„A very strange sort of woman“

Die zeitgenössische Repräsentation und Propaganda von Königin Elisabeth I. von England


Seminararbeit, 2006

35 Seiten, Note: 5.5 (Schweiz)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Propaganda - ein Begriff im Wandel der Zeit

3. Selbstdarstellung in Kindheit und Jugend
3.1 Die frühen Briefe an den Vater und Stiefmutter Katherine Parr
3.2 Ein Geschenk an Bruder Edward
3.3 Der Tide Letter an Halbschwester Mary

4. Der Mythos der Virgin Queen
4.1 Die Reden
4.2 Die Gemälde
4.3 Musik und Literatur
4.4 Von der Repräsentation zur Propaganda

5. „The Heart and Stomach of a King“

6. Schlusswort

7. Bibliographie

8. Anhang

1. Einleitung

Königin Elisabeth I. regierte England und Irland 45 Jahre lang. Sie ist die Hauptfigur der vorliegenden Arbeit, die sich aber nicht als Biographie versteht, sondern vielmehr die zeitgenössische Inszenierung der Königin, also wie Elisabeth I. sich darstellte oder sich von anderen darstellen ließ, beleuchtet. Alleine die Tatsache, dass Elisabeth I. ebenfalls unter den Namen der jungfräulichen Königin bekannt ist und war, deutet darauf hin, dass die Repräsentation ihrer Person sowie ihres königlichen Status außerordentlich kraftvoll und effizient gewesen sein muss.

Die Inszenierung einer Berühmtheit bringt der moderne Leser zwangsläufig mit zeitgenössischen Medien wie dem Fernsehen, der Fotographie oder dem Internet in Verbindung; mit Mitteln also, welche es im Elisabethanischen Zeitalter noch nicht gab. Dennoch ist die "Imagepflege" kein Phänomen unserer Zeit, sondern wurde von Herrschern seit der Antike in vielerlei Formen praktiziert. Einzig die Diskurse und Medien änderten sich im Laufe der Zeit. So sind zum Beispiel die Gemälde in den Uffizien von Florenz, die für den Betrachter vor 500 Jahren klare Botschaften kommunizierten für den Museumsgänger von heute zwar eindrucksvolle, aber dennoch nichtsaussagende Kunstwerke. Der Triumphbogen in Paris gehört zwar zu jedem Stadtrundgang dazu, doch wenige wissen um die Bedeutung der als Reliefs eingemeißelten Geschichten. In gleicher Weise beeindrucken die Gemälde von Elisabeth I. zwar durch die Tatsache, dass hier eine Regentin in einer von männlichen Herrschern dominierten Zeit porträtiert wurde; dennoch erkennen viele Betrachter wenig von den Absichten, die hinter den Porträts der Elisabeth I. steckten. Das Gemälde war jedoch nur eines der verschiedenen Medien, welches eine Monarchin damals zur Verfügung gehabt hatte. Thomson unterscheidet in seiner Studie der Propagandamedien zwischen den bildenden Künsten, der Literatur und der Musik2 ; Medien, welche von Elisabeth I. gekonnt eingesetzt wurden, um sich zu inszenieren; denn dass sie ihre Repräsentation mit Schauspielerei verglich, beweist eines ihrer wohl berühmtesten Zitate: „Wir Fürsten (...) stehen auf der Bühne und werden von der ganzen Welt beobachtet.“3 Die Konstrukte und Bilder, welche von Elisabeth I. und ihren Künstlern geschaffen wurden, um sie zu repräsentieren, sollen in der vorliegenden Arbeit durchleuchtet und der Grund ihrer Existenz diskutiert werden.

Als Grundlage für diese Untersuchung sollen zum einen jene Briefe und Geschenke dienen, welche, mit Ausnahme des Porträts, Elisabeth zwischen ihrem elften und zwanzigsten Altersjahr selbst anfertigte und über Charakterzüge und frühe Repräsentationstaktiken der Prinzessin Auskunft geben. Einen wertvollen Beitrag zur Untersuchung von Elisabeths frühen Briefen lieferten Haighs und Starkeys differenzierte Ausführungen zu Elisabeths Kindheit. Zum andern sollen Quellen untersucht werden, welche nach der Thronbesteigung Elisabeths I. zu Repräsentationszwecken der Königin geschaffen wurden. Ein Schwerpunkt liegt dabei bei Gemälden der Elisabeth I., die von, Hilliard, Metsys dem Jüngeren, aber auch von anonymen Malern in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gemalt wurden. Kings Ausführungen über die Ikonografie dieser Gemälde lieferten dazu wichtige Hinweise. Die Darstellungen von Elisabeth I. in Literatur und Musik werden sowohl anhand Edmunds Spensers The fairy Queen, als auch Weelkes Madrigal As Vesta was from Latmos Hill descending untersucht. Ein Propagandamittel, welches Elisabeth I. häufig und geschickt benutzte, waren ihre Reden. Diese Arbeit beschränkt sich auf die Untersuchung von vier Reden: Zwei Reden, welche die junge Elisabeth I. 1559 und 1566 vor dem Parlament hielt, sowie der berühmten Rede zu Tilbury von 1588 und einer Rede an der Universität Oxford von 1592.

Die Selbstdarstellung Elisabeths I. in ihren Jugendjahren durch diese Briefe und Geschenke zeugen von ihrer Diplomatie und politischem Verständnis. Fryes Ansatz, der besagt, „dass der für uns zugängliche Teil ihres frühen Lebens, der ihre Fähigkeit als sich entwickelndes politisches Wesen demonstriert, ihre Geschenke sind“4 soll als theoretische Grundlage für diese Arbeit dienen. Den Fragen, ob Elisabeths I. wichtigste Strategien der Repräsentation ihren Ursprung in ihrer Kindheit hatten und inwieweit Elisabeth I. diese selbst beeinflussen konnte, soll im Folgenden nachgegangen werden. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem heutigen Verständnis von Propaganda geht der Arbeit voran und soll den Leser in die Auseinandersetzung mit Elisabeths I. Inszenierungspolitik einführen. In der anschließenden Untersuchung sollen die frühen Zeugnisse der Prinzessin Elisabeth I. mit späteren Propagandamedien der Königin Elisabeth I. verglichen werden. Besondere Aufmerksamkeit soll dabei zwei häufigen Propagandatechniken von Elisabeth I. geschenkt werden: Dem Mythos der Jungfräulichkeit, welcher von Doren hinreichend dokumentiert wurde und dem Bild des androgynen Souveräns, welches von Weir untersucht wurde.

2. Propaganda-ein Begriff im Wandel der Zeit

Allgemein bedeutet Propaganda „(lat.) die systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher oder ähnlicher Ideen und Meinungen mit massiven (publizistischen) Mitteln mit dem Ziel, das allgemeine politische Bewusstsein in bestimmter Weise zu beeinflussen.“.5 Zu den bekanntesten Beispielen systematischer Propaganda lassen sich die Regimes des Nationalsozialismus und des Kommunismus zählen, welche das moderne Verständnis von Propaganda nachhaltig geprägt haben: Unter Propaganda werden all jene Täuschungen und Manipulationen verstanden, welche der Masse mit Gewalt aufgezwungen werden. Dabei wird außer Acht gelassen, dass Propaganda sowohl in religiösen, als auch sozialen und ökologischen Gebieten angewandt wird und mehrere tausend Jahre zurückreicht.

Zwar wird der Begriff der Propaganda erst im 16. Jahrhundert durch die päpstliche Bulle Congregatio de propaganda fide eingeführt 6, in welcher der Papst Möglichkeiten erläutert, wie Häretiker zur Kirche zurück geführt werden könnten. Allerdings kann die vor tausenden von Jahren begonnene Verbreitung des Buddhismus7 genauso auf geschickte Propaganda zurückgeführt werden wie die heldenhaften Selbstdarstellungen eines Julius Caesar oder eines Alexander des Grossen. Qualter vertritt die Meinung, dass der Ursprung des Wortes, welcher mit den zum Teil unmenschlichen Missionierungsmaßnahmen der katholischen Kirche in Verbindung gebracht werden kann, für seine negative Behaftung in den protestantischen Ländern des Nordens verantwortlich ist.8 In heutigen Worten könnte Propaganda als Werbestrategie, welche die Interessen einer einzelnen Führungspersönlichkeit oder einer führenden Institution vertritt, umschrieben werden; oder in Thomsons Worten als „use of communication skills of all kinds to achieve attitudinal or behavioural changes among one group of people by another.“9

Damals wie heute war die Konstruktion eines vorteilhaften Herrscherbildes - was man darunter versteht, ist von Epoche zu Epoche verschieden - von großer Wichtigkeit. Die Untertanen müssen von der Legitimation und Präsenz des Herrschenden immer wieder überzeugt werden. Nach Max Weber ist diese Abhängigkeit von gegenseitiger Natur: Herrscher und Beherrschte sind auf das Wohlwollen des anderen angewiesen. „Ein bestimmtes Minimum an Gehorchenwollen, also: Interesse (äußerem oder innerem) am Gehorchen gehört zu jedem echten Herrschaftsverhältnis“.10 Die Propaganda ist demzufolge ein notwendiges Instrument, um das Interesse am Gehorchen aufrecht zu erhalten und bildet gleichzeitig das Verbindungsstück zwischen Herrscher und Beherrschten. Zudem dient Propaganda dazu, die Legitimierung der Herrschaft zu stärken. Weber unterscheidet zwischen dem Typus der legalen Herrschaft, bei welchem Herrschaft gesetzlich begründet ist, jenem der traditionellen Herrschaft, bei welchem die Herrschaft durch den Glauben an Traditionen begründet ist und schließlich jenem der charismatischen Herrschaft, welche sich durch Qualifikation und Fähigkeit des Regierenden allein legitimiert.11 Die Legitimierung der Herrschaft Königin Elisabeths I. ist nicht klar einem Typus zuzuordnen, sondern entspricht eher einem Mischtypus der Weberschen Herrschaftssoziologie. Zwar hatte Elisabeth I. als Tochter Heinrichs VIII. einen rechtmäßigen Anspruch auf den englischen Thron, dennoch wurde diese legitime Herrschaft von vielen Seiten wegen ihres Geschlechts und ihrer Religion angezweifelt. In den vielfältigen Repräsentationen Elisabeths I. werden deshalb nicht nur ihre Herkunft sondern auch ihre Qualität als Herrscherin hervorgehoben. Die Darstellung des charismatischen Herrschaftstypus erwies sich demzufolge als notwendig in Anbetracht der anfechtbaren legalen Legitimation. Die Stärkung ihrer Stellung war bei Elisabeth I. von großer Wichtigkeit, da ihr Ansehen vor allem zu Beginn ihrer Herrschaft äußerst verletzlich war. Die junge Königin hatte nicht nur die katholischen Mächte Spaniens, Frankreichs und Schottlands gegen sich, sondern musste sich ebenfalls gegen die Katholiken in ihrem eigenen Land durchsetzen. Zusätzlich hatte sie ihren Status als unverheiratete Frau zu legitimieren.12 Insgesamt verlangten die Umstände nach einer möglichst vielfältigen Propaganda. Da Elisabeths I. Fähigkeit, sich zu repräsentieren, schon in ihrer Kindheit geschult und gefördert wurde, soll im folgenden Abschnitt auf diese wegweisende Epoche im Leben der Prinzessin eingegangen werden.

3. Selbstdarstellung in Kindheit und Jugend

Schon Elisabeths erste Lebensjahre waren durch Familientragödien und Unruhen geprägt. Ihre ältere Halbschwester Mary, welche durch König Heinrichs VIII. erneute Heirat mit Elisabeths Mutter Anne Boleyn ihre offizielle Stellung als Thronnachfolgerin verloren hatte, ließ die um 17 Jahre jüngere Elisabeth ihre Wut und Erniedrigung spüren. Die Lage verschlimmerte sich, als Anne Boleyn nach nur vier Jahren Ehe von Heinrich des Ehebruchs angeklagt und kurz darauf hingerichtet wurde. Elisabeth war nun nicht nur ein uneheliches Kind, sondern hatte ihre Stellung als Kronprinzessin verloren. Mary und Elisabeth, sowie später ihr Halbbruder Edward, wuchsen nicht am Hof auf, sondern wurden außerhalb Londons erzogen und hatten fast keinen Kontakt zu ihrem Vater Heinrich und den jeweiligen Stiefmüttern. Dennoch müssen ihre frühen Tode einen bleibenden Eindruck auf das Mädchen Elisabeth gemacht haben. So starb Jane Seymour, ihre erste Stiefmutter noch im Kindbett, während Katherine Howard, ihre zweite Stiefmutter nach nur einigen Wochen Ehe mit Heinrich geköpft wurde. Einzig ihre dritte Stiefmutter Katherine Parr überlebte Henry, starb dann aber kurze Zeit später nach der Geburt ihrer Tochter.13

Elisabeth sah ihren Vater und ihre Stiefmutter einige wenige Male pro Jahr. Vor allem seit der lang ersehnte Thronfolger Edward 1537 geboren worden war, zeigte König Heinrich VIII. wenig Interesse an seinen Töchtern. Das Schreiben von Briefen und Schenken von Übersetzungen bedeutete so für Elisabeth die einzige Möglichkeit, ihren Vater einerseits an sie zu erinnern und ihn andererseits von ihren Fähigkeiten zu überzeugen. Fähigkeiten, die in ihren Geschenken, so geschickt wie möglich zum Ausdruck gebracht werden mussten; denn nach Frye war „[e]in Geschenk an eine Person am Hof (...) eine höchst durchdachte Form der Selbstdarstellung.“14

3.1 Die frühen Briefe an den Vater und Stiefmutter Katherine Parr

Bei der Lektüre von Elisabeths Briefen erstaunen den modernen Leser die Reife und das Wissen der jungen Schreiberin. Dies liegt zum einen an der förmlichen Etikette, welcher alle Briefe zu entsprechen hatten und zum anderen an der humanistischen Ausbildung, welche Elisabeth schon seit frühester Kindheit zu teil wurde. So wurde sie von Roger Ascham unterrichtet, einem Professor der Universität Cambridge und Humanisten, der sich von Elisabeths Lerneifer und Intelligenz sehr beeindruckt zeigte. So schrieb er 1550 an seinen deutschen Kollegen John Sturmius15, dass Elisabeth. nicht nur sämtliche Schülerinnen an Eifer und Wissen übertreffe, sondern sich auch mit Männern messen könne: „She has the most ardent love for true religion and of the best kind of literature. The constitution of her mind is exempt from female weakness and she is endued within a masculine power of application.“16 Starkey sieht in dieser Ausbildung die ersten Grundsteine, welche die Basis für ihre spätere Gewohnheit sich zu inszenieren, legten:

Her education focused on rhetoric: that is, on the use of language as a vehicle to communicate thoughts and feelings, and, at least as importantly, to conceal them. Elisabeth had become a mistress of all its mysteries: she could not only perform a script, she could write and direct it too.17

Elisabeth lernte also nicht nur Lateinisch, Griechisch, Französisch und Italienisch, sondern sammelte auch erste Erfahrungen in ihrer Eigeninszenierung, Redegewandtheit und Diplomatie; Fähigkeiten, die ihr nicht nur während ihrer Regierungszeit zu Gute kamen, sondern die ihr vor allem dabei halfen, bis dahin zu überleben. Haigh vertritt die Meinung, dass Elisabeth I. sich ihr politisches Wissen während ihrer Jugendjahre aneignete, indem sie den Regierungsstil ihres Vaters und ihrer Geschwister studierte.18 Denn einen eigentlichen politischen Unterricht genoss die Prinzessin nie.

Die meisten von Elisabeths Briefen waren an ihren Vater Heinrich VIII. gerichtet und an seine Ehefrau Katherine Parr. Nach dem Tod Heinrichs, hatte Elisabeth mit ihrem Halbbruder Edward, der nun König war, Briefkontakt. Eine wichtige Funktion der Briefe bestand darin, den Vater von den schulischen Erfolgen der Tochter in Kenntnis zu setzen. Außerdem zeigte die junge Prinzessin in ihrem Brief an Katherine Parr, dass sie in religiösen Belangen Stellung beziehen konnte. So übersetzte sie ein religiöses Gedicht vom Französischen ins Englische, um ihrer Stiefmutter zu signalisieren, dass sie von protestantischem Glauben war. An Katherine Parr ist ebenfalls der erste von Elisabeth überlieferten Briefen gerichtet. Er ist mit dem 31. Juli 1544 datiert. 1544 war das Jahr, „in dem sie und ihre Schwester Mary wieder in die Thronfolge aufgenommen wurden.“19 Die damals elfjährige Elisabeth erhofft in ihrem Brief an Katherine die baldige Rückkehr ihres Vaters, der sich zwanzig Tage zuvor auf einen Feldzug gegen Frankreich begeben hatte und im Begriff war, die Küstenstadt Boulogne erfolgreich einzunehmen. In ihrem Brief, betont Elisabeth zuerst, wie traurig sie ist, von Katherine und den Geschwistern, die in London weilten, getrennt zu sein und erwähnt dann die Sorge um den Vater, welchen sie in ihr Gebet einschließt:

prie[ghando] sempre sua dolce benedettione, similmente pri[ghando] [i]l signore Iddio gli mandi successo bonissimo acquis[tando] [vittoria de] soui inimici, accioche piu presto possia uostra a[ltezza], [et io insie]me con Lei rallegrarsi del suo felice retorno. (...)20

Obwohl dieser Brief hauptsächlich von der Sorge um den Vater und dessen wohlbehaltene Rückkehr handelt, hatte er dennoch auch die Funktion, der Öffentlichkeit Elisabeths Fortschritt in ihren Studien zu demonstrieren; der Brief war in italienischer Sprache abgefasst, einer Sprache, der Katherine Parr nicht mächtig war.21 Noch aufschlussreicher ist das Geschenk, welches Elisabeth im November desselben Jahres ihrer Stiefmutter machte. Dabei handelte es sich um die Übersetzung des religiösen Gedichtes Le miroir de l'âme pécheresse, welches eine Schwester von Franz I., Margaret von Anjoulême, verfasst hatte. Elisabeth gibt in ihrem einleitenden Brief einen kurzen Abriss von Anjoulêmes Thema der sündigen menschlichen Seele, und beschreibt how she (beholding and contemplating what she is [in the mirror or glass of the title]) doth perceive how of herself and of her own strength she can do nothing that good is or prevaileth for her own salvation, unless it be through the grace of God, whose mother, daughter, sister and wife by the Scriptures she proveth herself to be. Trusting also that, through His incom­prehensible love, grace and mercy, she (being called from sin to repentance) doth faithfully hope to be saved.22

Elisabeth zeigt der Frau an König Heinrichs Seite nicht nur Loyalität, in dem sie sich zum selben Glauben wie ihre Stiefmutter bekennt, sondern signalisiert ihr gleichzeitig, dass sie deren Stellung am Königshof unterstützt: Wie Margaret von Anjoulême war Katherine Parr darum bemüht, die Lehre des Protestantismus am Hofe zu verbreiten.23 Diese wenigen Zeilen machen klar, wie sehr die junge Elisabeth schon in ihrem Glauben bestärkt war und wie klug sie ihn für ihre Interessen einzusetzen wusste. Viele Historiker deuten Elisabeths Worte nicht nur als gottesfürchtig, sondern als ebenso ehrfürchtig vor ihrem Vater, König Heinrich VIII.. Genauso wie die Bibeln zu jener Zeit das Bild des Königs abgedruckt hatten24, könnte auch für Elisabeth Herrscher und Gott in der Person ihres Vaters vereinigt gewesen sein. Dementsprechend wäre sie dann die Tochter und Katherine Parr die Ehefrau des Erlösers. Ebenfalls werden spätere Darstellungen von Elisabeths I. in Erinnerung gerufen, in denen sie als heilige Mutter Christi, als Jungfrau Maria symbolisiert wird. So findet King diese Symbolik in Spensers The Shepheardes Calendar, wo sowohl der Vater als auch die Tochter als christusähnliche Monarchen dargestellt würden.25 Die wenigen Zeilen an ihre Stiefmutter zeigen auf, wie eng Elisabeths Bild eines Souveräns mit ihrem Glauben verknüpft war. Ein weiteres Beispiel zeigt sich im Geschenk, wieder einer Übersetzung, welches Elisabeth ihrem Vater zu Neujahr 1546 machte. Die Wahl der Prinzessin fiel dieses Mal auf ein von ihrer Stiefmutter Katherine Parr eigens verfasstes Werk, Prayers and Meditations, welches Elisabeth ins Französische, Italienische und Lateinische übersetzte. In ihrem Einleitungsbrief, der ebenfalls in Lateinisch verfasst war, lobt sie Heinrich als „matchless and most benevolent father“ und beteuert ihre Absicht „not only [...] an imitator of his virtues but indeed [...] an inheritor of them“ zu sein.26 Neben der Fleißarbeit der jungen Elisabeth I. erstaunt die Selbstverständlichkeit, mit der sich die Tochter von Anne Boleyn als Erbin der Tugenden ihres Vaters sah, dies lässt vermuten, dass das Verhältnis zwischen Vater und Tochter entspannt gewesen sein muss und Heinrich Elisabeth gegenüber wohlwollend eingestellt war. Elisabeth sah sich im Alter von zwölf Jahren als Erbin der von ihr so verherrlichten Tugenden Heinrichs und betonte dieses Erbe auch während ihrer Zeit als Monarchin immer wieder. Dieses war eine wichtige Legitimation ihrer Herrschaft und wog die Tatsache auf, dass sie das "falsche" Geschlecht hatte. So pflegte sie Gesandte oft vor dem Bildnis, welches Hohlbein von ihrem Vater angefertigt hatte, zu empfangen.27 „I might not be a lion but I am a lion's cub, with a lion's heart“28, ist ein Elisabeth I. zugewiesenes Zitat und unterstreicht ihre Abstammung und rechtfertigt gleichzeitig ihr Geschlecht. Zahlreiche Reden sind jenen des übermächtigen Vaters äußerst ähnlich.29 Solche kühnen Worte mögen auch von der Tatsache inspiriert worden sein, dass König Heinrich Elisabeth in der Thronfolgeregelung von 1544 offiziell an dritter Stell einsetzte, ein unglaublicher Aufstieg, war doch Elisabeth nach der Exekution ihrer Mutter 1536 lediglich als anerkanntes Bastardkind am Hofe akzeptiert worden.30 Dieser Anlass wurde durch das Gemälde The Family of Henry VIII31 festgehalten, in dem Mary, Elisabeth und Edward als Thronfolger neben Heinrich VIII. und dessen verstorbenen Frau Jane Seymour abgebildet sind.

3.2 Ein Geschenk an Bruder Edward

Neben dem Familienporträt ist ein weiteres Gemälde erhalten, auf welchem Elisabeth. als junge Prinzessin dargestellt ist. Es handelt sich dabei um das 1547 entstandene Porträt Princess Elizabeth, 32 welches wahrscheinlich Elisabeth selbst auf den Wunsch ihres Bruders Edward, damals schon König von England, in Auftrag gab. Die Darstellung besticht durch den Gegensatz von Elisabeths fast schon zerbrechlicher Gestalt, ihr rotes Kleid offenbart ihre schmalen Schultern, und dem starken Selbstbewusstsein, mit dem die erst Vierzehnjährige dem Künstler entgegen blickt.

Sie steht zwischen zwei Büchern - der Folioband auf dem Lesepult im Hintergrund verweist auf das Alte, der schmale Quartband in ihrer linken Hand dagegen auf das Neue Testament. Die beiden Bücher der Bibel sind in Porträts dieser Zeit genauso gängige Elemente, wie Bücher, die von Frauen in der Hand gehalten werden.33

Elisabeth unterwirft sich hier also der zeitgenössischen Darstellungstradition, eine Prinzessin als demütig und gebildet darzustellen. Dennoch vermag der Betrachter einen Hauch von Widerspenstigkeit wahrzunehmen. Ein schlanker Finger der Prinzessin steckt zwischen den Seiten des kleinen Büchleins in ihrer Hand, als ob sie mit dieser Geste betonen wollte, dass sie das Buch auch wirklich las und Finger und Lesezeichen ihr halfen, nach Beendigung der Malersitzung in ihrer Lektüre ungestört fortfahren zu können. Freye deutet ebenfalls auf die Position dieses Büchleins hin, welches „Elisabeths weibliches Geschlecht sowohl verdeckt, als auch die Aufmerksamkeit des Betrachters darauf lenkt.“34 Der Brief vom 15. Mai 1549, welcher Elisabeth diesem Gemälde beilegte, vervollständigt das Bild der folgsamen, demütigen Prinzessin, die sich dafür bedankt, dass ihr Bruder überhaupt ein Gemälde von ihr wünscht:

Like as the richeman that dayly gathereth riches to riches, and to one bag of mony layeth a greate sort til it come to infinit, so me thinkes your Maiestie not beinge suffised with many benefits and gentilnes shewed to me afore this time, dothe now increas them in askinge and desiring wher you may bid and commaunde, requiring a thinge not worthy the desiringe for it selfe, but made worthy for your higthnes request. (...)35

Elisabeth beginnt den Brief an ihren Bruder mit einem respektvollen, bildlichen Vergleich („So wie der reiche Mann seine Reichtümer anhäuft, indem er immer wieder einen Geldsack zu seinen andern legt, so glaube ich, erhöht Ihre Majestät ihre Großzügigkeit und Güte indem Sie mich um eine Sache [das Gemälde von Elisabeth] bitten, welche die Bitte um ihrer selbst Willen nicht wert ist, sondern allein durch Ihre Bitte wertvoll wird.“). Demütig schreibt Elisabeth, dass ihr Gemälde, und somit auch sie selbst, nur durch den machtvollen Bruder einen Wert hat. Doch wie schon das Gemälde andeutet, erwähnt Elisabeth auch in ihrem Brief, wie sie das Verhältnis zwischen ihrem Äußerem und ihrem Geist empfindet: „For the face, I graunt, I might wel blusche to offer, but the mynde I shal never be asshamed to present.“36 („Denn vielleicht könnte ich erröten, mein Gesicht zu zeigen, aber für meinen Verstand; dafür werde ich mich nie schämen.“) Elisabeth, obwohl noch sehr jung, scheint hier zu ahnen, dass ihr Verstand ihr über manche Schwierigkeit hinweghelfen wird. Im selben Brief bittet sie ihren Bruder, ebenfalls in demütigen Ton, sie doch öfters am Hofe verweilen zu lassen und ihr Gemälde solle ihn daran erinnern. Obwohl dieses Geschenk Elisabeths auf Wunsch Edwards gemacht wurde, kann hinter der demütigen Rolle der jungen Prinzessin ebenfalls ein gewisses Maß an Berechnung herausgelesen werden: Solange sie vom Hofe isoliert, in Hatfield lebte, hatte sie kaum Wege und Mittel, den jungen König von ihrer Integrität und Treue zu überzeugen. Gerüchte, welche sie so in die Heiratspläne von Thomas Seymour verwickelten, konnten sie leicht des Hochverrats schuldig machen und ihr das Leben kosten.

[...]


2 Vergl. Thomson, 13-14

3 Zitiert in: Burke, 397

4 Zitiert in: Schulte, 50

5 Duden Fremdwörterbuch 7

6 Merten, 145

7 Vergl. Thomson, 89

8 Zitiert in: Jowett und O'Donnell, 54

9 Ebd., 5

10 Weber, 122

11 Vergl. Weber, 124

12 Siehe dazu: Klein, 10

13 Marshall, 24

14 Zitiert in: Schulte, 52-53

15 Doktor John Sturmius war ein protestantischer Gelehrter aus Strassburg, der sich wie Ascham mit pädagogischen Fragen auseinandersetzte und mit ihm in regem Briefkontakt stand.

16 Zitiert in: Bassnett, 22-23

17 Starkey, 89

18 Vergl. Haigh, 182

19 Frye in: Schulte, 54

20 Mueller, Marcus, 5-6

21 Vergl. Starkey, 35

22 In: Mueller und Marcus, 7

23 Vergl. Starkey, 47

24 Vergl. Haigh, 17

25 King, 54

26 Starkey, 53

27 Montrose gibt an, diese von einigen Historikern erwähnte Begebenheit zwar in keine r Quelle gefunden zu haben, hält aber deren Authentizität für überaus wahrscheinlich. Siehe dazu: Montrose in: Schulte, 69

28 Zitiert in: Starkey, 37

29 Vergl. Weir, 221

30 Vergl. Haigh, 8

31 Starkey (siehe Abb.1 im Anhang

32 Starkey (siehe Abb.2 im Anhang)

33 Zitiert in: Schulte, 61

34 Zitiert in: Schulte 62

35 Mueller und Marc, 24

36 Mueller und Marc, 26

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
„A very strange sort of woman“
Untertitel
Die zeitgenössische Repräsentation und Propaganda von Königin Elisabeth I. von England
Hochschule
Universität Basel  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Seminar HerrscherInnenbilder
Note
5.5 (Schweiz)
Autor
Jahr
2006
Seiten
35
Katalognummer
V80589
ISBN (eBook)
9783638878876
Dateigröße
1290 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Sehr gute Seminararbeit Bildquellen im Anhang
Schlagworte
Seminar, HerrscherInnenbilder
Arbeit zitieren
Bojana Ruf (Autor:in), 2006, „A very strange sort of woman“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80589

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: „A very strange sort of woman“



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden