‚Nirgendort’ – so könnte man das griechische Kunstwort ‚Utopia’ übersetzen. Sein Erfinder, der Humanist und Politiker Thomas Morus, nannte so seine im gleichnamigen Staatsroman beschriebene fiktive Insel und gab gleichzeitig unwissentlich einer ganzen literarischen Gattung einen Namen. Utopien sind in der Regel Entwürfe einer besseren Gesellschaft oder eines idealen Staates , so auch das wahrhaft goldene[s] Büchlein von der besten Staatsverfassung und von der neuen Insel Utopia , wie der volle Titel des Werkes lautet. Die Utopia, veröffentlicht im Jahre 1516, besteht aus zwei Büchern: Im ersten Buch wird der literarische Rahmen präsentiert, das Zusammentreffen von Thomas Morus, seinem Freund Peter Aegidius und dem Weltreisenden Raphael Hythlodäus. Im Rahmen einer für den Humanismus typischen Diskussion über die politische Verantwortung eines Philosophen erörtern die Romanfiguren die ökonomischen, politischen und sozialen Zustände im derzeitigen England, Morus’ Heimatland. England befand sich zur Entstehungszeit der Utopia unter der Herrschaft des zweiten Tudor Königs Heinrich VIII. und war vielen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen ausgesetzt. Wie so oft in der Geschichte brachten diese Veränderungen, neben sicherlich auch positiven, nicht wenige negative Erscheinungen mit sich, mit denen sich Morus vor allem im ersten Buch der Utopia auseinandersetzt. Durch die Figur des Hythlodäus wird harsche und für diese Zeit überraschend offene Sozialkritik am herrschenden System geübt. Im zweiten Buch hingegen, welches übrigens vor dem ersten entstand, berichtet Hythlodäus von der erfundenen Insel Utopia, die sich in zahlreichen Punkten völlig vom damaligen England unterscheidet und eine Art gesellschaftlicher Gegenentwurf ist.
In der folgenden Arbeit werden nun die Sozialkritik des ersten Buches und die idealstaatlichen Entwürfe des zweiten Buches einander gegenübergestellt und verglichen. Vier zentrale Aspekte der Kritik werden hierzu systematisiert und einzeln betrachtet: Wirtschaft, Justiz, Politik und Kirche. Um ein besseres Hintergrund-verständnis zu erreichen und die Kritik nachvollziehbarer zu machen, beginnt jeder der vier Abschnitte mit einem Unterkapitel zur Darstellung der derzeitigen Zustände.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung – „Ein wahrhaft goldenes Büchlein“
- Wirtschaft
- Die ökonomischen Zustände im England des frühen 16. Jahrhunderts
- Kritik am englischen Wirtschaftssystem im ersten Buch der Utopia
- Das Wirtschaftssystem des Idealstaats Utopia
- Justiz
- Kriminalität und Verbrechensbekämpfung in England zur Entstehungszeit der Utopia
- Morus' Kritik an den Methoden der englischen Justiz
- Die Justiz im utopischen Idealstaat
- Politik
- Das politische System in England unter Heinrich VIII.
- Morus' Kritik am Frühabsolutismus
- Politisches System und Außenpolitik in Utopia
- Kirche und Religion
- Die Bedeutung der katholischen Kirche im vorreformatorischen England
- Kirchenkritik im ersten Buch der Utopia
- „Von den religiösen Anschauungen der Utopier“
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Sozialkritik und den utopischen Idealstaat in Thomas Morus' "Utopia". Sie analysiert die Kritik am englischen Wirtschaftssystem, der Justiz, der Politik und der Kirche im 16. Jahrhundert und stellt sie dem utopischen Gegenentwurf gegenüber. Die Analyse basiert auf einer systematischen Gegenüberstellung der Kritik des ersten Buches mit den idealstaatlichen Entwürfen des zweiten Buches.
- Kritik am englischen Wirtschaftssystem und Sozialzustand
- Utopischer Gegenentwurf zum englischen System
- Analyse von vier zentralen Aspekten der Kritik: Wirtschaft, Justiz, Politik und Kirche
- Zusammenhang zwischen den sozialen Bedingungen im England des 16. Jahrhunderts und Morus' Utopia
- Der Einfluss des Humanismus auf Morus' Gesellschaftsentwurf
Zusammenfassung der Kapitel
Wirtschaft
Das Kapitel beleuchtet die wirtschaftlichen Zustände im England des frühen 16. Jahrhunderts, die durch den Übergang vom mittelalterlichen Feudalsystem zum frühneuzeitlichen Kapitalismus geprägt waren. Es werden die steigenden Pachten, der Bevölkerungszuwachs und die Einhegungsbewegung als Faktoren für die Verelendung der Kleinbauern beschrieben. Die wirtschaftliche Entwicklung führte zu einem wachsenden Markt und einem zunehmenden Geldumlauf, aber auch zu einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich. Der Abschnitt diskutiert die Meinungen von Historikern wie Russel und Kreyssig zur Bedeutung der Einhegungsbewegung und deren Einfluss auf die Landbevölkerung.
Justiz
Dieses Kapitel analysiert die Kriminalität und Verbrechensbekämpfung in England während der Entstehungszeit der "Utopia". Es beschreibt die Kritik von Morus an den Methoden der englischen Justiz und stellt die justizielle Ordnung im utopischen Idealstaat gegenüber. Im Zentrum steht die Frage, wie in Utopia Verbrechen verhindert und Strafen gerecht angewendet werden sollen.
Politik
Das Kapitel beleuchtet das politische System in England unter Heinrich VIII. und Morus' Kritik am Frühabsolutismus. Es beschreibt die politischen Strukturen, die Rolle des Monarchen und die Machtverhältnisse in England. Im Gegenzug wird das politische System von Utopia vorgestellt, das auf einem gewählten Rat und der Beteiligung der Bürger basiert.
Kirche und Religion
Der Abschnitt untersucht die Bedeutung der katholischen Kirche im vorreformatorischen England und Morus' Kritik an ihr. Es werden die religiösen Anschauungen der Utopier beleuchtet und die Unterschiede zur katholischen Kirche im England des 16. Jahrhunderts hervorgehoben.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselbegriffe der Arbeit umfassen Themen wie Sozialkritik, Utopie, Idealstaat, Wirtschaft, Justiz, Politik, Kirche und Religion. Im Mittelpunkt steht die Analyse der Kritik am englischen System des 16. Jahrhunderts und deren Umsetzung in den idealstaatlichen Entwürfen von Thomas Morus' "Utopia".
- Arbeit zitieren
- Julia Sproll (Autor:in), 2006, Zur Gegenüberstellung von Sozialkritik und utopischem Idealstaat bei Thomas Morus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81010