Der Ewige Jude - Versuch einer Ursprungsanalyse eines Mythos


Seminararbeit, 2002

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Die „Kurtze beschreibung und Erzehlung von einem Juden, mit Namen Ahasverus“
2.1 Fakten zum Volksbuch
2.2 Inhalt des Textes
2.3 Bewertung der Quellen des Volksbuches
2.3.1 Quellenangaben des Autors
2.3.1.1 Paulus von Eitzen
2.3.1.2 „Mattheiam 16“
2.3.2 Quellenerkenntnisse der Forschung
2.3.2.1 Der Autor als Kopist
2.3.2.2 Der Name „Ahasverus“
2.3.2.3 Die Anonymität des Autors

3. Zusammenfassung

4. Bibliographie

1. Einführung

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit einem weiteren Judenstereotyp - neben dem Mörder Jesu, dem Wucherer, Brunnenvergifter und Ritualmörder - dem „Ewigen Juden“.

Wohl kaum ein Mythos um das Volk der Israeliten hat auf literarischer Ebene eine derart große und unterschiedliche Interpretation und Rezeption gefunden.

Ausgangspunkt bzw. Anstoß für eine riesige Anzahl von schriftstellerischer und dichterischer Bearbeitung des Motivs ist das deutsche Volksbuch „Kurze Beschreibung und Erzählung von einem Juden mit Namen Ahasverus“ aus dem Jahre 1602. Betrachtet man nun das Ergebnis der unterschiedlichen Interpretationen des Ahasverus-Mythos, so muss ein breites Spektrum sowohl an antijüdischer, als auch judenfreundlicher bzw. liberaler Tendenzen konstatiert werden.

Diese Tatsache ist bezeichnend für die scheinbare Seriosität und Unparteilichkeit des Ur-Textes. Nun kann der Mittelpunkt einer Hausarbeit im Fach Mediävistik nicht die Analyse der literarischen Rezeption sein, vielmehr gestaltet es sich als weitaus interessanter, die Umstände der Entstehung und die Ursprünge des Textes zu untersuchen. Diese Analyse soll die scheinbare Nüchternheit, den scheinbar objektiven Berichtcharakter des Textes durchleuchten.

Die Notwendigkeit einer derartigen Untersuchung ergibt sich aus der Tatsache, dass ein tendenzloser Text für den Entstehungszeitraum der Frühen Neuzeit eher untypisch war und allein deswegen einer weiteren Betrachtung bedarf.

Daraus ergeben sich für die nachfolgende Arbeit folgende Prämissen:

1. Kann der Berichtcharakter und die daraus folgende Objektivität und Seriosität bestätigt werden?
2.Welche Angaben lassen sich aus den zu gewinnenden Erkenntnissen, auf die Persönlichkeit bzw. auf die Intention des Autors machen?

Grundsatz und Ausgangspunkt für die Klärung der gestellten Aufgaben soll die Analyse der Quellen (benannte und nicht benannte!) des Autors sein. Dabei können aber nur die offensichtlichsten berücksichtigt werden, da sonst der Rahmen dieser Arbeit gesprengt werden würde.

Auch deshalb gilt es zu beachten, dass der Anspruch auf Vollständigkeit und somit einer absoluten Wahrheit nicht erhoben wird.

2. Die „Kurtze beschreibung und Erzehlung von einem Juden, mit Namen Ahasverus“

2.1 Fakten zum Volksbuch

Im folgenden soll dargelegt werden, welche Kenntnisse über den Ausgangspunkt der Untersuchung, nämlich die ursprüngliche „Kurtze beschreibung und Erzehlung von einem Juden, mit Namen Ahasverus“, vorliegen.

Die ersten Drucke des Textes erfolgten im Jahr 1602 in deutschen Landen[1].Bei diesen frühesten Ausgaben wird zunächst kein Autor erwähnt. Erst spätere Auflagen nennen einen Schöpfer mit dem Namen Chrysostomus Dudulaeus Westphalus[2]. Das Deckblatt bzw. die erste Seite der Erzählung verweist auf eine Druckerwerkstatt in Bautzen „... bey Wolfgang Suchnach ...“[3].

Die hohe Leserfrequenz des Textes wird durch die nachgewiesen hohe Druckzahl des Textes (weit mehr als 70 Drucke allein im 17.Jahrhundert) bewiesen[4], obwohl die Erzählung den geringen Umfang von 8 Seiten nicht überstieg.

2.2 Inhalt des Textes

Im Mittelpunkt des Textes steht der Bericht des Schleswiger Bischofs Paulus von Eitzen, der aber von einem Ich-Erzähler, das meint einem Zeugen der Darstellung, wiedergegeben wird. Die Aussage dieser integeren und glaubwürdigen Person bildet den Kontext der Erzählung des anonymen Autors.

Der spätere kirchliche Würdenträger soll während seiner Studienzeit, im Winter des Jahres 1542 in Hamburg, eine seltsame Begegnung mit einer Person namens Ahasverus gehabt haben, welche für sich in Anspruch genommen habe, ein „...geborner Jud von Jerusalem...“[5] zu sein. Nach der Aussage dieses Mannes sei er (Ahasverus) Zeuge der Kreuzigung Jesu geworden.

Im weiteren Gespräch zwischen Paulus von Eitzen und Ahasverus erfuhr der spätere Bischof, dass der besagte Jude zu Lebzeiten Jesu in Jerusalem als Schuhmacher gelebt haben will. Wegen dem großen Einfluss der Hohepriester und Schriftgelehrten habe er damals Jesus und seine Lehren als ketzerisch und verführerisch verachtet. Aus diesem Grunde habe er (Ahsaverus) die damalige Verfolgung und Verurteilung des Messias begrüßt und auch tatkräftig unterstützt.

Als Jesus Christus nach der Verurteilung das Kreuz zum Berg Golgatha tragen musste und auf seinem Weg beim Haus des Ahasverus verschnaufen wollte, wurde der Herr durch wüste Beschimpfungen des Schuhmachers vertrieben. Die Reaktion des Herrn bestand in einer fluchartigen Prophezeiung mit dem Wortlaut: „ICH WILL STEHEN UND RUHEN / DU ABER SOLT GEHEN“[6].

Dieses Geschehnis sei der Ausgangspunkt der ewigen Wanderschaft des Ahasverus gewesen, welche jenen durch die ganze Welt getrieben habe.

Bis zu diesem Punkt der Erzählung trägt die Aussage des Ahasverus starke Charakterzüge eines Sündenbekenntnisses gegenüber dem damaligen Studenten Paulus von Eitzen.

Ahasverus , nun zum christlichen Glauben konvertiert, habe weiterhin erklärt , dass ihm der konkrete Sinn und Zweck seines Wandelns auf Erden unbekannt sei. Seine Vermutung sei aber gewesen, als lebender Zeuge der Kreuzigung Jesu zu erinnern und damit allen Heiden und Gottlosen die Daseinsberechtigung abzusprechen bzw. sie zur Bekehrung zu drängen. Diese imaginäre Mission will der ehemalige Schuhmacher in vielen Ländern (z.B. Sachsen[7]) bereits erfüllt haben.

Besonders eindrücklich stellt der Autor die Transformation des Ahasverus vom religiösen Eiferer und Jesus Gegner zum sündenbewussten und gottesfürchtigen Christen dar, der bei jeder Gelegenheit der Erinnerung an den Tod Jesu emotional stark bewegt und sich der Leiden des Herrn bewusst wurde.

Damit beendet der Autor die Wiedergabe des Berichtes des Schleswiger Bischofs und fügt, neben einer Aufforderung zum freien Urteil über das Erzählte, zum Abschluss noch eine Datierung der Textentstehung vom 9.Juni Anno 1564 bei[8].

Bevor das Volksbuch aber endgültig zum Schluss kommt, wird nochmals auf die merkwürdige Erscheinung des Ahasverus verwiesen, der durch seine ewige Wanderschaft gezeichnet und im Dezember 1599 in Danzig gewesen sein soll.

2.3 Bewertung der Quellen des Volksbuchs

2.3.1 Quellenangaben des Autors

Der anonyme Autor des Volksbuches verweist in seiner Erzählung auf zwei bedeutende und glaubwürdige Informationsquellen.

Wie bereits erwähnt, wird der Bericht des Schleswiger Bischofs Paulus von Eitzen als Ursprung und Auslöser des Textes genannt. Des weiteren verweist der Autor auf ein Zitat Jesu aus dem Matthäus-Evangelium[9].

Scheinbar unbewusst wird dem Leser noch eine dritte Informationsquelle offeriert, die aber durch ihren Gerüchtcharakter noch weniger glaubwürdig erscheint. Hierbei handelt es sich um eine Auflistung von Zeugenaussagen, die für sich in Anspruch nehmen, der Gestalt des „Ewigen Juden“ begegnet zu sein.

2.3.1.1 Paulus von Eitzen

Nach den Angaben des Autors fußt die gesamte Ahasver- Erzählung auf den Aussagen des Paulus von Eitzen. Um die Seriosität und Glaubwürdigkeit des Berichts zu steigern, betonte der Verfasser des Volksbuches sehr deutlich die honorige Position seines Kronzeugen, welcher zum Zeitpunkt der Berichtwiedergabe das hohe kirchliche Amt des Bischofs von Schleswig inne hatte.

Die biographischen Angaben über Paulus von Eitzen konnten anhand der Vita des Würdenträgers bestätigt werden und verleihen der Erzählung zunächst einen glaubwürdigen Anschein.

[...]


[1] Rohrbacher, Stefan; Schmidt, Michael: Judenbilder – Kulturgeschichte antijüdischer Mythen und antisemitische Vorurteile. In: König, Burghard (Hg.): Rowohlts Enzyklopädie. Reinbeck bei Hamburg 1991, S.246.

[2] Schreckenberg, Heinrich: Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte und ihr literarisches und historisches Umfeld (13.-20.Jh.). In: Europäische Hochschulschriften, Reihe XXXIII/Band 497. Frankfurt am Main-Berlin-Bern-NewYork-Paris-Wien 1994, S.649.

[3] Kurtze beschreibung und Erzehlung von einem Juden, mit Namen „Ahasverus“, 1602.

[4] Rohrbacher, Stefan; Schmidt, Michael: siehe Anm.1 , S.248 .

[5] siehe Anm.3.

[6] siehe Anm.3.

[7] siehe Anm.3.

[8] siehe Anm.3.

[9] siehe Anm.3.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Der Ewige Jude - Versuch einer Ursprungsanalyse eines Mythos
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Seminar III
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
21
Katalognummer
V8079
ISBN (eBook)
9783638151597
ISBN (Buch)
9783640263257
Dateigröße
510 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ewige, Jude, Versuch, Ursprungsanalyse, Mythos, Seminar
Arbeit zitieren
Christoph Effenberger (Autor:in), 2002, Der Ewige Jude - Versuch einer Ursprungsanalyse eines Mythos, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8079

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