Ausgangspunkt der Studie ist die Zeitdiagnose verstärkt prozessabhängiger Steuerungs- und Legitimationsversuche zur Herstellung von politischer Verbindlichkeit unter Bedingungen globaler Entgrenzung und einer gleichzeitigen Verdichtung sozialer Handlungszusammenhänge. Im Hinblick auf die Ursachen und Konsequenzen der Verlagerung von Entscheidungen auf supranationale Ebenen richtet sich der Fokus auf die Potenziale und Funktionen von Nicht-Regierungs-Organisationen zur Bearbeitung komplexer Problemlagen. Für die Analyse der Möglichkeiten gesellschaftlicher Kommunikationen wird eine differenzierungstheoretische Perspektive fruchtbar gemacht, um Gründe für Kommunikationsblockaden zu identifizieren und daraus Chancen für intersystemische Vermittlung durch interorganisationale Kooperation abzuleiten. Die gesellschaftstheoretische Analyse kommunikativer Vermittlung durch Organisationen in der modernen Gesellschaft wird im Hinblick auf die Gestalt von NGOs flankiert durch eine systematische Aufarbeitung des Forschungsstandes zur Theorie der Zwischengewalten in ihrer historischen Dimension bis hin zu den in dieser Tradition stehenden Konzepten der intermediären Instanzen in der Soziologie der Gegenwart. Als Beitrag zur sozialwissenschaftlichen Europaforschung bearbeitet die Studie das bislang erst unzureichend erforschte Feld der Auswirkungen zivilgesellschaftlich organisierten Engagements für Demokratiebildung und Integrationsprozesse auf europäischer Ebene. Praktisch stellt sich die zentrale Frage, was NGOs als interorganisationale Wissensnetzwerke auf der Ebene nationaler und europäischer Nachhaltigkeitspolitik bei der Herstellung kollektiver Verbindlichkeit in den intermediären Feldern zwischen offiziell etablierter Politik und einer sich partizipativ als Protest, Diskurs und Expertise einbringenden Nicht-Regierungs-Politik bewirken können und bewirken sollen. Aktuelles Interesse gewinnen in diesen Netzwerken und Lernprozessen die modernen Kommunikationsmedien – vor allem die elektronischen Plattformen als Partizipationskanäle für die Kommunikation zwischen den Organisationen der Zivilgesellschaft und den europäischen Institutionen. Diesbezüglich werden die Reaktionen des politisch-administrativen Systems der EU auf veränderte gesellschaftliche, organisationale und technische Bedingungen zur Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft an europäischen politischen Prozessen analysiert. Als Bezugsfeld der empirischen Untersuchung dient vor dem Hintergrund des Reformprozesses „Europäisches Regieren“ das anlässlich der Erarbeitung einer europäischen Verfassung für die Teilhabe der Zivilgesellschaft eingerichtete Konventsforum als neue Form einer Arena gesellschaftlicher Auseinandersetzung. Ziel der Arbeit ist die soziologische Beobachtung und Beurteilung der Bedingungs- und Wirkungszusammenhänge „ökologischer Kommunikationen“ in den Relationen zwischen der Selbst-Organisation sozialer Bewegungen und der institutionellen Systembildung von Politik und Verwaltung. Dies wird am Beispiel der Kommunikation von Wissen und Werten und der normativ basierten Integrationskraft von nachhaltiger Entwicklung als Leitbild und Symbolsystem der Steuerung in und für Europa untersucht. Dabei geht es um die Auswirkungen von neuen Verfahren des Dialoges und der Konsultation im Hinblick auf themenpolitische Forderungen der Zivilgesellschaft sowie der Organisation und Kommunikation von ‚alternativem’ Wissen.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- Problemdimension
- Leitende Forschungsfragen und Gliederung der Arbeit
- UNTERSUCHUNGSFELDER: KOORDINATION UND KOMMUNIKATION EUROPÄISCHER NACHHALTIGKEITSPOLITIK
- Europäische Willensbildungsprozesse und NGOs
- Nachhaltige Gesellschaftspolitik für Europa
- Untersuchungsdesign: Theoriebausteine und empirische Felder
- THEORIEBAUSTEINE: POUVOIRS INTERMÉDIAIRES - VERMITTLER INTERSYSTEMISCHER KOMMUNIKATION
- Exkurs: Kommunebewegung und „nichtlegitime Herrschaft“ – Max Weber
- Die Theorie der Zwischengewalten - Charles de Montesquieu
- Zwischengewalten und despotische Demokratie - Alexis de Tocqueville
- Zwischengewalten als moralische Instanz - Emile Durkheim
- Intermediäre Instanzen in der Soziologie der Gegenwart: Typen, Funktionen, Strukturen
- Die Theorie der ökologischen Kommunikation – Niklas Luhmann
- Steuerungspessimismus! Die Strukturationstheorie als theoretische Alternative?
- Strukturelle Kopplung und intersystemische Kommunikation durch Organisationen
- ORGANISATIONEN IN DER WISSENSGESELLSCHAFT
- Organisationen und gesellschaftlicher Wandel
- Von der virtuellen Organisation zur gesellschaftlich legitimierten Institution
- Wissensmanagement und Wissensgemeinschaften
- Nachhaltige Wissensgesellschaft
- Wissen als Ereignis
- Wissensnetze: Schnittstellen im Willensbildungsprozess
- Organisationen und Nachhaltigkeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Rolle von Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) als intermediäre Kräfte in der nachhaltigen Gesellschaftspolitik Europas. Sie befasst sich mit der Frage, wie NGOs im Spannungsfeld zwischen europäischer Willensbildung und nationaler Umsetzung wirken und welche Bedeutung sie für die Vermittlung nachhaltiger Gesellschaftspolitik haben.
- Die Rolle von NGOs als intermediäre Akteure in der europäischen Politiklandschaft
- Die Herausforderungen und Chancen der nachhaltigen Gesellschaftspolitik in Europa
- Die Bedeutung von Kommunikation und Koordination für den Erfolg nachhaltiger Politik
- Die Analyse von Theoriebausteinen zu intermediären Instanzen und ihrer Relevanz für die heutige Zeit
- Die Rolle von Organisationen in der Wissensgesellschaft und ihre Bedeutung für Nachhaltigkeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Problemdimension der nachhaltigen Gesellschaftspolitik in Europa und die Rolle von NGOs in diesem Kontext. Sie stellt die leitenden Forschungsfragen und die Gliederung der Arbeit vor.
Das zweite Kapitel widmet sich den Untersuchungfeldern von Koordination und Kommunikation europäischer Nachhaltigkeitspolitik. Es betrachtet die europäische Willensbildungsprozesse und die Rolle von NGOs in diesen Prozessen, sowie die Herausforderungen der nachhaltigen Gesellschaftspolitik für Europa. Schließlich werden die theoretischen und empirischen Ansätze der Untersuchung vorgestellt.
Kapitel 3 beschäftigt sich mit den Theoriebausteinen zu "Pouvoirs Intermédiaires", also den Vermittlern intersystemischer Kommunikation. Es werden verschiedene Ansätze von Theoretikern wie Max Weber, Charles de Montesquieu, Alexis de Tocqueville und Émile Durkheim betrachtet und die Relevanz dieser Theorien für die heutige Zeit diskutiert.
Kapitel 4 untersucht die Rolle von Organisationen in der Wissensgesellschaft und ihre Bedeutung für den Wandel hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft. Es werden Themen wie Wissensmanagement, Wissensgemeinschaften und die Bedeutung von Wissen für die Gestaltung der Zukunft behandelt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen Nachhaltigkeit, Gesellschaftspolitik, NGOs, intermediäre Kräfte, europäische Politik, Willensbildungsprozesse, Kommunikation, Koordination, Wissen, Wissensgesellschaft und Organisationen.
- Quote paper
- Dr. phil. Jürgen Schäfer (Author), 2006, Intermediäre Kräfte nachhaltiger Gesellschaftspolitik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79700