Das Motiv vom Verfall der Aura durchzieht die Schriften Walter Benjamins (1892-1940) bereits seit Anfang der 30er Jahre. Der Begriff ,,Aura" taucht sogar schon früher auf, allerdings weicht sein Verständnis dort noch in einem nicht unwesentlichen Maße von der in Benjamins Spätwerk aufgestellten Aura-Theorie ab, deren ganzheitliche Darstellung in dem sog. Kunstwerk-Aufsatz (Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, 1936) Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist1. Diese Schrift blieb, ungeachtet einiger Modifikationen der Aura-Theorie in späteren Arbeiten, die meist bekannteste und am meisten diskutierte Grundlage für die Rezeption der Kunsttheorie Walter Benjamins. 1936 als eine Art Manifest gegen den deutschen Faschismus entstanden, will der Kunstwerk-Aufsatz eine neue Ära in der Kunstgeschichte proklamieren - ausgehend von einer epochalen Umwälzung, die auf dem vermeintlichen Verfall der Aura basiert, welche äußerst inkonsequent mal als eine Rezeptionshaltung, mal als eine objektiv vorhandene Eigenschaft der Werke definiert wird. In dieser neuen Epoche soll die Kunst statt wie bisher auf dem Ritual oder dem profanen Schönheitsdienst auf der Politik fundiert sein. Der Kunstwerk-Aufsatz ist der Intention des Verfassers nach eine Kampfschrift, die für ein politisches Engagement der Kunst plädiert und der faschistischen ,,Ästhetisierung der Politik", die einer ,,zunehmende[r] Formierung der Massen"2 dient, die Gründung der Ästhetik auf Politik entgegensetzt. Gegen die traditionellen ästhetischen Kategorien wie Genialität, Schöpfertum usw. entwickelt Benjamin hier eine neues Vokabular, dessen Begriffe, so eine programmatische Erklärung des Vorwortes, so formuliert sein sollen, dass sie ,,für die Zwecke des Faschismus vollkommen unbrauchbar", dagegen aber ,,zur Formulierung revolutionärer Forderungen in der Kunstpolitik"3 geeignet sind.
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1 Die Erstveröffentlichung erfolgte in französischer Übersetzung in der Zeitschrift für Sozialforschung unter dem Titel L′ _uvre d′art à l′époque de sa reproduction mecanisée. Eine wichtige Vorarbeit dazu war die 1931 in der Zeitschrift Die Literarische Welt erschienene Kleine Geschichte der Photographie. Die deutsche Fassung des Kunstwerk-Aufsatzes erschien zum ersten Mal 1955 in dem zweibändigen Sammelwerk Schriften.
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INHALT
Einfuhrung
1. Benjamins Aura-Theorie im Uberblick
2. Kritischer Teil
2.1. Benjamins Definition der Aura im Kunstwerk-Aufsatz
2.1.1. Metaphorik der Feme und Nahe: das religiose Moment in der Definition der Aura
2.1.2. Metaphorik der Einmaligkeit: zwischen materieller Singularitat und qualitativer Einzigartigkeit
2.2. Objektive oder subjektive Fundierung des auratischen Phanomens?
2.3. Prazisierung der Aura-Definition in der Baudelaire-Studie
2.4. Reproduktion der Kunstwerke und ihre Auswirkungen auf Aura und Rezeption
2.5. Schockerlebnis und Aura
3. Benjamins Zeitgenossen zum Thema „Aura“
3.1. Theodor W. Adorno: Entwicklungsdynamik der Kunst oder Bewahrung der Aura in ihrer Negation
3.2. Marcel Proust: memoire involtaire oder Spontaneitat des konstituierenden Bewusstseins
3.3. Ernst Cassirer: das Heilige und das Profane oder Aura als Produkt einer auszeichnenden Aufmerksamkeit
4. Alternatives Modell der Aura-Theorie Schlussbemerkung
Literatur
EINFÜHRUNG
Das Motiv vom Verfall der Aura durchzieht die Schriften Walter Benjamins (1892-1940) bereits seit Anfang der 30er Jahre. Der Begriff „Aura“ taucht sogar schon fruher auf, allerdings weicht sein Verstandnis dort noch in einem nicht unwesentlichen MaBe von der in Benjamins Spatwerk aufgestellten Aura-Theorie ab, deren ganzheitliche Darstellung in dem sog. Kunstwerk-Aufsatz (Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, 1936) Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist[1]. Diese Schrift blieb, ungeachtet einiger Modifikationen der Aura-Theorie in spateren Arbeiten, die meist bekannteste und am meisten diskutierte Grundlage fur die Rezeption der Kunsttheorie Walter Benjamins. 1936 als eine Art Manifest gegen den deutschen Faschismus entstanden, will der Kunstwerk-Aufsatz eine neue Ara in der Kunstgeschichte proklamieren - ausgehend von einer epochalen Umwalzung, die auf dem vermeintlichen Verfall der Aura basiert, welche auBerst inkonsequent mal als eine Rezeptionshaltung, mal als eine objektiv vorhandene Eigenschaft der Werke definiert wird. In dieser neuen Epoche soll die Kunst statt wie bisher auf dem Ritual oder dem profanen Schonheitsdienst auf der Politik fundiert sein. Der Kunstwerk-Aufsatz ist der Intention des Verfassers nach eine Kampfschrift, die fur ein politisches Engagement der Kunst pladiert und der faschistischen „Asthetisierung der Politik“, die einer „zunehmende[r] Formierung der Massen“[2] dient, die Grundung der Asthetik auf Politik ent- gegensetzt. Gegen die traditionellen asthetischen Kategorien wie Genialitat, Schopfertum usw. entwickelt Benjamin hier eine neues Vokabular, dessen Begriffe, so eine programmatische Erklarung des Vorwortes, so formuliert sein sollen, dass sie „fur die Zwecke des Faschismus vollkommen unbrauchbar“, dagegen aber „zur Formulierung revolutionarer Forderungen in der Kunstpolitik“[3] geeignet sind.
In den auf diese Erklarung folgenden Ausfuhrungen taucht die Politik jedoch selten auf, das rein Kunsttheoretische steht im Vordergrund. Benjamin widmet sich in erster Linie den optischen Medien und versucht die Veranderungen aufzuzeigen, welche die modernsten unter ihnen - Fotografie und Film - mit sich bringen. Er entwickelt dabei eine Medienutopie, die mit Kategorien wie Echtheit, (materielle) Einmaligkeit und das „Hier und Jetzt“ des Kunstwerkes operiert und den Mythos einer durch die fortschreitende Technisierung der Kunst bedrohten und im Verschwinden begriffenen Aura aufstellt.
Benjamins Gebrauch dieses Begriffs ist allerdings sehr inkonsequent: wahrend er eine objektiv fundierte Aura in den Mittelpunkt seines Systems setzt (d.h. dort, wo von Verfallserscheinungen in der modernen Kunst die Rede ist) - eine Aura, die als eine empirisch nachweisbare Eigenschaft des Werkes erscheint, da sie an dessen materielle Seite gebunden ist, kommt peripher und - irritierenderweise - auch in der Definition des Begriffes immer wieder die Vorstellung von dem subjektiven Ursprung der Aura zum Ausdruck, wonach sie ein Phanomen der Wahrnehmung und an den Rezipienten gebunden ist. Diese fur Benjamins ganze Kunsttheorie charakteristische Inkonsequenz - Merleen Stoessel schreibt von einer „irritierenden Ambiguitat im Begriff der Aura“[4] - wurde in der Sekundarliteratur oft ubersehen.
Die Geltung der Benjaminschen Thesen wurde besonders in der Anfangsphase seiner spat er- folgten Rezeption selten in Frage gestellt[5]. Die Aura wurde oft als etwas Gegebenes angenommen, das keiner naheren Untersuchung bedarf - in Wirklichkeit handelt es sich dabei jedoch um eine Metapher, die es zu entschlusseln gilt. Die der Benjaminschen Aura-Definition innewohnende Widerspruchlichkeit, spatere Modifikationen der Theorie und definitorische Gewichtsverschiebungen in der Baudelaire-Studie (Uber einige Motive bei Baudelaire, 1939) und dem unvollendeten Passagen-Werk, sowie die Tatsache, dass eine metaphorische Definition ein relativ hohes MaB an Unbestimmtheit beinhaltet, begunstigten diese Praxis, da sie fur eine moglichst groBe Verwirrung und fur unterschiedlichste Interpretationsmoglichkeiten sorgten.
Trotz aller geschilderten Mangel gewannen die vom zeitgenossischen Publikum kaum wahr- genommenen Ideen Benjamins[6] nach ihrer deutschen Edition in den 60er Jahren immer mehr an Popularitat und fanden eine beinahe inflationare Verbreitung[7]. Es steht zwar auBer Zweifel, dass mit dem Aufkommen moderner technischer Medien im Bereich der Kunst und Kultur sich Veranderungen vollzogen haben - dies durfte heute, im „Zeitalter“ des Internets sogar noch eindeutiger sein wie 1936. Zu leicht, zu unkritisch hat man jedoch in der Vergangenheit Benjamins These vom Verfall der Aura und seine Ausfuhrungen uber das Wesen dieser Erscheinung ubernommen. Welcher Natur die Veranderungen des „technischen Zeitalters“ sind, ware erst zu untersuchen. Es ist eine Notwendigkeit, die alten, so stark verbreiteten Thesen auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Brauchbarkeit zu uberprufen. Benjamin hat sie schlieBlich noch in einer Zeit aufgestellt, in der die von ihm analysierten Medien erst im Aufkommen begriffen waren. Seit dieser Zeit hat sich - allein auf dem Gebiet der Technik, von der Film- und Fotografiekunst im engeren Sinne ganz zu schweigen - sehr viel verandert. Eine Wertung der Leistungen und Grenzen Benjamins unter Berucksichtigung ihres historischen Kontextes und ihres historischen - d.h. verganglichen - Charakters ist daher unentbehrlich.
Im folgenden soll dieser Versuch unternommen werden. Eine kritische Auseinandersetzung mit den wichtigsten Ideen des Kunstwerk-Aufsatzes soll helfen, die Aura Theorie neu zu formulieren - ein alternatives Modell ohne die fur Benjamin typischen Widerspruche, mit einer eindeutig subjektiv begrundeten Aura wird aufgestellt. Der Film, dem ein verhaltnismaBig groBer Teil der Kunstwerk-Arbeit gewidmet ist, wird dabei nur soweit behandelt, als es sich um seine allgemeinen Eigenschaften als Kunstwerk handelt. Auf die genaue, eng gattungsbezogene Analyse dieses Mediums bei Benjamin wird nicht Bezug genommen[8].
1. BENJAMINS AURA-THEORIE IM ÜBERBLICK
Im Folgenden werden die wichtigsten Thesen aus dem Kunstwerk-Aufsatz kurz dargestellt. Eine detaillierte Darstellung, verbunden mit einer kritischen Analyse, wird in Kapitel 3 vorgenommen. Die Reproduzierbarkeit von Kunstwerken ist an sich selbst kein neues Phanomen, wir begegnen ihr bereits in der Antike. Schon damals hatte sie zwei Seiten: die positive und die negative: Reproduktion als Ausbildung von Malern und Reproduktion als Falschung. Beiden Formen war aber eines gemeinsam: die menschliche Hand, die diese Kunstwerke kopiert hat. Was wirklich neu ist, ist nicht die Reproduzierbarkeit als solche, sondern die dazu angewandte moderne Technik und die Moglichkeit, Kopien massenweise und in Mengen, die bis dahin unbekannt und unerreichbar waren, herzustellen. Der Ubergang von der „alten“ zur „neuen“ Reproduzierbarkeit hatte den Charakter eines kontinuierlichen Prozesses, der im 19. Jahrhundert freilich eine besondere Beschleunigung erfahren hat. Fotografie und Film stellen unter den modernen technisierten Medien einen Sonderfall dar, da es sich um Werke handelt, bei denen die Unterscheidung Original-Kopie hinfallig geworden ist. Eine besondere Eigenschaft der modernen Medien ist auch ihre Transpor- tierbarkeit - sie werden nicht an einem festen Ort gezeigt, sondern konnen bis in die entlegensten Teile unserer Welt gelangen. Sie suchen das Publikum auf, welches sich vorher zu den Kunstwerken selbst begeben musste.
Da die auf diese Art und Weise reproduzierten Kunstwerke keine Originale besitzen, zu welchen man wie zu den beruhmten Zeichnungen von Durer oder zu den Gemalden von Picasso „pilgern“ muss - es sind ja genugend Kopien vorhanden, die leicht von Ort zu Ort transportiert werden konnen gehen bei der Vervielfaltigung das Hier und Jetzt der Original-Kunstwerke und ein bis dahin sehr wichtiges Charakteristikum - ihre Echtheit - verloren.
All diese Erscheinungen fasst Benjamin unter einem Stichwort zusammen: Verlust der vom Kunstwerk verbreiteten Aura. Diese ist untrennbar mit der Existenz eines singularen, materiellen Originals verbunden, um welches sich eine Tradition herausgebildet hat. An die Stelle des einmaligen Vorkommens tritt beim Film und bei der Fotografie ihre Aktualisierung in jeweils anderen Rezeptionssituationen, oder, wie Benjamin schreibt, Aufnahmesituationen - z.B. einem anderen Kino, an einem anderen Radioapparat usw. Die jeweiligen, nicht untereinander identischen Aufnahmesituationen setzen das Kunstwerk in einen bestimmten Kontext und beeinflussen somit seinen Inhalt. Trotz mancher aus gesellschaftlicher Sicht positiven Aspekte, die diese Entwicklung mit sich bringt - so etwa der Tatsache, dass nun allgemein verfugbar wird, was vorher nur den Eliten, einem exklusiven Fachpublikum zuganglich war[9] - sieht er darin vor allem eine Gefahr: die Liquidierung des Traditionswertes am Kulturerbe. Der Film soll dabei unter allen Kunstwerken ihr „machtigster Agent“ sein. Dem Wandel auf der Seite der Kunstwerke entspricht auch ein Wandel der Rezeptionshaltungen - die bei der traditionellen Kunst ubliche „Kontemplation“ und individuelle „Versenkung“ weichen jetzt einer fluchtigen, reizstimulierten, zerstreuten und oft schockartigen Massenrezeption[10].
Nach Benjamin bewegt sich das Kunstwerk in seiner geschichtlichen Entwicklung zwischen zwei Polen: seinem Kultwert und seinem Ausstellungswert. Die Ursprunge der Kunst sieht er im Kultus (Ritual), anfangs spielte dieser eine weitaus großere Rolle als der Ausstellungswert. Seit der Renaissance anderte sich das allmahlich, der profane Schonheitsdienst kam auf und verdrangte immer mehr den Ritualwert. Die wachsenden Ausstellungsmoglichkeiten beschleunigten die Emanzipation des Kunstwerks vom Ritual, so dass man um die Jahrhundertwende von einer autonomen Kunst sprechen konnte. Doch diese sollte nicht das letzte Stadium in der Kunstgeschichte sein. Mit der Sakularisierung der Kunst hatten sich ihr Status, ihre Existenzweise und Existenzberechtigung radikal verandert - jetzt gilt es nach Benjamins Uberzeugung, die Kunst dem Reich der Politik einzuverleiben und die groBen Moglichkeiten, welche die neuen Medien mit sich bringen, zum Wohle der Allgemeinheit - konkret gegen den im Vormarsch begriffenen Faschismus - zu nutzen. Die ritualisierten Akte und den praxisenthobenen Kunstgenuss der Einzelnen soll bei entauratisierter Kunst ein politisches Handeln ersetzen, welches nach Reisch in der „Selbstverstandigung und Selbstvergewisserung der Gesellschaft und ihrer Normen“ besteht[11].
2.1. Benjamins Definition der Aura im Kunstwerk-Aufsatz
Die Aura „geschichtlicher Gegenstande“ - so bezeichnet Benjamin die Kunstwerke - wird uber die Aura von „naturlichen Gegenstanden“ definiert. Benjamin geht wie selbstverstandlich davon aus, dass eine solche Darstellung moglich ist - die Verschiedenheit der Objekte muss also seiner Meinung nach unbedeutend fur das Verstandnis des Phanomens selbst sein:
Es empfiehlt sich, den oben fur geschichtliche Gegenstande vorgeschlagenen Begriff der Aura an dem Begriff einer Aura von naturlichen Gegenstanden zu illustrieren. Diese letztere definieren wir als einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag. An einem Sommernachmittag ruhend einem Gebirgszug am Horizont oder einem Zweig folgen, der seinen Schatten auf den Ruhenden wirft - das heiBt die Aura dieser Berge, dieses Zweiges atmen.[12]
Die bundige Formulierung, welche die Aura als „einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag“ beschreibt, gehort wohl zu den meist zitierten Worten Benjamins. Nicht ohne Grund: sie enthalt - bei einer knappen sprachlichen Formulierung - eine geballte Ladung von Informationen und ist sehr charakteristisch fur Benjamins aphoristischen Schreibstil, bei dem die Ideen nur angedeutet und von dem Lesen weiter gedacht werden sollen[13]. Die oben zitierten wenigen Zeilen enthalten eine vielschichtige Metapher und deuten mehrere Merkmale des Definierten an. Was als erstes an dem kurzen, zitierten Ausschnitt auffallt, ist eine gewisse Unbestimmtheit des Definierten - die Aura erscheint hier als das atmospharische Irgendwie einer Situation. Die Vorstellung, dass man sie atmen kann, hangt einerseits mit der Herkunft des Wortes „Aura“ zusammen, das im Griechischen soviel wie „Luft“ und „Hauch“ bedeutet, und bringt andererseits zum Ausdruck, dass es sich hierbei um etwas Leichtes, Flüchtig-Vergängliches, Nicht-Greifbares handelt, „etwas Atmosphärisches in der Art und Weise, wie die Dinge erscheinen“[14].
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[1] Die Erstveroffentlichung erfolgte in franzosischer Ubersetzung in der Zeitschrift fur Sozialforschung unter dem Titel L’ auvre d’art a l’epoque de sa reproduction mecanisee. Eine wichtige Vorarbeit dazu war die 1931 in der Zeitschrift Die Literarische Welt erschienene Kleine Geschichte der Photographie. Die deutsche Fassung des Kunstwerk-Aufsatzes erschien zum ersten Mal 1955 in dem zweibandigen Sammelwerk Schriften.
[2] W. Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In: W. Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1963, S. 7-63. Die zitierte Formulierung befindet sich auf S. 48. Was unter „Asthetisierung der Politik“ zu verstehen, ist nach uber einem halben Jahrhundert vielleicht nicht jedem klar: gemeint sind die in groBem Stil, vor verschwenderisch uppigen Kulissen gefeierten nationalsozialistischen Feste oder die mit groBem Aufwand gedrehten Filme wie Triumph des Willens (Leni Riefenstahl, 1935), Jud Sufi (Veit Harlan, 1940) oder Ich klage an (Wolfgang Liebeneiner, 1941) - um nur einige Beispiele zu nennen. Diese nationalsozialistische Politisierung der Kunst war naturlich grundverschieden von dem, was Benjamin postulierte: „Diese Propagandakunst der Nazis vollstreckt zwar die Liquidierung der Kunst als eines autonomen Bereichs [d.h. stark vereinfacht der auratischen Kunst - C.B.], aber hinter dem Schleier der Politisierung dient sie in Wahrheit der Asthetisierung nackter politischer Gewalt. Sie ersetzt den zerstorten Kultwert der burgerlichen Kunst durch den manipulativ hergestellten. Der kultische Bann wird nur gebrochen, um synthetisch erneuert zu werden: die Massenrezeption wird zur Massensuggestion.“ S. Unseld: Zur Aktualitat Walter Benjamins. Aus Anlafi des 80. Geburtstags von Walter Benjamin, S. 181. Wenn Benjamin sich negativ uber die neuen Medien Fotografie und Film auBert, so wendet sich diese Kritik nicht gegen diese Medien an sich - er attestiert ihnen vielmehr mehrere positive Eigenschaften - sondern gegen ihre Kommerzialisierung und ihre Indienstnahme fur die faschistischen Ideologien (wohlgemerkt, er scheint dasselbe bei der sowjetischen Diktatur ubersehen zu haben).
[3] W. Benjamin, Das Kunstwerk..., Kap 1, S. 11.
[4] M. Stoessel, Aura. Das vergessene Menschliche. Zu Sprache und Erfahrung bei Walter Benjamin, S. 25.
[5] Benjamins Kunstwerk-Thesen sind nicht nur unkritisch kanonisiert, sondern auch oft losgelost von Benjamins weitraumigen publizistischen und wissenschaftlichen Aktivitaten in den 20er und 30er Jahren, sowie ihren stofflichen und methodischen Verbindungen zu anderen Arbeiten Benjamins - so etwa der Baudelaire-Studie oder seinem Passagen-Projekt - betrachtet worden. Auch fanden wichtige Vorarbeiten anderer Autoren kaum Berucksichtigung. Vgl. dazu G. Wagner, Walter Benjamin. Die Medien der Moderne, S. 154f.
[6] Zu seinen Lebzeiten sind sieben Bucher und uber 400 Texte in verschiedenen Zeitschriften (u.a. Die literarische Welt, Frankfurter Zeitung und Zeitschrift fur Sozialforschung) erschienen. Als mogliche Ursachen fur die fehlende Resonanz auf Benjamins Texte konnen ihre nicht homogenen Themenbereiche, ihre nicht genug kontinuierliche - oft auch noch anonyme oder pseudonyme - Erscheinugsweise, die Verteilung auf zu viele Medien und Verlage, kleine Auflagen und die Aufteilung langerer Texte in Folgen genannt werden. Angabe nach: R. H. Krauss, Walter Benjamin und der neue Blick auf die Photographie, S. 81.
[7] Diese Situation beschreiben sehr treffend folgende Zitate aus der Sekundarliteratur: a) „Der Begriff der Aura ist zu einem einschlagigen Terminus im Vokabular des kulturellen Journalismus geworden. Wer heute im Rahmen eines Feuilletonartikels das atmospharische Irgendwie eines medialen Ereignisses - das Spektrum reicht uber alle Gattungen von der literarischen Neuerscheinung bis zum Pop-Konzert unter freiem Himmel - zu besprechen hat, scheint auf die rhetorischen Moglichkeiten etwa einer madchenhaften Aura der Schuchternheit, einer Aura der Zartlichkeit, der Nuchternheit, des Kleinburgerlichen, des Erfolgs oder gar des Schreckens nicht mehr verzichten zu konnen“. B. Recki, Aura und Autonomie. Zur Subjektivitat der Kunst bei Walter Benjamin und Theodor W. Adorno, S. 13; b) „Der inflationare Gebrauch des Begriffs heute (er gehort zum festen Bestandteil des Kunstkritikers und des Feuilletonisten) steht im umgekehrten Verhaltnis zu seiner Verstandlichkeit.“ R. Dieckhoff, Mythos undModerne. Uber die verborgene Mystik in den Schriften Walter Benjamins, S. 119.
[8] Nach G. Wagner ist Benjamins gesamte Medienreflexion „nicht primar eine ‘Filmtheorie’ im Sinne einer Theorie filmspezifischen Erzahlens, sondern eine kulturhistorisch-soziologisch gestutzte Avantgardetheorie im Medium von bildender Kunst, Fotografie und vor allem Film“. Wagner, a.a.O., S. 157.
[9] Diese Entwicklung gipfelte nach Reisch im 19 Jh. in der Entstehung wissenschaftlicher Archivinstitutionen wie Museen, Theater und Opern, die die Verwaltung des kulturellen „Archivs“ im Auftrag der burgerlichen Gesell- schaftsschichten ubernommen haben. H. Reisch, Das Archiv und die Erfahrung. Walter Benjamins Essays im me- dientheoretischen Kontext, S. 106f.
[10] Reisch hebt zusatzlich hervor, dass bei herkommlicher Kunst eine meditative Versenkung auch ein notwendiger Bestandteil der Produktion war. Reisch, a.a.O., S. 106.
[11] Ebd., S. 107.
[12] W. Benjamin, Das Kunstwerk..., Kap. 3, S. 18. Diese Definition taucht zum ersten Mal in fast gleichem Wortlaut bereits in der Kleinen Geschichte der Photographie auf.
[13] Kraus beschreibt diesen Schreibstil wie folgt: „Einzelne, in sich abgeschlossene Bauteile werden nebeneinander gesetzt. Furs erste scheinen sie nichts miteinander zu tun zu haben. Erst bei genauerem und langerem Hinsehen schlieben sie sich zu etwas zusammen, was mehr ist als die Summe der einzelnen Teile. Ein solches Vorgehen mochte ich mit aphoristisch bezeichnen (...) Benjamin erfindet neue Bilder, wie Aura, Passage oder Flaneur. Diese Bilder, die oft von poetischer Strahlkraft sind, werden vor den Leser hingestellt, damit er aus ihnen neue Erkenntnisse selbst formulieren kann. Benjamins Schriften fordern auf, selbst nach- und weiterzudenken.“ Kraus, a.a.O., S. 89.
[14] Recki, a.a.O., S. 16.
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