Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
I. Teil
2. Fach- und Sondersprachen
a. Was ist eine Fachsprache?
b. Was ist eine Sondersprache?
II. Teil
3. Geschichte der Alchemie
a. Historischer Abriss der Geschichte der Alchemie
III. Teil
4. Die Fachsprache der Chymie
a. Kurze Vorstellung der vier relevanten Drucke
b. Zur Sprache der Alchemie allgemein
c. Zur Sprache der vier Drucke
5. Zusammenfassung
6. Literaturverzeichnis
1. Einführung
Ziel dieser Arbeit ist es, in gegebenem Rahmen einerseits der Frage nachzugehen, was denn eine Fach- bzw. was eine Sondersprache sei, und andererseits einen kurzen Abriss der Geschichte der Alchemie von ihren Anfängen bis zu ihrem langsamen Übergang in eine moderne empirische Chemie sowie den Ansatz einer Analyse der Fachsprache selbiger Disziplin zu geben. Bevor dieses Vorhaben umgesetzt werden soll sei noch marginal Stellung zur Sprache allgemein genommen und danach noch kurz umrissen, worum es sich bei der so genannten Alchemie überhaupt handelt.
Sprache ist ein hochkomplexes System, das sich der Mensch aneignen und in welchem er sich konstant üben muss. Durch Sprache können wir uns verständigen und Aussagen über uns und die Welt machen. Das Instrumentarium an Mitteln, über das alle Angehörigen einer Sprachgemeinschaft verfügen und das deshalb die sprachliche Verständigung zwischen ihnen möglich macht nennt Lothar Hoffmann (1976, 162) die „Gesamtsprache“ – sie ist unser gesamtes Material und Potential an sprachlichen Äußerungen. Es gab und gibt immer wieder Einteilungsversuche der Gesamtsprache– z.B. kann die sie unterteilt werden in die Gemein-, die Fach- und die Sondersprachen, wobei letztere wiederum in Gruppen- und Geheimsprachen unterteilt wird. Eine andere Möglichkeit der Einteilung teilt die Gesamtsprache in den Bereich Gemein- und Sondersprachen ein und differenziert bei den Sondersprachen weiter in Fach-, Gruppen- oder Geheimsprachen. Die dritte Unterteilung sieht die Gesamtsprache in Sonder- und Gemeinsprache geteilt, die Gemeinsprache wiederum in Fach- und Umgangssprache und die Sondersprache in Gruppen- und Geheimsprachen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einteilungsmöglichkeiten der Gesamtsprache
Zur Alchemie ist vorauszuschicken, dass es sich bei ihr um eine alte Disziplin handelt, deren Ziele keinesfalls – wie oft üblich – lediglich in der Verwandlung unedler Metalle zu Gold gesehen werden dürfen, sondern bei der es sich vielmehr um eine Strömung mit stark mystisch‑spiritueller Basis handelt, welche sich auch mit der Vervollkommnung der Seele des Alchimisten beschäftigt – die Alchemie besteht also „nicht nur aus Praxis, sondern hat einen geistigen Überbau, ihre Theorie.“[1]
I. Teil
2. Fach- und Sondersprachen
a. Was ist eine Fachsprache?
Vorauszuschicken ist, dass die Festlegung des Begriffes Fachsprache deswegen einige Schwierigkeiten bietet, weil der Terminus „kontrastierend zu einem ebenso wenig definierten Begriff Gemeinsprache gebraucht wird“ (Fluck, 1985, 11). Nach Hoffmann ist eine Fachsprache „die Gesamtheit aller sprachlicher Mittel, die in einem fachlich begrenzbaren Kommunikationsbereich verwendet werden, um die Verständigung zwischen den in diesem Bereich tätigen Menschen zu gewährleisten“(1976, 170). Als Fachtext bezeichnen er das „Instrument bzw. das Resultat der im Zusammenhang mit einer spezialisierten gesellschaftlich-produktiven Aktivität ausgeübten sprachlich-kommunikativen Tätigkeit, welches aus einer endlichen geordneten Menge pragmatisch, semantisch und syntaktisch kohärenter Sätze oder satzwertiger Einheiten, die als komplexe sprachliche Zeichen komplexen Aussagen im Bewusstsein des Menschen und komplexen Sachverhalten in der objektiven Realität entsprechen, besteht.“ Porzig definiert Fachsprache als eine Sprechweise, die „eine auf bestimmte Zwecke beschränkte Abart der Hochsprache“ darstellt und welche „Fachleute für die Verständigung auf ihrem Sondergebiet ausgebildet haben, weil dabei ganz besondere Leistungen von der Sprache verlangt werden“ (1967, 258). Fachsprachen sollen den Sprachbenutzern eine fachgerechte Ausdrucksweise ermöglichen und dienen der differenzierten Bezeichnung von Fachgegenständen, -beziehungen und ‑vorgängen.
Allgemein anerkannte Aufgabe der Fachsprache ist „die Bereitstellung eines Zeichenvorrates zur Verständigung über bestimmte Gegenstands- und Sachbereiche, die möglichst präzise und ökonomisch erfolgen soll“ (Fluck, 1985, 12f.), d.h. ihre Hauptaufgabe besteht in der „Mitteilung von möglichst viel Informationen in möglichst wenig Worten“ (Fluck, 1985, 56). Diese Anforderung erklärt die im Einzelnen charakteristische „Tendenz zur Formalisierung und mehr oder weniger starken Standardisierung bzw. Normierung des Ausdrucks“ (vonHahn, 1973, 283), welche in weiterer Folge die große Nähe der Fachsprache zur Schriftlichkeit erklärt. Anzumerken ist auch, dass Fachsprachen häufig operationale Handlungen fordern oder diese voraussetzen.
„Entsprechend der Vielzahl der Fächer und der in ihnen verwendeten sprachlichen Mittel wird sowohl im allgemeinen als auch im wissenschaftlichen Sprachgebrauch häufig von ‚Fachsprachen’ (im Plural) gesprochen“ (Möhn/Pelka, 1984, 13). An Versuchen, das immense Repertoire an Fachsprachen zu definieren und zu klassifizieren fehlt es nicht. Hoffmann unterscheidet zwei Hauptstränge der Definition des Phänomens. Eine Richtung – Hoffmann nennt sie die „stilistische“ – sucht „das Wesen der Fachsprachen in besonderen stilistischen Merkmalen“, im wissenschaftlichen Stil der Fachsprache, während die zweite – die „lexikologische“ – sich „mit der Feststellung eines besonderen Fachwortschatzes“ begnügt (1976, 57f.). Von Hahn erscheint es wenig sinnvoll, die Fachsprachen „allein durch ihren gegenüber der Gemeinsprache exklusiven Wortschatz darzustellen oder sie damit gleichzusetzen, zumal tragfähige Kriterien der Exklusivität bisher nicht gefunden werden konnten“ und sieht eine Gemeinsamkeit aller Fachsprachen in der Möglichkeit ihrer Differenzierung in mindestens zwei Schichten, nämlich in Wissenschafts- bzw. Theoriesprache und in fachliche Umgangssprache und könnte sich als eventuelle dritte Kategorie die so genannte Verteilersprache vorstellen(1973, 283). Während die Theoriesprache, welche die strengste Form der Fachsprache darstellt, vor allem der schriftlichen Verständigung von Experten und Experten dient, stellt die fachliche Umgangssprache das Instrumentarium zur direkten mündlichen Kommunikation von Experten untereinander und die Verteilersprache ein Mittel zur Verständigung unterschiedlicher Gruppen – Experten und Laien – dar. Trotz der zahlreichen Unterteilungen und der vielfältigen Unterschiede lassen sich einige Gemeinsamkeiten aller Fachsprachen in Bezug auf sehr allgemeine Züge aber auch bezüglich gewisser Einzelmerkmale feststellen. Im Folgenden soll nun also der Versuch einer allgemeinen Bestimmung der Merkmale von Fachsprachen unternommen werden.
Auffälligstes Merkmal der Fachsprachen ist zweifellos die eigene Lexik und innerhalb dieses Bereiches die häufig vorkommenden sprachlichen Neubenennungen durch Zusammensetzung, Ableitung, Fachmetaphorik, Kunstwortschöpfung etc. Der häufige Gebrauch von Fremdwörtern erklärt sich einerseits aus der mittellateinischen Wissenschaftstradition und besteht andererseits in der Erleichterung der internationalen Kommunikation (von Hahn, 1973, 285). Zu erwähnen ist letztlich noch eine starke Tendenz zur Präfigierung, welche der Differenzierung von Verben dient.
Auch in Bezug auf den Satzbau lassen sich Besonderheiten feststellen. Dieser ist „besonders in der Theoriesprache auf wenige Muster begrenzt, die meist einer engen Thema-Rhema-Gliederung mit substantivischem Anfang folgen“(vonHahn,1973, 285). Es lässt sich eine auffällige Tendenz zur Substantivierung und im Zusammenhang damit eine Häufung von Funktionsverbgefügen sowie ein bevorzugter Gebrauch des Passivs oder anderer Umgehungen des persönlichen Subjekts beobachten.
Weiters können Fachsprachen, die als Gruppensprachen von Experten bezeichnet werden können, als primär sachorientiert und allen Interessierten zugänglich bezeichnet werden. Fachsprachenfunktionen sind vor allem deskriptiv, direktiv und instruktiv. Deskriptive Fachtexte wollen Wissen festhalten, vermitteln und weitergeben, Fachtexte mit instruktiver Funktion stellen ein gezieltes Anleiten zum fachlichen Handeln dar und unter direktiven Fachtexten verstehen wir ein institutionell-hierarchisch begründetes Reglementieren fachlichen Handelns. Die Träger der Fachsprache sind die Fachleute, denn, wie Lothar Hoffmann vermerkt, sei echte Fachsprache „immer an den Fachmann gebunden, weil sie volle Klarheit über Begriffe und Aussagen verlangt“ (1976, 31) – ein Laie gebrauche „zwar Elemente der Fachsprache, aber nicht die Fachsprache“(1976, 33).
b. Was ist eine Sondersprache?
Der Terminus „Sonderspache“ bezeichnet Sprachen, die aufgrund besonderer Bedürfnisse Angehöriger bestimmter sozialer Gruppen entstanden sind und „gegenüber einem allen Sprachteilhabern gemeinsamen Sprachbesitz […] einen differenzierenden Ausschnitt des gesamten Sprachpotenzials“ bezeichnen (Möhn, 1973, 279). Die erheblichen Unterschiede im Gebrauch des Begriffs lassen sich gemäß Möhn auf zwei Grundlinien reduzieren – einerseits umfasst der Begriff alle Sprachformen, die „von sozialen, sachlich-begrifflichen, geschlechts- und altersspezifischen Sonderungen herrühren“ und weiters kann man nach dem Kriterium der primären Leistung sozialgebundene Sondersprachen von sachbezogenen Fachsprachen unterscheiden (1973, 279). Anzumerken ist, dass das Phänomen Sondersprache aufgrund seiner zahlreichen Ausprägungen und vielfältigen Erscheinungsformen einer einheitlichen Beschreibung nicht zugänglich ist. Im Folgenden soll dennoch eine auf einfachen Beobachtungen basierende Charakterisierung versucht werden, indem das Augenmerk auf Merkmale gerichtet werden sollen, die allen einzelnen Sondersprachen mehr oder weniger gemeinsam sind.
Dieter Möhn vermerkt bezüglich der die Aufbauprinzipien der Sondersprachen betrachtenden Forschungsansätze, dass deren Resultate vorrangig den Sonderwortschatz ausweisen, „so dass sich die Gleichung Sondersprache = Sonderwortschatz anbietet“ (1973, 281). Kennzeichnend für die Sondersprachen in Bezug auf ihr sprachliches Inventar ist es, dass meist „unter Beibehaltung der Morphokombinatorik der Ausgangssprache“ ein neuer Wortschatz erzeugt wird (Möhn 1973, 281), dessen spezifische Ausdrücke allerdings meist als Dubletten neben allgemeinsprachlichen Begriffen stehen, d.h. dass Sondersprachen häufig gemeinsprachliche Wörter in besonderer Bedeutung verwenden und somit zu einem großen Teil auf Abwandlungen basieren. Die Veränderungen betreffen – im Sinne des Konzeptes sprachlicher Zeichen nach Ferdinand de Saussure – lediglich die Signifiant -Seite während die Signifié -Seite unberührt bleibt. Als sehr beliebt und auch effizient haben sich metaphorische Begriffsverwendungen herausgestellt – auch hier wird die Bedeutung nicht erweitert, sie wird lediglich entfremdet. Häufig sind weiters Neologismen und fremdsprachliche Entlehnungen. Es ist anzumerken, dass die „morphokombinatorische Identität von Sonder- und Ausgangssprache“ (Möhn, 1973, 281) nicht immer besteht.
Im Gegensatz zu den Fachwortschätzen haben Sondersprachen nicht primär die Funktion einer genauen differenzierten Bezeichnung, sondern dienen oft der sprachlichen Absonderung ihrer Sprecher. Insgesamt ist anzumerken, dass die Ausbildung von Sondersprachen auf der Existenz von Kleingruppen gründet (Möhn, 1973, 279), welche aufgrund von Gemeinsamkeiten besonderer Lebensbedingungen „gemeinsame Gewohnheiten des Sprechens entwickeln“ (Porzig, 1967, 218) und „je nach Gruppenaktivität und gesellschaftlicher Integration den Willen zur Verhüllung der Informationen (z.B. kriminelle Subkulturen) oder eine Art geistiger Distanz (z.B. Berufsgemeinschaften)“ bewirken(Möhn,1973,281). Sondersprachen sind primär mündlich. Kommunikative Reichweite und Sprechsituation sind aufgrund des geschlossenen Charakters der meisten Gruppen kaum ergründet.
II. Teil
3. Geschichte der Alchemie
a. Historischer Abriss der Geschichte der Alchemie
Es ist vorauszuschicken, dass die Überlieferung einer esoterischen Kunst wie sie die Alchemie[2] darstellt im Allgemeinen mündlich vor sich geht. Dieser mündliche Charakter bewirkt, dass unserem Wissen über die königliche Kunst immer ein gewisses Maß an Ungewissheit anhaftet. Hier soll nun dennoch ein Gesamtüberblick über die alchimistische Kunst von ihren Anfängen bis zu ihrem Untergang bzw. zu ihrer Umformung in eine moderne empirische Chemie versucht werden.
Die frühesten Ansätze alchimistischer Künste „wurden vermutlich an vielen Orten des Nahen Ostens geübt […]. Auch Persien wird oft als Ursprung der Alchemie genannt. Das wichtigste Zentrum der antiken Alchemie aber war sicherlich Alexandria“[3], die von Alexander dem Großen im Zuge der Eroberung Ägyptens in den Jahren 332/331 v. Chr. gegründete ägyptische Hafenstadt. Hier also, im hellenistischen Alexandria, welches „bis zur Zeit von Christi Geburt eines der bedeutendsten wissenschaftlichen Zentren – geistiges Zentrum nicht nur von Ägypten, sondern der gesamten hellenistischen Welt“[4] war, trafen, in einem Schmelztiegel der Völker und Ideen, unter anderem ägyptische Handwerkskunst und griechische Philosophie aufeinander[5] und wurden zu den beiden wichtigsten Komponenten einer sich neu bildenden Strömung – der Alchemie. Aus diesem kulturellen Synkretismus der alchimistischen Frühzeit erklärt sich die doppelte Ausrichtung der neuen Disziplin, die einerseits danach trachtete, unedle Metalle in Silber und Gold zu verwandeln, und andererseits eine Vervollkommnung der Seele des Alchimisten selbst anstrebte. Weitere Einflüsse naturwissenschaftlicher, philosophischer, religiöser und mystischer Art kamen sowohl aus Asien, als auch aus Afrika und Europa, unter anderem aus dem babylonischen, jüdischen und persischen Raum.[6]
[...]
[1] Bernhard Dietrich Haage: Alchemie im Mittelalter. Ideen und Bilder – von Zosimus bis Paracelsus. Düsseldorf, Zürich: Artemis und Winkler 2000, S. 10, in der Folge zitiert als: Haage: Alchemie.
[2] Bezüglich der Herkunft des Wortes Alchemie, welches mit den Übersetzungen arabischer Texte im 12./13. Jahrhundert in das Lateinische und schließlich auch in das Deutsche übernommen wurde, herrschen in der Wissenschaft noch einige Unklarheiten. Der ursprüngliche Begriff könnte sowohl altägyptisch-arabischen Ursprungs sein als auch griechische Wurzeln haben. Lediglich das Präfix „al‑“ lässt sich eindeutig – als arabischer bestimmter Artikel – auslegen, während die Wurzel umstritten ist. Einige Forscher leiten „Alchemie“ aus dem ägyptischen Wort „kemet“ oder „chemi“, welches soviel bedeutet wie „das Schwarze“ oder „schwarze Erde“ – auch metonymische Bezeichnung für das Land am Nil selbst – her. Der Begriff könnte hier die Bezeichnung des ursprünglichen Gegenstandes, der materia prima der „chemischen“ Beschäftigung, nämlich der Erde, sein oder sich auf das Land Ägypten beziehen und somit als „die ägyptische Kunst“ verstanden werden. Eine andere Option wäre die Herleitung des Wortes aus dem Griechischen. Wurzelt der Begriff im griechischen χεω („cheo“ – ich gieße) bzw. χυμεία („chymeia“ – die „Schmelzung“), könnte man den Terminus „Alchemie“ als „Lehre des Gießens“ bzw. „Lehre der (Metall‑)Schmelzung“ wiedergeben. Vgl.: Haage: Alchemie, S. 12.
[3] Dierk Suhr: Die Alchemisten. Goldmacher, Heiler, Philosophen. Ostfildern: Jan Thorbecke 2006, S. 34, in der Folge zitiert als: Suhr: Die Alchemisten.
[4] Suhr: Die Alchemisten, S. 34.
[5] „Die entscheidende Rolle bei ihrer Ausbildung [der Alchemie] zur Wissenschaft spielte aber doch der ins Systematische wie ins Spekulative verliebte Geist der Griechen.“ Vgl.: Reinhard Federmann: Die königliche Kunst. Eine Geschichte der Alchemie. Wien, Berlin, Stuttgart: Paul Neff 1964, S.20 f., in der Folge zitiert als: Federmann: Die königliche Kunst.
[6] Federmann: Die königliche Kunst, S. 15 ff.