Das Motiv der Krankheit bildet ein zentrales Motiv im Gesamtwerk Thomas Bernhards, welches sich derart kontinuierlich durch die Texte des Autors zieht, dass Monika Kohlhage bereits von einer Obsession spricht, die sie mit der langjährigen Konfrontation Bernhards mit der eigenen Krankheit in Verbindung bringt. 1
Bemerkenswert scheint hierbei allerdings, dass die Darstellung der Krankheit bei Bernhard – abgesehen von seinen autobiografischen Schriften – trotz der Fülle an Krankheitsbezeichnungen in den allermeisten Fällen nicht mit ausführlichen inhaltlichen Schilderungen des medizinischen Krankheitsbildes verbunden ist. 2
Vergleicht man das Motiv der Krankheit etwa mit anderen Motiven, so lässt sich dabei nach Kohlhage eine Parallele feststellen: Wie beispielsweise die häufige Nennung von Ortsnamen kann die ständige Präsenz von Krankheitsbezeichnungen, die in Zusammenhängen auftreten, deren Inhalt nicht Krankheit an sich ist, als realistisches Partikel im Wechselspiel fiktionaler und nichtfiktionaler Elemente verstanden werden. 3
Das Motiv der Krankheit bildet demnach primär ein künstlerisches Stilelement, als welches es im Folgenden auch verstanden und in Bezug auf das Stück „Heldenplatz“ näher untersucht werden soll. Dabei soll auch die Frage nach der Konzeption jener – jüdischen - Figuren, die in diesem Text mit Krankheiten konfrontiert sind, Beachtung finden.
Zunächst soll dabei ein kurzer Einblick in den „Heldenplatz“-Skandal und die im gesellschaftlichen – in diesem Fall medialen - Diskurs zum Stück verwendeten Argumentationsmodelle gegeben werden.
Ebenfalls am Beginn der Arbeit soll ein erster Abriss über besonders wirkungsmächtige Stereotype über Jüdinnen und Juden stehen, wobei hier vor allem die Verbindung von Judentum und Krankheit in Bezug auf die im Hauptteil der Arbeit folgende Analyse von Interesse sein wird.
Anschließend sollen die im Text zu findenden verschiedenen Formen von Krankheit anhand der beiden kranken Figuren, Frau Professor Schuster und Professor Robert, beleuchtet werden.
Inhaltsverzeichnis
- I Zum Motiv der Krankheit bei Thomas Bernhard – Eine Einleitung
- II. Sozialhistorische Voraussetzungen
- 1 Die Skandalisierung des Stückes
- 2 Die Verbindung von Krankheit und Judentum
- III. Die psychische Ebene: Hedwig Schuster
- 1 Das Motiv der Geisteskrankheit bei Thomas Bernhard
- 2 Die Figur der Frau Professor Schuster - (k)ein Bernhardscher Geistesmensch?
- 3 Die Funktion der Psychose
- IV. Die körperliche Ebene: Robert Schuster
- 1 Die Figur des Professor Robert – ein Geistesmensch?
- 2 Der antisemitische Diskurs über den jüdischen Körper – eine Traditionslinie?
- 3 Die Verbindung von Krankheit und Judentum in „Heldenplatz“
- V. Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Motiv der Krankheit im Stück „Heldenplatz“ von Thomas Bernhard und untersucht die Verbindung von Krankheit und Judentum in diesem Kontext.
- Skandalisierung des Stückes „Heldenplatz“ und die gesellschaftspolitischen Kontexte
- Antisemitische Stereotype und die Verbindung von Krankheit und Judentum
- Analyse der Figur der Frau Professor Schuster und ihrer Psychose
- Untersuchung der Figur des Professor Robert im Kontext des antisemitischen Diskurses über den jüdischen Körper
- Die Funktion von Krankheit als Metapher im Stück „Heldenplatz“
Zusammenfassung der Kapitel
I Zum Motiv der Krankheit bei Thomas Bernhard – Eine Einleitung
Dieses Kapitel führt in das Motiv der Krankheit im Gesamtwerk Thomas Bernhards ein und stellt fest, dass Krankheit zwar ein zentrales Motiv darstellt, jedoch meist nicht durch ausführliche Schilderungen des medizinischen Krankheitsbildes gekennzeichnet ist. Die Arbeit betrachtet das Motiv der Krankheit als künstlerisches Stilelement und stellt die Verbindung zu „Heldenplatz“ und den darin vorkommenden jüdischen Figuren her.
II. Sozialhistorische Voraussetzungen
1 Die Skandalisierung des Stückes
Dieses Kapitel beleuchtet den Skandal um die Uraufführung des „Heldenplatz“ im Kontext des 100-jährigen Jubiläums des Wiener Burgtheaters und des 50. Jahrestages des „Anschlusses“ Österreichs an Nazi-Deutschland. Es wird auf die gesellschaftspolitischen Kontexte und die kontroverse Debatte um die Aufführung eingegangen, die sowohl von Befürwortern als auch von Gegnern geführt wurde.
2 Die Verbindung von Krankheit und Judentum
Dieses Kapitel beschreibt die historische Entwicklung des Stereotyps der Verbindung von Krankheit und Judentum, das ab dem Ende des 19. Jahrhunderts in den antisemitischen Diskurs Einzug hielt. Es werden die wissenschaftlichen Studien zur Häufigkeit von Krankheiten bei Juden und die Nutzung dieses Stereotyps in der nationalsozialistischen Propaganda beleuchtet.
III. Die psychische Ebene: Hedwig Schuster
1 Das Motiv der Geisteskrankheit bei Thomas Bernhard
Dieses Kapitel beleuchtet das Motiv der Geisteskrankheit im Werk Thomas Bernhards und stellt die Relevanz dieses Themas im Stück „Heldenplatz“ heraus. Es wird auf die Darstellung der Frau Professor Schuster und ihre Psychose als Metapher für das gesamte Stück eingegangen.
2 Die Figur der Frau Professor Schuster - (k)ein Bernhardscher Geistesmensch?
Dieser Abschnitt untersucht die Figur der Frau Professor Schuster im Detail und beleuchtet ihre psychische Verfassung. Die Analyse beschäftigt sich mit der Frage, ob die Figur dem Typus des Bernhardschen Geistesmenschen entspricht.
3 Die Funktion der Psychose
Dieses Kapitel beleuchtet die Funktion der Psychose im Stück. Es wird untersucht, inwiefern die Psychose der Frau Professor Schuster ein zentrales Element der Metaphorik des Stücks darstellt und welche Bedeutung sie im Kontext der gesamten Handlung hat.
IV. Die körperliche Ebene: Robert Schuster
1 Die Figur des Professor Robert – ein Geistesmensch?
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Figur des Professor Robert und stellt die Frage nach seiner Rolle als „Geistesmensch“ im Sinne Bernhards. Es werden die physischen und psychischen Eigenschaften der Figur untersucht, um diese Frage zu beantworten.
2 Der antisemitische Diskurs über den jüdischen Körper – eine Traditionslinie?
Dieser Abschnitt untersucht den antisemitischen Diskurs über den jüdischen Körper und seine historischen Wurzeln. Es wird analysiert, inwiefern dieser Diskurs in der Darstellung der Figur des Professor Robert im Stück „Heldenplatz“ erkennbar ist.
3 Die Verbindung von Krankheit und Judentum in „Heldenplatz“
Dieses Kapitel betrachtet die Verbindung von Krankheit und Judentum im Stück „Heldenplatz“ und analysiert die Figuren der Frau Professor Schuster und des Professor Robert im Kontext der traditionellen antisemitischen Stereotype. Es wird untersucht, inwiefern die Darstellung der beiden Figuren in den Diskursen über Jüdinnen und Juden wiederzufinden ist und ob ihre Charakterisierung mit tradierten Klischeebildern korreliert.
Schlüsselwörter
Schlüsselwörter und Fokusthemen der Arbeit sind Krankheit, Judentum, Antisemitismus, Thomas Bernhard, „Heldenplatz“, Geisteskrankheit, jüdischer Körper, Metapher, Stereotype, Skandal, Sozialgeschichte, Österreich.
- Arbeit zitieren
- Bernd Csitkovics (Autor:in), 2007, Das Motiv der Krankheit in der Darstellung jüdischer Figuren in Thomas Bernhards "Heldenplatz", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81374