Die WHO schlägt Alarm: „Adipositas stellt eine nie da gewesene gesundheitspolitische Herausforderung für die Europäische Region dar (…)“ (WHO Europa 2006, S. 3).
„Adipositas stellt eine der größten Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit im 21. Jahrhundert dar“ (WHO Europa 2005, S. 1).
Adipositas und Übergewicht sind momentan „in aller Munde“. Von Politikern über Wissenschaftler bis hin zu Artikeln in Tageszeitungen und Sendungen auf diversen Fernsehsendern, welche beispielsweise geschockte Eltern vor einem computergenerierten Bild ihres Kindes zeigen: „So wird ihr Kind mit 40 Jahren aussehen und wenn Sie weitermachen wie bisher, bringen Sie ihr Kind um!“ Dies ist zwar auch eine Methode um Eltern übergewichtiger Kinder wachzurütteln, und um zu versuchen, durch die Sensibilisierung einer breiteren Öffentlichkeit dem grassierenden Problem der Adipositas entgegen zu treten. Im Rahmen einer umfassenderen und nachhaltigeren Strategie zur Vorbeugung von Adipositas, müssen jedoch humanere und sensiblere Methoden gefunden werden. In dieser Arbeit wird nach solchen Methoden gesucht. Im speziellen wird untersucht, inwiefern die Erlebnispädagogik als handlungsorientierte Methode konkret zur Prävention von Adipositas beitragen kann.
Zum Einstieg in das Thema wird allgemein die Gesundheit von Jugendlichen in Deutschland dargestellt. Die Jugend, mit all den Entwicklungsaufgaben die Jugendliche bewältigen müssen, ist bereits eine Herausforderung an sich. Hinzu kommen verschiedene Einflüsse, welche die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben erschweren. Im 1. Kapitel werden wichtige Einflüsse auf die Jugendlichen aufgezeigt, welche mitunter zu bestimmten Gesundheitsstörungen führen können. Aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit, wird hier jedoch darauf verzichtet, die genauen Zusammenhänge diverser Einflüsse mit bestimmten Gesundheitsstörungen systematisch gegenüber zu stellen. Im 2. Kapitel hingegen wird ausführlich auf die Gesundheitsstörung Adipositas - hauptsächlich im Kindes- und Jugendalter - eingegangen, um dem Leser eine genaue Vorstellung von den Ursachen einer Adipositas-Erkrankung zu vermitteln. Da diese Arbeit im Rahmen des Sozialpädagogikstudiums verfasst wird, wird auf tiefer gehende Analyse medizinischer Fachdetails verzichtet, um die Relevanz sozialer Faktoren deutlicher zu betonen und allgemein eine bessere Verständlichkeit zu gewährleisten.
Kapitel 3 zeigt, welche Auswirkungen eine Adipositas auf individueller Ebene für die betroffenen Kinder und Jugendlichen hat, und welche Folgeerscheinungen sich durch eine zunehmende Zahl an Adipositas-Betroffenen für die übergeordnete gesamtgesellschaftliche Ebene - maßgeblich für das Gesundheitssystem - ergeben. Hier soll unmissverständlich deutlich gemacht werden, dass ein verstärkter Bedarf für sozialpädagogische und gesundheitspolitische Maßnahmen besteht.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Die Gesundheitliche Situation von Jugendlichen in Deutschland
1.1. Pubertät
1.1.1. Körperliche Veränderungen
1.1.2. Geistig - seelische Veränderungen
1.1.3. Soziale Veränderungen
1.2. Einflussfaktoren auf die Entwicklung
1.2.1. Familie
1.2.2. Peer - group
1.2.3. Medien
1.2.4. Schule und Arbeit
1.2.5. Wohnumfeld
1.3. Der aktuelle Gesundheitszustand von Jugendlichen in Deutschland
1.3.1. Psychische Gesundheit
1.3.2. Soziale Gesundheit
1.3.3. Körperliche Gesundheit
2. Adipositas
2.1. Definition und Bestimmung von Adipositas im Kindes- und Jugendalter
2.2. Prävalenz von Adipositas im Kindes- und Jugendalter in Deutschland
2.3. Ursachen von Adipositas im Kindes- und Jugendalter
2.3.1. Genetische Faktoren
2.3.2. Körperliche Aktivität
2.3.3. Ernährungsverhalten
2.3.4. Soziale Faktoren
3. Folgen von Adipositas im Kindes- und Jugendalter
3.1. physische Folgen
3.2. psychosoziale Folgen
3.3. Folgen für das Gesundheitssystem
4. Prävention von Adipositas
4.1. Begriffsklärung
4.1.1. Prävention
4.1.2. Gesundheitsförderung
4.1.3. Schnittstellen von Prävention und Gesundheitsförderung
4.1.4. Verhaltens- und Verhältnisprävention
4.2. Eckpunkte der Adipositasprävention
4.2.1. Zielgruppen
4.2.2. Ansatzpunkte
4.2.3. Der Setting-Ansatz
4.2.4. Akteure der Gesundheitsförderung und Prävention
4.3. Exemplarische Darstellung einer Präventions-strategie der BzgA
4.3.1. „GUT DRAUF: bewegen, entspannen, essen – aber wie?“
5. Erlebnispädagogik
5.1. historischer Rückblick
5.2. Erlebnispädagogik heute in Deutschland
5.3. Theoretischer Rahmen der Erlebnispädagogik
5.3.1. Definition
5.3.2. Ziele
5.3.3. Zielgruppen
5.3.4. Medien und Konzepte
5.3.5. Wirkungsmodelle
5.4. Wirkung von erlebnispädagogischen Angeboten
5.4.1. Wirkungsanalyse „Outward Bound“
5.4.2. Eine Untersuchung zur Wirkung von Erlebnispädagogik in der offenen Jugendarbeit
5.4.3. Eine Studie zu „Project Adventure“
5.4.4. Resümee
6. Erlebnispädagogik als Instrument zur Prävention von Adipositas
6.1. Ansätze der Erlebnispädagogik in der Prävention von Adipositas
6.1.1. Förderung von allgemeinen Lebenskompetenzen
6.1.2. Körper- und Selbsterfahrung
6.1.3. Jugendgerechte Motivation zur Bewegung
6.1.4. Neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung
6.1.5. Anregung zu verändertem Essverhalten
6.2. Zusammenfassung und Schlussfolgerung
6.3. eigene Projektidee „Maltatal“
6.3.1. Örtlichkeit
6.3.2. Leitung
6.3.3. Unterkunft
6.3.4. Verpflegung
6.3.5. Programmbausteine
6.3.6. Kooperationspartner
6.3.7. Umsetzung
7. Fazit
Verzeichnisse
Quellenverzeichnis
Literatur
Internetquellen
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Die WHO schlägt Alarm: „Adipositas stellt eine nie da gewesene gesundheitspolitische Herausforderung für die Europäische Region dar (…)“ (WHO Europa 2006, S. 3).
„Adipositas stellt eine der größten Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit im 21. Jahrhundert dar“ (WHO Europa 2005, S. 1).
Adipositas und Übergewicht sind momentan „in aller Munde“. Von Politikern über Wissenschaftler bis hin zu Artikeln in Tageszeitungen und Sendungen auf diversen Fernsehsendern, welche beispielsweise geschockte Eltern vor einem computergenerierten Bild ihres Kindes zeigen: „So wird ihr Kind mit 40 Jahren aussehen und wenn Sie weitermachen wie bisher, bringen Sie ihr Kind um!“ Dies ist zwar auch eine Methode um Eltern übergewichtiger Kinder wachzurütteln, und um zu versuchen, durch die Sensibilisierung einer breiteren Öffentlichkeit dem grassierenden Problem der Adipositas entgegen zu treten. Im Rahmen einer umfassenderen und nachhaltigeren Strategie zur Vorbeugung von Adipositas, müssen jedoch humanere und sensiblere Methoden gefunden werden. In dieser Arbeit wird nach solchen Methoden gesucht. Im speziellen wird untersucht, inwiefern die Erlebnispädagogik als handlungsorientierte Methode konkret zur Prävention von Adipositas beitragen kann.
Zum Einstieg in das Thema wird allgemein die Gesundheit von Jugendlichen in Deutschland dargestellt. Die Jugend, mit all den Entwicklungsaufgaben die Jugendliche bewältigen müssen, ist bereits eine Herausforderung an sich. Hinzu kommen verschiedene Einflüsse, welche die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben erschweren. Im 1. Kapitel werden wichtige Einflüsse auf die Jugendlichen aufgezeigt, welche mitunter zu bestimmten Gesundheitsstörungen führen können. Aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit, wird hier jedoch darauf verzichtet, die genauen Zusammenhänge diverser Einflüsse mit bestimmten Gesundheitsstörungen systematisch gegenüber zu stellen. Im 2. Kapitel hingegen wird ausführlich auf die Gesundheitsstörung Adipositas - hauptsächlich im Kindes- und Jugendalter - eingegangen, um dem Leser eine genaue Vorstellung von den Ursachen einer Adipositas-Erkrankung zu vermitteln. Da diese Arbeit im Rahmen des Sozialpädagogikstudiums verfasst wird, wird auf tiefer gehende Analyse medizinischer Fachdetails verzichtet, um die Relevanz sozialer Faktoren deutlicher zu betonen und allgemein eine bessere Verständlichkeit zu gewährleisten.
Kapitel 3 zeigt, welche Auswirkungen eine Adipositas auf individueller Ebene für die betroffenen Kinder und Jugendlichen hat, und welche Folgeerscheinungen sich durch eine zunehmende Zahl an Adipositas-Betroffenen für die übergeordnete gesamtgesellschaftliche Ebene - maßgeblich für das Gesundheitssystem - ergeben. Hier soll unmissverständlich deutlich gemacht werden, dass ein verstärkter Bedarf für sozialpädagogische und gesundheitspolitische Maßnahmen besteht.
Das 4. Kapitel beschäftigt sich mit der Prävention von Adipositas, wofür aktuelle Studien konkrete Ansätze ermöglichen. Es wird sowohl der theoretische Hintergrund der Prävention von Adipositas, als auch die Praxis an einem Beispiel beleuchtet.
Da in dieser Arbeit der präventive Beitrag von Erlebnispädagogik zur Prävention von Adipositas herausgearbeitet werden soll, gibt Kapitel 5 einen Einblick in die Denk-, Arbeits- und Wirkungsweise der Erlebnispädagogik. Es ist schwierig, den umfangreichen Stoff auf ein Minimum zu beschränken, jedoch versucht Kapitel 5 die wichtigsten und für diese Arbeit relevanten Merkmale der Erlebnispädagogik darzustellen. Außerdem wird hier der Frage nachgegangen, ob und wie Erlebnispädagogik wirken kann.
Kapitel 6 bezieht sich auf Erlebnispädagogik als Instrument zur Adipositasprävention und arbeitet konkrete Ansätze heraus. In der Schlussfolgerung wird geklärt, ob Erlebnispädagogik in der Adipositasprävention für sich alleine stehen kann, oder ob sie um weitere Elemente ergänzt werden muss. Letztendlich wird aus den Erkenntnissen dieser Arbeit eine eigene Projektidee erarbeitet und vorgestellt.
Im Kapitel 7 wird die gesamte Arbeit rekapituliert, ein Fazit daraus gezogen und ein Ausblick gewagt.
In dieser Diplomarbeit wird zur besseren Leserlichkeit durchgehend die männliche Form verwendet.
1. Die Gesundheitliche Situation von Jugendlichen in Deutschland
Die Jugend ist eine sehr einschneidende Phase im Leben eines Menschen. Sie ist geprägt von vielen Veränderungen, neuen Herausforderungen, Anforderungen und vor allem Entwicklungen. Jugendliche werden mit Entwicklungen im körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Bereich konfrontiert und von ihnen wird erwartet, dass sie die daraus resultierenden Entwicklungsaufgaben bewältigen. Dabei sind in unserer Gesellschaft Einflüsse vorhanden, welche nicht hilfreich, sondern eher schädigend, bzw. hinderlich auf die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben wirken.
Im Folgenden wird erst auf die Pubertät eingegangen, danach werden einige wichtige Einflussfaktoren, die auf Jugendliche einwirken, aufgezeigt, und abschließend wird der aktuelle Gesundheitszustand von Jugendlichen in Deutschland dargestellt.
1.1. Pubertät
Die Pubertät ist ein Prozess der sich über einige Jahre hinzieht und dessen Eintritt mit allen Verhaltensänderungen, die sie bei Kindern auslöst, als Beginn der Jugendphase bezeichnet wird (vgl. Schäfers 1998, S.78).
„Die Pubertät kann in ihrer Wirkung auf den einzelnen als eine biologisch verursachte Verunsicherung des Körper - Bewußtseins und schließlich des
Welt – Bewußtseins überhaupt interpretiert werden“ (Schäfers 1998, S.78).[1]
Das Ziel der Pubertät ist die Entwicklung einer eigenen unverwechselbaren
Identität. Die erfolgreiche Bewältigung der Pubertät bedeutet für Jugendliche, dass sie ein positives Bild von sich selbst aufbauen, sich von ihren Eltern lösen, in ihre Geschlechterrolle hineinwachsen, ihren schulischen, beruflichen und privaten Weg selbständig gehen lernen und ihre eigenen Wert- und Moralvorstellungen entwickeln (vgl. Steck 2007, S.4).
1.1.1. Körperliche Veränderungen
Auffällige körperliche Veränderungen sind die Ausbildung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale, der Längenwachstum und der Stimmbruch beim Jungen. Die Geschlechtsreife ist beim Mädchen durch das Einsetzen der Menstruation und beim Jungen durch den ersten Samenerguss gekennzeichnet. Durch das relativ schnelle und unproportionale Längenwachstum kommt es bei den Jugendlichen oft zu Unsicherheiten in der Motorik; also in den Bewegungsabläufen und der Bewegungsfähigkeit. Sehr treffend auch unter 1.1. im Zitat von Schäfers als Verunsicherung des Körperbewusstseins bezeichnet (vgl. Schäfers 1998, S. 81).
1.1.2. Geistig - seelische Veränderungen
In der Pubertät kommt es bei Jugendlichen zu einer erhöhten seelischen Sensibilität, welche sich in Verunsicherung des Selbstwertgefühles und dadurch ausgelöste kritische Auseinandersetzung mit dem Körper und Stimmungsschwankungen äußern kann. Zusätzlich kann das Erleben des ersten Verliebtseins die Gefühlswelt von Jugendlichen verwirren.
Geistige Prozesse in diesem Alter beinhalten die kritische Auseinandersetzung mit sich selbst und anderen, mit der eigenen Identität, Regeln und Verboten, mit Werten, Normen und gesellschaftlichen Strukturen (vgl. Steck 2007, S. 3).
1.1.3. Soziale Veränderungen
Die Suche nach sich Selbst beginnt für Jugendliche mit der Abgrenzung von den Eltern. Durch den Drang nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit beginnt eine Ablösung von familiären Strukturen und eine Orientierung hin zu Gleichaltrigengruppen. Die Freizeit in so genannten Peer-groups zu verbringen, schafft für Jugendliche einen wichtigen sozialen Raum für ihre Selbstfindung und die Festigung der eigenen Persönlichkeit. In ihrer Clique finden sie Halt und haben die Möglichkeit verschiedene Rollen einzunehmen und soziale Spielregeln einzuüben (vgl. Steck 2007, S. 4; Shell-Studie 2006, S. 83).
1.2. Einflussfaktoren auf die Entwicklung
Jugendliche sind in unserer Gesellschaft und Umwelt einer Reihe von Einflüssen ausgesetzt, welche sich auf ihre Entwicklung auswirken.
1.2.1. Familie
Die familiäre Situation in der Jugendliche aufwachsen, prägt sie in vielerlei Hinsicht. Die Familie beeinflusst Qualität und Umfang von Lern- und Sozialerfahrungen. Entscheidend für die Entwicklungsmöglichkeiten und –chancen, sowie den Gesundheitszustand der Jugendlichen sind hier sozialer Status, Bildungsniveau und Familienstruktur (vgl. Schäfers 1998, S.117; Hurrelmann 1994, S. 107). Der soziale Faktor wird in Punkt 2.3.4 näher beleuchtet. Inwieweit der soziale Hintergrund eine Rolle spielt, wird auch bei der Darstellung des Gesundheitszustandes unter Punkt 1.3 deutlich.
1.2.2. Peer - group
Wie schon in Punkt 1.1.3 erwähnt, haben Beziehungen zu Gleichaltrigen für Jugendliche eine große Bedeutung als Sozialisationsinstanz außerhalb der Familie. Die Interaktion mit Gleichaltrigen führt jedoch nicht automatisch zu gut ausgeprägten sozialen Fähigkeiten. In Cliquen können auch Aggressionen und Stigmatisierung auftreten, was für die weitere soziale Entwicklung der Betroffenen Folgen hat. Peer-groups haben demnach nicht nur förderliche Tendenzen, sondern können auch negative Dynamiken hervorbringen, z. B. übertriebenes Risikoverhalten um der Gruppe zu imponieren (vgl. Hurrelmann 1994, S. 129 ff.).
„Diese Peergroups haben einen hohen Einfluss auf die Gestaltung der Freizeit- und Konsumaktivitäten“ (Shell-Studie 2006, S. 83).
Ein weiteres Beispiel: Ein Jugendlicher, dessen Freundeskreis bevorzugt Fast Food konsumiert, wird ebenfalls häufig Fast Food zu sich nehmen.
1.2.3. Medien
Massenmedien, mitunter immer stärker das Internet, sind in unserer Gesellschaft überall präsent und allen Jugendlichen zugänglich. Medien werden genutzt, um an Informationen zu gelangen, jedoch zunehmend auch zur bewegungsarmen Freizeitgestaltung, z. B. durch Fernsehkonsum und Computerspiele. Jugendliche sind eine interessante Zielgruppe für die Medienwirtschaft und werden somit mit speziell auf sie zugeschnittener Werbung überhäuft[2] (vgl. Bürgin 2001, S. 14). Es strömen Unmengen an Informationen auf die Jugendlichen ein, was zu Desorientierung bezüglich Wahrheitsgehalt und Relevanz führen kann. Das gängige Schönheitsideal wird vorwiegend über Medien transportiert[3]. Außerdem wird in den Medien suggeriert, dass das Leben eine Aneinanderreihung von spannenden Momenten und Abenteuern sei, was bei Jugendlichen zu unrealistischen Vorstellungen bezüglich der Freizeitgestaltung und der Lebensplanung führen kann. Der Alltag ist meistens nicht so spannungsreich und das von den Medien vermittelte Bild kollidiert mit der Realität der Jugendlichen (vgl. Hurrelmann 2005, S. 13).
1.2.4. Schule und Arbeit
Das Nahrungsmittelangebot und die Bewegungsmöglichkeiten in Schulen und am Arbeitsplatz, haben großen Einfluss auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Zu beachtende Faktoren sind hier z. B. die Nahrhaftigkeit und Zusammensetzung von Schulmahlzeiten bzw. Kantinenessen, die Verfügbarkeit von Softdrink-, bzw. Snack-Automaten[4] oder der Stellenwert, dem Bewegung im und zwischen dem Unterricht beigemessen wird (vgl. WHO Europa 2006, S. 33 ff.).
Des Weiteren besteht ein hoher Wettbewerbsdruck in Schule, Ausbildung und Beruf. Wer nicht die geforderten Leistungen erbringt, ist klar im Nachteil im Bezug auf die Qualität des Schulabschlusses, die Chance auf einen Ausbildungs- bzw. Studien- oder Arbeitsplatz.
Laut der WHO – Jugendgesundheitssurvey fühlen sich viele Jugendliche wegen der gestiegenen Leistungsanforderungen in der Schule überfordert und sehen ihrer beruflichen Zukunft mit Besorgnis entgegen (vgl. Bilz et al. 2003, S. 243).
1.2.5. Wohnumfeld
Die Wohnqualität und das Wohnumfeld in dem Jugendliche aufwachsen beeinflussen in hohem Maße ihre Entwicklung. Wohnqualität und somit auch Lebensqualität hängt z. B. mit der Höhe der Umweltbelastung zusammen, welche sich auf Wasser, Boden, Luft und Nahrungsmittel auswirken. Welcher Lärmbelastung sind Jugendliche ausgesetzt? (vgl. Hurrelmann 1994, S. 180). Haben sie die Gelegenheit, sich in der Natur zu bewegen oder sind sie durch ein bewegungsarmes Umfeld eher darauf angewiesen, sich passiven Aktivitäten im Innenraum zuzuwenden? Wie hoch ist die Kriminalität im Wohnumfeld? Wie sieht die Verkehrssituation aus? Die beiden letzteren Aspekte beeinflussen Eltern z. B. in ihrer Entscheidung, ob sie ihre Kinder alleine zum Spielen schicken, bzw. mit dem Fahrrad zur Schule fahren lassen (vgl. WHO Europa 2006, S. 24).
Im Jahre 2006 lebten 88 % der Gesamtbevölkerung Deutschlands in Städten (vgl. Deutsche Stiftung Weltbevölkerung 2006). Das bedeutet, dass sehr viele Jugendliche in einem urbanen Umfeld aufwachsen, indem sie einer höheren Umweltverschmutzung und höheren Lärmbelästigung ausgesetzt sind und ihnen weniger Bewegungsräume zu Verfügung stehen, als Jugendlichen welche in ländlichen Gegenden leben[5].
1.3. Der aktuelle Gesundheitszustand von Jugendlichen in Deutschland
Folgend wird der Gesundheitszustand von Jugendlichen in Deutschland dargestellt, welcher, unter anderen in Punkt 1.2. aufgezeigten Einflüssen, unterstellt ist. Dafür werden ausgewählte Ergebnisse sowohl aus der Jugendgesundheitssurvey der WHO 2003 (vgl. Hurrelmann et al. 2003) als auch von einer aktuellen Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (Kinder- und Jugendgesundheitssurvey 2007 - KIGGS) verwendet[6] (vgl. KIGGS 2007).
Beide Studien bestätigen für den Großteil der Jugendlichen einen guten allgemeinen Gesundheitszustand. Zu bemerken ist jedoch eine Zunahme von chronischen Krankheiten wie Allergien, Übergewicht, Essstörungen und psychischen Leiden. Jugendliche mit sozial schwachem und/oder Migrationshintergrund sind in allen Bereichen (bis auf eine Ausnahme – siehe Punkt 1.3.3) stärker von gesundheitlichen Beeinträchtigungen betroffen. Diese Tatsache legen die Ergebnisse beider Studien offen. In den folgenden Punkten wird Genaueres zur Gesundheit von Jugendlichen dargestellt.[7]
1.3.1. Psychische Gesundheit
Der Großteil (80 %) der Jugendlichen erfreut sich einer psychischen Gesundheit im Sinne von psychischer Unauffälligkeit. 5 % jedoch berichten von einer Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit. So leiden viele Jugendliche an psychosomatischen Beschwerden, wie Kopf-, Rücken- und Bauchschmerzen, Schwindel, Appetitlosigkeit, Müdigkeit, Nervosität, Ängstlichkeit oder allgemeines Unwohlsein. Psychische Auffälligkeiten, wie emotionale Probleme, Verhaltensprobleme, Hyperaktivität und Probleme mit Gleichaltrigen betreffen 6 % der befragten Jugendlichen (vgl. Langness et al. 2003, S. 304).
Eine Teilstudie (BELLA) der KIGGS-Studie ergab, dass 21,9 % der befragten Kinder und Jugendlichen (7 bis 17 Jahre) psychische Auffälligkeiten zeigen. Darunter fallen vor allem Ängste, Störungen des Sozialverhaltens und Depressionen (vgl. Ravens-Sieberer et al. 2007, S. 873).
Weiter hat die KIGGS-Studie ergeben, dass 21,9 % der 11 – 17- jährigen Jugendlichen Merkmale einer Essstörung aufweisen, wobei Mädchen doppelt so häufig betroffen sind wie Jungen. Am stärksten sind Jugendliche aus den unteren sozialen Schichten betroffen (vgl. Hölling/Schlack 2006, S. 9).
1.3.2. Soziale Gesundheit
Während 90 % der befragten Jugendlichen keine Probleme haben Freunde zu finden und sich von Gleichaltrigen akzeptiert fühlen, fühlt sich der Rest nicht von den Altersgenossen angenommen. Daraus lässt sich schließen, dass 10 % der befragten Jugendlichen über unzureichende soziale Kompetenzen verfügen.
Im schulischen Bereich klagen viele Jugendliche über fehlendes Wohlbefinden. D. h., dass sich viele von den schulischen Anforderungen überfordert fühlen und um ihre berufliche Zukunft besorgt sind. Besonders betroffen sind Nicht-Gymnasiasten, ältere Schüler und Schüler aus schlechteren sozioökonomischen Verhältnissen.
Die Beziehung zu den Eltern schätzten die meisten Jugendlichen als positiv ein. Lebensereignisse, welche für viele Jugendliche belastend sind, sind Überforderung in der Schule, Probleme mit den Eltern, die Trennung von einer Freundin, bzw. einem Freund und Tod einer nahe stehenden Person (vgl. Langness et al. 2003, S. 306).
1.3.3. Körperliche Gesundheit
Ergebnisse der KIGGS-Studie nennen Atemwegsinfektionen und Magen-Darm-Infekte als häufige akute Erkrankungen.
Als häufigste chronische Krankheiten werden neben Wirbelsäulenverkrümmung, Diabetes mellitus und epileptischen Anfällen, vor allem Asthma, Bronchitis, Neurodermitis und Heuschnupfen genannt (vgl. Kamtsiuris et al. 2007, S. 689). Allergische Krankheiten (z. B. Neurodermitis, Asthma, Heuschnupfen) sind das häufigste gesundheitliche Problem im Kindes- wie im Jugendalter. Wobei hier, im Gegensatz zu den meisten anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, weniger Kinder und Jugendliche mit sozial niedrigem Status und Migrationshintergrund betroffen sind[8] (vgl. Schlaud et al. 2007, S. 703). Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Gesundheitsproblem ist der Anstieg von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen (vgl. Kurth/Schaffrath Rosario 2007, S. 739). Laut BzgA gehören Übergewicht und Adipositas zu den größten gesundheitlichen Problemen im Kindes- und Jugendalter (vgl. BzgA 2003). In diesem Hinblick wird in den nachfolgenden Kapiteln das Problem von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter ausführlicher beleuchtet.
2. Adipositas
2.1. Definition und Bestimmung von Adipositas im Kindes- und Jugendalter
Da die Begriffe Übergewicht und Adipositas oftmals synonym verwendet werden, möchte ich als erstes den Unterschied darstellen.
Adipositas wird in den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) wie folgt definiert: „Eine Adipositas liegt vor, wenn der Körperfettanteil an der Gesamtkörpermasse pathologisch erhöht ist“ (AGA 2006, S. 13). Übergewicht ist ein zu hohes Körpergewicht in Relation zur Körpergröße, d. h. bei Übergewicht ist der Körperfettanteil an der Gesamtkörpermasse noch nicht krankhaft erhöht. Jedoch kann sich Adipositas aus Übergewicht entwickeln.
Adipositas ist eine chronische Krankheit, welche die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränkt (vgl. Deutsche Adipositas-Gesellschaft 2007, S. 4; Kapitel 3 dieser Arbeit). Zur Beurteilung des Gewichts (Untergewicht, Übergewicht, Adipositas) hat sich der Body-Mass-Index (BMI) international durchgesetzt. Der BMI wird aus den einfach messbaren Parametern Körpergröße und Körpergewicht berechnet und definiert [BMI = Körpergewicht (kg) / Körpergröße ² (m²)]. Durch das Wachstum und die Pubertätsentwicklung und den damit verbundenen Änderungen der Körperzusammensetzung unterliegt der BMI bei Kindern und Jugendlichen typischen alters- und geschlechtsspezifischen Veränderungen. Das Ausmaß an Übergewicht lässt sich daher nicht wie bei Erwachsenen durch feste Grenzwerte bestimmen. Es wurden daher Referenzwerte für die Bestimmung von Übergewicht und Adipositas entwickelt, die durch alters- und geschlechtsspezifische Perzentile eine Einstufung des individuellen Wertes ermöglichen. Perzentile bedeuten, dass der individuelle BMI in Bezug auf den BMI anderer Kinder und Jugendlicher desselben Alters und Geschlechts angegeben wird. Die AGA hat folgende Definition in ihren Leitlinien veröffentlicht:
Liegt der BMI über der 90. Perzentile, ist dies definiert als Übergewicht, liegt dieser BMI über der 97. Perzentile, spricht man von Adipositas. Eine Überschreitung der 99,5. Perzentile wird als extreme Adipositas bezeichnet. Auf Grundlage dieses einheitlichen Bewertungsschemas können in Deutschland erhobene Daten in Zukunft besser miteinander verglichen werden (vgl. AGA 2006, S. 14; Kromeyer-Hauschild 2005, S. 5).
2.2. Prävalenz von Adipositas im Kindes- und Jugendalter in Deutschland
Bei Kindern und Jugendlichen wurde in den letzten Jahren ein kontinuierlicher Anstieg der Adipositas-Prävalenz beobachtet.[9]
Wie die Ergebnisse der Studie KIGGS zeigen, steigt der Anteil der Übergewichtigen mit zunehmendem Alter: von 9 % bei den 3- bis 6-Jährigen, über 15 % bei den 7- bis 10-Jährigen, bis hin zu 17 % bei den 14- bis 17-Jährigen. Nach KIGGS haben 2,9 % der 3- bis 6-Jährigen, 6,4 % der 7- bis 10-Jährigen und 8,5 % der 14- bis 17-Jährigen in Deutschland eine Adipositas. Auf der Basis der Referenzdaten[10] von 1985-1999, sind die Prävalenzzahlen für Übergewicht um 50 % gestiegen und die Häufigkeit von Adipositas hat sich sogar verdoppelt (vgl. Schaffrath Rosario/Kurth 2006, S. 10).
2.3. Ursachen von Adipositas im Kindes- und Jugendalter
Bei der Entstehung von Adipositas spielen mehrere Faktoren zusammen. Genetische Veranlagung, menschliches Verhalten, Umwelt- und Lebensbedingungen.
2.3.1. Genetische Faktoren
Auf der einfachsten Ebene resultiert Übergewicht aus einem chronischen Ungleichgewicht von Energieaufnahme und Energieverbrauch, also einer dauerhaften positiven Energiebilanz. Jeder Mensch hat einen individuellen Stoffwechsel. Das bedeutet, jeder Organismus verwertet und speichert zugeführte Energie unterschiedlich. Der Stoffwechsel ist genetisch festgelegt (vgl. Reinehr 2007, S.10). Früher, zu Jäger- und Sammlerzeiten, waren solche Menschen im Vorteil, welche in Zeiten von knappen Futter- bzw. Nahrungsvorräten in der Lage waren, soviel Energie wie möglich zu speichern. Solche vorteilhaften genetischen Anlagen scheinen sich im Laufe der Evolution fortgesetzt und weit verbreitet zu haben (Hebebrand et al. 2005, S. 28; Benecke /Vogel 2005, S. 13). Heutzutage kann jedoch von Nahrungsmittelknappheit in Industrieländern kaum mehr die Rede sein. Das Gegenteil trifft hier eher zu. Das bedeutet: „Die Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten einer modernen Lebensweise treffen auf eine genetische Ausstattung des Menschen, die hierfür primär nicht geschaffen ist“[11] (Hebebrand et al. 2005, S. 28). Zahlreiche Familien-, Adoptions- und Zwillingsstudien weisen auf die Bedeutung der genetischen Komponente bei der Entstehung von Adipositas hin. Es konnte eine Vererblichkeit des BMI von 30 % bis zu 70 % festgestellt werden (vgl. Maes et al.1997, zit. nach Hebebrand et al. 2005, S. 31). Auch die KIGGS-Studie stellt den Zusammenhang des BMI der Mutter und der Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas der Kinder dar.
Abb. 01: Häufigkeit von Adipositas nach BMI der Mutter
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: KURTH, Bärbel-Maria/SCHAFFRATH-ROSARIO, Angelika 2006, S. 9
Das bedeutet jedoch nicht, dass Adipositas vererbt wird, sondern lediglich die Anlage dazu. Wesentlich bedeutender als die genetischen Faktoren sind die Umweltfaktoren (vgl. Müller et al. 2005, S. 378).
2.3.2. Körperliche Aktivität
Körperliche Aktivität ist eine wesentliche Voraussetzung für die normale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Über Bewegung lernen Kinder die Welt und ihre eigene Rolle im Umfeld kennen. Bewegung stellt auch eine Möglichkeit dar, den Aufgrund von Wachstumsprozessen immer neu dimensionierten Körper wahrzunehmen und damit umzugehen. Kindern haben einen natürlichen Bewegungsdrang, welcher im Jugendalter etwas nachlässt (vgl. Dordel/Graf 2007, S. 63).
Es sind in modernen Lebenswelten zahlreiche Faktoren vorhanden, welche die körperliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen einschränken, wie z. B. die vorwiegend sitzende Tätigkeit in der Schule. Dazu kommt, dass sie heutzutage häufiger mit öffentlichen Verkehrsmitteln und PKW in die Schule gelangen als früher. Einen ganz wichtigen Faktor stellt die veränderte Freizeitgestaltung dar. Der Fernsehkonsum, sowie die Verbreitung von PCs, PC–Spielen und des Internets hat zugenommen (vgl. Bös/Hebebrand 2005, S. 52). Auch das Wohnumfeld spielt eine Rolle für das Bewegungsverhalten von Kindern und Jugendlichen (vgl. Punkt 1.2.5). Durch z. B. Rolltreppen oder Aufzüge wird die alltägliche Bewegung eingeschränkt. Es erfordert somit weniger körperliche Aktivität um den heutigen Lebensalltag zu bewältigen.
Die Energiebilanz wird im Wesentlichen durch das Ernährungs- und Bewegungsverhalten bestimmt, d. h. einerseits wird dem Köper über die Nahrung Energie zugeführt, andererseits wird Energie durch jegliche Art von Bewegung verbraucht. Hohe Energiezufuhr bei geringem Verbrauch führt dazu, dass überschüssige Energie aufgeladen wird, die wiederum in Form von Fett abgelagert wird. All die oben genannten Faktoren gehen mit einem geringen Bewegungsverhalten und damit mit einem verminderten Energieverbrauch einher und erklären, dass Bewegungsmangel eine der Hauptursachen für den starken Anstieg der Adipositas darstellt. (vgl. Benecke/Vogel 2005, S. 13).
Die Studie KIGGS ergibt, dass körperlich inaktive Jugendliche häufiger übergewichtig sind, vermehrt rauchen und länger vor dem Fernseher sitzen (vgl. Lampert et al. 2006, S. 9).
2.3.3. Ernährungsverhalten
Im Laufe der letzten Jahre kam es zu einer Erweiterung des Lebensmittelangebotes (nährstoffangereicherte Produkte, Fast Food- und Fertig-Produkten, Soft-Drinks und Süßigkeiten[12] ) was zu einem veränderten Lebensmittelkonsum geführt hat. In Verbindung mit dem Trend zu einem eher passiven Lebensstil ist dies ein weiterer Erklärungsansatz für den Anstieg der Adipositas im Kindes- und Jugendalter[13] (vgl. Burger/Mensik 2004, S. 1).
Ein wichtiger Faktor, der das Ernährungsverhalten beeinflusst, ist der gestiegene Fernsehkonsum, welcher mit einem erhöhten Verzehr von hochkalorischen Lebensmitteln in Verbindung steht.[14] Die Werbung, welche während und zwischen den einzelnen Sendungen gezeigt wird, hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Verlangen der Kinder und Jugendlichen nach den beworbenen fett- und zuckerreichen Produkten. Häufiger Fernsehkonsum erhöht das Risiko von Übergewicht, wobei noch nicht entschlüsselt ist, ob dem Essverhalten oder der körperliche Inaktivität eine größere Bedeutung zukommt[15] (vgl. Kersting 2007, S. 29).
Essen ist oft weit mehr, als nur die Befriedigung von Hunger. Es hat nicht nur die biologische Funktion der Energie- und Nährstoffzufuhr, sondern kann auch als Mittel zum Trost, zur Beruhigung, zur Belohnung, zum Frust- und Stressabbau oder gegen Langeweile dienen. Ein Beispiel dafür ist die Schokolade als Mittel zur Frust- oder Stressbewältigung. Oft treten Essstörung in Verbindung mit persönlichen Entwicklungskrisen auf, die überwältigende Gefühle wie Angst, Zorn oder Trauer auslösen (vgl. Reinehr 2007, S. 13).
Obwohl Adipositas nicht zu den Essstörungen gehört, wird sie mit einer Form davon in Beziehung gesetzt. Das Binge Eating Disorder (BED) wird als Esssucht mit Übergewicht bezeichnet, und ist gekennzeichnet durch Essanfälle mit Kontrollverlust. Im Gegensatz zur Ess-Brech-Sucht wird bei der Esssucht darauf verzichtet, die vorher in sich hineingestopfte Nahrung wieder zu erbrechen oder die Überzahl der Kalorien durch exzessiven Sport wieder loszuwerden. Die logische Konsequenz ist Übergewicht bis hin zu Adipositas (vgl. Winkler 2006). Es ist sowohl bei dem Faktor körperliche Aktivität, wie auch dem Faktor Ernährungsverhalten der familiäre Hintergrund mit all seinen Facetten nicht außer Acht zu lassen. Darauf wird im nächsten Punkt näher eingegangen.
2.3.4. Soziale Faktoren
„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm!“ – mit diesem Sprichwort wird die prägende Kraft der elterlichen Handlungen auf die Verhaltensweisen ihrer Kinder im Volksmund verdeutlicht. Eltern haben durch ihre Vorbildwirkung einen enormen Einfluss auf ihre Kinder. Das Ess-, Trink- und Bewegungsverhalten der Eltern bedingt im hohen Maße das spätere Ess-, Trink- und Bewegungsverhalten ihrer Kinder.
Das Verhalten der Eltern wiederum wird durch Bildungsstand, sozialen Status und die Familienstruktur bedingt (vgl. Korsten-Reck 2005, S. 96).
Darauf wird folgend näher eingegangen.
2.3.4.1. Familiäre Strukturen
Die Strukturen des Familienlebens haben sich in Europa seit Mitte der 60er Jahre verändert. Das traditionelle Bild von Familie beinhaltete in der Nachkriegszeit ein verheiratetes Paar, welches in einer lebenslangen, monogamen Ehe, gemeinsam mit ihren Kindern in einem Haushalt lebte. Dabei war die Rollenverteilung der Geschlechter klassisch. Der Mann war der Haupternährer und die Autoritätsperson, und die Frau war für die Erziehung der Kinder und für den Haushalt zuständig. Durch die kritische Auseinandersetzung (z. B. die antiautoritäre Studentenbewegung oder die Frauenbewegung in den 60er Jahren) mit traditionellen Leitbildern der Gesellschaft haben sich auch alternative Familienformen entwickelt (vgl. Peuckert 2002, S. 27 ff.).[16] Weitere Veränderung waren die verbesserten Ausbildung- und Berufschancen der Frauen, wodurch es zu einem stetigen Anstieg der berufstätigen Frauen kam. (vgl. Lakemann 1999, S. 32 f.) Die Zahl allein erziehender Elternteile ist gestiegen, was teilweise mit den hohen Scheidungsraten in Verbindung steht (vgl. BUNDESREGIERUNG 2005, S. 123 ff.).
Welche Bedeutung hat dieser Wandel für die Entstehung von Adipositas?
Eltern, bzw. Elternteile, welche berufstätig sind, haben weniger Zeit zum kochen. Das bedeutet, dass ihre Kinder sich selbständig Mahlzeiten entweder zuhause aufwärmen, selber kochen oder außer Haus kaufen müssen. Dadurch kann es zu einem vermehrten Zugriff auf Tiefkühl- und Fertigprodukte kommen, da diese einfach und schnell zuzubereiten sind. Ein Risikofaktor für Übergewicht ist das Auslassen oder die unregelmäßige Einnahme von Mahlzeiten. Demnach lassen übergewichtige Kinder und Jugendliche das Frühstück häufiger ausfallen als nicht Übergewichtige (vgl. Hurrelmann et al. 2003, S. 15). Sind Eltern beim Frühstück nicht dabei, kann es passieren, dass Kinder und Jugendliche mit leerem Magen das Haus verlassen, da die Eltern nicht sicherstellen können, dass ihr Nachwuchs etwas zu sich nimmt. Gemeinsame Mahlzeiten mit den Eltern bzw. mit einem Elternteil, werden seltener, und können sich aufgrund von Erwerbstätigkeit in den Abend verschieben. Dadurch verringern sich die Gelegenheiten der Eltern als positives Vorbild für ihre Kinder in Bezug auf das Essverhalten zu fungieren.
Aufgrund der oben genannten Gründe nehmen Kinder und Jugendliche immer mehr Mahlzeiten außer Haus zu sich. Durch die Verfügung über Taschengeld haben sie Zugang zu den Lebensmitteln und Gerichten, welche ihnen am besten schmecken. Meistens sind diese Mahlzeiten energie- und fettreiche Lebensmittel wie Pommes Frites, Döner oder Süßgebäck, zu welchen Kinder und Jugendliche eher greifen als zu Salat (vgl. Kersting 2005, S. 66; BzgA 2003, S. 23).
2.3.4.2. Sozialer Status
Soziale Ungleichheit ist in Deutschland ein wachsendes Phänomen. Im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung 2005 werden damit einhergehende Armutsrisiken insbesondere für die Bevölkerungsgruppen Kinder und Jugendliche und auch für Haushalte Alleinerziehender dargestellt (vgl. BUNDESREGIERUNG 2005, S. 126 ff.). Adipositas und dadurch bedingte Krankheiten gehören zu den am ungleichmäßigsten verteilten Erkrankungen. Es gibt eine Tendenz zur Verstärkung der Unterschiede zwischen den sozialen Schichten. Das bedeutet, dass es einen eindeutigen Schwerpunkt von Adipositaserkrankungen in der sozial schwächeren Bevölkerung gibt (vgl. WHO Europa 2005, S. 3). Die Ergebnisse der Studie KIGGS zeigen diesbezüglich für Deutschland signifikante Unterschiede auf.
[...]
[1] Die Themen Pubertät und die Einflussfaktoren auf die Entwicklung von Jugendlichen, werden im Rahmen der Diplomarbeit nur kurz angeschnitten.
[2] Es existiert mittlerweile der Trend die elterliche Kontrolle zu umgehen, indem Werbung sozusagen subtil durch Internet-Spiele und kostenlose Downloads von Klingeltönen vermittelt wird, oder direkt auf das Handy der Jugendlichen geschickt wird (vgl. WHO Europa 2006, S. 36).
[3] Ein aktuelles Beispiel sind gängige Castingshows wie „Germany`s next Topmodel“ auf Pro7, in denen nur sehr dünne Mädchen eine Chance auf den Sieg haben und normalgewichtigen Mädchen erzählt wird, sie seien noch zu dick für das Modelgeschäft.
[4] Bevorzugtes Angebot: Limonaden mit hohen Zuckergehalt und Snacks wie Schokoriegel, Erdnüsse, fettige Würstchen.
[5] Eine persönliche Anmerkung: Ich selbst bin auf dem Land aufgewachsen und liebte die kaum begrenzte Bewegungsfreiheit. Ich kann mich erinnern, dass ich an manchen Tagen nur zu den Essenszeiten zuhause war und den restlichen Tag mit Freunden im Wald verbracht habe.
[6] An dieser bundesweit repräsentativen Studie haben in einem Zeitraum von 2003 bis 2006 über 17. 000 Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Regionen Deutschlands teilgenommen.
[7] Psychische, körperliche, soziale Gesundheit überschneiden sich teilweise (psychosomatische Auffälligkeiten) und beeinflussen sich gegenseitig (z. B. verursacht Druck in der Schule Bauchschmerzen oder ein übergewichtiger Jugendlicher wird gemobbt und entwickelt dadurch Verhaltensprobleme).
[8] Die noch nicht eindeutige bewiesene Hygienehypothese könnte Ansätze für eine Erklärung liefern. Sie besagt, dass durch einen frühen Kontakt mit bestimmten Bakterien, Viren oder Parasiten, das Immunsystem eine gewisse Resistenz gegen allergische Erkrankungen ausbildet (vgl. Schlaud et al. 2007, S. 708).
[9] Prävalenz ist die Häufigkeit aller Fälle einer bestimmten Krankheit in einer Population zum Zeitpunkt der Untersuchung (vgl. ROCHE LEXIKON MEDIZIN 2003).
[10] Diese Referenzdaten basieren auf Querschnittsdaten von 17147 Jungen und 17275 Mädchen aus ver schiedenen Regionen Deutschlands (vgl. Kromeyer-Hauschild 2005, S. 5).
[11] Neben dieser so genannten primären Adipositas, gibt es auch die sekundäre Adipositas, welche sehr selten als Folge eines angeborenen Syndroms, einer endokrinen Erkrankung oder von medikamentöser Behandlung auftreten kann vgl. Icks/Rathmann 2004, S. 171).
[12] Eine Amerikanerin klagte 2001 gegen einen Eiscremehersteller. Sie hatte regelmäßig eine bestimmte Sorte Eis dieses Herstellers gekauft, welches laut Etikett nur zwei Gramm Fett und 100 Kalorien pro Portion hat. Ihre Lieblingssorte enthält tatsächlich jedoch dreimal soviel. 2003 wurde die Klägerin von dem Eiscremehersteller mit einer Million Dollar, in Form von Gutscheinen für ihre Lieblingseissorte entschädigt (vgl. Niehaus 2006).
[13] Bereits täglich nur 50 kcal zuviel, was ca. einem Stück Schokolade oder einer halben Scheibe Brot entspricht, führt innerhalb von 5 Monaten zu einer Gewichtszunahme von etwa 1kg (vgl. Kersting 2007, S. 22).
[14] Das Knabbern von Chips während des Fernsehens hat einen gemütlichen Charakter. Meistens wird jedoch dabei über den Hunger hinaus gegessen, da man über die Ablenkung des Fernsehprogramms das Sättigungsgefühl begrenzt wahrnimmt.
[15] Auf jeden Fall ist hier eine Wechselwirkung zu erkennen. Inaktivere Jugendliche verbringen mehr Zeit vor dem Fernseher wobei sie weniger Kalorien verbrauchen. Während des Sitzens vor dem Fernseher führen sie sich fettreiche, kalorienhaltige Nahrung zu, die wiederum das Körpergewicht erhöht. Je höher das Körpergewicht, desto eingeschränkter sind die Bewegungen und die Motivation dazu. Also bleiben sie am besten gleich vor dem Fernseher sitzen und essen weiter.
[16] Alternative Familienformen sind z. B. alleinerziehende Elternteile oder „living-apart-togehter“. „Living-apart-together“ bezeichnet Paare mit getrennter Haushaltsführung.
- Arbeit zitieren
- Alexandra Slamanig (Autor:in), 2007, Erlebnispädagogik und ihr präventiver Beitrag zur Gesundheit von Jugendlichen unter besonderer Berücksichtigung von Adipositas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81238
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