über das Vier-Mächte-Abkommen. Die Verhandlungen für dieses Abkommen begannen im März 1970.[4]

2.1. Das Vier-Mächte-Abkommen

Ein Ziel der Regierung Brandt/Scheel war es das Berlin Problem zu lösen, denn besonders hier wäre es für die Sowjetunion einfach gewesen die Spannungsschraube des Kalten Krieges fester zu ziehen und die Westalliierten zu provozieren. Schon alleine die Insellage Westberlins verschaffte der sowjetischen Armee einen geographischen, politischen und wirtschaftlichen Vorsprung.[5] Seit Beginn der sechziger Jahre und besonders nach dem Mauerbau vom 13. August 1961 waren sämtliche Transportwege und Verkehrswege von Westberlin zur Bundesrepublik Deutschland unterbrochen. Der Transitverkehr, das Post- und Fernmeldewesen waren stark eingeschränkt, da sie über das Territorium der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) verliefen. Allerdings war die Souveränität der DDR auf diesen Wegen eingeschränkt, sie standen unter Verantwortung der vier Siegermächte des zweiten Weltkrieges.[6] Im März 1970 begannen die Vertreter Frankreichs, Großbritanniens, der Sowjetunions und der USA einen Vertrag auszuhandeln, welcher praktikablere Regelungen für den Zugang und die Lebensfähigkeit der Stadt sichern sollte.[7] Bis zum Abschluss des Vier-Mächte-Abkommens dauerte es bis 1971. Die Verhandlungen erwiesen sich als schwierig, denn nur die Bereitschaft zu Kompromissen sicherte den Abschluss der Verträge. Strittige Fragen wurde durch unklare oder durch unterschiedlich auslegbare Begriffe verklausuliert. So war zunächst unklar über welchen Geltungsbereich verhandelt wurde, also ob man über Großberlin, Westberlin oder gar Ostberlin verhandelte. In dem aus vier Teilen bestehenden Vertragstext sprach man später von dem „betreffenden Gebiet“.[8]

Der Vertrag regelte zunächst die Beziehungen der Besatzungsmächte untereinander. Man wollte von der Anwendung und Androhung von Gewalt absehen, Streitigkeiten sollten mit friedlichen Mitteln beigelegt werden. Im zweiten Teil des Abkommen garantierte die Sowjetunion, dass der Waren- und Transportverkehr nach Westberlin über das Gebiet der DDR erfolgen kann. Dafür sicherten die Westalliierten zu, dass die Bindungen Westberlins an die Bundesrepublik Deutschland aufrechterhalten werden und die Kontakte weiter entwickelt werden sollen. Westberlin sollte jedoch kein Bestandteil der Bundesrepublik sein und nicht von der Bundesregierung aus verwaltet werden.[9]

Die unterschiedliche Auslegung des Abkommens unter den Vertragspartnern verdeutlicht das folgende Beispiel: Die „Bindungen“ wurden von der Regierung der Sowjetunion als Verkehrs-, Transport-, postalische- und Fernmeldeverbindungen interpretiert. Die offenen Formulierungen sowie die Diskussion um den Geltungsbereich des Vertrages stellten eine diplomatische Strategie dar: Nur sie sicherte den Abschluss des Vertrages, da durch diese Interpretationsmöglichkeiten das Abkommen erst für alle Verhandlungspartner annehmbar wurde.[10]

[...]


[1] Zitiert nach: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hrsg.): Zehn Jahre Deutschlandpolitik. Die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik 1969-1979. Bericht und Dokumentation, Bonn 1980, S. 7.

[2] Vgl. ebd. S. 8.

[3] Vgl. ebd. S. 8.

[4] Vgl. Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen: Zehn Jahre Deutschlandpolitik, S. 8.

[5] Görtemaker, Manfred: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart, München 1999, S. 545.

[6] Vgl. Maibaum, Werner: Geschichte der Deutschlandpolitik, Sonderausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1998, S. 68.

[7] Vgl. Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 540.

[8] Vgl. Maibaum: Geschichte der Deutschlandpolitik, S. 68.

[9] Vgl. Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen: Zehn Jahre Deutschlandpolitik, S. 159.

[10] Vgl. Görtemaker: Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 549.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Deutschlandpolitik der Regierung Brandt/Scheel im parlamentarischen Prozess
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Seminar für Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Proseminar: Regierungssystem und Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
20
Katalognummer
V79690
ISBN (eBook)
9783638857437
ISBN (Buch)
9783638854184
Dateigröße
442 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deutschlandpolitik, Regierung, Brandt/Scheel, Prozess, Proseminar, Regierungssystem, Außenpolitik, Bundesrepublik, Deutschland
Arbeit zitieren
Andreas Kaul (Autor:in), 2002, Die Deutschlandpolitik der Regierung Brandt/Scheel im parlamentarischen Prozess, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79690

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