1887 erzielte der Amerikaner Emil Berliner mit der Erfindung des Grammophons und des ersten scheibenförmigen Tonträgers einen ähnlichen Durchbruch wie Johannes Gutenberg mit der Erfindung und Entwicklung des modernen Buchdrucks Mitte des 15. Jahrhunderts. Die Möglichkeit der Klangkonservierung und die damit verbundene Reproduzierbarkeit gespeicherter, akustischer Information eröffneten einen neuen, kulturellen Zeitabschnitt der Medienentwicklung. Dementsprechend hat die tontechnische Innovation der Schallplatte in der Mediengeschichte eine „ähnlich umwälzende Bedeutung“ wie die Gutenberg-Revolution . Die technischen Innovationen im Bereich der Schallaufzeichnung und die immanenten Reproduzierbarkeitspotentiale haben im ausgehenden 19. Jahrhundert die Voraussetzungen für einen dynamischen, sozio-kulturellen Transformationsprozess geschaffen, der die Relevanz des Tonträgers Schallplatte als Faktor des mediengeschichtlichen Wandels deutlich herausstellt .
Der deutsche Philosoph und Gesellschaftstheoretiker Walter Benjamin hat die Schallplatte bereits 1936 in seinem viel diskutierten Beitrag „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ als einen bedeutenden Demokratisierungsfaktor der Kunst bezeichnet. Zugleich weist Benjamin jedoch auch darauf hin, dass das originär einzigartige Kunstwerk durch die Schallplatte und die anderen, modernen Reproduktionsmedien sukzessiv seine Anziehungskraft verliert und dass die technische Reproduzierbarkeit gleichsam zu der Herausbildung völlig neuer Kunstformen beiträgt.
Benjamin macht insbesondere auf die sozio-kulturellen Folgewirkungen der technischen Reproduzierbarkeit aufmerksam, die langfristig eine Demokratisierung und eine Mutation der Kunst bewirkten .
Doch wie lässt sich der Stellenwert der Schallplatte als Faktor des mediengeschichtlichen Wandels belegen? Welche sozio-kulturellen Implikationen hatte die tontechnische Invention der Schallplatte? An welchen Phänomenen lassen sich die Demokratisierung der Musikkultur und die Mutation der Musikkommunikation als sozio-kulturelle Folgewirkungen der Schallplatte festmachen? Ist die Schallplatte innerhalb der Kulturforschung bisher angemessen berücksichtigt worden? Die Beantwortung dieses Fragenkomplexes soll das zentrale Ziel dieser Arbeit sein.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Fragestellung und Aufbau
- Quellenlage
- Forschungsstand
- Die sozio-kulturellen Folgen der Schallplatte
- Die Demokratisierung der Musikkultur
- Der demonstrative Konsum – Die Demokratisierung aus konsumsoziologischer Perspektive
- Die Schallplatte in der Kulturstatistik: Ein synoptischer Vergleich des Kulturbudgets verschiedener Privathaushalte
- Die Mutation musikalischer Kommunikation
- Die Herausbildung einer neuen, medienspezifischen Ästhetik - Die Dichotomie von Live- und Tonträger-Musik
- Das Phänomen des Kulturkonsums
- Die Mutation musikalischer Kommunikation aus der Perspektive der 1970er Jahre: ,,Musik auf Tonträgern zwischen Weltklang und Studio Sound – Produktion als eigenständige Kunstform?"
- Zusammenfassung
- Anhang
- Quellenverzeichnis
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit setzt sich zum Ziel, die Bedeutung der Schallplatte als Faktor des mediengeschichtlichen Wandels zu belegen und die sozio-kulturellen Implikationen dieser tontechnischen Invention zu untersuchen. Dabei wird insbesondere auf die von Walter Benjamin beschriebenen Folgen der technischen Reproduzierbarkeit eingegangen, die zu einer Demokratisierung und Mutation der Kunst führten. Die Arbeit analysiert die Auswirkungen der Schallplatte auf die Musikkultur und die Kommunikation im Bereich der Musikpraxis.
- Demokratisierung der Musikkultur durch die Schallplatte
- Mutation musikalischer Kommunikation als Folge der Schallplatte
- Entwicklung einer neuen, medienspezifischen Ästhetik im Bereich der Tonträgermusik
- Etablierung des Kulturkonsums als neue Form der Rezeption
- Produktion von Musik auf Tonträgern als eigenständige Kunstform
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Fragestellung der Arbeit vor und erläutert den Aufbau. Der erste Abschnitt des Hauptteils analysiert die Demokratisierung der Musikkultur durch die Schallplatte, indem er die Entwicklung von einem Luxusgut zu einem Kulturgut für alle beschreibt. Dieser Abschnitt beleuchtet auch den "demonstrativen Konsum" der Schallplatte und analysiert statistische Daten über Ausgaben für Schallplatten in verschiedenen Haushaltstypen. Der zweite Abschnitt konzentriert sich auf die Mutation musikalischer Kommunikation und beleuchtet die Herausbildung einer neuen Ästhetik im Bereich der Tonträgermusik sowie die Entwicklung des Kulturkonsums. Dieser Abschnitt untersucht auch die Produktion von Musik auf Tonträgern als eigenständige Kunstform aus der Perspektive der 1970er Jahre.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Schallplatte als Faktor des mediengeschichtlichen Wandels, die Demokratisierung der Musikkultur, die Mutation musikalischer Kommunikation, die Herausbildung einer neuen, medienspezifischen Ästhetik, den Kulturkonsum und die Produktion von Musik auf Tonträgern als eigenständige Kunstform.
- Arbeit zitieren
- Andrea Elisabeth Schildgen (Autor:in), 2007, Die Schallplatte als Faktor des mediengeschichtlichen Wandels, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79981