Neue Musik in der DDR

Eine Annäherung an künstlerische Konzepte und kritische Versuche der 60er Jahre


Hausarbeit, 2006

21 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historisches: Einordnung der DDR-Kulturpolitik in die Jahre 1959-71
2.1. Allgemeines
2.2. ZK-Kulturkonferenz 1959: Der „Bitterfelder Weg“
2.3. Die Kulturkonferenz des ZK 1964
2.4. Das 11. Plenum des ZK 1965

3. Musikgeschichtliches: Wahrnehmung – Darstellung – Rezeption
3.1. Zur Person und Figur Frank Schneiders
3.2. Frank Schneider: Momentaufnahmen (1979) – Wahrnehmung
3.3. Frank Schneider: Neue Musik in der DDR (2004) – Darstellung

4. Musikalisches: Darstellung ausgewählter Werke von DDR-Komponisten
4.1. Sinfonische Werke
4.2. Instrumentalkonzerte
4.3. Gesang

5. Kritisches: Ablehnung oder Liebesdienerei
5.1. Politische Musik
5.1.1. Anmerkungen
5.1.2. Die „Jüdische Chronik“ – ein gesamtdeutsches Manifest
5.2. Die Akademie der Künste – Eine Diskursinsel?

6. Zusammenfassung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit dem Ende der DDR ist einiges an Erkenntnissen über die Musikgeschichte dieses Staates zusammengetragen worden. Vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Diskursen und kunsttheoretischen Konzeptionen vor allem der 1960er Jahre. Während diese Zeit für die BRD als Art Bewährungssituation der Avantgarde anzusehen sind, stellt sich die Frage nach der Entwicklung in der DDR. Über den Protestcharakter der 60er im Westen hinaus konnten für die DDR diesbezüglich bislang keine grundlegenden Aussagen gemacht werden.

Ein grundsätzliches Problem scheint dabei im Staats und Gesellschaftsverständnis der DDR selbst zu liegen. Als im eigenen Selbstverständnis linker Staat „benötigte“ man keine linke Protesthaltung, sondern nur eine linke Legitimation als antifaschistischer Staat in historischer Abgrenzung zur propagierten imperialistischen, kapitalistischen und dem Vorwurf des Faschismus ausgesetzten Bundesrepublik.[1]

Durch einen in der DDR herrschenden Verfügungsanspruch des Staates auf Kunst, der sich einem Anspruch der Partei auf die Definitionsmacht von Kunst verband, sahen sich die Künstler einer Situation „mit gesellschaftlich-politisch vorgeprägten Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten“[2] konfrontiert, innerhalb derer sich paradoxerweise eine eigene Kreativität herausbildete, die man charakteristisch für die DDR-Musik nennen kann.

Im Folgenden soll die kunstpolitische Situation der DDR während der sechziger Jahre dargestellt und mögliche staats- bzw. gesellschaftskritische Momente herausgearbeitet werden

Ganz bewusst wird die Darstellung politischer und politisch genutzter Musik einen wichtigen Platz einnehmen, da einerseits von einer totalen Politisierung der Kunst die Rede sein wird und andererseits das vorliegende Material (noch) keine weiteren Zugänge ermöglicht.

Einen nicht unerheblichen Teil wird die Beschäftigung mit außerhalb der künstlerischen „Produktion“ stehenden Protagonisten einnehmen. Der Musikwissenschaftler Frank Schneider hat in jüngerer Zeit wichtige Hinweise für eine Geschichte der DDR-Musik gegeben; es bleibt zu fragen, welche Stellung er jenseits theoretischer Grundlagen in Bezug auf sein früheres und heutiges Schaffensfeld einnimmt.

2. Historisches: Einordnung der DDR-Kulturpolitik in die Jahre 1959-71

2.1. Allgemeines

Die Kulturträger der DDR sind in der gesamten Existenzdauer dieses Staates stets reglementiert, mehr oder weniger „gegängelt“, mindestens aber von der Regierung beeinflusst worden.

Die Kulturpolitik des DDR-Regimes mit all seinen Institutionen ist durch eine essentielle Besonderheit gekennzeichnet gewesen: unmittelbar durch die sowjetischen Doktrinen bestimmt, verwarf die (zunächst bis in die späten 1950er Jahre stalinistische) Kulturpolitik, was ihr nicht passte und versuchte zeitgleich, Regeln für eine erwünschte Kunstproduktion aufzustellen. Der „künstlerische, theoretische und politische Diskurs um Regeln und Regelverstöße“[3] bietet daher einen wichtigen Gegenstand zur Erforschung der DDR-Musikgeschichte. Diese „Geschichte als Herrschaftsdiskurs“[4] bedarf eines Einblicks in die wesentlichen Stationen der Kulturpolitik der 1960er Jahre.

Als wesentliche Grundlage für die ersten Jahre müssen die Beschlüsse des XX. Parteitages der KPdSU von 1956 – nach dem Tod Stalins – angesehen werden, welche die stalinistischen Dogmen aufweichten und insgesamt liberalere Züge aufwiesen. Wichtig in diesem Zusammenhang sind ebenso die verspätete (60er Jahre) und zögerliche Umsetzung dieser Beschlüsse unter Ulbricht.

2.2. ZK-Kulturkonferenz 1959: Der „Bitterfelder Weg“

Die erste Bitterfelder Konferenz fand am 24.04.1959 statt. Sie war vom Mitteldeutschen Verlag im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld und der Brigade „Nikolai Mamai“ einberufen worden. Die Konferenzteilnehmer erklärten das „Heldentum der Arbeit“ zum ästhetischen Maßstab des sozialistischen Realismus. Der so genannte „Bitterfelder Weg“ beinhaltete die Forderungen nach selbsttätiger sozialistischer Volkskunst („Greif zur Feder, Kumpel, die sozialistische Nationalkultur braucht dich“) und verpflichtete die Kunstschaffenden der DDR ihrerseits, in die Industriebetriebe zu gehen, um dort mit den Arbeitern Werk und Schaffen diskutieren zu können. Es ist die Rede von einem „System Kunst“[5], welches im Gesamtsystem des DDR-Sozialismus aufgeht und damit „aufhört, als autonome Wertsphäre“[6] zu existieren. Die SED verfolgte mit diesen Leitlinien mehrere Ziele:

Eine Mobilisierung der Massen über kulturpolitische Themen, ein besseres politisches Bewusstsein der Arbeiter durch die Beseitigung von Bildungsdefiziten als auch die Nutzung der Schreibergebnisse als Informationsquelle über die Lage der Arbeiter[7].

Wir erkennen hier eindeutige Parallelen zu ähnlichen (kunsttheoretischen) Forderungen bzw. Anstrengungen in der BRD und Westeuropa. Obgleich selbstverständlich dort keine staatlichen Eingriffe bzw. Vorgaben den Impuls gaben, lässt sich eine ähnliche Hinwendung zum „normalen“ Volk beobachten[8].

2.3. Die Kulturkonferenz des ZK 1964

Auf der zweiten Bitterfelder Konferenz stellte Ulbricht fest, dass das Ringen um eine höhere Qualität nur unzureichenden Erfolg hatte. Außerdem stellte man fest, dass die Zusammenarbeit der Intelligenz mit den Arbeitern den ersteren Möglichkeiten des Abweichens eröffnete. De facto erwies sich der Weg zu den Arbeitern schon als gescheitert. Allerdings versuchte man mit Parolen wie die Förderung der „sozialistischen Persönlichkeit“ bzw. die „Bildung eines sozialistischen Bewusstseins“.

2.4. Das 11. Plenum des ZK 1965

Dieses Plenum war nicht der erste, sicherlich aber einer der rigorosesten Eingriffe der SED-Führung in Kunstangelegenheiten. Obgleich Literatur und Film die schwerwiegendsten Einschnitte zu verkraften hatten, setzten auch in den bildenden Künsten und der Musik erhebliche Restriktionen ein. Die Ursachen und Komplexität des Plenums können hier nicht erläutert werden. Hervorragende Studien und eine ansehnliche Dokumentensammlung zum Thema wurden bereits Anfang der 1990er Jahre von Günter Agde herausgegeben.[9] Schon Zeitgenossen beschrieben die Konferenz, die mit sämtlichen Liberalisierung in der Kulturpolitik abschloss, als „Kahlschlagplenum“.

3. Musikgeschichtliches: Wahrnehmung – Darstellung – Rezeption

3.1. Zur Person und Figur Frank Schneider

„Frank Schneider, der vielleicht produktivste von allen [Einzelleistungen der Jüngeren], ist als einer der besten Kenner der zeitgenössischen Musik (nicht nur der DDR-Musik) hervorgetreten.“[10]

Den hier angesprochenen Musikwissenschaftler als Quelle zur Darstellung der Geschichte der Neuem Musik in der DDR der 60er Jahre heranzuziehen, erscheint nur auf den ersten Blick verwunderlich. Vielmehr soll anhand zweier von ihm verfassten Schriften untersucht werden, welche Eindrücke und Kenntnisse über besagten Zeitraum existieren, welchen möglichen Wandlungen diese unterliegen bzw. welche Denkstrukturen erkennbar werden.

Der 1942 in Großerkmannsdorf (Sachsen) geborene Musikwissenschaftler ist seit 1968 wissenschaftlich tätig. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der Musik des 20. Jahrhunderts, speziell der Musik der DDR.

In der noch recht übersichtlichen Literatur zur DDR-Musikgeschichte, die nach 1990 erschienen ist, gehört sein Name zu den häufiger vorkommenden, was neben seiner Biografie als in der DDR sozialisierter und tätiger Musikwissenschaftler den Ausschlag gab, sein Werk in den Mittelpunkt dieser Betrachtungen zu stellen.

Zwei seiner Veröffentlichungen sollen vergleichend nebeneinander gestellt werden: Zum einen die Einleitung zu seinem Buch „Momentaufnahme“[11] von 1979 und zum anderen ein 2004 erschienener Aufsatz mit dem Titel „Westwärts treibt das Schiff, ostwärts der Blick“[12].

Die Fragen, mittels derer die Texte untersucht werden, betreffen vor allem die Einstellungen Schneiders, seine perspektivischen Eindrücke und nachfolgenden Erinnerungen.

[...]


[1] Vgl. L. Kirchenwitz: 1968 im Osten – Was ging uns die Bundesrepublik an? In: BPB (Hg.): Aus Politik und Zeitgeschichte. B 45/2003

[2] C. Sporn: Komponieren trotz und unter Hindernissen. Innovationen in zeitgenössischen Instrumentalkompositionen im Kontext restriktiver Kulturpolitik der DDR, Diss. Leipzig 2004, Vorwort S. 1

[3] M. Tischer: Musik aus einem verschwundenen Staat. Thesen zu Risiken und Nebenwirkungen des Projekts DDR-Musikgeschichte. In: Ders. (Hg.): Musik in der DDR, Berlin 2005, S. 3

[4] M. Sabrow (Hg.): Geschichte als Herrschaftsdiskurs, Köln u.a. 2000.

[5] Heinz Alfred Brockhaus, Konrad Niemann: Musikgeschichte der DDR 1945-1976, Berlin 1979

[6] Michael Berg: Materialien zur Musikgeschichte der DDR, Weimar 2001, S. 97

[7] Vgl. Hermann Glaser: Deutsche Kultur. Ein historischer Überblick von 1945 bis zur Gegenwart, München 1997, S. 276f.

[8] v. a. Luigi Nono: Fabricca Illuminata und weitere

[9] Günther Adge (Hg.): Kahlschlag. Das 11. Plenum des ZK der SED 1965. Studien und Dokumente, Berlin 1991.

[10] Eberhardt Klemm: Zur Lage der Musikwissenschaft in der ehemaligen DDR, Typoskript vom 27.10.1990. In: Ders., Spuren der Avantgarde. Schriften 1955-1991, Köln 1997, S. 57.

[11] Frank Schneider: Konturen und Anhaltspunkte zu drei Dezennien Instrumentalmusik. In: Ders.: Momentaufnahmen. Notate zu Musik und Musikern in der DDR, Leipzig 1979, S. 13-44

[12] Ders.: „Westwärts treibt der Blick, ostwärts das Schiff“ – Die Neue Musik in der DDR im Kontext der internationalen Musikgeschichte. In: Michael Berg, Albrecht von Massow, Nina Noeske (Hrsg.): Zwischen Macht und Freiheit. Neue Musik in der DDR, Köln u.a. 2004, S. 89-106

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Details

Titel
Neue Musik in der DDR
Untertitel
Eine Annäherung an künstlerische Konzepte und kritische Versuche der 60er Jahre
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Note
1
Autor
Jahr
2006
Seiten
21
Katalognummer
V79994
ISBN (eBook)
9783638850360
ISBN (Buch)
9783638849470
Dateigröße
463 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neue, Musik
Arbeit zitieren
Norman Grüneberg (Autor:in), 2006, Neue Musik in der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79994

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