Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die deutsche Handwerksordnung
2.1 Der Handwerksbegriff
2.2 Zielsetzung der Handwerksordnung
2.3 Argumente für das Erfordernis einer Marktregulierung
2.4 Kosten der Regulierung und Auswirkungen auf die Märkte
2.4.1 Kosten
2.4.2 Auswirkungen
2.5 Eignung der Mittel zur Regulierung und Würdigung
3 Die Reform der Handwerksordnung
3.1 Notwendigkeit der Anpassung der Handwerksordnung
3.2 Elemente der Novellierung
3.3 Zielsetzung
3.4 Auswirkungen der Reform
3.4.1 Auswirkungen auf die Nachfrage
3.4.2 Auswirkungen auf das Angebot
3.4.3 Auswirkungen auf die Preise
3.4.4 Effekte auf die Ausbildungsleistung des Handwerks
4 Fazit und Ausblick
1 Einleitung
Das deutsche Handwerk als zweitgrößter Wirtschaftsbereich in der Bundesrepublik Deutschland, geprägt von kleinen und mittleren Betrieben, weist eine lange Tradition und wechselvolle Geschichte auf. Über Jahrhunderte hinweg hat sich ein ausgedehntes System von Verflechtungen weit über eine bloße marktliche Koordination hinaus in den Zünften entwickelt. Diese lange Geschichte der Regulierung und Reglementierung mündete in die deutsche Handwerksordnung.
Diese Arbeit stellt sich zum Ziel, die Handwerksordnung mit ihren Regulierungen des deutschen Handwerksmarktes zu beleuchten und die resultierenden Auswirkungen aufzuzeigen. Des Weiteren wird eine kritische Abwägung der Argumente für bzw. gegen eine Regulierung stattfinden und schließlich die Reform der Handwerksordnung mit all ihren Effekten kritisch gewürdigt werden.
2 Die deutsche Handwerksordnung
2.1 Die Geschichte des deutschen Handwerks
Die Handwerksordnung der Bundesrepublik Deutschland (HwO) mit ihren Regelungen zu Berufszulassung und Berufsausübung hat eine traditionsreiche Vergangenheit. Bereits im ausgehenden Mittelalter gab es erste Bestrebungen der Selbstordnung des Handwerks durch das Zunftwesen. Sollten diese Zunftordnungen zunächst nur eine Kontrollinstanz schaffen, kamen später eine berufsordnende sowie eine wirtschafts-, sozial- und bildungspolitische Ausrichtung hinzu. Eine Handwerkslehre sowie die Meisterprüfung wurden verpflichtend eingeführt. Mit dem zunehmenden Konkurrenzdruck wurde schließlich der bis dahin freie Zugang zum Handwerk deutlich beschränkt. Gipfel dieser Entwicklung war die strenge Reglementierung der Anzahl der Handwerksmeister in einer Stadt sowie die Erblichkeit des Meisteramtes.[1] Die Gewerbepolitik in den späteren Jahrhunderten war nicht konsistent und immer wieder durch Entwicklungen hin zu mehr Gewerbefreiheit beispielsweise im preußischen Staatswesen des 19. Jh. oder zu mehr regulatorischen Eingriffen wie zum Beispiel zur Kaiserzeit oder der Weimarer Republik geprägt. Dort wurde auch der kleine Befähigungsnachweis als Berechtigung zur Lehrlingsausbildung und schließlich der große Befähigungsnachweis eingeführt. Dieser machte die erfolgreiche Meisterprüfung zur Voraussetzung für die Ausübung eines selbstständigen Handwerksgewerbes.
Der große Befähigungsnachweis bildet auch den zentralen Bestandteil der in der heute gültigen Form 1953 formulierten und mehreren Anpassungen unterzogenen HwO. Hier legt der Gesetzgeber die Vorraussetzungen für die Berufszulassung im Handwerk, bzw. für die selbstständige Führung eines Handwerksgewerbes fest.[2] Es werden die Berufsbilder abgegrenzt, die Berufsausübung und Berufsausbildung geregelt sowie die Aufgaben der Handwerksorganisationen bestimmt.
2.2 Der Handwerksbegriff
Zu einer eingehenden Analyse der HwO ist es zunächst erforderlich, den Handwerksbegriff zu definieren und einzuordnen. „Wer ein Handwerk selbstständig betreiben will, muss die dafür erforderliche berufliche Kompetenz besitzen und diese durch Gesellenprüfung, mehrjährige Gesellenzeit und Meisterprüfung nachgewiesen haben.“[3] Zum Handwerksgewerbe zählen alle Betriebe, die in einem Gewerbe tätig sind, welches in Anlage A zur HwO aufgeführt ist, und ihre Tätigkeit „handwerksmäßig“ ausführen.[4] Dazu zählen beispielsweise die Bau- und Ausbaugewerbe, Metallgewerbe, Holzgewerbe oder Nahrungsmittelgewerbe.[5]
2.3 Zielsetzung der Handwerksordnung
Nach der Argumentation des Gesetzgebers und des Zentralverbands des deutschen Handwerks (ZDH) als wichtigstem Verbandsgremium erfordern der Marktzugang und die Handwerksausübung eine besondere staatliche Regulierung. Für diese sehr restriktiven Zutrittsbeschränkungen zu den Märkten für Handwerksleistungen, die das Grundrecht auf freie Berufswahl und -ausübung nach Art. 12 GG in erheblichem Maße einschränken bedarf es sehr schwerwiegender Argumente.[6] Kernargumente waren die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und Förderung der Leistungsfähigkeit des Handwerksstandes als wichtigen Teil des deutschen Mittelstandes. Ohne Regulierung wäre eine angemessene Qualitätssicherung der Handwerksleistung, Gefahren- und damit Verbraucherschutz, Vermeidung einer ruinösen Konkurrenz sowie eine adäquate Lehrlingsausbildung nicht mehr gewährleistet. Sie steht daher zum Schutz des Gemeinwohles in einem öffentlichen Interesse.[7]
„Wenn eine Lösung dieser Probleme allein durch Marktprozesse entweder nicht möglich ist oder nur zu deutlich suboptimalen Ergebnissen führt, dann stellt sich die Frage nach geeigneten Regulierungsmaßnahmen.“[8]
2.4 Argumente für das Erfordernis einer Marktregulierung
„In einer marktwirtschaftlichen Ordnung wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass der Markt bzw. der auf ihm herrschende Wettbewerb in der Lage ist, die Koordination der einzelwirtschaftlichen Entscheidungen in einer Weise durchzuführen, in der das volkswirtschaftliche Allokationsproblem befriedigend, d. h. in Richtung auf eine optimale Allokation gelöst wird. () Es gilt daher zu fragen, inwiefern die Regulierung des Handwerks () positive Wirkungen auf die Lösung des volkswirtschaftlichen Allokationsproblems ausübt.“[9] So kann es sich als zweckmäßig erweisen, bei bestimmten Marktmängeln bzw. bei einem Marktversagen regulativ in den Markt einzugreifen, um deren negative Effekte zu kompensieren und Wettbewerb und optimale Allokation wieder herzustellen.
Es ist also zu prüfen, ob im vorliegenden Fall auf Grund spezifischer Marktmängel oder einem umfassenden Marktversagen ein gesamtwirtschaftlicher Schaden unausweichlich und somit eine staatliche Regulierung wünschenswert und notwendig ist.
„Eine der Voraussetzungen für die allokative Effizienz des Wettbewerbssystems () ist die vollkommene Information der Wirtschaftsubjekte bzw. die Kostenlosigkeit des Informationsgewinns über die Angebots- und Nachfrageverhältnisse auf den Märkten.“[10] Sind diese Bedingungen nicht erfüllt bzw. nur mit hohem Kosteneinsatz erfüllbar, so ist die Tendenz zu einer optimalen Allokation eher gering. Im Gegensatz dazu lässt sich aber möglicherweise das Marktergebnis durch Regulierungsmaßnahmen an eine optimale Allokation heranführen. Zur Beurteilung einer besseren oder schlechteren Allokation bedarf es aber immer eines Referenzsystems. Das sei hier jene Verteilung, die sich bei vollständiger Information der Wirtschaftssubjekte über die Preise und Qualität der Güter und Leistungen und ohne Informationskosten einstellen würde[11].
Allerdings müssen die Akteure in der Realität immer unter dem Aspekt der Unsicherheit entscheiden bzw. müssen zur Verminderung der Unsicherheit teilweise erhebliche Kosten aufwenden. Die Aufwendungen für Informationen unterscheiden sich aber massiv: So sind Informationen zu den Entscheidungsparametern Preis und Menge zu deutlich geringeren Kosten zu gewinnen als Informationen zu den Eigenschaften oder der Qualität eines Gutes. Anhand letzterer lässt sich auch eine Güterklassifizierung vornehmen: Im Allgemeinen wird hier in Suchgüter, Erfahrungsgüter und Vertrauensgüter unterschieden.[12]
[...]
[1] Vgl. Deregulierungskommission 1991 S. 117.
[2] Vgl. Henman 2003 S. 3.
[3] Kucera/ Stratenwerth 1990 S. 8.
[4] Vgl. Bode 2003a S. 4.
[5] Vgl. Deregulierungskommission 1991 S. 119. Für die weiteren Ausführungen ist eine genauere Klassifizierung jedoch ohne Belang und unterbleibt daher.
[6] Vgl. Bode 2003a S. 3.
[7] Vgl. Deregulierungskommission 1991 S. 120 ff.
[8] Kucera/ Stratenwerth 1990 S. 73.
[9] Kucera/ Stratenwerth 1990 S. 55.
[10] Kucera/ Stratenwerth 1990 S. 56.
[11] Kucera/ Stratenwerth 1990 S. 62
[12] Vgl. Bode 2003 S. 7.