Bubikopf, Charleston, boxende Frauen und androgyne Männer - die ‚Goldenen Zwanziger′ setzten neue Trends in Sachen Geschlechterrollen. Alte Moral- und Idealvorstellungen wurden über den Haufen geworfen, die Frauenbewegung erlebte ihren vorläufigen Höhepunkt, Homosexualität war vorübergehend Salonfähig. Und doch bereitete diese glamouröse, aber mit all ihrer Toleranz auch sehr orientierungslose Zeit nach Weltkrieg und Wirtschaftskrise den Boden für den aufkommenden Nationalsozialismus und einen Rückfall in alte Wertvorstellungen und Rollenstereotype.
Warum scheiterte diese - aus heutiger Sicht so fortschrittliche Gesellschaft? Existierte diese Bewegung überhaupt in dem Mass, wie wir es uns vorstellen oder war es vielmehr nur eine kleine intellektuelle Oberschicht einer Generation in den Hauptstädten Zentraleuropas, welche unser heutiges Bild der zwanziger Jahre prägt?
Um die Jahrhundertwende herrschte in den Grossstädten Europas eine Aufbruchstimmung. Die Frauenbewegungen erlebten ihre ersten Erfolge, Jugendbewegungen und Nudisten verzeichneten grossen Zulauf. Es sah so aus, als ob die Geschlechterstereotype durchbrochen würden; eine sanftere Männlichkeit und eine freie Frau wurden propagiert.
Der erste Weltkrieg jedoch, ein maskulines Ereignis par excellence, erstickte diesen Trend im Keim. Jetzt wurden wieder Männer gebraucht, die dem klassischen Stereotyp entsprachen: Stark, mutig, hart opferbereit, mit dem Drang, sich einer höheren, überindividuellen Sache in den Dienst zu stellen. Den Frauen ebnete der Krieg zwar - wenigstens vorübergehend - den Weg zu grösser Unabhängigkeit, Männer erlebten die Frauen im Krieg jedoch hauptsächlich in der gewohnt ‚passiven′ Rolle der Krankenschwester und Prostituierten.
Doch der Krieg löschte das Ideal der anderen, sanfteren Männlichkeit nicht ganz aus. Tatsächlich trat während der zwanziger Jahre ein alternatives Ideal der Männlichkeit für einen kurzen Augenblick den ungleichen Kampf gegen die traditionelle Männlichkeit an. Die Sozialisten hatten während des Ersten Weltkriegs versucht, eine friedlichere Form von Maskulinität zu propagieren, die auf Solidarität gründete, aber jene, die aus dem Krieg zurückkehrten, waren doch, so sehr sie das Gemetzel auf den Schlachtfeldern erschüttert haben mochte, der lebende Beweis für die Stärke des normativen Stereotyps.
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Inhaltsverzeichnis
- 1. Geschlechterrollen in der Weimarer Republik
- 2. Krieger
- 3. Sozialisten
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Geschlechterrollen in der Weimarer Republik und analysiert, wie verschiedene gesellschaftliche Gruppen – insbesondere Krieger und Sozialisten – diese Rollen wahrnahmen und propagierten. Der Fokus liegt auf der Entwicklung und dem Wandel von Männlichkeitsbildern in dieser Epoche.
- Wandel der Geschlechterrollen in den "Goldenen Zwanzigern"
- Konkurrierende Männlichkeitsbilder: Krieger, Pazifist, sozialistischer "Neuer Mann"
- Der Einfluss des Ersten Weltkriegs auf die Geschlechterrollen
- Die Rolle der Frauenbewegung
- Das Scheitern einer fortschrittlichen Gesellschaft und der Aufstieg des Nationalsozialismus
Zusammenfassung der Kapitel
1. Geschlechterrollen in der Weimarer Republik: Die "Goldenen Zwanziger" brachten neue Trends in Sachen Geschlechterrollen hervor. Alte Moralvorstellungen wurden in Frage gestellt, die Frauenbewegung erlebte einen Höhepunkt, und Homosexualität war zeitweise salonfähig. Gleichzeitig bereitete diese Periode, geprägt von Glamour und Orientierungslosigkeit, den Boden für den Nationalsozialismus und einen Rückfall in traditionelle Rollenmuster. Die Arbeit hinterfragt das Ausmaß dieser gesellschaftlichen Veränderungen und stellt die Frage, ob es sich lediglich um eine Erscheinung in intellektuellen Kreisen der Großstädte handelte. Der Erste Weltkrieg, ein maskulines Ereignis schlechthin, beendete die Aufbruchstimmung der Jahrhundertwende, die eine sanftere Männlichkeit und eine freie Frau propagierte. Während Frauen vorübergehend mehr Unabhängigkeit erlangten, wurden sie im Krieg hauptsächlich in passiven Rollen wahrgenommen.
2. Krieger: Trotz der nach 1917 allgegenwärtigen Kriegskritik blieben Ideale wie Mut, Opferbereitschaft und Kameradschaft unberührt. Das klassische Männerbild des Kriegers, der sich einer höheren Sache widmet, blieb der Inbegriff von Maskulinität. Selbst Antikriegsdichter bewahrten ein starkes Maskulinitätsbewusstsein, kritisierten aber vor allem die Beweggründe, nicht den Kampf selbst. Diese virile Männlichkeit wurde von rechten Strömungen propagiert, der Krieger verkörperte den Nationalcharakter. Viele, die zu jung für den Krieg waren, bedauerten, dieses Abenteuer verpasst zu haben, in dem sie ihre Männlichkeit hätten erproben können.
3. Sozialisten: Im Gegensatz zum Kriegerbild propagierten Sozialisten ein alternatives Männlichkeitsideal: den Pazifisten, der Gewalt ablehnt und auf Solidarität setzt. Dieser "neue Mann" sollte sich durch Gewaltverzicht und Ablehnung des Nationalismus auszeichnen. Dieses Ideal stellte die Überlegenheit des Mannes in Frage und ging von einer Gleichheit der Geschlechter aus. Obwohl die sozialistische Einstellung zu Frauen eher konservativ blieb, wurden Emanzipation und die aktive Rolle der Frau im öffentlichen Leben befürwortet. Gleichzeitig wurde jedoch auch auf klassische Darstellungen zurückgegriffen, und die Familie spielte weiterhin eine zentrale Rolle. Die Kommunisten wiederum vertraten eine aggressive, kraftvolle Maskulinität.
Schlüsselwörter
Geschlechterrollen, Weimarer Republik, "Goldene Zwanziger", Männlichkeitsbilder, Krieger, Pazifismus, Sozialismus, Frauenbewegung, Erster Weltkrieg, Nationalsozialismus, Emanzipation.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Geschlechterrollen in der Weimarer Republik
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Geschlechterrollen in der Weimarer Republik, insbesondere in den „Goldenen Zwanzigern“, und analysiert, wie verschiedene gesellschaftliche Gruppen – Krieger und Sozialisten – diese Rollen wahrnahmen und propagierten. Ein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung und dem Wandel von Männlichkeitsbildern in dieser Epoche.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit beleuchtet den Wandel der Geschlechterrollen in den 1920er Jahren, konkurrierende Männlichkeitsbilder (Krieger, Pazifist, sozialistischer „Neuer Mann“), den Einfluss des Ersten Weltkriegs auf die Geschlechterrollen, die Rolle der Frauenbewegung und den Zusammenhang zwischen dem Scheitern einer fortschrittlichen Gesellschaft und dem Aufstieg des Nationalsozialismus.
Welche Gruppen werden im Detail untersucht?
Die Arbeit konzentriert sich auf die Betrachtung von Kriegern und Sozialisten und deren jeweilige Vorstellungen von Männlichkeit und Geschlechterrollen. Der Gegensatz zwischen dem Kriegerideal und dem sozialistischen „Neuen Mann“ wird herausgearbeitet.
Wie werden die „Goldenen Zwanziger“ in Bezug auf Geschlechterrollen dargestellt?
Die „Goldenen Zwanziger“ werden als eine Periode beschrieben, in der alte Moralvorstellungen in Frage gestellt wurden, die Frauenbewegung einen Höhepunkt erlebte und Homosexualität zeitweise salonfähig war. Gleichzeitig wird aber auch betont, dass diese Periode den Boden für den Nationalsozialismus und einen Rückfall in traditionelle Rollenmuster bereitete. Es wird hinterfragt, inwieweit diese Veränderungen tatsächlich tiefgreifend waren oder sich auf bestimmte Kreise beschränkten.
Welche Rolle spielte der Erste Weltkrieg?
Der Erste Weltkrieg wird als ein zentrales Ereignis betrachtet, das die Aufbruchstimmung der Jahrhundertwende beendete und die Entwicklung der Geschlechterrollen maßgeblich beeinflusste. Er beendete eine Epoche, die eine sanftere Männlichkeit und eine freie Frau propagierte, obwohl Frauen im Krieg hauptsächlich in passiven Rollen wahrgenommen wurden.
Wie wird das Kriegerideal dargestellt?
Das Kriegerideal, mit seinen Werten wie Mut, Opferbereitschaft und Kameradschaft, wird als Inbegriff von Maskulinität in dieser Zeit dargestellt. Auch wenn Antikriegskritik vorhanden war, blieb das Bild des Kriegers, der sich einer höheren Sache widmet, prägend. Dieses virile Männlichkeitsideal wurde von rechten Strömungen propagiert.
Wie wird das sozialistische Männlichkeitsideal beschrieben?
Im Gegensatz zum Kriegerideal wird das sozialistische Männlichkeitsideal als das des Pazifisten dargestellt, der Gewalt ablehnt und auf Solidarität setzt. Der „neue Mann“ sollte sich durch Gewaltverzicht und Ablehnung des Nationalismus auszeichnen. Obwohl die sozialistische Einstellung zu Frauen eher konservativ blieb, wurden Emanzipation und die aktive Rolle der Frau im öffentlichen Leben befürwortet.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Die Arbeit untersucht den komplexen Wandel der Geschlechterrollen in der Weimarer Republik und den Einfluss verschiedener ideologischer Strömungen darauf. Sie beleuchtet den Gegensatz zwischen progressiven und reaktionären Tendenzen und den letztendlichen Sieg des Nationalsozialismus, der zu einem Rückfall in traditionelle Rollenmuster führte.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren den Inhalt?
Schlüsselwörter sind: Geschlechterrollen, Weimarer Republik, „Goldene Zwanziger“, Männlichkeitsbilder, Krieger, Pazifismus, Sozialismus, Frauenbewegung, Erster Weltkrieg, Nationalsozialismus, Emanzipation.
- Arbeit zitieren
- Henning Radermacher (Autor:in), 2001, ‚Die Goldenen Zwanziger’ - ein Kurzvortrag, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8113