Internationaler Wissenstransfer durch das Expatriate Management


Diplomarbeit, 2006

83 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
1.2 Aufbau der der Arbeit

2 Multinationale Unternehmen (MNU)
2.1 Definition und Ziele der MNU aus wissensorientierter Sichtweise
2.2 Typologie der MNU
2.3 Typologie der MNU nach Perlmutter
3 Wissensmanagement
3.1 Wissen
3.1.1 Begriffe - Zeichen, Daten, Informationen, Wissen
3.1.2 Wissensarten
3.1.2.1 Implizites Wissen vs. explizites Wissen
3.1.2.2 Individuelles Wissen vs. kollektives Wissen

3.2 Wissenstransfer
3.2.1 Humanorientierter Ansatz des Wissenstransfers
3.2.2 Wissenstransfer auf individueller Ebene
3.2.3 Wissenstransfer auf Gruppenebene
3.2.4 Wissenstransfer auf organisationaler Ebene

4 Expatriate Management
4.1 Die Internationalisierung des Personalmanagements
4.2 Die Entsendung als kultureller Interaktionsprozess
4.2.1 Arbeitsdefinition von Kultur
4.2.2 Das Kulturmodell von Hofstede
4.3 Formen der Entsendung
4.3.1 Die Entsendung von Expatriates
4.3.2 Die Entsendung von Inpatriates
4.3.3 Die Entsendung von Flexpatriates
4.4 Die Phasen des Auslandseinsatzes
4.3.1 Mitarbeiterauswahl
4.3.2 Vorbereitung auf den Auslandseinsatz
4.3.3 Auslandseinsatzphase und Betreuung
4.3.4 Wiedereingliederung
4.5 Die Ziele von Auslandseinsätzen
4.5.1 Kompensation mangelnden Humankapitals im Gastland
4.5.2 Koordination und Kontrolle der MNU
4.5.3 Führungskräfteentwicklung
4.6 Erfolgsbestimmung der Entsendung

5 Internationaler Wissenstransfer durch das Expatriate Management
5.1 Die Auslandsentsendung als Transfermechanismus impliziten Wissens
5.2 Unterschiedliche Entsendungsformen und die Auswirkungen auf den
Wissenstransfer
5.3 Einfluss der kulturellen Distanz auf den Wissenstransfer
5.4 Hindernisses des Wissenstransfers
5.4.1 Individuelle Hindernisse
5.4.2 Kollektive Hindernisse
5.4.3 Organisationale Hindernisse

6 Schlussbetrachtung

Literaturliste

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Drei Forschungsfelder - Ein Themengebiet,

Abb. 2: Bausteine des Wissensmanagements,

Abb. 3: Die vier Grundmuster der Wissenstransformation,

Abb. 4: Das Spannungsverhältnis von Unternehmens- und Landeskultur,

Abb. 5: Expatriates als Transfermechanismen impliziten Wissens in MNU,

Abb. 6: Endsenderichtungen und Wissensflüsse in MNU,

Abb. 7: Organisationale Wissensbarrieren,

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Innerorganisationaler Wissensaustausch durch Expatriates,

Tabelle 2: Determinanten des Wissenstransfers auf individueller Ebene,

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Während meines Praktikums in einer Schweizer Tochtergesellschaft eines deutschen Automobilkonzerns wurde mir bewusst, dass erstaunlicherweise die meisten Füh- rungspositionen von deutschen Delegierten der Zentrale besetzt wurden, obwohl in der Schweiz ein qualitativ gleichwertiger Arbeitsmarkt besteht und kulturelle Unter- schiede zwischen Deutschland und der Schweiz, wenngleich vorhanden, so doch auf einem sehr niedrigen Niveau angesiedelt sind. Deswegen wollte ich der Frage nach- gehen, aus welchem Grund und zu welchem Zweck Expatriates eingesetzt werden.

Mit fortschreitender Globalisierung bieten sich für Unternehmen nicht nur große Chancen durch Neuerschließung potentieller Märkte sondern sie sehen sich auch einem zunehmend großen Risiko durch internationalen Wettbewerbsdruck ausge- setzt. Um ihre Wettbewerbsfähigkeit bewahren und ausbauen zu können, sind Mul- tinationale Unternehmen (MNU) gezwungen, ihr firmeneigenes Wissen, ihre Kern- kompetenzen und „best practices“ auf globaler Unternehmensebene einzusetzen. Denn wenn sich die Geschäftstätigkeit nicht länger auf nationale Grenzen be- schränkt, ist es für die Unternehmung unerlässlich, dass sie ihr Wissen und ihre Fä- higkeiten effektiv und effizient innerhalb der Organisation verteilt. Die internationa- le Wettbewerbsfähigkeit von MNU wird somit stärker abhängig von der Entwick- lung, Verteilung und Ausbeutung der Wissensressourcen in den Tochtergesellschaf- ten. Während Informationen immer schneller und besser via E-Mail, Internet, Intra- net oder auch Videokonferenzen verbreitet werden können, ist der Transfer von wettbewerbsrelevantem Wissen schwierig und langwierig. Zander und Kogut wei- sen auf das Dilemma hin, dass einfach transferierbares Wissen eben nicht wettbe- werbsrelevant sein kann, da es auch einfach für Wettbewerber imitierbar wäre.[1] Wettbewerbsrelevantes Wissen benötigt den persönlichen Kontakt. Der Transfer dessen kann daher nur indirekt, durch die Entsendung von Personen, in denen dieses Wissen verankert ist, vollzogen werden; die Informationstechnologie kann hierbei nur als Hilfsmittel fungieren. Unter dieser Prämisse ist auch die oft zitierte Aussage, das die Mitarbeiter einer Organisation ihr größtes Kapital darstellen, mehr als eine Floskel.

1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit

Es gilt in dieser Arbeit drei verschiedene Forschungsfelder der Betriebswirtschafts- lehre miteinander zu verbinden: erstens die Theorie der MNU, zweitens das Wis- sensmanagement und drittens das Expatriate Management (siehe Abb. 1). Jeweils einzeln wurden die Themengebiete bereits ausführlich diskutiert, jedoch fand bis- lang kaum eine integrative Verknüpfung dieser Themenkomplexe statt. So kon- statieren Morley und Heraty: „To date, there has been a dearth of research on the role of international assignees in the international knowledge transfer process, and the authors suggest that this has the potential to be a very fruitful line of inquiry, particularly when it is allied with a stickiness factors-based theoretical framework of international knowledge transfer.[2]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Drei Forschungsfelder - Ein Themengebiet[3]

Ziel dieser Arbeit soll es sein, diesen beklagten Mangel zu verringern und die For- schungslücke zumindest teilweise zu schließen. Durch die Integration und Kombination der drei Forschungsfelder soll das Verständnis für Wissenstransferprozesse in MNU durch das Expatriates Management untersucht und erweitert werden. Ferner wird zu prüfen sein, in welcher Art und Weise Expatriates einen Beitrag zum Erhalt und Aufbau von wissensbasierten Wettbewerbsvorteilen leisten.

1.2 Aufbau der der Arbeit

Die Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel. Als Einstieg in die Thematik wird die The- orie der MNU diskutiert. Anhand der ressourcenorientierten bzw. wissensorientier- ten Sichtweise der Unternehmung wird die strategische Bedeutung innerorganisatio- naler Wissenstransfers in MNU aufgezeigt. Dadurch wird einerseits die Betrach- tungsebene festlegt und andererseits der Untersuchungsgegenstand eingegrenzt.

Mit der Festlegung des Rahmens der Arbeit wird auch Kapitel 3 eingeleitet, in welchem zunächst das Konzept des Wissensmanagements von Probst et al. vorgestellt wird, um dann Wissenstransferprozesse als Teilbereich des Wissensmanagements näher beleuchten zu können.

Daran anschließend wird sich Kapitel 4 dem eher praktischen Thema des Expatriate Managements widmen. Es werden unterschiedliche Formen der Entsendung analysiert, ferner die typischen Phasen und die Ziele von Auslandseinsätzen.

Im fünften Kapitel, dem Hauptteil der vorliegenden Arbeit, wird der Entsendepro- zess als Wissenstransfermechanismus von MNU erforscht. Dabei werden theoreti- sche Arbeiten und empirische Untersuchungen aus den drei Forschungsfeldern MNU, Wissensmanagement und Expatriate Management zusammengeführt und kombiniert. Es zeigt sich, dass Expatriates einen Beitrag zum Erhalt und Ausbau von Wettbewerbsvorteilen leisten können. Im Weiteren werden spezifische Wis- senstransferbarrieren bei der Entsendung herausgearbeitet, um Gestaltungsanforde- rungen ableiteten zu können, die für einen effektiven Wissenstransfer förderlich sind.

Kapitel 6 schließt die Arbeit mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Erkennt- nisse ab.

2 Multinationale Unternehmen (MNU)

Die Unternehmung als Organisationsform unterliegt seit jeher einem ständigen Evo- lutionsprozess. Im Zuge der Globalisierung und der damit einhergehenden Internati- onalisierung von Unternehmen haben sich neben weiteren komplexen Organisati- onsformen, wie z.B. Strategischen Allianzen oder Joint Ventures, die Multinationa- len Unternehmen (MNU) entwickelt. Wenngleich sich die Entstehung[4] von MNU bis weit in die Geschichte zurückverfolgen ließe, hat sich die wissenschaftliche Theorie erst Mitte des 20. Jahrhunderts des Phänomens der MNU im Rahmen des „International Business“ angenommen.[5] Während der Theorieentwicklung wurden viele verschiedene Begriffe wie „international“, „transnational“, „global“, „anatio- nal“ oder „supranational“ teilweise synonym oder je nach semantischer Präferenz verwendet.[6] Der Begriff „multinational“ hat sich schließlich weitgehend durchge- setzt.[7]

Eine einheitliche Definition der MNU besteht indessen in der Literatur nicht. Eine klare Abgrenzung zu nationalen Unternehmen ist somit problematisch. Dunning definiert eine MNU sehr allgemein als ein Unternehmen, das wertschöpfende Akti- vitäten in mehr als zwei Ländern besitzt oder kontrolliert.[8] Andere Autoren stellen meist auf einen hohen Internationalisierungsgrad der strategischen und operativen Entscheidungskompetenzen oder auf einen hohen Anteil an Direktinvestitionen im Ausland ab.[9]

Als Antwort auf die Frage, warum Unternehmen auf geographische Diversifizie- rungs-Strategien mittels organisatorischer Koordination und nicht auf marktliche Koordinationsformen wie z.B. Exporte setzen, hat sich das OLI-Paradigma von Dunning in der wissenschaftlichen Diskussion durchgesetzt.[10] Nach Dunning ent- scheiden sich Unternehmen für Direktinvestitionen im Ausland, wenn drei Bedin- gungen erfüllt sind. Erstens muss ein Unternehmen auf Grund eines Eigentümervor- teils („ownership advantage“) unternehmensspezifische Wettbewerbsvorteile ge- genüber seinen Konkurrenten haben, z.B. Skalenerträge. Zweitens muss das Unter- nehmen Standortvorteile („location advantages“) im Ausland erzielen, z.B. ein nied- riges Lohnniveau oder attraktive Steuergesetze. Die dritte Bedingung für die Aus- landsinvestition ist ein Anreiz zur Internalisierung („internalisation advantage“) aus- ländischer Wertschöpfungsaktivitäten, z.B. durch die Reduzierung von Transakti- onskosten. Wenn die firmenspezifischen Vorteile die Kosten für die Überwindung von sprachlichen, kulturellen, rechtlichen und politischen Hindernissen überkom- pensieren, wird sich ein Unternehmen im Ausland engagieren und die Risiken in Kauf nehmen.

Im Folgenden wird eine Definition der MNU aus der wissensbasierten Sichtweise erarbeitet, auf welcher die weitere Untersuchung aufbauen wird. Durch die Festle- gung der Betrachtungsebene wird eine Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes vorgenommen und der Übergang zum Wissensmanagement eingeleitet. Anschlie- ßend wird das Konzept zur Typisierung der MNU von Perlmutter dargestellt.

2.1 Definition und Ziele der MNU aus wissensorientierter Sichtweise

Aus der Sicht des „Resource-based View of the Firm“ (RbV) besteht ein Unterneh- men aus einem spezifischen Bündel von materiellen und immateriellen Ressour- cen.[11] Nachhaltige Wettbewerbsvorteile für die Unternehmung konstituieren sich aus einzigartigen Fähigkeiten und Kompetenzen. In der Literatur hat sich der Begriff der Kernkompetenz etabliert. Kernkompetenzen sind per Definition nicht-imitierbar, nicht-substituierbar, unternehmensspezifisch, nutzenstiftend und transferierbar.[12] Für die MNU ist es im Hinblick auf Wettbewerbsvorteile folglich entscheidend, dass sie ihre Kernkompetenzen international einsetzt und Ressourcen zwischen den Teil- einheiten effektiv allokiert.

Mitte der 90er Jahre verschob sich mit Grants „Knowledge-based View of the Firm“ (KbV) der Fokus der wissenschaftlichen Theorie in Richtung des Wissensbegriffs.[13] Strategische Wettbewerbsvorteile lassen sich aus dieser Sicht vor allem aus der im- materiellen Ressource Wissen generieren. Somit wird die unternehmensinterne Wis- sensbasis wichtigste Ressource der Unternehmung. Die Begründung für die Existenz der MNU ergibt sich aus dem KbV folglich aus ihrer Fähigkeit, Wissen effektiver und effizienter zu beschaffen und intern zu transferieren, als dies durch marktliche Koordination möglich wäre.[14] Aus wissensorientierter Sicht kann die MNU nachhal- tige Wettbewerbsvorteile durch intraorganisationale Lern- und Synergieeffekte er- zielen. Die geographisch verstreuten Wissensbasen ermöglichen der MNU globales wie lokales Handeln. Das heißt, dass die MNU zum einen Globalisierungsvorteile, die auf konzernweiten Transfer von einheitlichen Verfahren, Standards und „best practices“ beruhen, erzielen kann. Zum anderen können Lokalisierungsvorteile auf Grund des spezifischen Wissens der ausländischen Tochtergesellschaften genutzt werden.[15]

Mit den international verteilten Unternehmenseinheiten geht allerdings auch eine erhöhte organisatorische Komplexität einher. Diese ergibt sich einerseits aus der geographischen und zeitlichen Distanz der interdependenten Auslandsgesellschaf- ten, andererseits aus Unterschieden in Sprache und Kultur.[16] Des Weiteren erfordern die global verstreuten Aktivitäten der MNU einen erhöhten Bedarf an Kontroll- und Koordinationsmechanismen jenseits traditioneller Hierarchiegefüge.[17]

Die komplexe Organisationsstruktur der MNU effizient zu gestalten, ist Aufgabe der Zentrale im Heimatland. Sie muss die Eigenständigkeit der Teileinheiten festlegen und sie mit den erforderlichen Ressourcen ausstatten und steht dabei immer vor ei- nem Optimierungsproblem. Die Zentrale der MNU muss das richtige Verhältnis zwischen Integration und Differenzierung sowie Globalisierungs- und Lokalisie- rungsvorteilen ausloten.[18] Vorteile der globalen Integration stehen z.B. erhöhten Kosten der Koordination und Kontrolle gegenüber.[19] Die Beziehungen zwischen der Zentrale und den Tochtergesellschaften stehen somit in einem ständigen Spannungsverhältnis zwischen Einheit und Vielheit.

2.2 Typologie der MNU

Im folgenden Abschnitt wird anhand der Typologie von Perlmutter betrachtet werden, wie die Beziehungen zwischen dem Stammhaus und den Tochtergesellschaften organisiert werden können.[20] Der Fokus liegt dabei auf der Gestaltung der Personalpraktiken und des Wissensmanagements sowie den Stärken und Schwächen des Konzeptes. Perlmutters Artikel „The Tortuous Evolution of the Multinational Corporation“ gilt als erster Klassifizierungsansatz von multinationalen Unternehmen. Viele folgende Studien bauen auf seiner Arbeit auf. Einen guten Überblick über heute bestehende Typologien der MNU liefert Harzing.[21]

2.3 Typologie der MNU nach Perlmutter

Perlmutter zielt mit seiner Typologie auf unterschiedliche Managementkonzepte in MNU ab. Diese haben grundlegende Auswirkungen auf die Strukturen und Prozesse der Organisation sowie auf die Besetzung der Schlüsselpositionen in den Tochterge- sellschaften. Perlmutter charakterisiert in seiner ursprünglichen Typologie drei Kon- zepte: „ethnocentric“, „polycentric“ und „geocentric“.[22] Zehn Jahre später haben Heenan und Perlmutter mit dem „regiocentric“ ein viertes Konzept hinzugefügt.[23]

Als „ethnocentric“, bzw. „home country orientated“ bezeichnet Perlmutter ein zent- ralistisches Konzept, in dem die Zentrale im Stammland globale Standards vorgibt, die in allen Tochtergesellschaften umgesetzt werden müssen. Durch die hohe globa- le Integration können Effizienzvorteile genutzt werden, die jedoch zu Lasten der Flexibilität in den ausländischen Unternehmenseinheiten gehen. Die Besetzung von Führungspositionen in den Tochtergesellschaften erfolgt primär mit Personen aus der Zentrale im Stammland. Als Grund nennt Perlmutter den Mangel an qualifizier- ten Mitarbeitern im Gastland. Expatriates werden in hohem Maße eingesetzt, um Wissen und „best practices“ zu den Tochtergesellschaften zu transferieren. Zudem sollen die Expatriates eine förderliche Kommunikation mit der Zentrale sichern. Der Wissensfluss ist größtenteils einseitig, d.h. von der Zentrale zu den Auslandseinheiten. Somit bleibt das Wissenspotential der Tochtergesellschaften weitgehend ungenutzt für die anderen Unternehmenseinheiten.

Ein gegensätzliches Konzept wird durch polyzentrische Unternehmen verfolgt. Die relativ autonomen Tochtergesellschaften zeichnen sich durch eine möglichst große Anpassung an lokale Anforderungen und Gegebenheiten aus und können somit fle- xibel auf Probleme vor Ort reagieren. Auf Grund der geringen globalen Integration können Effizienzvorteile dagegen nur bedingt realisiert werden. Führungspositionen werden fast ausschließlich durch Personen aus dem jeweiligen Land der Tochterge- sellschaft rekrutiert, d.h. es werden wenig Expatriates eingesetzt. Die Kommunika- tion zwischen den Tochtergesellschaften und zu der Zentrale ist gering, das lokale Wissen wird folglich nicht mit den anderen Unternehmenseinheiten geteilt. Dadurch kann es zu kostenintensiven Redundanzen der Wissensbasen kommen.

Das regiozentrische Konzept ist eine Weiterentwicklung des polyzentrischen Ansat- zes. Anstelle einer Anpassung an ein Land findet hier eine Anpassung an eine be- stimmte Ländergruppe statt, z.B. das westliche Europa. Die Strategie wird regional festgelegt. Ein aktiver Wissensaustausch erfolgt primär zwischen den Einheiten ei- ner Ländergruppe. Das hat zur Folge, dass wie beim polyzentrischen Ansatz zwar auch isolierte Wissensbasen entstehen, diese jedoch um ein vielfaches größer sein können. Innerhalb einer Region ist die Integration sehr hoch und somit auch die In- terdependenz der Unternehmenseinheiten. Expatriates werden nur innerhalb der gleichen Region eingesetzt. Adaptionsprobleme der entsendeten Mitarbeiter können so erheblich reduziert werden.

Das geozentrische Führungskonzept ist der Versuch, die Unternehmensaktivitäten im Rahmen eines globalen Ansatzes zu integrieren. Das anspruchsvolle Ziel ist, Ef- fizienzvorteile, gegeben durch eine hohe Integration, und Flexibilitätsvorteile, gege- ben durch lokale Anpassung, zu verbinden. Dementsprechend sind die Interdepen- denzen und der Koordinationsbedarf zwischen den Unternehmenseinheiten sehr hoch. Die Lösung dieses Problems ist die Netzwerkorganisation. Die Unterneh- menseinheiten im polyzentrischen Konzept sind weltweit vernetzt. Die Zentrale hat keine dominante Rolle, sondern vornehmlich die dezente Orchestrierung des Netz- werkes mit den weitgehend autonomen Tochtergesellschaften zur Aufgabe. Erfolg- reiche Kommunikation und effektiver Wissenstransfer zwischen den Unterneh- menseinheiten können durch eine einheitliche Unternehmenskultur und den welt- weiten Einsatz der besten Führungskräfte, unabhängig von ihrer Nationalität, ge- währleistet werden. Innerhalb der MNU können so Wissen und „best practices“ zwi- schen allen Unternehmenseinheiten transferiert und genutzt werden.

Perlmutter sieht in dem geozentrischen Führungssystem ein den anderen überlege- nes Konzept, bemerkt aber auch die erheblichen Schwierigkeiten, die geozentrische Unternehmen überwinden müssen.[24] Ein multinationales Unternehmen könne sich zwar in einem evolutorischen Prozess vom ethnozentrischen zum geozentrischen Unternehmen entwickeln, jedoch ist dieser Weg nicht zwangsläufig der richtige und unterliegt auch keinem Automatismus.[25] Letztendlich kommt es auf den „fit“ zwi- schen Unternehmensstrategie, den Organisationsstrukturen und den Umweltbedin- gungen an. Abschließend ist anzumerken, dass Perlmutters Kategorien Idealtypen sind, d.h. Unternehmen passen nie eindeutig zu einer der vier Kategorien.

3 Wissensmanagement

Nachdem mit der Betrachtung der MNU der Rahmen abgesteckt worden ist, in welchem sich diese Arbeit bewegt, wird dieser nun mit dem Untersuchungsgegenstand Wissen inhaltlich gefüllt werden. Wie aufgezeigt wurde, konstituieren sich langfristige Wettbewerbsvorteile der MNU aus ihrer Fähigkeit, wertschöpfungsrelevantes Wissen international zu generieren und intern zu transferieren. Dem RbV bzw. KbV folgend, lassen sich Wettbewerbsvorteile aus strategisch wertvollem Wissen begründen.[26] Das Management von Wissen als eine bedeutende unternehmerische Disziplin ist aus dieser Sichtweise hervorgegangen.

Der Begriff „Wissensmanagement“ ist nicht einheitlich definiert. Nach North ist die Aufgabe des Wissensmanagements der Aufbau optimaler Rahmenbedingungen, innerhalb derer Lernprozesse unbehindert erfolgen können, so dass das vorhandene und potentielle Wissen der Unternehmung in Wettbewerbsvorteile umgesetzt wer- den kann.[27]

Das Wissensmanagement ist eng verwandt mit dem älteren Forschungsfeld „Organi- sationales Lernen“. Ersterem wird zumeist eine größere Praxisorientierung zuge- schrieben. Im Hinblick auf den Wissenstransfer lassen sich beide Erkenntnisfelder jedoch genauso fruchtbar trennen wie die Begriffe „Lernen“ und „Wissen“.[28]

Ein praxisnahes Konzept des Wissensmanagements, das hier kurz angerissen wer- den soll, haben Probst et al. entwickelt (siehe Abb. 1). Sie identifizieren sechs Kern- prozesse, die jeweils einen Teilaspekt des Wissensmanagements beschreiben und zusammen einen ganzheitlichen Ansatz des Wissensmanagements bilden. Zu den Kernprozessen zählen: Wissensidentifikation, Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissens-(ver)teilung, Wissensnutzung und Wissensbewahrung.[29] Durch die Be- stimmung von Wissenszielen und ihre Bewertung lässt sich ein Managementregel- kreis aufstellen, der die strategischen und operativen Elemente integriert.[30] Auf Grund seiner Übersichtlichkeit und Praxistauglichkeit ist das „Konzept der einzel- nen Wissensbausteine“ sehr populär geworden. Es ist allerdings komplexer als es den Anschein hat, da die einzelnen Bausteine in enger Abhängigkeit zueinander stehen.[31]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Bausteine des Wissensmanagements[32]

Mit dem Konzept des Wissensmanagements von Probst et al. wurde der Wissenstransfer bzw. die Wissens-(ver)teilung als Teilbereich des Wissensmanagements eingeordnet und abgrenzt. Darauf aufbauend sollen im Folgenden das Wissen und seine Transferprozesse näher beleuchtet werden.

3.1 Wissen

Zunächst ist der Begriff „Wissen“ zu definieren, damit dann auf verschiedene Arten des Wissens eingegangen werden kann, die im Rahmen dieser Untersuchung rele- vant sind.

In der Literatur lassen sich, je nach Ausgangspunkt und Problemstellung, zahlreiche Definitionen von Wissen finden.[33] Die hier verwendete Definition fußt auf der Abgrenzung zu den verwandten Begriffen „Zeichen“, „Daten“ und „Informationen“. Diese gängige Unterscheidung wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur von zahlreichen Autoren verfolgt.[34]

3.1.1 Begriffe - Zeichen, Daten, Informationen, Wissen

Es wird davon ausgegangen, dass Zeichen, Daten, Informationen und Wissen in einer hierarchischen Beziehung zueinander stehen. Auf der untersten Hierarchieebe- ne stehen Zeichen, z.B. E, -, 2, 4.[35] Zeichen werden zu Daten, wenn sie durch ge- wisse Regeln in einem Zusammenhang gestellt werden, jedoch noch nicht interpre- tiert sind, z.B. E2-E4.[36] Daten wiederum sind die Bausteine von Informationen, wel- che als mit Kontext angereicherte Daten betrachtet werden können.[37] Informationen ergeben für potentielle Empfänger einen sinnvollen Inhalt, z.B. Eröffnungszug E2- E4. Wissen ist die höchste Stufe der Begriffshierarchie und stellt aus dieser Sicht die zweckorientierte Vernetzung von Informationen dar.[38] Wissen befähigt Personen, in einer bestimmten Problemstellung adäquat zu handeln und hat somit immer einen subjektiven Bestandteil.[39] Im hier verwendeten Beispiel befähigt das Wissen, dass es sich bei E2-E4 um eine Standarderöffnung beim Schach handelt, zu der möglichen Antwort E7-E5.

Die klare hierarchische Abgrenzung zwischen Zeichen, Daten, Informationen und Wissen ist nicht unumstritten. Es ist etwa zu beachten, dass wechselseitige Bezie- hungen zwischen den Begriffen bestehen, die einem so strikten Hierarchiegefüge widersprechen. So setzt beispielsweise das Wahrnehmen von Zeichen schon ein gewisses Wissen voraus. Auch die Fähigkeit, relevante Informationen erkennen und verwerten zu können, verlangt ein gewisses Vorwissen. Es ist z.B. klar, dass nur eine mit dem Schachspiel vertraute, mit Vorwissen ausgestattete Person, gute Züge von schlechten unterscheiden kann. Kritik an der Begriffshierarchie ist also berech- tigt. Probst et al. schlagen daher ein Kontinuum mit eher fließenden Übergängen zwischen den Polen „Daten“ und „Wissen“ vor.[40]

3.1.2 Wissensarten

In der Literatur lassen sich viele verschiedene Arten von Wissen auffinden, die an- hand unterschiedlicher Kriterien klassifiziert werden. Von Krogh und Venzing lie- fern eine umfangreiche Übersicht der in den Wirtschaftswissenschaften unterschie- denen Wissensarten.[41] Die einzelnen Wissensarten sind dabei nicht richtiger als an- dere, sondern je nach Perspektive und Untersuchungsgegenstand mehr oder weniger zielführend. Für diese Arbeit ist die Differenzierung nach explizitem und implizitem sowie individuellem und kollektivem Wissen von besonderer Bedeutung, da diese Wissensarten im Mittelpunkt der weiteren Untersuchung des Wissenstransfers in der MNU stehen.

3.1.2.1 Implizites Wissen vs. explizites Wissen

Wissen kann in die Kategorien implizites und explizites Wissen differenziert werden. Diese geläufige Klassifikation unterscheidet nach der Artikulierbarkeit des Wissens und geht auf Polanyi zurück.[42]

Explizites Wissen ist sprachlich artikulierbar, kodifizierbar und relativ leicht und ohne Qualitätsverlust transferierbar.[43] Es kann sich losgelöst vom Individuum ent- falten und ist folglich nicht personengebunden. Daher kann es auch mittels elektro- nischer Datenverarbeitung gespeichert und ohne Qualitätsverlust übertragen wer- den.[44]

Implizites Wissen hingegen ist stark personengebunden, weshalb auch synonym der Begriff „embodied knowledge“ gebraucht wird.[45] Aus der Aussage von Polanyi, „dass wir mehr wissen, als wir zu sagen wissen“[46], wird deutlich, dass Personen Wissen in sich tragen, dessen sie sich entweder nicht bewusst sind oder welches sie nicht explizieren können. Implizites Wissen ist tief in den Handlungen und Erfah- rungen von Individuen verankert, dazu zählt z.B. Managementwissen, in welches auch subjektive Einsichten und Intuition miteinfließen.[47] Auf Grund seiner verbor- genen Komponente ist implizites Wissen schwer formalisierbar und kann somit nicht mittels elektronischer Datenverarbeitung verarbeitet, übertragen und gespei- chert werden.

Implizites Wissen ist in einem historischen, situativen, kulturellen und persönlichen Kontext gebunden.[48] Es erfüllt daher zwei Bedingungen von nachhaltigen Wettbe- werbsvorteilen.[49] Implizites Wissen weist eine hohe Nicht-Imitierbarkeit und Nicht- Substituierbarkeit auf und kann daher als Quelle anhaltender Wettbewerbsvorteile fungieren.

Eine klare Dichotomie beider Wissensbegriffe gibt es indessen nicht. So meint auch Polanyi, dass beide Wissensarten untrennbar miteinander verbunden seien und explizites Wissen auch immer implizite Bestanteile beinhalte.[50]

3.1.2.2 Individuelles Wissen vs. kollektives Wissen

Eine weitere Einteilung ist die Unterscheidung in individuelles und kollektives Wissen. Individuelles Wissen ist das Wissen eines Individuums über sich und seine Umwelt.[51] Es ist an den einzelnen Menschen gebunden und steht zunächst nur dem Individuum zur Verfügung.[52]

Das kollektive Wissen einer Organisation besteht zwar aus dem individuellen Wis- sen seiner Mitglieder, ist jedoch mehr als die Summe seiner Teile.[53] Kollektives Wissen ist ein komplexes Netz von Beziehungen zwischen individuellen Wissens- basen. Es ist nicht in seine Einzelteile zerlegbar und infolgedessen schwer zu imitie- ren oder zu transferieren. Zum kollektiven Wissen zählen z.B. gemeinsame Werte und Überzeugungen, die sich in einer gemeinsamen Unternehmenskultur zeigen. Auch organisationale Fähigkeiten und Kompetenzen beruhen zum größten Teil auf kollektivem Wissen und sind auf Grund ihres hohen impliziten Charakters die Basis für nachhaltige Wettbewerbsvorteile.

3.2 Wissenstransfer

Wissenstransfer ist eine Teildisziplin des Wissensmanagements und hat die logisti- sche Aufgabe, das richtige Wissen zur richtigen Zeit am richtigen Ort in der Unter- nehmung zur Verfügung zu stellen.[54] Effizienter Wissenstransfer zeichnet sich folg- lich dadurch aus, dass er den Zugang zu gerade dem Wissen ermöglicht, welches zur Aufgabenerfüllung notwendig ist. Der Begriff „Wissenstransfer“ ist dabei eigentlich problematisch, da der Sender sein Wissen behält und das Wissen nach dem Transfer quasi einem öffentlichen Gut entspricht. Einige Autoren sprechen daher von Wis- sens-(ver)teilung.[55]

Es lassen sich drei unterschiedliche Ansätze des Wissenstransfers unterscheiden: 1. organisationsorientiert, 2. technikorientiert, und 3. humanorientiert. Im Betrach- tungsfokus dieser Arbeit steht ausschließlich der humanorientierte Ansatz, bei wel- chem der Mensch als Wissensträger fungiert und im Mittelpunkt der Wissenstrans- ferprozesse steht. Des Weiteren ist der humanorientierte Ansatz am besten auf den Transfer von implizitem Wissen anwendbar, welches auf Grund seiner verborgenen Inhalte und hohen Ambiguität der persönlichen Kommunikation beim Transfer er- fordert.

3.2.1 Humanorientierter Ansatz des Wissenstransfers

Beim humanorientierten Ansatz wird den Mitarbeitern einer Organisation eine be- sondere Bedeutung zugemessen. Sie sind die Träger und Anwender des Wissens in der Unternehmung und stehen vor allem beim Transfer impliziten Wissens im Vor- dergrund. Aufbauend auf einer guten Kommunikationskultur soll durch den intensi- ven Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitern die Ausschöpfung und Verbrei- tung von Wissenspotenzialen in der Unternehmung gewährleistet werden. Die Mit- arbeiter müssen dazu motiviert werden, am allgemeinen Lernprozess teilzunehmen und das persönliche Wissen mit anderen Organisationsmitgliedern zu teilen.[56]

Drei Richtungen des Wissenstransfers werden im Rahmen dieses Ansatzes unterschieden:[57] 1. der Transfer auf individueller Ebene, zum Beispiel vom Expatriate zu einem Mitarbeiter der Auslandsdependance, 2. der Transfer auf Gruppenebene, d.h. zwischen einem Individuum und einer Gruppe, also beispielsweise vom Expatriate zu den Mitarbeitern der Tochtergesellschaft oder vice versa und 3. der Transfer auf organisationaler Ebene, d.h. zwischen zwei kollektiven Wissenseinheiten, etwa zwischen einer Gruppe von Expatriates und den Mitarbeitern einer Auslandseinheit.

3.2.2 Wissenstransfer auf individueller Ebene

In Anlehnung an Nonaka und Takeuchi wird das Wissen der Organisation auf individueller Ebene nach vier Grundmustern transformiert und transferiert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Die vier Grundmuster der Wissenstransformation [58]

Je nach Art des zu transferierenden Wissens sind verschiedene Transfertechniken effektiv und effizient. In dieser Arbeit wird primär der Transfer von implizitem Wissen betrachtet, also nach Nonaka und Takeuchi die „Sozialisation“, die „Interna- lisierung“ und die „Externalisierung“. Die drei Prozesse sind in ihrer Reinform na- türlich idealtypisch, zumal sie auch in einem einzigen Transfervorgang simultan erfolgen können.

Die Autoren sprechen von Sozialisation, wenn zwei Personen implizites Wissen direkt transferieren, z.B. durch den Austausch gemeinsamer Erfahrungen und durch Beobachten und Nachahmen.[59] Da implizites Wissen nur schwer externalisiert wer- den kann, ist der direkte, persönliche Austausch unerlässlich. Der Prozess der Sozia- lisation ist jedoch komplex, weil er im Hinblick auf das zu übertragende Wissen sowohl der Transferfähigkeit und der Transferbereitschaft des Senders als auch der Nutzungsfähigkeit und der Nutzungsbereitschaft des Empfängers bedarf.[60] Proble- matisch für Organisationen ist auch, dass bei der Sozialisation das Wissen nicht für das gesamte Unternehmen zugänglich gemacht wird; das nicht explizierte Wissen bleibt verborgen. Wegen der schwierigeren Übertragbarkeit impliziten Wissens können beim Wissenstransfer sowohl hohe Übertragungskosten als auch hohe Unsi- cherheiten über das tatsächlich übertragene Wissen entstehen.[61] Auf die Barrieren des Wissenstransfers wird allerdings noch im fünften Kapitel ausführlich eingegan- gen.

Durch die Internalisierung wird das vorhandene explizite Wissen der Mitarbeiter mittels Ergänzung, Neuordnung und Verinnerlichung zu implizitem Wissen transformiert. Die Internalisierung ist eng verbunden mit dem Prozess des „Learning by doing“, da hier explizite Inhalte durch Mitarbeiter aufgenommen, verarbeitet und schließlich verinnerlicht werden.[62]

Die Externalisierung bezieht sich auf die Umwandlung impliziten Wissens in expli- zites, leicht kommunizierbares Wissen.[63] Durch Artikulation und mit Hilfe von Symbolen, Metaphern und Bildern wird versucht, dass implizite Wissen zu externa- lisieren.[64] Durch diesen Prozess wird Wissen erzeugt, welches leicht für das gesamte Unternehmen genutzt werden kann. Allerdings geht bei der Externalisierung immer ein Teil des Wissens verloren, da er definitionsgemäß nicht artikuliert werden kann. Zudem ist gerade bei der Externalisierung wichtig, dass die Transferpartner den verwendeten Wissensinhalten identische Bedeutungsinhalte zumessen. Insbesondere im multinationalen Kontext kommt es auf Grund unterschiedlicher Sprachen, Kultu- ren und Gebräuche zu Missverständnissen bei der Deutung explizierter Wissensin- halte.

3.2.3 Wissenstransfer auf Gruppenebene

Beim Wissenstransfer zwischen einem Individuum und einer Gruppe wird von ei- nem Sozialisationsprozess[65] gesprochen.[66] In der ursprünglichen Definition ist damit die Anpassung eines Individuums an gesellschaftliche Normen durch einen Lern- prozess gekennzeichnet.[67] Der Sozialisationsprozess kann grundsätzlich in zwei Richtungen ablaufen.

Wenn der Wissensfluss von einer Gruppe zu einer Person stattfindet, d.h. die Person die Denk- und Handlungsweisen der Gruppe erlernt und sich den Normen und Werten der Gruppe anpasst, wird von der klassischen Sozialisation gesprochen.[68] Das Resultat ist folglich eine Änderung der individuellen Wissensbasis.

Erfolgt der Wissenstransfer in entgegengesetzter Richtung, also von einem Indivi- duum zu einer Gruppe, wird dies als erweiterter Sozialisationsprozess bezeichnet.[69]

Im Allgemeinen finden beide Prozesse parallel statt, d.h. die Wissensbasen des Individuums und der Gruppe erweitern sich durch einen gegenseitigen Lernprozess simultan.[70] So werden z.B. bei einer Vorlesung nicht nur die Studenten etwas lernen, sondern im Idealfall auch der Dozent.

[...]


[1] Siehe Zander, Kogut (1995), S. 76.

[2] Morley, Heraty (2004), S. 638. Weiterer Autoren stoßen in dieselbe Richtung. Siehe z.B. Bonache, Brewster (2001), S. 166 sowie Riusala, Suutari (2004), S. 743.

[3] Quelle: eigene Darstellung.

[4] Fröhlich führt als Beispiel den internationalen Handel im Mesopotamischen Reich an. Siehe Fröhlich (1974), S. 23.

[5] Die Dissertation Hymers (1977), die der Frage nachgeht, warum Unternehmen Direktinvestitionen im Ausland tätigen, kann als eine der wegbereitenden Arbeiten der MNU-Forschung angesehen werden. Sie wurde 1960 verfasst, jedoch erst später publiziert.

[6] Vgl. Adler (1991), S. 7ff. sowie Joggi, Rutishauser-Frey (1985), S. 21ff.

[7] Vgl. Fröhlich (1974), S. 19.

[8] Vgl. Dunning (1989), S. 5.

[9] Vgl. z.B. Bartlett, Ghoshal (2000), S.2; Dunning (1989), S.5 und Buckley, Casson, M. (1991), S. 33.

[10] Vgl. Dunning (1993), S. 196 sowie Dunning (1989), S. 9f.

[11] Der Terminus RbV wurde erstmals von Wenerfelt (1984) eingeführt. Weitere bedeutende Vertreter dieses Ansatzes sind u.a. Barney (1991) und Grant (1991).

[12] Osterloh et al. (2002), S. 950.

[13] Vgl. Grant (1996), S. 109-122. Es ist anzumerken, dass Penrose schon 1959 das unternehmensinterne Wissen als eine der wichtigsten Ressourcen betrachtete. Vgl. Penrose (1980), S. 24ff.

[14] Vgl. Gupta, Govindarajan (2000), S. 473 und Kogut, Zander (1993), S. 631.

[15] Vgl. Perlmutter (1969), S. 16.

[16] Vgl. Bartlett, Ghoshal (2000), S. 15.

[17] Vgl. Boyacigiller (1990), S. 359.

[18] Vgl. Mayrhofer (2001), S. 132f.

[19] Vgl. Harzing (2000), S. 103.

[20] Vgl. zu den folgenden Ausführungen Perlmutter (1969), S. 9-18.

[21] Siehe dazu Harzing (2000), S. 104f.

[22] Vgl. Perlmutter (1969), S. 11.

[23] Vgl. Heenan, Perlmutter (1979), S. 15ff.

[24] Vgl. Perlmutter (1969), S. 14ff.

[25] Vgl. Mayrhofer (2001), S. 121.

[26] Vgl. Conner, Prahalad (1996), S. 477.

[27] Vgl. North (1998), S.149.

[28] Eine Abgrenzung der beiden Forschungsfelder unternehmen Fried und Baitsch. Siehe Fried, Baitsch (2000), S. 36.

[29] Wobei die Unterscheidung zwischen Wissens-(ver)teilung und Wissensentwicklung nicht ganz eindeutig vorgenommen werden kann, denn das übertragene Wissen muss für den Empfänger nicht zwangsläufig identisch sein. Der Transfer von Wissen resultiert in der Regel auch in der Generierung von neuem Wissen, da der Empfänger das neue Wissen nicht nur adaptiert sondern verändert, in einen neuen Kontext bringt, erweitert und gegebenenfalls verbessert. Vgl. Zander (1991), S. 23.

[30] Vgl. Probst et al. (1998), S. 54ff.

[31] Vgl. Bullinger et al. (1998), S. 24.

[32] Quelle: Probst et al. (1999), S. 58.

[33] Vgl. Probst et al. (1998), S. 34.

[34] Siehe z.B. Rehäuser, Kremar (1996), S. 2f. und Probst et al. (1998), S. 34f.

[35] Vgl. Hubig (1998), S. 9.

[36] Vgl. Picot et al. (2001), S. 91.

[37] Vgl. Probst et al. (1998), S. 34f.

[38] Vgl. Steinmüller (1993), S. 236.

[39] Vgl. Nonaka, Takeuchi (1997), S. 70.

[40] Vgl. Probst et al. (1998), S. 37.

[41] Vgl. von Krogh, Venzin (1995), S. 421.

[42] Vgl. Polany (1966).

[43] Vgl. Nonaka, Takeuchi (1995), S. 59.

[44] Vgl. Kogut, Zander (1992), S. 386.

[45] Vgl. Blackler (1995), S. 1024.

[46] Polanyi (1985), S. 14.

[47] Vgl. Nonaka, Takeuchi (1997), S. 18f.

[48] Vgl. Kriwet (1997), S. 84.

[49] Nach Barney (1991) eignen nachhaltige Wettbewerbsvorteile vier Eigenschaften: 1. Wertgenerie- rung für potentielle Kunden, 2. Seltenheit, bzw. Unternehmensspezifität, 3. Nicht-Imitierbarkeit, und

4. Nicht-Substituierbarkeit. Vgl. Barney (1991), S. 108ff.

[50] Vgl. Polanyi (1985), S. 27.

[51] Vgl. Thiel (2002), S. 17.

[52] Vgl. Nonaka, Takeuchi (1995), S. 59.

[53] Vgl. Nelson, Winter (1982), S. 104 sowie Probst et al. (1998), S. 40.

[54] Vgl. Probst et al. (1998), S. 221f.

[55] Ebd., S. 53. Der Begriff „Wissens-(ver)teilung“ erscheint semantisch jedoch eher ungeeignet, da die Doppelbedeutung in der sprachlichen Kommunikation nicht zwangsläufig vermittelt wird und er weniger die gezielte Steuerung des Wissens vermittelt als der Begriff „Wissenstransfer“.

[56] Vgl. Lehner (2000), S. 232.

[57] Vgl. Heppner (1997), S. 187f.

[58] Quelle: Nonaka, Takeuchi (1995), S. 85.

[59] Vgl. ebd., S. 85.

[60] Vgl. Thiel (2002), S. 41f.

[61] Vgl. Szulanski (1996), S. 29.

[62] Vgl. Nonaka, Takeuchi (1995), S. 72 sowie Teece (1980), S. 228.

[63] Vgl. Nonaka, Takeuchi (1995), S. 71.

[64] Vgl. Wahren (1996), S. 174.

[65] Es ist zu beachten, dass der Sozialisationsprozess hier in einem anderen Zusammenhang verwendet wird als bei Nonaka und Takeuchi (1995), die mit dem Begriff den direkten Transfer impliziten Wissens auf individueller Ebene bezeichnen. Vgl. hierzu Kapitel 3.2.2.

[66] Vgl. Heppner (1997), S. 212f.

[67] Vgl. Rosenstiel (1992), S. 133.

[68] Vgl. Heppner (1997), S. 214.

[69] Vgl. ebd., S. 214.

[70] Vgl. Thiel (2002), S. 49.

Ende der Leseprobe aus 83 Seiten

Details

Titel
Internationaler Wissenstransfer durch das Expatriate Management
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für öffentliche Wirtschaft und Personalwirtschaft)
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
83
Katalognummer
V81334
ISBN (eBook)
9783638839792
ISBN (Buch)
9783638933391
Dateigröße
769 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Internationaler, Wissenstransfer, Expatriate, Management
Arbeit zitieren
Diplomkaufmann Jürgen Kremer (Autor:in), 2006, Internationaler Wissenstransfer durch das Expatriate Management, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81334

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