Fantasie, Vorstellungskraft oder Beeinflussung begegnen uns im Alltag überall und auf vielfältige Weise: Zum Beispiel bei Kindern, die sich im Spiel in Pferdchen verwandeln, bei dem Pärchen, das bei einem Glas Wein überlegt, was es mit dem eventuell anstehenden Geld aus dem Lotto-Jackpot machen würde, oder beim gezielten Griff im Supermarkt nach einem bestimmten Waschmittel, das „weißer wäscht“, als andere.
Fantasie und Vorstellungsvermögen (Imagination) können uns beflügeln oder auch hemmen. Sie wirken, wie auch Beeinflussungen (Suggestionen), wie von Zauberhand im Unbewussten, können aber auch bewusst eingesetzt werden und dabei zielgerichtet wirken.
Wie die bei den meisten Menschen von Geburt an vorhandene Fähigkeit, zu imaginieren oder suggestibel zu sein, in der klinischen Psychologie und Psychiatrie therapeutisch eingesetzt wird, ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort
2 Einleitung
3 Grundlagen
3.1 Wahrnehmung
3.2 Das Bewusstsein
3.3 Imagination
3.4 Suggestion
4 Beispiele und Erläuterung der Anwendung von Imagination und Suggestion in der Psychotherapie
4.1 Psychoanalytische Verfahren
4.1.1 Katathym-imaginative Psychotherapie
4.1.2 Psychodynamisch-Imaginative-Trauma-Therapie
4.2 Verhaltenstherapeutische Verfahren (VT)
4.3 Humanistische Verfahren
4.3.1 Gestalttherapie:
4.3.2 Logotherapie:
4.4 Weitere Anwendungsbereiche
4.4.1 Hypnose
4.4.2 Entspannungstraining
5 Nutzen und Grenzen
6 Zusammenfassung / Fazit
7 Quellenverzeichnis
1 Vorwort
Fantasie, Vorstellungskraft oder Beeinflussung begegnen uns im Alltag überall und auf vielfältige Weise: Zum Beispiel bei Kindern, die sich im Spiel in Pferdchen verwandeln, bei dem Pärchen, das bei einem Glas Wein überlegt, was es mit dem eventuell anstehenden Geld aus dem Lotto-Jackpot machen würde, oder beim gezielten Griff im Supermarkt nach einem bestimmten Waschmittel, das „weißer wäscht“, als andere.
Fantasie und Vorstellungsvermögen (Imagination) können uns beflügeln oder auch hemmen. Sie wirken, wie auch Beeinflussungen (Suggestionen), wie von Zauberhand im Unbewussten, können aber auch bewusst eingesetzt werden und dabei zielgerichtet wirken.
Wie die bei den meisten Menschen von Geburt an vorhandene Fähigkeit, zu imaginieren oder suggestibel zu sein, in der klinischen Psychologie und Psychiatrie therapeutisch eingesetzt wird, ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.
Mein Ziel ist es, dem Leser einen undogmatischen Überblick über die Techniken zu verschaffen, bei denen imaginative und suggestive „Werkzeuge“ zum Einsatz kommen. Dabei wird es kaum möglich sein, jedes Verfahren bis ins Detail zu beschreiben, ohne den Rahmen der Arbeit zu sprengen. Für den Leser soll am Ende der Arbeit ein wenig Ordnung in die vielen verschiedenen Anwendungen von Imagination und Suggestion gebracht worden sein.
2 Einleitung
Imaginativen und suggestiven Techniken innerhalb der klinisch-psychologischen Interventionen ist gemeinsam, dass sie die Einbildungskraft bzw. Vorstellungskraft und (Auto-) Suggestibilität des Menschen nutzen, um verdeckte oder unbewusste Inhalte des Bewusstseins zu bearbeiten. Dadurch sollen unangemessene Verhaltensweisen „umgelernt“ oder beängstigende Inhalte oder Situationen entschärft werden.
Die Imagination in entspanntem Zustand und die willkürliche Induktion veränderter Wach-Bewusstseins-Zustände zum Zweck einer leichteren Beeinflussung oder um des veränderten Zustands selbst willen hat in der Psychotherapie, aber auch in den verschiedensten menschlichen Kulturen, eine lange Tradition. Die Nutzung (auto-)suggestiver Kräfte und Sinngebung beschränkt sich nicht allein auf suggestive Techniken, sondern findet, meist unbemerkt, in praktisch allen psychotherapeutischen Verfahren statt. Imaginative Techniken werden bei klassischen Standardmethoden wie tiefen- oder verhaltenstherapeutischen Verfahren vor allem unterstützend eingesetzt.
Im Folgenden möchte ich zunächst einige Grundbegriffe aufgreifen, die für das Verständnis der Wirkweise von Imagination und Suggestion in der Psychotherapie von Bedeutung sind. Weiterhin werde ich, geordnet nach den unterschiedlichen Psychotherapieverfahren, die Anwendungs– und Wirkweise von Imagination und Suggestion anhand von Anwendungsbeispielen beschreiben. Schließlich werde ich eine Abwägung von Nutzen und Grenzen der imaginativen und suggestiven Techniken darstellen und ihre Risiken beleuchten.
3 Grundlagen
Hinter vielen neurotischen und psychosomatischen Erkrankungen, wie z.B. der Borderline Persönlichkeitsstörung, Suchterkrankungen, Essstörungen, Selbstverletzendem Verhalten oder Angststörungen stehen als Ursache oder Mitursache (Kindheits-)Konflikte oder traumatische Erfahrungen. Einige Menschen, die traumatisierende Erlebnisse hinter sich bringen mussten, verfügen von Natur aus über Trauma bewältigende Strategien und sind in der Lage, das Geschehene in ihr Leben zu integrieren. Andere Menschen jedoch haben diese inneren Kraftquellen nicht, schwer belastende Ereignisse oder konflikthafte Lebenssituationen selbst zu bewältigen und erkranken in Folge seelisch oder psychosomatisch (Reddemann, 2003, S.12-13).
Imaginative Techniken in die therapeutische Arbeit einbezogen können solche Patienten stabilisieren. Im geschützten Rahmen der Psychotherapie können die Betroffenen ihre Selbstheilungskräfte entdecken und wirksam unterstützend einsetzen.
Aber nicht nur durch krankmachende Erfahrungen und Erlebnisse leidende Menschen, sondern auch der an sich gesunde Mensch kann von imaginativen und suggestiven Techniken profitieren, wenn es darum geht, das Selbstbewusstsein zu stärken oder ihm selbst lästige Verhaltensweisen zu verändern. Als Beispiele seien hier Lampenfieber oder auch Raucherentwöhnung genannt.
Einige imaginative oder suggestive Techniken in psychotherapeutischen Verfahren wirken in veränderten Wach-Bewusstseins-Zuständen, zumindest aber in entspanntem Zustand. Um veränderte Wach-Bewusstseins-Zustände beschreiben zu können, muss zunächst klar sein, was, in Abgrenzung dazu, unter Wach-Bewusstsein verstanden wird. Dabei möchte ich auch einen Blick auf die physiologischen Gegebenheiten im Wach-Bewusstsein bzw. den veränderten Wach-Bewusstseins-Zustände werfen, die sich im EEG darstellen lassen.
Dass Imagination tatsächlich Verhalten modifizieren kann, hat damit zu tun, dass es ausreichend Neuronen gibt, die sowohl in der aktuellen wie in der imaginierten Situation enerviert sind, so dass eine wechselseitige Interaktion stattfindet. Das Gehirn unterscheidet bei den entsprechenden Verarbeitungsprozessen wie Bedeutungszumessung, Wahrnehmung und Abspeichern als Erfahrung nicht, ob eine Situation tatsächlich stattfindet oder nur imaginiert ist. Auch sind beim Anblick eines Gegenstandes, gleichgültig, ob man ihn tatsächlich vor Augen hat oder ihn sich nur vor das geistige Auge hält, die gleichen Nervenbahnen stimuliert. Die Wahrnehmung und das Bewusstsein sind also grundlegend beteiligt, wenn Imagination oder Suggestion als Technik in der Psychotherapie zum Einsatz kommen.
3.1 Wahrnehmung
In der Psychologie und Physiologie wird die Wahrnehmung als der Prozess der Schritte Aufnahme, Auswahl, Organisation und Interpretation von sensorischen Informationen verstanden. Dabei geht es um die Informationen, die zum Zwecke der Adaption des Wahrnehmenden an die Umwelt oder deren Modifikation aufgenommen werden. So ist Wahrnehmung nicht nur die Aufnahme eines physikalischen Reizes durch ein Sinnesorgan (Empfindung), sondern vielmehr die geistige Weiterverarbeitung einer Empfindung. Die Rolle der Wahrnehmung besteht also darin, den Empfindungen Sinn zu geben. (Zimbardo, 1996, S .105)
Die Tabelle zeigt das Wahrnehmungssystem beim Menschen mit seinen grundlegenden Merkmalen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Zimbardo, 1996, S.114)
Die Verarbeitung der Informationen aus der Umwelt als Sinnes-empfindungen geschieht während der verschiedenen vertikal ablaufenden Stufen des Wahrnehmungsprozesses:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Zimbardo, 1996, S 110)
Die Wahrnehmungsprozesse bilden aus dem ständig und oft chaotisch ein-strömenden Input von externen Energiequellen Bedeutungen und strukturieren sie zu geordneten, möglichst stabilen Perzepten, einem „erlebten Ergebnis des Wahrnehmungsprozesses“ (Zimbardo, 1996, S. 104).
Wichtig ist, dass Faktoren, die den immer gleich ablaufenden Prozess der Wahrnehmung stören, zu Widersprüchen zwischen Reiz und der ausgelösten Wahrnehmung führen können (Wahrnehmungsstörung). Dies führt vor allem auf der letzten Stufe der Identifizierung und Einordnung (recognition) zu psychologischen und psychiatrischen Problemen, immer dann, wenn eine dysfunktionale Identifizierung bzw. Einordnung von Wahrnehmungs-inhalten zu unangemessenem oder Leidensdruck erzeugendem Verhalten führt.
Folgende Faktoren beeinflussen die Wahrnehmung:
- die Affektlage und die Motivation des Wahrnehmenden („wir sehen, was wir erwarten“);
- die Lebenserfahrung, sowie Prägungs- und Lernvorgänge, die die Wahrnehmung über das Gedächtnis mitbestimmen;
- suggestive Anteile, die über soziale Faktoren, als Gruppennorm den Wahrnehmungscharakter mitbestimmen;
3.2 Das Bewusstsein
Nach wie vor wird das Phänomen des Bewusstseins als eins der größten ungelösten Probleme der Philosophie und Naturwissenschaften angesehen. Eine präzise und allgemein anerkannte Definition von Bewusstsein gibt es bislang nicht.
Ein Zugang zum Begriff Bewusstsein orientiert sich am Erlebnisaspekt. Somit bezeichnet Bewusstsein die Gesamtheit der erlebten psychischen Zustände und Aktivitäten, wie Gedanken, Emotionen, Wahrnehmungen, Erinnerungen und Intentionen. Zu diesen bewussten Zuständen gehört auch die Tatsache ihres Bewusst-Seins, also das unmittelbare Gewahrsein der Erlebnisse als „innere Erfahrung“. Auf dieser Grundlage können die Strukturen und Eigenarten des Bewusstseins im Allgemeinen beschrieben werden.
Die physiologischen Voraussetzungen des Gehirns für die Bewusstwerdung „für Wahr“ genommener Inhalte, sind unabhängig von kulturellen Einflüssen. Die Auswahl der Bewusstseinsinhalte bei der Sinnes-wahrnehmung (Perzeption) wiederum ist abhängig von der Person, der Situation, der Lerngeschichte und dem „Ich“ eines Menschen. Er differenziert die Auswahl bewusst oder unbewusst (Apperzeption).
Die kognitive Psychologie betont die Funktion des Bewusstseins, die Rolle im Prozess der Informationsverarbeitung. Hierbei wird allerdings davon ausgegangen, dass ein Großteil der Informationsverarbeitung nicht bewusst geschieht. Dem Bewusstsein werden eher das aktivierte Gedächtnis, die auf einen Fokus gerichtete Aufmerksamkeit und die nicht automatisch ablaufenden sondern kontrollierten Prozesse bei der Informations-verarbeitung zugeordnet. Unbewusstes im Sinne Freuds wird nicht als eigenständiger Bewusstseinszustand gesehen, hat jedoch eine eigene Relevanz, wenn unbewusste Strukturen bestimmtes Verhalten verursachen.
Ein Bewusstsein des Selbst haben Lebewesen, die nicht nur phänomenales und erlebnisorientiertes Bewusstsein haben, sondern auch in der Lage sind zu reflektieren, ein solches Bewusstsein zu haben. Das Individuum nimmt sich selbst bewusst als solches wahr. Neben den Menschen verfügen einige Tiere (z.B. solche, die sich selbst im Spiegel erkennen) über Selbstbewusstsein.
Im medizinischen Sinne wird mit Bewusstsein der Zustand bezeichnet, der sich zum Beispiel vom Schlafzustand oder Bewusstlosigkeit durch den Grad der Wachheit (Vigilanz) abgrenzt. An dieser Stelle kann Bewusstsein empirisch und objektiv beschrieben werden. Hierfür hat sich das EEG (Elektro-Enzephalogramm) etabliert, ein Messinstrument, das die hirnelektrische Aktivität der Vigilanzstufen (Wachheitsgrade) misst und darstellt. Es bietet einen elektrophysiologischen Zugang zum Gehirn und misst die Summation der elektrischen Nervenerregung und -hemmungen unter der Schädeldecke.
Die Vigilanzstufen werden wie folgt eingeteilt:
Das Alltagswachbewusstsein, der Beta-Zustand, stellt sich im EEG zwischen 13 Hz und 21 Hz dar und entspricht einem Zustand guter Aufmerksamkeit und Intelligenzleistung, während der Bereich mit einem Schwerpunkt von 21 Hz und 38 Hz als der Bereich „permanenter Alarmbereitschaft“ entspricht (Fritz Pearls).
Der Alpha-Zustand liegt zwischen 8 Hz und 12 Hz und kennzeichnet den Zustand leichter Entspannung.
In tiefer Entspannung, etwa bei Meditationen, zeigt das EEG in einem Bereich von 3 Hz bis 8 Hz den Theta-Zustand, während die niedrigste Frequenz sich im Delta-Zustand zwischen 0,4Hz und 3 Hz befindet und bei Tiefschlaf, Trance oder Tiefenhypnose gemessen werden kann.
Durch erweiterte Messverfahren ist in den letzten Jahren der Gamma-Bereich (Zwischen 40 Hz und 80 Hz) in den Blickpunkt der Forschung gerückt. Es wird vermutet, dass in diesem Bereich die primäre Verarbeitung der Sinneswahrnehmungen liegt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Darstellung der Kurvenverläufe im EEG
Verschiedene wissenschaftliche Disziplinen wie die Psychologie und Neurowissenschaften setzen gemeinsam an, wenn es beispielsweise um die Fragestellung geht, inwieweit das Gehirn und Bewusstsein zusammenhängen und welche Reize in welchen Kontexten welche Bewusstseinzustände auslösen, die wiederum Verhalten verursachen.
Am menschlichen Bewusstsein kann im weitesten Sinne der Zustand, die kognitive Qualität und der Inhalt des Bewusstseins unterschieden werden,
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten(Scharfetter, 2002 S.48)
wobei die elementaren Komponenten des Bewusstseins die Wachheit, die Gerichtetheit und die Erlebnisfähigkeit sind.
In der Medizin nähert man sich dem Begriff Bewusstsein von der negativen Seite, wenn es z.B. um Störungen des Bewusstseins geht. Um diese Störungen, die die Organisationsprinzipien der Bewusstseinsstruktur Denken, Wollen und Handeln umfassen, zu beschreiben, hat man quantitative (Bewusstseinsverminderungen) und qualitative Merkmale (Bewusstseinseintrübung, Bewusstseinseinengung und Bewusstseins-verschiebung) zugrunde gelegt.
Im mittleren Tages-Wach-Bewusstsein haben die Menschen innerhalb ihrer jeweiligen Kultur eine weitgehend gemeinsame Welt. Doch unterliegt jeder einzelne auch im Alltags-Bewusstsein permanent diskreten Schwankungen hinsichtlich Wachheit, Klarheit, Umfang, Horizont, Tiefe, Weite, Höhe, Stimmung, Fokussierung auf inneres oder von außen auferlegtes Erleben usw. (Scharfetter, 2002, S.53).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bewusstseinszustände (Scharfetter, 2002, S.55)
Der Psychologe Prof. Dr. Adolf Dittrich hat im Rahmen umfangreicher wissenschaftlicher Studien sowohl die Auslöser als auch die Inhalte veränderter Bewusstseinszustände empirisch erforscht. Er konnte dabei feststellen, dass es unabhängig von der Auslösung (pharmakologischer oder psychologischer Stimuli) fünf Kernerfahrungen der veränderten Bewusstseinszustände gibt. Da er grundsätzlich zwischen Wach – und Schlafbewusstsein unterschied, prägte er den Begriff „Veränderte Wach-Bewusstseins-Zustände“ (im Folgenden VWB genannt). So sollen Bewusstseins-Zustände während des Schlafes, wie REM-Träumen oder andere psychisch verwandte Aktivitäten, von VWBs abgegrenzt werden.
Aus der ausreichend reliablen Erfassung eines gemeinsamen Kerns der VWB, ergaben sich folgende charakteristische Merkmale:
- Veränderung der Denkabläufe („primärprozessartig)
- Veränderung des Zeiterlebens (Geschwindigkeit, „Zeitlosigkeit“)
- Angst vor Verlust der Selbstkontrolle
- Intensive Emotionen (Glückseligkeit bis Panik)
- Körperschema-Veränderungen (bis „Körperlosigkeit)
- Verändertes Bedeutungserleben
Jeder Mensch erlebt VWBs. Das heißt während des wachen aber veränderten Erlebens ist er sich der Veränderung bewusst.
Für wissenschaftliche und therapeutische Zwecke hat Prof. Dr. Fischer 1971 eine Kartographie der VWB erstellt. Die Abweichungen vom „normalen“ Bewusstsein wurden von ihm in ergotrope (erregende) und trophotrope (ermüdende) Zustände unterteilt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
An der Kartografie kann abgelesen werden, wie das sensorisch/motorische Verhältnis entlang der beiden Kontinua (Wahrnehmungs-Halluzinations- und Wahrnehmungs-Meditations-Kontinuum) steigt. Je weiter man an einem der Kontinua fährt, umso weniger kann das Sensorische durch die willkürliche Motorik verifiziert werden. In diesen Bereichen, die weiter entfernt vom Bereich „I“ normal liegen, sind Imaginationen und Suggestionen wirksam. (Dittrich,1996)
3.3 Imagination
Allgemein wird unter Imagination die Fähigkeit des Menschen verstanden, sich „Nicht-Präsentes“ zu vergegenwärtigen. Synonym verwendet werden die Begriffe Einbildungskraft, Fantasie oder (bildhafte) Vorstellung. Das heißt, Imaginationen sind subjektive Erfahrungen, bei denen der Mensch die gedanklich erzeugten Informationen wie Gegenständen oder Ereignisse tatsächlich zu sehen, zu hören oder zu empfinden glaubt. Dabei sind diese Inhalte zu diesem Zeitpunkt nicht objektiv anwesend.
Jeder Mensch verfügt über mehr oder weniger ausgeprägte imaginative Fähigkeit oder Einbildungskraft, mit der er in der Lage ist, vor dem geistigen Auge Bilder oder Empfindungen zu schaffen und in das Bewusstsein zu holen. Das Entstehen der inneren Bilder kann willentlich gefördert und modifiziert werden. Durch das Erleben dieser inneren Bilder mit ihren Affekten und Emotionen werden innerseelische Prozesse in Gang gesetzt, die einer wirklich erlebten Situation gleichkommen und lebendiger werden können, je mehr sie geübt werden.
Eine übersichtliche Darstellung der imaginativen Techniken bzw. Verfahren zu erstellen, fällt schwer, da die Verfahren äußerst zahlreich sind und eine übergeordnete Systematisierung bislang fehlt. Sie finden sich in nahezu allen psychotherapeutischen Verfahren und dabei gerne in Kombination mit anderen Interventionsstrategien im Rahmen eines umfassenden Behandlungskonzepts.
Die älteste Form von Imagination in der Heilkunde ist Schamanisches Heilen. Die Schamanen gingen und gehen noch heute in ihrer Vorstellung, meist in einem ekstatischen Zustand, an einen Ort im Inneren der Erde und treffen dort ihre Geistführer, die ihnen mit Rat und Hilfe beistehen.
Mit den Imaginationstechniken innerhalb der heutigen Psychotherapie-verfahren werden induzierte, evozierte oder auch spontan geäußerte Bilder des Patienten durch Lenkung, Deutung und Änderung bearbeitet. So können Erlebnisse verarbeitet und Bewältigungsstrategien aufgebaut werden.
Imaginative Techniken und Verfahren unterstützen den Patienten darin, Kontrolle über Inhalte, Dauer und Häufigkeit seiner Imaginationen zu erwerben, wobei die Wirksamkeit der Imagination im Therapieprozess im Wesentlichen auf drei Faktoren zurückzuführen ist:
a) Der Patient hat den Eindruck, Kontrolle über seine Imaginationen zu erhalten.
b) Der innere Dialog verändert sich zunehmend.
c) Neue Verhaltensweisen, die zur Entwicklung von Bewältigungs-strategien beitragen, werden geübt.
Nach Lazarus sind z.B. Fernsehen und Film die realsten Formen der Vorstellungskraft. „Filme bestehen aus einer Reihe einzelner Bilder, die in schneller Folge projiziert werden. Jedes Bild stellt gegenüber dem vorausgehenden eine leichte Veränderung dar, und dadurch entsteht die optische Wirkung fortlaufenden Bildes gepaart mit der Illusion der Bewegung.“ (Lazarus, 1980, S.44) So regt das als Illusion Gesehene zur Nachahmung an.
Studien Albert Banduras haben sogar gezeigt, dass durch das so genannte Identifikationslernen, bei dem z.B. Phobikern Filme mit dem spezifischen Angstreiz gezeigt werden, ein emotionales „Umlernen“ möglich ist (Lazarus, 1980, S.44).
Luise Reddemann setzt Imagination als heilsame Kraft in der Traumatherapie ein, indem z.B. Bilder von guten Orten oder hilfreiche Wesen geschaffen werden, die den Traumapatienten auf seinem Weg zur Phase der Integration begleiten und unterstützen.
Auf die Anwendung imaginativer Techniken möchte ich später im Einzelnen näher eingehen.
3.4 Suggestion
Mit Suggestion wird ein besonderer Weg der Übertragung bezeichnet. Durch Suggestion wird das Denken, Fühlen, Wollen und Handeln eines Menschen beeinflusst, indem z.B. die rationalen Persönlichkeitsanteile umgangen werden. Hierbei wird eine Interaktion vorausgesetzt (Heterosuggestion). Der zwischenmenschliche Umgang setzt gleichzeitig affektive Resonanz voraussetzt. Diese Partnerschaft ist auf ein gemeinsames Wertziel ausgerichtet. Die Partner sind durch einen Dialog oder „Rückkoppelungen“ (Rapport) verbunden, doch fühlen sie sich trotzdem frei, denn sie bleiben sich ihrer Zusammenarbeit bewusst.
Ob ein Mensch hoch und niedrig suggestibel ist, hängt von seiner Denk– und Urteilsfunktion und seiner Selbständigkeit, weiterhin auch vom Alter und Geschlecht ab. Angeblich ist die Suggestibilität bei Frauen und Kindern erhöht (Dorsch, 2004 S. 922).
Eine Rolle spielt auch die aktuelle Situation, wenn z.B. Angst, Drogen, ein unbestimmtes Wahrnehmungsfeld oder vom Wachbewusstsein veränderte Zustände die Suggestibilität erhöhen. Jeder Mensch ist mehr oder weniger suggestibel, aber auch in der Lage, selbst sein Denken, Fühlen, Wollen und Handeln durch Autosuggestion zu beeinflussen.
Suggestibilität kann mit dem Körperschwanktest, dem Pendelversuch, mit optischen Täuschungen, Persönlichkeitstests oder Placebos geprüft werden. Ein Beispiel dafür ist der Fadentest, der bei der stark erhöhten Suggestibilität delirant erkrankter Patienten zum Einsatz kommt. Dieser Test soll die Diagnose untermauern. Dabei wird dem Patienten ein nicht vorhandener Faden gezeigt, den er als vorhanden bestätigen und anschließend aufnehmen soll.
Sicherheit und Überlegenheit bei herabgesetzter Kritik sind wichtige Grundeigenschaften des Therapeuten, die er mitbringen sollte. Der Suggestionsinhalt muss auf die Erwartungen, Intelligenz, Kultur und ethischen Prinzipien des Suggerendus abgestimmt sein, um heilende oder Leiden lindernde Erfolge zu erzielen.
Umgekehrt können Suggestionen durch Iatrogenie (Verursachung durch den Arzt – Heterosuggestion) oder durch Einbildung (Autosuggestion) krankmachend sein.
Bei hypnotherapeutischen Techniken und Entspannungsverfahren ist Suggestion ein wichtiges Werkzeug, wie ich später näher ausführen werde.
4 Beispiele und Erläuterung der Anwendung von Imagination und Suggestion in der Psychotherapie
Der folgende schematische Überblick zeigt die Psychotherapieverfahren mit Grundorientierung und Setting, wobei die Berührungen mit imaginativen bzw. suggestiven Techniken farblich hervorgehoben sind:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Gerd Rudolf, 2000, S.372)
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- Arbeit zitieren
- Astrid Hentrich (Autor:in), 2007, Imagination und Suggestion in der Psychotherapie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80569
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