Der Nürnberger Johannisfriedhof liegt an der alten Fernhandelsstraße nach Frankfurt, der heutigen Johannisstraße, in der ehemaligen Vorstadt St. Johannis. Ursprünglich diente er als Begräbnisstätte des angrenzenden Siechkobels.
Seit im Jahr 1518 Beerdigungen innerhalb der Stadtmauern vom Rat verboten worden waren, wurden auf ihm die Toten der vornehmen Sebalder Stadthälfte begraben. So befinden sich dort eine Vielzahl Grabmähler reicher und berühmter Nürnberger, unter anderen die Holzschuherkapelle, die der gleichnamigen Patrizierfamilie als Grabstätte diente. Wenige Meter unterhalb der Holzschuherkapelle stand in der ehemaligen südöstlichen Ecke des Friedhofs das sogenannte Totengräberhäuslein. Der kleine Bau bestand vor allem aus zwei Räumen, dem Totengräberstüblein, das den Totengräbern in ihren Arbeitspausen als Aufenthaltsraum diente, und dem Tennen, einem Lagerraum mit gestampftem Lehmboden , in dem Werkzeug und Material gelagert wurden.
Den Friedhof verwaltete in der Zeit des hier behandelten Falles im Auftrag des Nürnberger Magistrats der Steinschreiber Johann Ernst Böhm. Unter ihm dienten der Totengräbermeister Georg Widmann, der Totengräberknecht oder Oberknecht Carl Gottlieb Langfritz und die Totengräberhelfer oder Unterknechte Johann Stied und Johann Philipp Feigel. Langfritz hatte die Stelle des Oberknechts, mit der eine Anwartschaft auf den Posten des schon 73-jährigen Totengräbermeisters verbunden war, erst seit wenigen Wochen inne. Der Helfer Feigel hatte sich auch darum beworben, war aber nicht genommen worden.
Diese Zurücksetzung und die Hoffnung, vielleicht doch noch die gesicherte Position des Totengräbermeisters erreichen zu können, trieben Feigel zu einer verzweifelten Tat: Am Montag, dem 3. Dezember des Jahres 1787 ermordete er den Totengräbersknecht Langfritz, als dieser auf der Bank in der Stube des Totengräberhäusleins seinen Mittagsschlaf hielt, und verscharrte den Körper in dem angrenzenden Lagerraum. Der Mord wurde aber bald entdeckt. Feigel wurde verhaftet, vom Magistrat zum Tode verurteilt, und am 18. März 1788 hingerichtet.
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Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Quellen
- Das,,Urthel-Buch“
- Die Schöffenamtsakten
- Der Will-Katalog
- Das Nürnberger Malefiz-Verfahren – Recht, Prozeß und Institutionen
- Das peinliche Strafrecht
- Der Rat als Richter
- Die Ratskonsulenten
- Das Schöffenamt
- Die Lochgefängnisse
- Der Mord an dem Totengräbersknecht Carl Gottlieb Langfritz
- Langfritz verschwindet – erste Ermittlungen
- Maria Barbara Langfritz träumt – Die Leiche wird gefunden
- Das erste Geständnis Feigels
- Die Leichenschau
- Das erste artikulierte Verhör
- Das zweite artikulierte Verhör
- Der,,beichtväterliche bericht“
- Urteil und Hinrichtung
- Ergebnisse
- Personenregister
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert den Mord an dem Totengräbersknecht Carl Gottlieb Langfritz im Jahr 1787 in Nürnberg und untersucht die Ermittlungsprozesse des reichsstädtischen Schöffenamts. Ziel ist es, Einblicke in die Methoden der "Kriminalpolizei" im späten 18. Jahrhundert, die Struktur der Nürnberger Justiz und den Alltag der Totengräber sowie deren Verhältnis zur Obrigkeit zu gewinnen.
- Ermittlungsmethoden des Nürnberger Schöffenamts
- Das frühneuzeitliche Inquisitionsverfahren
- Struktur und Organisation der reichsstädtischen Behörden
- Der Alltag der Totengräber und die Beziehung zur Obrigkeit
- Die sozialen und politischen Verhältnisse im Nürnberg des 18. Jahrhunderts
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den historischen Kontext des Mordes am Johannisfriedhof in Nürnberg dar und gibt einen Überblick über die beteiligten Personen. Kapitel 2 beschreibt die Quellen, die für die Untersuchung des Falls verwendet werden, darunter das "Urthel-Buch", die Schöffenamtsakten und weitere relevante Dokumente. Kapitel 3 beleuchtet das Nürnberger Malefiz-Verfahren, das Strafrecht, die Institutionen und die beteiligten Personen im Strafprozess. Die Kapitel 4.1 bis 4.8 schildern die Ereignisse und Ermittlungsschritte im Mordfall Langfritz, beginnend mit dem Verschwinden des Opfers bis hin zur Verurteilung und Hinrichtung des Täters Feigel.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit dem Mordfall Langfritz in Nürnberg und untersucht die Funktionsweise der Nürnberger Strafjustiz im 18. Jahrhundert. Schlüsselbegriffe sind Malefiz-Verfahren, Inquisitionsverfahren, Schöffenamt, Totengräber, Kriminalpolizei, Ermittlungsmethoden, Gerichtsprozesse, Rechtsgeschichte, frühneuzeitliche Geschichte, soziale Verhältnisse, Nürnberger Stadtgeschichte.
- Quote paper
- Rupert Bößenecker (Author), 2002, Der Mord an dem Totengräber Carl Gottlieb Langfritz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8127