Jakob Michael Reinhold Lenz: Anmerkungen übers Theater (1774)


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

17 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Gliederung

I. Vorbemerkung

II. Inhalt
1.Erster Abschnitt: Historischer Überblick
2. Zweiter Abschnitt: Das Wesen des Dramas
3.Dritter Abschnitt: Die Theorie der drei Einheiten im Drama
4.Vierter Abschnitt: Die poetische Praxis der Gegenwart
5.Fünfter Abschnitt: Nachträge und Schlussbemerkung

III. Das Lenz-Bild in „Dichtung und Wahrheit“ und die nachfolgende Lenz-Forschung

IV. Shakespeare als Ideal

V. Die Anmerkungen übers Theater – ein Dokument der Shakespearomanie?

Literaturverzeichnis

I. Vorbemerkung

Die ›Anmerkungen übers Theater‹ von Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792) zählen zu den eigenwilligsten und zugleich auch wichtigsten Schriften, die sich in der deutschen Literatur mit der Theorie der Dichtung und mit der ästhetischen Reflexion einer Gattung, des Dramas, beschäftigt haben. Die erste, kürzere Fassung der ›Anmerkungen‹, beginnend wohl im Winter 1771/72, schrieb Lenz für die „Société de Philosophie et Belles Lettres“ in Straßburg und wurde seitdem von ihm mehrfach überarbeitet und ergänzt. Unterstützt durch Goethe veröffentlichte er sie schließlich 1774, zusammen mit einer Übertragung von Shakespeares Komödie „Love´s Labour´s Lost“ im Anhang unter dem Titel „Amor vincit omnia“.

Allerdings fallen die als eine der wichtigsten dramentheoretischen Schriften anzusehenden ›Anmerkungen übers Theater‹ bereits bei der Art der Darbietung ganz aus dem Rahmen des Gewohnten. Inhalt, das methodische und gedankliche Verfahren, der Stil und die Sprechweise der ›Anmerkungen‹ werfen Fragen auf. Nicht in logisch-systematisch gegliederte Sinnabschnitte oder Paragraphen, die einen übersichtlichen Aufbau und klare Grundthesen erkennen ließen, teilt Lenz seinen Text auf, sondern „rhapsodienweis“[1], scheinbar nur assoziativ miteinander verknüpft trägt er seinen Thesen vor. Diese scheinen mehr affektiv hingeworfen als systematisch entwickelt. Jedoch bieten die >Anmerkungen< eine Vielzahl dramentheoretischer Überlegungen, die trotz der kühnen Bilder, oftmals elliptischen Sätze und sprunghaften Gedankenführung ein zusammenhängendes Ganzes ergeben.

Auf der inhaltlichen Ebene belegen die schweren Angriffe gegen Positionen aufgeklärter Dichtungstheorie die Entschlossenheit von Lenz, zeitgemäßere Darstellungsformen der Dramatik zu finden. Mit Sarkasmus und Selbstironie greift er entschieden die Grundfesten der Dramentradition an. Diesen offensiven Anspruch unterstreicht die Konzeption der ›Anmerkungen‹. Denn entschieden unterläuft Lenz die bis dahin gängigen und erwarteten Regeln der aufgeklärten-theoretischen Programmschrift.

Beeindruckt von Goethe und Herder bedient er sich auch in seiner dramentheoretischen Schrift deren Sprache und Gedanken, ist sich dessen aber bewusst und weist auch darauf hin. Auf verwirrende Weise stellt sich seine Theorie des neuen Dramas an die Seite von Goethe und Herder, wendet sich zugleich aber von ihnen ab.

II. Inhalt

Theodor Friedrich[2] hat in seiner 1908 erschienenen Untersuchung eine eingehende Analyse des Aufbaus und der Struktur der >Anmerkungen< durchgeführt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei den >Anmerkungen übers Theater< um eine zweifach bearbeitete Zusammenfügung von drei zunächst mündlichen Vorträgen handelt, die vor der Straßburger Gesellschaft um den Aktuar Salzmann gehalten wurden. Folgende Anordnung der einzelnen Teile inklusive ihrer Exkurse schlägt Theodor Friedrich vor:

Vorwort

Einleitender historischer Überblick

Anmerkung über das Wesen des Dramas
Exkurs über das Wesen der Dichtkunst
Exkurs über individuelle Psychologie

Anmerkung über die Theorie der drei Einheiten im Drama
Exkurs über Drama und Epos

Anmerkung über das Handwerksmäßige in der dramatischen Literatur der Franzosen

Schlussbemerkung über den Unterschied des antiken und des modernen Dramas

Im Folgenden habe ich, in Anlehnung an die Einteilung von Theodor Friedrich, die >Anmerkungen übers Theater< etwas vereinfacht in fünf Abschnitte aufgegliedert und werden den Inhalt kurz darstellen. Dabei werde ich mich auf die inhaltlichen Aspekte beschränken, die mir am wichtigsten erscheinen.

1. Erster Abschnitt: Historischer Überblick

Lenz konstatiert den unzweifelhaften Wert des Theaters: „Der Vorwurf einiger Anmerkungen, die ich für Sie auf dem Herzen habe, soll das Theater sein. Der Wert des Schauspiels ist in unsern Zeiten zu entschieden, als dass ich nötig hätte, wegen dieser Wahl captationem benevolentiae vorauszuschicken;[...]“[3]

Bevor er aber ins Detail geht, liefert er ein großzügiges Panorama der Weltgeschichte des Theaters, seiner Bühnen, seiner Autoren, Schauspieler und seines Publikums. Das Panorama reicht von den Griechen bis zur Gegenwart und wird in schneller Abfolge auf einem zweiten imaginären Theater vorgeführt: „Ich zimmere in meiner Einbildung ein ungeheures Theater, auf dem die berühmtesten Schauspieler alter und neuer Zeiten vor unserm Auge vorbeiziehen sollen.“[4]

Lenz unterteilt die Dramengeschichte in „Departements“. Im ersten befinden sich „die großen Meisterstücke Griechenlands“. Es folgen dann die römischen Dramen, „die Trauerspiele des Ovids und Seneca, die Lusspiele des Plautus und Terenz und [...] Roscius, [...].“[5] Im dritten „Departement“ befinden sich die italienischen Dramen mit ihren „Helden ohne Mannheit”[6]. Die Gelegenheit mit satirischen Seitenhieben Kritik am französischen Drama zu üben, das im höfisch-galanten Stil Imitationen der antiken Dramen liefere, nutzt Lenz im vierten „Departement“: „Ich öffne also das vierte Departement, und da erscheint – ach schöne Spielwerk! Da erscheinen die fürchterlichsten Helden des Altertums,[...].“[7] Genau das Gegenteil begegnet uns im fünften „Departement“. Das englische Theater, das „die Natur mutterfadennackt“ ausgezogen und „ den drei Grazien des gesellschaftlichen Lebens, den Krieg “[8] erklärt hat.

Das deutsche Theater bildet schließlich das sechste „Departement“: „ein wunderbares Gemenge alles dessen, was wir bisher gesehen und erwogen haben, [...]. Deutsche Sophokles, deutsche Plautus, deutsche Shakespeares, deutsche Franzosen, deutsche Metastasio, kurz alles was Sie wollen, [...].“[9]

An dieser Stelle fällt Lenz ein radikales Urteil über das deutsche Theater: [...] – wer Ohren hat zu hören, der klatsche, das Volk ist verflucht.“[10] Hier macht Lenz tabula rasa, denn die Weltgeschichte des Theaters wird auf deutschen Bühnen zu einem Plunderhaufen. Mit der Kunst des Dramas und des Theaters muss also neu begonnen werden.

2. Zweiter Abschnitt: Das Wesen des Dramas

Lenz holt nun doch eine systematischer argumentierende Grundlegung nach und bezieht sich dabei „auf die Worte eines großen Kunstrichters mit einem Bart“[11], nämlich auf die Poetik des Aristoteles, die er „noch nicht ganz durchgelesen“[12] hat. Wie Aristoteles meint er zwei Ursprünge der Dichtung gefunden zu haben. Der eine ist „die Nachahmung der Natur“, der andere Ursprung ist das immerwährende Bestreben, all unsere gesammelten Begriffe wieder auseinander zu entwickeln, sie anschaulich und gegenwärtig zu machen,[...].“[13]

3. Dritter Abschnitt: Die Theorie der drei Einheiten im Drama

Um zwei dramentheoretische Aspekte geht es im anschließenden dritten Teil. Einerseits beschäftigt er sich , in der Auseinandersetzung mit Aristoteles, mit dem Verhältnis von Handlung und Charakteren und mit den drei Einheiten.

[...]


[1] Müller ,Peter [Hrsg.]: Sturm und Drang. Weltanschauliche und ästhetische Schriften. 2 Bde. Berlin, Weimar 1978, S.717

[2] Friedrich, Theodor: Die „Anmerkungen übers Theater“ des Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz. Diss. Leipzig 1908

[3] Müller, Peter [Hrsg.]: Sturm und Drang. Weltanschauliche und ästhetische Schriften. 2 Bde. Berlin, Weimar 1978, S.717

[4] Ebenda.

[5] Ebenda.

[6] Ebenda, S.718

[7] Ebenda.

[8] Ebenda, S.719

[9] Ebenda.

[10] Ebenda.

[11] Müller, Peter [Hrsg.]: Sturm und Drang. Weltanschauliche und ästhetische Schriften. 2 Bde. Berlin, Weimar 1978, S.721

[12] Ebenda.

[13] Ebenda, S.720 und S.722

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Jakob Michael Reinhold Lenz: Anmerkungen übers Theater (1774)
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt  (Neuere deutsche Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Das Drama des Sturm und Drang
Note
2
Autor
Jahr
2002
Seiten
17
Katalognummer
V8073
ISBN (eBook)
9783638151535
Dateigröße
544 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jakob, Michael, Reinhold, Lenz, Anmerkungen, Theater, Drama, Sturm, Drang
Arbeit zitieren
Stephanie-Lioba Bauer (Autor:in), 2002, Jakob Michael Reinhold Lenz: Anmerkungen übers Theater (1774), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8073

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