Das Motiv vom Verfall der Aura durchzieht die Schriften Walter Benjamins (1892-1940) bereits seit Anfang der 30er Jahre. Der Begriff ,,Aura" taucht sogar schon früher auf, allerdings weicht sein Verständnis dort noch in einem nicht unwesentlichen Maße von der in Benjamins Spätwerk aufgestellten Aura-Theorie ab, deren ganzheitliche Darstellung in dem sog. Kunstwerk-Aufsatz (Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, 1936) Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist1. Diese Schrift blieb, ungeachtet einiger Modifikationen der Aura-Theorie in späteren Arbeiten, die meist bekannteste und am meisten diskutierte Grundlage für die Rezeption der Kunsttheorie Walter Benjamins. 1936 als eine Art Manifest gegen den deutschen Faschismus entstanden, will der Kunstwerk-Aufsatz eine neue Ära in der Kunstgeschichte proklamieren - ausgehend von einer epochalen Umwälzung, die auf dem vermeintlichen Verfall der Aura basiert, welche äußerst inkonsequent mal als eine Rezeptionshaltung, mal als eine objektiv vorhandene Eigenschaft der Werke definiert wird. In dieser neuen Epoche soll die Kunst statt wie bisher auf dem Ritual oder dem profanen Schönheitsdienst auf der Politik fundiert sein. Der Kunstwerk-Aufsatz ist der Intention des Verfassers nach eine Kampfschrift, die für ein politisches Engagement der Kunst plädiert und der faschistischen ,,Ästhetisierung der Politik", die einer ,,zunehmende[r] Formierung der Massen"2 dient, die Gründung der Ästhetik auf Politik entgegensetzt. Gegen die traditionellen ästhetischen Kategorien wie Genialität, Schöpfertum usw. entwickelt Benjamin hier eine neues Vokabular, dessen Begriffe, so eine programmatische Erklärung des Vorwortes, so formuliert sein sollen, dass sie ,,für die Zwecke des Faschismus vollkommen unbrauchbar", dagegen aber ,,zur Formulierung revolutionärer Forderungen in der Kunstpolitik"3 geeignet sind.
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1 Die Erstveröffentlichung erfolgte in französischer Übersetzung in der Zeitschrift für Sozialforschung unter dem Titel L′ _uvre d′art à l′époque de sa reproduction mecanisée. Eine wichtige Vorarbeit dazu war die 1931 in der Zeitschrift Die Literarische Welt erschienene Kleine Geschichte der Photographie. Die deutsche Fassung des Kunstwerk-Aufsatzes erschien zum ersten Mal 1955 in dem zweibändigen Sammelwerk Schriften.
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Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Benjamins Aura-Theorie im Überblick
- Kritischer Teil
- Benjamins Definition der Aura im Kunstwerk-Aufsatz
- Metaphorik der Ferne und Nähe: das religiöse Moment in der Definition der Aura
- Metaphorik der Einmaligkeit: zwischen materieller Singularität und qualitativer Einzigartigkeit
- Objektive oder subjektive Fundierung des auratischen Phänomens?
- Präzisierung der Aura-Definition in der Baudelaire-Studie
- Reproduktion der Kunstwerke und ihre Auswirkungen auf Aura und Rezeption
- Schockerlebnis und Aura
- Benjamins Definition der Aura im Kunstwerk-Aufsatz
- Benjamins Zeitgenossen zum Thema „Aura“
- Theodor W. Adorno: Entwicklungsdynamik der Kunst oder Bewahrung der Aura in ihrer Negation
- Marcel Proust: mémoire involtaire oder Spontaneität des konstituierenden Bewusstseins
- Ernst Cassirer: das Heilige und das Profane oder Aura als Produkt einer auszeichnenden Aufmerksamkeit
- Alternatives Modell der Aura-Theorie
- Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert kritisch Walter Benjamins Aura-Theorie, wie sie hauptsächlich in seinem Aufsatz "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" dargestellt wird. Die Untersuchung berücksichtigt auch spätere Modifikationen und setzt Benjamins Theorie in Bezug zu den Ansichten seiner Zeitgenossen. Das Ziel ist es, die Inkonsistenzen und Ambiguitäten in Benjamins Begriff der Aura aufzuzeigen und ein alternatives Modell zu entwickeln.
- Kritische Analyse von Benjamins Aura-Definition
- Untersuchung der objektiven und subjektiven Aspekte der Aura
- Auswirkungen der technischen Reproduktion auf die Aura
- Vergleich mit den Aura-Konzepten von Adorno, Proust und Cassirer
- Entwicklung eines alternativen Modells der Aura-Theorie
Zusammenfassung der Kapitel
Einführung: Die Einführung stellt das zentrale Thema der Arbeit, den Verfall der Aura in Walter Benjamins Schriften, vor. Sie hebt die Bedeutung des "Kunstwerk-Aufsatzes" von 1936 hervor, der die meistdiskutierte Grundlage für die Rezeption von Benjamins Kunsttheorie bildet. Die Einführung betont die Inkonsequenz in Benjamins Definition der Aura – mal als Rezeptionshaltung, mal als objektive Eigenschaft des Kunstwerks – und den politischen Kontext der Entstehung des Aufsatzes als Kampfschrift gegen den Faschismus. Die Einführung verweist auf die spätere Rezeption von Benjamins Ideen und deren inflationären Gebrauch, der eine kritische Überprüfung notwendig macht.
Benjamins Aura-Theorie im Überblick: Dieses Kapitel bietet eine umfassende Darstellung von Benjamins Aura-Konzept, ohne jedoch bereits in die kritische Auseinandersetzung einzusteigen. Es legt den Grundstein für die folgende Analyse, indem es die zentralen Elemente der Theorie vorstellt und den Kontext einordnet.
Kritischer Teil: Dieser Abschnitt analysiert kritisch verschiedene Aspekte von Benjamins Aura-Theorie. Er untersucht die Definition der Aura im "Kunstwerk-Aufsatz," die Rolle der Metaphorik (Ferne/Nähe, Einmaligkeit), die Frage nach der objektiven oder subjektiven Fundierung des Phänomens, die Präzisierung der Definition in der Baudelaire-Studie und den Einfluss der technischen Reproduktion auf Aura und Rezeption. Der Abschnitt beleuchtet auch das „Schockerlebnis“ im Kontext der Aura. Die Kapitel dieses Abschnitts bilden eine systematische Dekonstruktion von Benjamins Konzept.
Benjamins Zeitgenossen zum Thema „Aura“: Dieser Teil vergleicht Benjamins Aura-Theorie mit den Ansichten seiner Zeitgenossen Adorno, Proust und Cassirer. Er beleuchtet die verschiedenen Perspektiven auf die Aura und deren Entwicklungsdynamik in der Kunst, den Zusammenhang von Erinnerung und Aura, sowie die Rolle der Aufmerksamkeit bei der Konstitution der Aura. Die Gegenüberstellung erweitert das Verständnis von Benjamins Theorie, indem sie alternative Sichtweisen aufzeigt.
Alternatives Modell der Aura-Theorie: (Diese Zusammenfassung würde ein mögliches alternatives Modell der Aura-Theorie, basierend auf der vorherigen Analyse, präsentieren. Da der Originaltext kein solches Modell explizit enthält, kann hier nur ein Platzhalter stehen.)
Schlüsselwörter
Aura, Walter Benjamin, Kunstwerk, technische Reproduzierbarkeit, Rezeption, Moderne, Fotografie, Film, Ästhetik, Politik, Faschismus, Adorno, Proust, Cassirer, Metapher, Einmaligkeit, Objektivität, Subjektivität.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Kritische Analyse der Aura-Theorie Walter Benjamins
Was ist der Hauptgegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit analysiert kritisch Walter Benjamins Aura-Theorie, insbesondere wie sie in seinem Aufsatz "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" dargestellt wird. Sie untersucht Inkonsistenzen und Ambiguitäten in Benjamins Begriff der Aura und entwickelt ein alternatives Modell.
Welche Aspekte von Benjamins Aura-Theorie werden untersucht?
Die Analyse umfasst Benjamins Definition der Aura, die Rolle der Metaphorik (Ferne/Nähe, Einmaligkeit), die Frage nach der objektiven oder subjektiven Fundierung der Aura, den Einfluss der technischen Reproduktion und das "Schockerlebnis" im Kontext der Aura. Die Arbeit berücksichtigt auch spätere Modifikationen von Benjamins Theorie.
Wie wird Benjamins Theorie mit der anderer Denker verglichen?
Die Arbeit vergleicht Benjamins Aura-Konzept mit den Ansichten seiner Zeitgenossen Theodor W. Adorno, Marcel Proust und Ernst Cassirer. Der Vergleich beleuchtet verschiedene Perspektiven auf die Aura, deren Entwicklungsdynamik in der Kunst, den Zusammenhang von Erinnerung und Aura sowie die Rolle der Aufmerksamkeit bei der Konstitution der Aura.
Was ist das Ziel der Arbeit?
Das Ziel ist die kritische Auseinandersetzung mit Benjamins Aura-Theorie, die Aufdeckung von Inkonsistenzen und Ambiguitäten und die Entwicklung eines alternativen Modells der Aura-Theorie. Die Arbeit betrachtet auch den politischen Kontext der Entstehung von Benjamins Aufsatz.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in Kapitel zu: Einleitung, Benjamins Aura-Theorie im Überblick, einem kritischen Teil (mit Unterkapiteln zu Benjamins Definition der Aura, objektiver/subjektiver Fundierung, Reproduktion und Schockerlebnis), Benjamins Zeitgenossen (Adorno, Proust, Cassirer), einem alternativen Modell der Aura-Theorie und einer Schlussbemerkung. Ein Inhaltsverzeichnis ist im Text enthalten.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt?
Schlüsselwörter sind: Aura, Walter Benjamin, Kunstwerk, technische Reproduzierbarkeit, Rezeption, Moderne, Fotografie, Film, Ästhetik, Politik, Faschismus, Adorno, Proust, Cassirer, Metapher, Einmaligkeit, Objektivität, Subjektivität.
Welche Zusammenfassung der einzelnen Kapitel wird angeboten?
Die Arbeit bietet Kapitelzusammenfassungen, die die Kernaussagen und die jeweiligen methodischen Ansätze der einzelnen Kapitel kurz darstellen. Die Zusammenfassung zum alternativen Modell ist als Platzhalter formuliert, da der Originaltext kein explizites Modell präsentiert.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Diese Arbeit ist für ein akademisches Publikum gedacht, das sich mit Walter Benjamins Werk, Kunsttheorie und den philosophischen Fragen der Moderne auseinandersetzt. Die OCR-Daten sind ausschließlich für die akademische Nutzung bestimmt.
- Quote paper
- Cezary Bazydlo (Author), 2002, Verfall der Aura? Eine kritische Auseinandersetzung mit der Aura-Theorie Walter Benjamins auf der Grundlage seines Kunstwerk-Aufsatzes unter Berücksichtigung weiterer Schriften, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8059