Ein Vergleich des „Deutschen Wörterbuches“ von Jacob und Wilhelm Grimm mit dem „Wörterbuch der deutschen Sprache“ von Daniel Sanders


Seminararbeit, 2005

27 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Gliederung

1. Jacob und Wilhelm Grimms „Deutsches Wörterbuch“
1.1. Das Konzept des DWB
1.1.1. Etymologie
1.1.2. Belegauswahl
1.1.3. Orthographie
1.2. Lexikographische Entscheidungen
1.3. Aufbau eines Artikels
1.3.1. Formteil und etymologischer Teil
1.3.2. Bedeutungs- und Belegteil

2. Sanders „Wörterbuch der deutschen Sprache“
2.1. Leitidee
2.2. Sprachgebrauch
2.3. Lexikographische Entscheidungen
2.3.1. Anordnungsweise
2.3.2. Aufbau eines Artikels
2.3.2.1. Stichwortgruppe und Formteil
2.3.2.2. Bedeutungsteil mit Belegen
2.3.2.3. etymologische Bemerkungen

3. Vergleich der beiden Wörterbücher
3.1. Formteil
3.2. etymologischer Teil
3.3. Bedeutungs- und Belegteil

4. Fazit

5. Literatur

1. Jacob und Wilhelm Grimms „Deutsches Wörterbuch“

Den Anstoß zu einem großen neuhochdeutschen Wörterbuch, welches den Wortschatz von Luther bis Goethe verzeichnen sollte, gaben Karl Reimer und Salomon Hirzel, die Inhaber der Weidmannschen Buchhandlung in Leipzig. Wiederholte Male traten sie mit der Bitte, dieses Wörterbuch zu schreiben, erfolglos an die Brüder Grimm heran.

Erst als die Brüder am 18. September 1837 zusammen mit fünf weiteren Göttinger Professoren in einer Protestschrift den Diensteid auf die Verfassung von 1833 bekräftigten, die der neue König von Hannover, Ernst August II., als zu liberal aufgehoben hatte und die so genannten „Göttinger Sieben“ auf königliche Anordnung ihre Ämter verloren, hatten die Brüder genug Zeit, über andere Projekte nachzudenken. Diese Situation ausnutzend trat Karl Reimer erneut mit dem Konzept eines deutschen Wörterbuchs an Wilhelm heran. Die Brüder überdachten ihre Situation, und die Aussicht auf ein Einkommen und eine unabhängige wissenschaftliche Arbeit für die Nation ließen sie letztendlich einem Vertrag mit der Weidmannschen Buchhandlung zustimmen.[1]

1837 begannen die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, ihren Plan für ein etymologisch-sprachgeschichtlich aufgebautes Wörterbuch der deutschen Sprache, welches Diachronie und Synchronie verbindet, umzusetzen.

Einen großen Teil der Arbeit (insgesamt 25 Jahre) haben die Brüder Grimm mit den Lemmata A bis Froteufel beigetragen, wobei Jacob Grimm die größte Zahl der Artikel dazu beisteuerte. Er behandelte die Buchstaben A, B, C sowie E und F bis zum Wort Frucht. Den Buchstaben D hat Wilhelm Grimm erarbeitet.

Die erste Lieferung des Buchstabens A bis zum Wort ‚Allverein´ erschien am 1. Mai 1852. Zwei Jahre später wurde der erste Band bis zum Wort Biermolke und dem erklärenden Vorwort Jacob Grimms komplettiert. Nachdem die Brüder Grimm die Arbeit nicht mehr weiterführen konnten, setzten verschiedene Germanisten die Arbeit fort. Es sollte mehr als hundert Jahre dauern, bis alle Bände vollständig erschienen sind. 1960 wurde die letzte Lieferung gedruckt. Erst weitere zehn Jahre später erschien das Quellenverzeichnis.

1.1. Das Konzept des DWB

Zum einen „sollte das Deutsche Wörterbuch die historisch-etymologische Wortforschung als Wissenschaftsparadigma etablieren und möglichst über wissenschaftliche Kreise hinaus national motiviertes Prestige verleihen.“[2]

Das Deutsche Wörterbuch sollte zum anderen den nationalen Schatz, die Sprache und Literatur darstellen und die Macht der Sprache dem Volke nahe bringen, für welches die Sprache und Literatur Identität bedeuteten.

Ein drittes Ziel, das die Brüder mit ihrem Wörterbuch verfolgten, „bestand in der Begründung und Durchsetzung einer Sprach- und Methodenauffassung entsprechenden historisierenden Orthographie.“ [3]

1.1.1. Etymologie

„Etymologie ist das salz oder die würze des wörterbuchs, ohne deren zuthat seine speise noch ungeschmack bliebe: man mag auch manches gern roh genieszen und lieber als versalzen.“[4][5]

In diesem von Anfang an breit konzipierten Werk wollte insbesondere Jacob Grimm seine Erkenntnisse, die er aus seinen historisch-vergleichenden Untersuchungen gewonnen hatte, öffentlichkeitswirksam herausbringen. Er entdeckte zusammen mit Franz Bopp und dem Dänen Rasmus Rask den indoeuropäischen Sprachzusammenhang. Man konnte nun die Wortwurzeln, die bis dahin nur spekulativ ermittelt werden konnten, nun aber durch wissenschaftliche Begründung zum wichtigsten, weil ältesten Bestandteil des deutschen Wortschatzes geworden, erklären und in das Zentrum der Forschungen stellen. Adelungs Wörterbuch rückte zunehmend in den Hintergrund, da durch die neuen Erkenntnisse seine etymologischen Angaben nicht nur sehr spärlich, sondern oftmals falsch erschienen und somit überholt waren.[6]

Indem sie diesen historischen Ursprung der deutschen Sprache in ihr Wörterbuch einfließen ließen, wollten sie den Menschen ihre ureigene Sprache, ihre Geschichte und somit ihre Identität wiedergeben. Sie wollten „in den Etymologien den Schlüssel zum verloren gegangenen poetischen Paradies der Sprache suchen, so, wie sie vor den Einflüssen der Römer und der Franzosen gewesen sein musste“[7] und somit die deutsche Zerrissenheit heilen.

Dem Menschen sollte die Geschichte der einzelnen Wörter nahe gebracht werden und das Wörterbuch sollte den Menschen ermöglichen, den ganzen Reichtum des Neuhochdeutschen zu erkennen. Das Entwicklungsdenken ist insgesamt charakteristisch für die romantische Epoche, jedoch kam es in der Lexikographie bisher noch nicht vor. Der historische Ansatz zeigte sich vor allem in der Ausarbeitung von Etymologien, zu der es noch wenig zuverlässige Vorarbeiten gab und in der Wortbelegung, die sich über vier Jahrhunderte erstrecken sollte. „Die Gegenwart, die gegenwärtige Bedeutung und der aktuelle Gebrauch der Wörter lagen dagegen am Rand des Interesses.“[8] Um jedoch die Bedeutungen der Wörter einigermaßen zu fixieren und Homonyme bzw. Homographen auseinander halten zu können, genügten den Brüdern Grimm einige lateinische Äquivalente, eine Praxis, die ohnehin üblich war. Des Weiteren konnten die Brüder durch ihre historische Forschung nur über die Veränderung einer Wortform Auskunft geben, nicht über die Veränderungen in der Bedeutung.

1.1.2. Belegauswahl

Die altdeutsche Poesie als Quelle hatte einen herausragenden Stellenwert. Es ging den Brüdern nicht darum, dass der Leser Informationen aus dieser gewaltigen Masse an Quellen zieht, sondern darum, dass er ein Bewusstsein für die Großartigkeit der Poesie bekommt. „Beispiele sollten nicht ein an rhetorischen oder poetischen Regeln bzw. an der Leitvarietät ausgerichteten Wortgebrauch vorführen, sondern die Leser sollten affektiv betroffen gemacht werden von der Fülle, der Schönheit und der Gewalt der Sprache an sich, die im Kern als natürlich poetische Sprache gedacht wird.“[9] Die Belege hatten weniger eine Vorbild-, als eher eine Urbild-Funktion.[10]

Wilhelm Grimm sprach von dieser Idee 1846 auf der Germanistenversammlung folgendermaßen:

„Ich hoffe, es wird dem deutschen Wörterbuch gelingen, durch eine Reihe ausgewählter Belege darzutun, welcher Sinn in dem Wort eingeschlossen ist, wie er immer verschieden hervorbricht, anders gerichtet, anders beleuchtet, aber nie völlig erschöpft wird; der volle Gehalt lässt sich durch keine Definition erklären [...] der Geist ist es allein, der das Wort erfüllt und der Form erst Geltung verschafft;“ [11]

Mit „Geist“ spricht Wilhelm hier den Sprach- und den Volksgeist an, einen zentralen Begriff der romantischen Sprachauffassung, der Sprachentwicklung und das Wesen des Deutschen an und in der Sprache zusammenfasst.

Das Wörterbuch hatte den Anspruch, die Sprache dreier Jahrhunderte, von Luther bis Goethe, und dabei alle Stilschichten und alle Mundarten zu umfassen. Die dazu nötige langwierige und einseitige Exzerption sollten vom Verlag bezahlte Hilfskräfte und Kollegen übernehmen. Jedoch waren diese von der stupiden Arbeit nicht sehr begeistert, so dass die Beleggrundlage für die meisten Wortartikel zu dürftig war. 1840 hatten sie gerade einmal 60.000 Belege für die gesamte Alphabetstrecke. Welche Quellen letztendlich in das Wörterbuch aufgenommen werden sollten, hing von der Sprachgewalt des Dichters –seiner kräftigen Ausdrucksweise ab.

1.1.3. Orthographie

Bereits im Mittelhochdeutschen gab es Ansätze einer überregionalen Einheitlichkeit der Schrift. Man findet etwa ab dem 15. Jahrhundert Beispiele für Regeln, die den heutigen schon ähneln. Dennoch war die Schrift immer noch phonematisch beeinflusst, so dass man so schrieb, wie man sprach. Bis zum 19. Jahrhundert beschäftigten sich verschiedene staatliche Instanzen, Sprachwissenschaftler und Pädagogen mit dem Schriftsystem, so beispielsweise Adelung (18. Jh.). In dieser Zeit verstärkte sich das Interesse an einer Vereinheitlichung der Rechtschreibung.

Die Schreibweise, die die Brüder im DWB anwendeten, ist bis heute ungewöhnlich. Sie schrieben die Stichwörter gänzlich in Großbuchstaben, in den Texteilen, auch am Satzanfang schrieben sie durchgehend klein. Sie versuchten auch weitere Schreibungen durch ihr Wörterbuch dauerhaft in der Gesellschaft zu etablieren, die sich aber größtenteils nicht durchgesetzt haben. So zum Beispiel die Schreibung „sz“ anstelle des „scharfen s (ß)“.

1.2. Lexikographische Entscheidungen

Die Brüder Grimm entschieden sich für eine alphabetische Anordnung der Wortartikel, obwohl man bei dem Prinzip der Etymologie eher eine Gliederung nach Wortwurzeln erwartet hätte.

Die einzelnen Wortartikel sind ausnahmslos zweigeteilt. Der erste Teil ist ein etymologischer und sprachvergleichender Teil, während im zweiten Teil die Bedeutungen und Belege dargelegt werden. In der Neubearbeitung hat man die Artikel wie folgt neu gegliedert und somit übersichtlicher gestaltet: 1. Stichwortgruppe, 2. Einleitungsteil, 3. Bedeutungs- und Belegteil und 4. Kompositionsteil.

1.3. Aufbau eines Artikels

Die Stichwortgruppe und der Formteil verzeichnen das Lemma (in Großbuchstaben geschrieben), die Wortart und die lateinische, germanische, deutsche und mittelhochdeutsche Vergleichs- und Flexionsformen. Des Weiteren werden historisch vergleichende Erläuterungen und Hypothesen zur Herkunft und Verwandtschaft gegeben. In diesem etymologischen Teil werden weitere germanische und außergermanische Vergleichsformen und deren Bedeutungen angegeben. Der Bedeutungs- und Belegteil ist von der ursprünglich sinnlichen hin zur übertragenen Bedeutung geordnet. Hier werden Belege (Goethe, Luther etc.) eingearbeitet.

1.3.1. Formteil und etymologischer Teil

Bei Substantiven folgt nach dem Lemma der Genus (Maskulinum, Femininum oder Neutrum). Daraufhin geben die Brüder die Wörter im althochdeutschen, mittelhochdeutschen, niederländischen, englischen, friesischen u.a. an.

In dem darauf folgenden etymologischen Abschnitt geben die Grimms historisch vergleichende Erläuterungen und Hypothesen zur Herkunft und Verwandtschaft des Wortes. Sie führen dazu weitere germanische und außergermanische Vergleichsformen und ihre Bedeutungen auf.

[...]


[1] vgl. http://150-grimm.bbaw.de.

[2] vgl. Haß-Zumkehr: Deutsche Wörterbücher, S. 132.

[3] vgl. Haß-Zumkehr: Deutsche Wörterbücher, S. 132.

[4] Etymologie: Wissenschaft von der Herkunft, Grundbedeutung und Entwicklung einzelner Wörter sowie von ihrer Verwandtschaft mit Wörtern gleichen Ursprungs in anderen Sprachen. (Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft, S. 205.

[5] Grimm: Deutsches Wörterbuch, Vorwort, Band 1 S. XLVII.

[6] vgl. Haß-Zumkehr: Deutsche Wörterbücher, S. 123.

[7] Haß-Zumkehr: Deutsche Wörterbücher, S. 123.

[8] Haß-Zumkehr: Deutsche Wörterbücher, S. 124.

[9] Haß-Zumkehr: Deutsche Wörterbücher, S. 126f.

[10] Haß-Zumkehr: Deutsche Wörterbücher, S. 127.

[11] W. Grimm 1846 zitiert nach Haß-Zumkehr: Deutsche Wörterbücher, S. 127.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Ein Vergleich des „Deutschen Wörterbuches“ von Jacob und Wilhelm Grimm mit dem „Wörterbuch der deutschen Sprache“ von Daniel Sanders
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Wörterbücher des Deutschen
Note
2,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
27
Katalognummer
V81284
ISBN (eBook)
9783638860505
Dateigröße
561 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vergleich, Wörterbuches“, Jacob, Wilhelm, Grimm, Sprache“, Daniel, Sanders, Wörterbücher, Deutschen
Arbeit zitieren
Kerstin Schmidt (Autor:in), 2005, Ein Vergleich des „Deutschen Wörterbuches“ von Jacob und Wilhelm Grimm mit dem „Wörterbuch der deutschen Sprache“ von Daniel Sanders, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81284

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Ein Vergleich des „Deutschen Wörterbuches“ von Jacob und Wilhelm Grimm mit dem „Wörterbuch der deutschen Sprache“  von Daniel Sanders



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden