Die Ausbildung einer erkennbaren europäischen Identität ist unabdingbar, wenn das Projekt Europa nicht nur ökonomische, politische und akademische Eliten betreffen soll. Aber gerade eine Identität scheint „das fehlende Glied in einem sonst erfolgreichen und funktionierenden System der EU“ zu sein. Dies stellt für die Europäische Union ein erhebliches Problem dar, denn ohne Identität ist eine europäische Öffentlichkeit, welche den Diskurs der Zivilbevölkerung zu politischen und gesellschaftsrelevanten Themen meint, nicht möglich. Eine Öffentlichkeit ist wiederum grundlegend für Demokratien, denn ohne Öffentlichkeit fehlt es europäischen Institutionen an Legitimation, das heißt ihr Handeln wird nicht von den EU-Bürgern unterstützt und durch sie gerechtfertigt. „Erst durch die Möglichkeit der Teilnahme an politischen Diskursen fühlt sich der Bürger auch dem politischen System gegenüber verpflichtet. Er versteht und akzeptiert seine Entscheidungen und kann danach streben, es zu erhalten.“ Die folgende Arbeit geht der Frage nach, ob eine europäische Identität möglich ist und was ihr im Wege steht.
Um diese Problemstellung zu analysieren wird nach einer Beschreibung möglicher gemeinsamer europäischer Bezugspunkte für eine kollektive Identität im historischem Kontext darauf eingegangen, warum eine europäische Öffentlichkeit, die es nur in Verbindung mit einer europäischen Identität geben kann, nötig ist. Ferner sollen ausgewählte Probleme im Hinblick auf die Herausbildung einer europäischen Identität dargestellt werden. Schlussfolgernd möchte ich Lösungsansätze sowie zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten vorstellen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Geschichte: Gemeinsamer europäischer Bezugspunkt?
3 Warum braucht Europa eine Öffentlichkeit?
4 Probleme im Hinblick auf die Herausbildung einer europäischen Identität
4.1 Nationale Werte als Identitätsgrundlage
4.2 Das Demokratiedefizit der Europäischen Union
5 Ansätze zur Erleichterung europäischer Identitätsfindung
6 Schlussbemerkungen
7 Quellenverzeichnis
7.1 Literaturverzeichnis
7.2 Internetquellen
1 Einleitung
Die Ausbildung einer erkennbaren europäischen Identität[1] ist unabdingbar, wenn das Projekt Europa nicht nur ökonomische, politische und akademische Eliten betreffen soll. Aber gerade eine Identität scheint „das fehlende Glied in einem sonst erfolgreichen und funktionierenden System der EU“ zu sein.[2] Dies stellt für die Europäische Union ein erhebliches Problem dar, denn ohne Identität ist eine europäische Öffentlichkeit, welche den Diskurs der Zivilbevölkerung zu politischen und gesellschaftsrelevanten Themen meint, nicht möglich. Eine Öffentlichkeit ist wiederum grundlegend für Demokratien, denn ohne Öffentlichkeit fehlt es europäischen Institutionen an Legitimation, das heißt ihr Handeln wird nicht von den EU-Bürgern unterstützt und durch sie gerechtfertigt. „Erst durch die Möglichkeit der Teilnahme an politischen Diskursen fühlt sich der Bürger auch dem politischen System gegenüber verpflichtet. Er versteht und akzeptiert seine Entscheidungen und kann danach streben, es zu erhalten.“[3]
Jede Form von Identitäten besteht aus drei unterschiedlichen Komponenten:[4]
1. Das Verhältnis der Menschen zur Vergangenheit („Geschichte begründet Identität“),
2. die gegenwärtige Konstruktion der eigenen Umwelt durch die Menschen („soziale und politische Ortsbestimmung in der Gegenwart stiftet Identität“) und
3. das künftige Handeln der Menschen unter Einbeziehung von Zukunftserwartungen („Zukunft formt Identität“).
Voraussetzung die für Europa im Grunde gegeben sind. Historisch lassen sich einige Gemeinsamkeiten, wie beispielsweise in Bezug auf die Aufklärung oder Industrialisierung finden, die Gegenwart ist auf dem Fundament der EU durch ein Zusammenwachsen gekennzeichnet und auch die zukünftige Entwicklung deutet auf ein einheitliches Europa hin. Allerdings unterscheiden sich individuelle Ansichten stark von einer solchen Perspektive. So gilt nach wie vor das Nationalbewusstsein als oberster Bezugspunkt, Sprache und Kultur dienen als Abgrenzungen gegenüber anderen Staaten und die EU wird als oberste Instanz nicht akzeptiert. Demnach behandelt die folgende Arbeit die Frage, ob eine europäische Identität möglich ist und was ihr im Wege steht.
Um diese Problemstellung zu analysieren möchte ich nach einer Beschreibung möglicher gemeinsamer europäischer Bezugspunkte für eine kollektive Identität im historischem Kontext darauf eingehen, warum eine europäische Öffentlichkeit, die es nur in Verbindung mit einer europäischen Identität geben kann, nötig ist. Ferner sollen ausgewählte Probleme im Hinblick auf die Herausbildung einer europäischen Identität dargestellt werden. Schlussfolgernd möchte ich Lösungsansätze sowie zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten vorstellen.
2 Geschichte: Gemeinsamer europäischer Bezugspunkt?
Europa ist seit jeher gekennzeichnet von vielfältigen politischen und kulturellen Einflüssen sowie von diskrepanten historischen Entwicklungslinien. Sucht man nach den Wurzeln des Europa-Bildes, stößt man auf zwei grundlegende Probleme: Einerseits die normative Begründung Europas und andererseits die Unklarheiten der europäischen Grenzziehung. Schon bei den Griechen wurden die Grenzen durch Eroberungskriege ständig verschoben und Europa schien sich in einen eurasischen, einen atlantischen und einen mittelmeer-afrikanischen Teil zu gliedern.[5] Und auch heute ist oft eine Unterscheidung zwischen West-, Mittel- und Osteuropa vorzufinden. Bedingt durch ungleiche klimatische und geographische Verhältnisse entwickelten sich andersartige wirtschaftliche und politische Systeme, deren Widersprüchlichkeit vor allem im Kalten Krieg deutlich wurde.[6] Aber gerade in dieser ungewöhnlichen Vielfalt auf kleinstem Raum liegt die Besonderheit, die Europa für lange Zeit zum Vorreiter in rationalem und fortschrittlichem Denken machte. So waren es die Griechen, die das wissenschaftliche Denken einführten und die Römer, die diesen Grundzug europäischen Denkens praktizierten. Wissenschaftliche Erkenntnisse, ausgehend von einzelnen Städten und Regionen, fanden mit der Zeit in ganz Europa Verwendung.[7] Die geistigen Wegbereiter Europas, wie Marx, Rousseau oder Heine, ließen sich nie von nationalen Grenzen einengen.[8] Demnach trug jede noch so kleine europäische Provinz einen Teil zur gemeinsamen europäischer Geschichte bei. Sogar die Bildung von Nationalstaaten im 18. und 19. Jahrhundert lässt keine absolute Abgrenzung der Staaten zu. Denn gleichzeitig entwickelte sich eine moderne Ökonomie, die gekennzeichnet war von einer Verbesserung der Verkehrs- und Kommunikationsmittel, von der Massenproduktion und einem vermehrtem internationalem Warenaustausch. Obwohl Europa zu keiner Zeit politisch vereint war und nie eine einheitliche Sprache gesprochen wurde, kann ein gemeinsamer Bezugspunkt, der sich eben durch diese „Einheit in der Vielfalt“ zeigt, gefunden werden.[9]
Allerdings verlor Europa durch die zwei Weltkriege seine Vorrangstellung in der Welt, die es bis dahin vereinte, an die USA und die UdSSR. Die Differenzen der beiden Supermächte führten zur Auseinanderentwicklung und schließlich zur Aufspaltung des (nun abhängigen) Europas. Die Idee der politischen Einigung Europas rückte dadurch aber nicht in den Hintergrund. Im Gegenteil: Nach Ende des zweiten Weltkrieges entstanden etliche Zusammenschlüsse, die sich zur Aufgabe machten, das Ideal einer europäischen Einigung in die öffentliche Meinung einzubringen. Dabei gab es jedoch sehr unterschiedliche Auffassungen zur Gestaltung Europas. Zum einem wurde für wirtschaftlich zusammenarbeitende Nationalstaaten plädiert und zum anderem für einen europäischen Staat nach dem Vorbild der Schweiz oder der USA.[10] Schließlich trug die Gründung der europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) 1951, die sich ständig ausdehnte und später zur Europäischen Union (EU) weiterentwickelte, wesentlich zur ökonomischen (Wiederver-) Einigung Europas bei.[11] Schon Heinrich Mann prognostizierte: „Bevor Europa Wirtschaftskolonie Amerikas oder Militärkolonie Asien wird, einigt es sich“.[12] Ohne die EU hätte Europa niemals die Vorteile von Freihandel, gemeinsamer Währung und Freizügigkeit erleben können. Freie Fahrt über Grenzen, ein riesiges Warenangebot, über 50 Jahre Frieden - all das ist hauptsächlich der EU zu verdanken.[13] Die EU wurde mit dem Ziel gegründet eine wirtschaftliche Gegenmacht zu den großen Wirtschaftsmächten aufzubauen. Heute fügt sich Europa zunehmend ökonomisch zusammen und der japanischen sowie amerikanischen Konkurrenz wird immer besser standgehalten.[14] Wozu braucht es dann noch eine europäische Öffentlichkeit beziehungsweise kollektive Identität, wenn die wesentlichen Ziele der EU auch ohne eine solche erreicht werden können? Auf diese Frage soll im folgenden Kapital eingegangen werden.
[...]
[1] Synonyme für Identität sind beispielsweise Gleichheit oder Übereinstimmung.
[2] Walkenhorst (1999, S. 12).
[3] Brüll (2004). URL: http://www.europa-digital.de/aktuell/dossier/oeffentlichkeit/identitaet.shtml.
[4] Vgl. Weidenfeld (1985, S. 16).
[5] Vgl. Weidenfeld (1999, S. 22).
[6] Vgl. Brzechczyn (2003, S. 25f.).
[7] Vgl. Weidenfeld (1999, S. 23f).
[8] Vgl. Späth & Henzler (2001, S. 146).
[9] Vgl. ders.: S. 25.
[10] Vgl. Janz (1985, S. 81).
[11] Vgl. Hassner (1994, S. 171).
[12] Zit. n. Scholz (1999, S. 93).
[13] Vgl. Späth & Henzler (2001, S. 157).
[14] Vgl. Münch (1993, S. 103).
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